Personen der Geschichte

Friedrich V. von der Pfalz ( der “Winterkönig”)und seine Familie

 

 

Friedrich V. wurde am 26. August 1596 im Jagdschloss Deinschwang als erster Sohn des pfälzischen Kurfürsten Friedrich IV. (1574-1610) und Luise Juliane von Nassau Oranien (1576-1644) geboren.

Sein Vater stammte aus der Linie von Pfalz-Simmern. Unter Friedrich IV. wurde in Auhausen (heute im Landkreis Donau-Ries und Teil der Verwaltungsgemeinschaft Oettingen in Bayern)die Protestantische Union (auch Union von Auhausen) gegründet. Das war ein Zusammenschluss von acht protestantischen Fürsten und  17 protestantischen Städten im Heiligen Römischen Reich. Bevollmächtigter von Friedrich IV.  war  Christian von Anhalt.

Die pfalzgräfliche Abkunft väterlicherseits und seine Verwandtschaftsbeziehungen mütterlicherseits bis in den französischen Hochadel hinein boten Friedrich V.  eine verheißungsvolle Ausgangsposition.

Da zu dieser Zeit die Pest in Heidelberg grassierte, verbrachte Friedrich V. die ersten beiden Jahre seiner Kindheit in der Oberpfalz. Er wurde zur Erziehung an den Hof des Fürsten von Sedan, Heinrich von Bouillon, gegeben.

Neben einer standesgemäßen höfischen Erziehung  erhielt er auf ausdrücklichen Wunsch seiner Eltern eine gründliche theologische Ausbildung durch Daniel Tilenus, der in  Sedan seit 1599 Studiendirektor war. Er galt

galt als Vertreter eines gemäßigten, königstreuen Kalvinismus. Er war durch die Religionskriege in Frankreich massgeblich geprägt. Deshalb forderte er eine grenzübergreifende Solidarität unter den Reformierten. Den Fürsten machte er es geradezu zur Christenpflicht, auch in anderen Ländern einzugreifen, wenn Glaubensbrüder von der Obrigkeit verfolgt oder bedrängt wurden. Neben seiner theologischen Ausbildung sollte er mit der französischen Hofkultur vertraut gemacht werden.

Natürlich erlernte er die französischen Sprache. Das sollte ihn zur Erfüllung diplomatische Aufgaben, aber auch zur  Verheiratung mit einer ausländischen Fürstentochter vorbereiten.

Am 19. September 1610 starb Friedrich IV.  mit nur 36 Jahren an den Folgen seines unmäßigen Lebenswandels. Er hatte schon 1602 entgegen allen Reichsgesetzen die kalvinistischen Pfalz-Grafen von Zweibrücken als Vormünder und Kuradministratoren bestimmt.

Gemäß der Goldenen Bulle von 1356 wären die nächsten männlichen Verwandten, in diesem  Fall die Pfalzgrafen von Neuburg dazu berechtigt waren.  Natürlich kam es zu einem heftigen Streit zwischen den pfälzischen Linien Zweibrücken und Neuburg.

Johann II. von Pfalz-Zweibrücken wurde der Vormund von Friedrich V. und war auch Kuradministrator. Der Streit zwischen den beiden pfälzischen Linien endete erst mit der Volljährigkeit Friedrichs. Kanzler war, wie schon unter seinem Vater Christian von Anhalt,

der auch seine Vertrauensperson war. Er hatte auch die Weichen für den jungen Kurfürsten gestellt. Ein großer Coup gelang ihm mit der Vermählung Friedrichs mit Elisabeth Stuart, Tochter König Jakobs I. Sowohl der Heidelberger Oberrat und die Fürsten der Protestantischen Union begrüßten diese dynastische Verbindung nicht unbedingt  vorbehaltlos. In Deutschland befürchtete man eine stärkere ausländische Einflussnahme auf die Innenpolitik der protestantischen Reichsstände. Auch am Londoner Hof stieß die Pfälzer Werbung zunächst auf Skepsis. Zum einen  konnten sich die Engländer unter dem Titel eines „Pfalzgrafen“ nichts vorstellen. Schon mehrere Eheangebote waren in London entweder wegen der Religion oder als “nicht standesgemäß” abgelehnt worden.

Die Mutter Elisabeths Anna von Dänemark war stark gegen diese Eheschließung und auch die Madrider Diplomaten hätten die englische Königstochter lieber mit dem spanischen König vermählt. Sie streuten das Gerücht, Friedrich sei körperlich verunstaltet.

So wurde Hans Meinrad von Schönberg zum Jahreswechsel 1611/12 nach England geschickt, um die Vorteile einer ehelichen Verbindung von Friedrich und Elisabeth herauszustreichen. Meinhard war seit 1611 im Dienste von Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg. Auch für die protestantische Union erfüllte er viele zum Teil brisante Aufträge und diplomatische Aufgaben wie z.B. diese Brautwerbung. Seit dem 1.11. 1611 war er Hofmeister am kurpfälzischen Hof in Heidelberg. Seine Werbung war ja auch von Erfolg gekrönt. Als er zur Ratifikation des Ehevertrages nach London reiste, lernte er Anna Sutton-Dudley, die Tochter des 5. Baron Dudley, kennen. Sein persönliches Erfolgserlebnis. Er heiratete Anna am 22. März 1615 in London.

Als Friedrich V. 1612 selbst nach England reiste machte sich seine sorgfältige Erziehung bezahlt. Sein angenehmes Äußeres und seine vollendeten Umgangsformen beeindruckten. Er gewann auch schnell Elisabeths Herz und aus dieser aus rein politischen Gründen angebahnten Adelsverbindung war eine richtige Liebesheirat geworden.

Elisabeth wurde am 19. August 1596 als älteste Tochter Jakobs VI. von Schottland und Anna von Dänemark geboren. Sie war die Enkelin von Maria Stuart, die 1587 hingerichtet worden war. Sie hatte mehrere Geschwister, die als Kleinkinder starben. Nur zwei Brüder überlebten das Kleinkindalter. Der Ältere, Henry Frederick, der Thronanwärter starb mit 18. Der jünger Bruder Karl wurde 1625 als Charles I. König von England. Sie wurde wie für englische Königstöchter üblich von loyal zum Königshaus stehenden Adligen erzogen.

Ihre letzte Erziehungsstation war die Familie von Lord John Harington und seiner Frau Anne. Lord John war ein Patensohn von Elisabeth I. Die Familie war streng protestantisch. Sie lebte auf deren Gut Combe Abbey, einer ehemaligen Zisterzienserabtei, die

Lord John zu einem Herrenhaus umgebaut hatte.Dort lernte sie schreiben, reiten und die Fremdsprachen italienisch und französisch. 1608 zog sie an den englischen Königshof, wo sie eine enge Bindung zu ihrem Bruder Henry Frederick hatte.

Am 14. Februar 1613 wurde in der Kapelle des Whitehall Palace die Ehe zwischen dem Kurfürsten Friedrich V. und Elisabeth Stuart geschlossen. Anlässlich der Hochzeit gab es aufwändig inszenierte Feierlichkeiten in London und in England. Dies erschien auch

als ein deutliches Signal gegen die katholisch-habsburgische Vormachtstellung in Europa. Von der protestantischen Bevölkerung wurde das euphorisch wahrgenommen, was eine Fülle von Flugblättern, Pamphleten und Traktaten unterstreicht.

In London wurde die Hochzeit mit einem großen Feuerwerk auf der Themse gefeiert. Über Vlissingen/Zeeland reisten sie nach Den Haag weiter, wo sie von Maurits von Nassau, dem Onkel des Kurfürsten und Statthalter der Niederlande begrüßt wurden.

Rheinaufwärts fuhr man dann auf drei Schiffen bis Oppenheim. Die Feierlichkeiten in Heidelberg dauerten mehrere Tage. Die prunkvollen Feierlichkeiten verschlangen Unsummen.

Nach der Hochzeit baute das junge Paar seien Hauptstadt Heidelberg  zielstrebig zu einer barocken Musterresidenz aus. In der Heidelberger Residenz wurde der “Englische Bau” errichtet und mit dem 1615 erbauten Elisabethentor erhielt die englische Königstochter einen separaten Eingang in die Residenz. Dann begann man mit dem weithin berühmten Hortus Palatinus, einem Hofgarten. Baumeister war der normannische Gartenarchitekt Salomon de Caus.

Am 1. Januar 1614 gebar Elisabeth  einen Sohn, das auf den Namen Friedrich Heinrich getaufte   erste Kind, dem zwölf weitere Folgen sollten.

Der Hochzeitsvertrag hatte der Königstochter Elisabeth eine Sonderstellung zugesichert. Das führte immer wieder zu Reibereien mit ihrer Schwiegermutter  Luise Juliane. Die Wogen glättete dann immer sein Hofrat. Zusammen mit seiner englischen Frau spielte er die Rolle von Ersatzeltern für das junge Kurfürstenpaar. Im privaten Umfeld schottete Hans Meinhard von Schönberg den Kurfürsten ab, im politischen Bereich stellte Christian von Anhalt die Weichen. Als Meinhard am 3. August 1616 plötzlich starb,war das ein schwerer Verlust für den Kurfürsten. Seine Frau war schon kurz nach der Geburt des einzigen Kindes Friedrich von Schönberg, des späteren Feldherrn und Marschall von Frankreich, gestorben.

Mit seinem 18. Geburtstag übernahm Friedrich die Regierung. Die Regierungsgeschäfte führte aber der Oberrat, ein Gremium aus drei adligen und drei gelehrten bürgerlichen Räten, außerdem der Hofmeister, der Marschall und der Kanzler. Unter den Räten war

Dr. Ludwig Camerarius der wichtigste Mann. Er war schon Friedrich IV. 1598 in den Oberrat berufen worden. Zunächst war er überwiegend mit rechtskundlichen Aufgaben betraut. 1603 wurde er in die pfälzische Reichsgesandtschaft aufgenommen. Er wurde zum wichtigsten Diplomaten der Kurpfalz für die Äußere Politik innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches.

Ein verstörendes Erlebnis hatte Friedrich V. kurz nach seiner Regierungsübernahme. Er weilte auf einer Sitzung der Union in Heilbronn, als er von einem heftigen Sumpffieber ergriffen wurde. Er erholte sich zwar rasch, doch erlitt er einen Rückfall, der ihn fast das Leben gekostet hätte. Diese Krankheit veränderte auch seine Persönlichkeit. Er Wirkte nun äußerlich schon kraftlos, schläfrig und kränklich. Seiner Umgebung fiel sein melancholischer, ja fast depressiver Charakter auf.

Am 22. Dezember 1617 wurde Karl Ludwig, der zweite Sohn, in Heidelberg geboren. (+ 22.8.1680)

Ein Jahr später kam das dritte Kind, Elisabeth am  26. Dezember 1618 in Heidelberg zur Welt. (+ 8.2. 1680)

Die politische Großwetterlage verdüsterte sich zunehmend. Der Augsburger Religionsfriede von 1555 wurde immer brüchiger. Die Lage wurde noch komplizierter durch die Ausbreitung des Calvinismus, der im Religionsfrieden “verfassungsrechtlich” gar nicht berücksichtigt war. Ottheinrich (regiert von 1556-1559) führte die lutherische Konfession in der Kurpfalz ein. Sein Nachfolger Friedrich III. von Pfalz-Simmern (reg. 1559-1576) führte den Calvinismus in der Kurpfalz ein. Sein Nachfolger Friedrich IV., der Vater von Friedrich V., führte einen erneuten Bekenntniswechsel zurück zum Luthertum durch. Sein früher Tod hatte zur Vormundschaft von Johann II. von Pfalz-Zweibrücken geführt. (s.o.) Dieser hatte das calvinistische Bekenntnis seines Vaters Friedrichs III. beibehalten.

Er benutzte die Vormundschaft, um das reformierte Bekenntnis erneut in der Kurpfalz einzuführen.

In den katholisch gebliebenen Territorien setzte verstärkt die Gegenreformation ein. Die zunehmende Verhärtung zeigte sich auch in der illegalen Besetzung der lutherischen Reichsstadt Donauwörth durch Truppen des katholischen Herzogs Maximilian von Bayern 1607 . Das wiederum führte zur Gründung der protestantischen Union durch Friedrich IV. (s.o.) Der von 1609 bis 1614 schwelende jülisch-klevische Erbstreit hätte das Reich beinahe in einen Krieg gestürzt. Bei diesem Streit mischten auch die kurpfälzischen Berater kräftig mit. Christian von Anhalt, seit 1595 in den Diensten von Friedrich IV. einigte sich im Winter von 1609 auf 1610 mit Heinrich IV. auf ein gemeinsames militärisches Vorgehen mit Frankreich im jülisch-klevische Erbstreit. Hans Meinhard von Schönberg nahm an der Belagerung von Jülich als „Obrister über die Artillerie, Fortification und ein Regiment Fußvolk“ teil und trug entscheidend zum Gelingen bei.  Der Streit endete 1614 mit einem Kompromiss. Der nächste Konflikt stand schon bevor.

In den böhmischen Kronlanden der Habsburger sah sich das Haus Habsburg als Schutzmacht des Katholizismus. Böhmen war aber überwiegend protestantisch. Matthias von Habsburg wurde am 23.Mai 1611 zum König von Böhmen gekrönt. Matthias, seit 1612 Kaiser, hatte keine Erben.1618 schlug er seinen Cousin Erzherzog Ferdinand zum böhmischen König vor. Er wurde auch von den böhmischen Ständevertretern gewählt, obwohl bekannt war, dass Erzherzog Ferdinand in seinen österreichischen Ländern die Gegenreformation betrieben hatte. Nach der Wahl wurde der Einfluss der Protestanten massiv beschnitten. Sie forderten nun gemäß den 1609 gewährten „Majestätsbriefes“ für sich die freie Religionsausübung, Königswahl und Landtagseinberufung. Diese Forderung wurde in Wien ignoriert. Nun brach der böhmische Ständeaufstand aus, symbolträchtiger Höhepunkt, der zweite Prager Fenstersturz. Am 20. März 1619 starb Kaiser Matthias in Wien. Nun verweigerten die böhmischen Stände Ferdinand den Anspruch auf die Wenzelskrone und erklärten ihn für abgesetzt. Der Prager Landtag verabschiedete eine neue Ständeverfassung für Böhmen,wichtigster Punkt die Wahl eine neuen Königs. Nun kam auch der Pfälzer Kurfürst ins Spiel. Christian von Anhalt hatte von seinem Amtssitz in Amberg aus  schon seit 1618  geheime Beziehungen nach Prag gepflegt. Er hatte für die böhmischen Stände Militärhilfe organisiert. Er verhandelte mit den Ständen auch über die Krönung eines neuen Monarchen. Mitte 1619 empfing Friedrich und Christian in Amberg eine Prager Delegation, die Friedrich die böhmische Krone antrug. Eine Annahme dieses Gesuchs würde natürlich eine Provokation des Kaiserhauses bedeuten. Auch der Heidelberger Oberrat fand in seinem Gutachten mehr Risiken als Chancen gegen in einer böhmischen Kür. Sein Schwiegervater Jakob sagte Friedrich klar, dass er von England keine Hilfe erwarten dürfe. Die übrigen Fürsten der Protestantischen Union reagierten ablehnend auf das Vorhaben. Sein katholischer Verwandter aus der bayrischen Linie der Wittelsbacher, Herzog Maximilian von Bayern (1598–1651), warnte ihn brieflich klar und deutlich vor der Annahme der böhmischen Krone und erklärte “dass ich der Erste bin, der gegen die Böhmen undt Ihren unrechtmässigen König zu Veldte zieht” Sein Kanzler Christian und  seine Frau Elisabeth bestärkten Friedrich in seinem Vorhaben, wobei nicht klar ist, wie stark die Rolle seiner Frau bei dieser Entscheidung war. Als Friedrich zustimmte, wählten ihn die die böhmischen Stände am 27. August 1619 zu ihrem  König, genau einen Tag vor der Kaiserwahl Ferdinands II. in Frankfurt. 

Mit seiner schwangeren Frau und einem Gefolge von über 500 Leuten zog Friedrich in Prag ein und wurde begeistert empfangen. Der Jubel währte aber nicht lange. Die böhmischen Stände wollten ihre Macht nicht mit einem Monarchen teilen. Das Volk fühlte sich getäuscht, weil Friedrich sein Versprechen, die Religionsfreiheit zu achten, brach. Die calvinistischen Ideen wurden mit Gewalt verbreitet.Der Bildersturm im Prager Veitsdom Ende 1619 bildete einen traurigen Höhepunkt.

Auch außenpolitisch war Friedrich schnell isoliert. Die Unionsfürsten waren schon im Vorfeld der böhmischen Kür gegen eine solche und lehnten eine militärische Hilfe ab. Sein Schwiegervater hatte ihm im Vorfeld ja auch erklärt, dass er keine Hilfe erwarten könne. Kaiserliche Truppen mit spanischer Verstärkung rückten in Böhmen ein. Der sächsische Kurfürst Johann Georgs I. (1611–1656), dem die böhmische Krone von den gemäßigten protestantischen böhmischen Ständen ebenfalls angetragen worden  war, die er aber abgelehnt hatte, überrannte die Lausitz und Schlesien.

Friedrich verfügte nur über eine schlecht ausgerüstete Armee. Vor allem fehlte ihm Geld, so dass er den Sold nicht zahlen konnte. Einige verkauften ihre Waffen an den Feind. Andere desertierten. Durch einen Spion erfuhr Friedrich, dass die Kaiserlichen direkt auf Prag vorrücken wollten. Er ließ daher sein Heer unter Führung Christian von Anhalt auf dem Weissen Berg, einer Anhöhe vor Prag Stellung beziehen. Diese bot zwar einen strategischen Anhalt. Doch das Zahlenverhältnis sprach gegen ihn. 21.000 seiner Soldaten standen 28 000 Mann der Kaiserlichen gegenüber und wurden auch schnell überrannt. Die Schlacht war verloren und Friedrich floh noch in der Nacht mit seiner Familie aus Prag.

Zunächst floh er mit seiner Familie nach Brandenburg und Wolfenbüttel.   Als er in Küstrin in Brandenburg angekommen war, quittierte sein Kanzler Christian von Anhalt seinen Dienst.

Am 29. Januar 1621 wurde die Reichsacht über Friedrich  verhängt. Das war ein Verfassungsbruch des Kaisers. Die protestantischen Fürsten protestierten zwar dagegen. Der Protest wurde aber von Ferdinand zurückgewiesen und gleichzeitig die Abrüstung  der

protestantischen Truppen verlangt. Im März floh er schließlich ins Exil nach Holland.   Seine Gastgeber atmeten auf, denn wer  einen Geächteten unterstützten,war mit Sanktionen bedroht.Im April 1621 löste sich die Union auf. Im Sommer trat Johann II. von Pfalz Zweibrücken, der nach dem Tod von Friedrichs Vater die Vormundschaft für Friedrich übernommen hatte, als Statthalter der Kurpfalz in Heidelberg zurück. Die räumliche Distanz Friedrichs verhinderte  ein direktes Eingreifen Friedrichs. Weil die Lage aber für seine
Erblande immer bedrohlicher geworden war, ging er in der Nacht vom 2. auf den 3. April 1622 heimlich, mit nur zwei Begleitern aus seinem Exil über Calais nach Paris. Von dort reiste er weiter in die Südpfalz. Dort traf er auf die Truppen seines Heerführers General Ernst von Mansfeld. Diesen gab er sich zu erkennen. Er richtete  von dort aus auch gleich mehrere Schreiben an die evangelischen Fürsten. Er wollte die aufgelöste evangelische Union wiederbeleben. Graf von Mansfeld war seit 1610 immer für Gegenspieler des Hauses Habsburg tätig. Er hatte auch in Böhmen gekämpft. An der Schlacht am Weissen Berg hatte er aber nicht  persönlich teilgenommen, was ihm mit 100.000 Gulden aus der gegnerischen Kasse vergütet wurde. Seit dem Frühjahr 1621 diente er dem geächteten Friedrich. Am 27. April 1622 schlug er bei Mingolsheim den bayerisch-ligistischen Generalleutnant Tilly. Dieser Sieg und die persönliche Anwesenheit Friedrichs gaben der  pfälzischen Sache nochmals großen Auftrieb. Aber schon am  6. Mai 1622 erlitt  Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach bei Wimpfen eine vernichtende Niederlage. In dieser Schlacht waren für Friedrich nur die von Georg Friedrich aufgestellten und angeworbenen Truppen beteiligt. Von Manfelds Armee konnte nicht eingreifen. Einen weiteren Monat später konnte Tilly die Vereinigung der Armeen von Mansfeld und Christians von Braunschweig –Wolfenbüttel verhindern und schlug auch die Armee Christians. Diese beiden Niederlagen sowie ein dramatischer Mangel an Lebensmitteln wendeten das Blatt zu Ungunsten von Friedrich. Im Mai Juni überfiel von Mansfeld Darmstadt im Namen des Winterkönigs und nahm den Landgrafen als Geisel. Damit brachte Friedrich die lutherischen Staaten Europas gegen sich auf. Sein Schwiegervater Jakob  war empört und forderte Friedrich ultimativ auf, den Landgrafen sofort frei zu geben. Von Mansfeld überzeugte Friedrich schließlich,dass die pfälzischen Erblande nicht mehr zu halten waren. Er kehrte am 18. Juni 1622 nochmals nach Heidelberg zurück und ließ die 1619 verbliebenen Wertgegenstände und Akten nach Den Haag transportieren. Nach der Eroberung Heidelbergs im September 1622 fanden die Eroberer nur noch ein leeres Schloss vor. Den Sommer 1622 verbrachte Friedrich in Sedan, wo er ja seine Ausbildung erfahren hatte. Sehr ungern ging er im Oktober zurück in die Niederlande. Zum Jahreswechsel 1622/23 bildete Friedrich in Den Haag eine Exilregierung gebildet, zu deren Chef er Ludwig  Camerarius (s.o) ernannte. In Den Haag war Friedrich völlig auf die finanzielle Unterstützung seiner niederländischen und englischen Verwandtschaft angewiesen. Und dort befand er sich im Spannungsfeld widerstrebender Forderungen. Seine niederländischen Gastgeber waren für eine Fortsetzung des Krieges. Sein Schwiegervater wollte, dass Friedrich sich mit seinen Gegnern friedlich verglich. England und Spanien hatten im Mai 1623 einen Waffenstillstand für die Pfalz ausgehandelt. Friedrich weigerte sich zunächst von den Niederländern bestärkt, diesen zu ratifizieren. Erst als Jakob VI. mit ernsthaften Konsequenzen aus London drohte, musste Friedrich im November 1623 unterschreiben.

Schon im Februar 1623 hatte Kaiser Ferdinand II.die Pfälzer Kurwürde auf den Bayernherzog Maximilian übertragen. Um die politischen Tagesgeschäfte kümmerte sich Friedrich kaum, worüber sich Camerarius bitter beklagte. Einen regelrechten Geiz entwickelte er, wenn es um finanzielle Zuwendungen für seine Administration ging. Seine Hofhaltung verschlang aber Unsummen, für die von den Niederländern und London bewilligten Zahlungen meist nicht reichten. Ende 1620 baute er sich noch eine eigene Residenz in Rhenen

Das hatte für ihn den Vorteil, fernab des politischen Geschehens und der kritischen Blicke seiner Gastgeber zu sein.  Den größten Teil seiner Seit verbrachte er beim Jagen, auf langen Spaziergängen oder beim Schwimmen.

Der härteste Schicksalsschlag traf ihn am 17. Januar 1629, von dem er sich körperlich erst nach 15 Monaten erholte, seelisch aber nicht mehr. Vor Zaandam kam sein erstgeborener Sohn Friedrich Heinrich bei einem Schiffsunglück ums Leben.

Friedrich Heinrich, Pfalz, Pfalzgraf Auf Friedrich Heinrich hatte nicht nur sein Vater sondern der gesamte pfälzische Exilhof große Hoffnungen gesetzt. In den Plänen zahlreicher Diplomaten spielte er eine wichtige  Rolle.

Er war früh durch seine außergewöhnliche Intelligenz aufgefallen, die zu den besten Aussichten für seine Zukunft als Herrscher berechtigten. Jakob VI. wollte den Konflikt in der Pfalz durch die Heirat seines Enkels mit einer Infantin des Madrider Hofs friedlich lösen.

Bis dahin waren auch alle Bemühungen Friedrichs um die Rückgabe seiner Gebiete in der Pfalz gescheitert. Als Gustav Adolf in den Krieg eingriff, konnte er nochmals Hoffnung schöpfen. Als die Schweden im Dezember 1631 Oppenheim eroberten, kehrte Friedrich wieder nach Deutschland zurück.

Im Februar 1632 traf Friedrich mit Gustav Adolf in Frankfurt zusammen, da er aber keine Unterstützung aus London und Den Haag erhalten hatte, konnte er dem Schwedenkönig nichts anbieten. Friedrich sollte dem schwedischen König huldigen und die Pfalz quasi als Lehen von dem schwedischen König

nehmen. Das aber lehnte Friedrich ab und verzichtete auf Restitution. Er begab sich in das schwedisch besetzte Mainz. Am 16. November 1632 starb Gustav Adolf in der Schlacht bei Lützen.  Jetzt erst hatte sich England entschlossen, eine kleine Streitmacht und finanzielle Unterstützung zu stellen.

Aber das kam jetzt alles zu spät. Friedrich starb am 29. November in Mainz an der Pest. Die Eingeweide Friedrichs wurden entnommen und im Westchor der Katharinenkirche von Oppenheim beigesetzt. Den Leichnam nahm Friedrichs Bruder Ludwig Philipp von Pfalz-Simmern auf der Flucht vor den anrückenden Spaniern ins sichere Sedan mit.  Wo Friedrich dort dann beigesetzt wurde, ist bis heute unbekannt.

Der zweite Sohn Karl Ludwig wuchs im holländischen Exil in den Haag zusammen mit seinen Geschwistern auf. Dort war der Heidelberger Kurpfälzer Geheime und Oberrat Vollrad von Plessen, der Kurfürst Friedrich ins Exil begleitet hatte, sein Lehrmeister und Tutor.

Nach dem Tode seines Vaters 1632 wurde sein Onkel Ludwig Philipp von Pfalz-Simmern, der jüngere Bruder Friedrichs zum Vormund von Karl Ludwig. 1633 wurde er als Ritter in den englischen Hosenbandorden aufgenommen.

   

Die Schweden hatten die Pfalz 1632 wieder erobert und rückten im Mai 1633 wieder in Heidelberg ein. Ludwig Philipp hatte im April 1633 mit dem schwedischen Kanzler Oxenstierna einen Vertrag geschlossen, nach dem die Pfalz bis auf wichtige Plätze, an denen schwedische Garnisonen

verblieben, wieder den Erben Friedrichs V. zurückgegeben wurden. Aber schon nach der Schlacht von Nördlingen am 6. November 1634 zogen sich die Schweden auf linksrheinisches Gebiet zurück. Karl Ludwig flüchtete zusammen mit seinem Onkel über Saarbrücken nach Metz. Auf Rat seiner Mutter ging Karl Ludwig nach England, wo sein jüngerer Bruder Ruprecht am Hofe ihres Onkels Karl I. lebte. Dort war es  1648 zu einem 2. Bürgerkrieg gekommen, in dem Karl I. von Cromwell verhaftet wurde und nach einem Prozess zum Tode verurteilt und  am 30. Januar 1649 enthauptet wurde.

Karl Ludwig ging aufs Festland zurück zuerst zu seiner Mutter dann nach Kassel. Dort verlobte er sich mit Charlotte, der Tochter des hessischen  Landgrafen Wilhelm V. und der Landgräfin Amalie Elisabeth von Hessen. Die Heirat erfolgte am 12./22. Februar 1650 in Kassel. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor und zwar Karl II.(1651–1685), der spätere Kurfürst von der Pfalz.Dann folgte Elisabeth Charlotte, Prinzessin von der Pfalz (1652–1722), die1671 Herzog Philipp I. von Orléans, den Bruder von Ludwig XIV. heiratete und als Lieselotte von der Pfalz in die Geschichte einging.Das dritte Kind Friedrich wurde 1653 geboren und starb schon ein Jahr nach der Geburt. Die Ehe war nicht glücklich. Nach dem Tod des dritten Kindes verwies Charlotte ihren Mann  aus dem Schlafzimmer. Er wollte die Scheidung, doch Charlotte willigte nicht ein. Schließlich verstieß sie Karl Ludwig offiziell und proklamierte dies öffentlich.

Im September 1652 kam Louise Freifrau von Degenfeld als Kammerfräulein der Kurfürstin nach Heidelberg, die er nach der Scheidung von Charlotte in morganatischer Ehe heiratete.

Nach dem Westfälischen Frieden   erhielt   Karl Ludwig 1649 die Kurpfalz in verkleinerter Form wieder zurück. In der Religionsfrage wurde der Passauer Vertrag von 1552 sowie der Augsburger Religionsfriede von 1555 bestätigt.Die Kurpfalz war eines der vom Krieg am schwersten betroffenen Gebiete. Sie hatte fast die Hälfte ihrer Bevölkerung verloren. Er erhielt auch die Kurwürde zurück, allerdings nicht die bisherige. Diese war  mit dem Amt   des Reichsvikars und des Erztruchsessenamts verbunden gewesen   und die verblieb bei Bayern. In der Causa Palatina (IV. Artikel des    Osnabrücker  Friedensvertrag) wurde der 300 Jahre schwelende Konflikt zwischen der pfälzischen und bayrischen Wittelsbacher gelöst, in dem es darum ging, welche Linie als Kurfürsten an der Wahl des Königs teilnehmen sollte.   Im westfälischen Frieden wurde eine achte Kurwürde geschaffen. Es gab auch ein neues Amt dazu, das Erzschatzamt. Am 2. August 1652 wurde er Erzschatzmeister. Das war rangmäßig ein Abstieg. Die Pfalzgrafen rutschten in der Rangfolge der der weltlichen Kurämter vom ersten auf den letzten Platz. Noch schwerer wog auch der Verlust der Oberpfalz an Bayern, denn die war vor dem Krieg wirtschaftlich prosperierend und hatte vor allem, im Bergbau erhebliche Überschüsse erzielt.  Ein Erfolg war aber,  dass auch die calvinistische Konfession im Westfälischen Frieden als prinzipiell gleichberechtigt neben den Lutheranern und Katholiken anerkannt wurde. Karl Ludwig bestätigt am 10. Dezember 1650 den Lutheranern das Recht, ihre Religion auszuüben. Er mühte sich, den Neuaufbau der Kurpfalz nach den Zerstörungen des Krieges voranzubringen.

Am 1. November 1652 eröffnete Karl Ludwig die Heidelberger Universität wieder und übernahm das erste Rektorat. Er berief namhafte Professoren an die Universität wie Friedrich Spanheim den Jüngeren, Theologe und Kirchenhistoriker,Johann Heinrich Hottinger, Professor für das Alte Testament und Hebräisch, Johann Ludwig Fabricius, Professor für Systematische Theologie, Samuel von Pufendorf, für den Karl Ludwig einen Lehrstuhl für Natur und Völkerrecht einrichtete. Jacob Israel war Stadtphysikus in Heidelberg und lehrte an der Universität Physiologie, Anatomie und Chirurgie. Den einstigen weltruf konnte die universität aber trotz dieser Koryphäen nicht zurückgewinnen. Die Bibliothek musste neu aufgebaut werden nachdem Herzog Maximilian I.1622  nach München überführen wollte, nachdem Tilly Heidelberg erobert hatte. Er musste sie aber Papst Gregor XV. auf dessen ausdrücklichen Wunsch überlassen. Die wirtschaftliche Grundlage musste gewährleistet werden, neue Professoren berufen und Studenten angeworben worden. Das erste gedruckte Personal-und Vorlesungsverzeichnis wurde 1655 herausgegeben. Man bemühte sich vor allem um adlige Studenten, die das Recht auf freie Wohnungswahl und auch das Jagdrecht in den umliegenden Wäldern erhielten. 1653 ließen sich 127 Studenten einschreiben. Die Zahl ging aber ständig zurück, da es nicht gelungen war, die Universität auf eine gesündere wirtschaftliche Grundlage zu stellen.

Nach dem Tode des Kaisers Ferdinand III. 1657 übernahm Karl Ludwig das Amt des Reichsvikars, was allerdings auf heftigen Widerspruch seines Vetters Ferdinand Maria in München stieß, was beinahe in einem Waffengang endete.Die übrigen Kurfürsten vermittelten und verhinderten dies. Der Streit wurde dann erst 1724 endgültig beigelegt. Das Vikariat feierte Karl Ludwig mit Vikariatsprägungen.

1657 ließ sich Karl Ludwig auch von Charlotte scheiden, die diese Scheidung aber nie anerkannte. In diesem Jahr heiratetet er auch Louise von Degenfeld in Frankenthal. Aus dieser Ehe gingen dreizehn Kinder hervor, die aber nicht erbberechtigt waren, da Louise schon 1667 für sich und ihre Kinder auf alle Erbansprüche auf die Pfalz verzichtet hatte. Karl Ludwig gab ihr und den Kindern den Titel Raugrafen und stattete sie mit Lehen der erloschenen Raugrafschaft aus

Am 18. April 1659 wurde der Grundstein zur Providenzkirche gelegt. Sie entstand auf Initiative von Karl Ludwig und seiner Frau Louise. Sie wurde nach Plänen von Theodor Reber errichtet und erhielt den Namen Providenzkirche, nach dem Leitspruch Karl Ludwigs “Dominus providebit” (Der Herr wird sorgen) Sie wurde allerdings schon 1693 beim großen Stadtbrand im Rahmen des Pfälzischen Erbfolgekriegs zerstört, dann aber von 1715-1721 wieder neu aufgebaut.

Wichtigstes Bauprojekt wurde die Planung einer neuen Residenz, nachdem das Heidelberger Schloss im 30-jährigen Krieg zerstört worden war. Eine neue zeitgemäße Residenz sollte in Mannheim entstehen. Mit der Ausarbeitung der Pläne wurde der französische Architekt Jean Marot beauftragt.

Es wurde so zwar nie ausgeführt. Aber die Bedeutung Mannheims wuchs schlagartig, so sehr dass Karl Ludwig durchaus als zweiter Gründer Mannheims betrachtet werden kann. Mannheim profitierte auch von seiner konsequenten Ansiedlungspolitik. Mit vielen Privilegien und Anreizen wurden Siedler in die Kurpfalz gelockt. Die Konfession spielte kaum eine Rolle. Es kamen holländische, französische, englische und Schweizer Immigranten auch Mennoniten und zahlreiche Juden.

Die Verwaltung wurde reorganisiert. Die Kammergüter wurden rationell ausgenutzt. Für Sicherheit und Ordnung wurde gesorgt. Der Weinbau wurde wieder hergestellt. Tabak-und Kartoffelanbau wurden eingeführt. Eine Akzise wurde wieder erhoben, also eine Verbrauchersteuer. Karl Ludwig errichtete Manufakturen, wie z.B. in Frankenthal, wo über 20 Manufakturen entstanden z.B. eine Tuchmanufaktur und eine Porzellanmanufaktur.

Der Wiederaufbau der zerstörten und darniederliegenden Kurpfalz gelang relativ schnell. Es gelang ihm allerdings nicht trotz eiserner, fast an Geiz grenzender Sparsamkeit sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich die leeren Staatskassen wieder zu füllen zumal er auch ein stehendes Heer aufbaute.

1671 heiratete seine 19-jährige Tochter Elisabeth Charlotte von der Pfalz den Bruder des französischen Königs Ludwig XIV., Philipp von Orléans. Als Liselottes Bruder Karl II. 1685 kinderlos verstarb, machte Ludwig XIV. für seine Schwägerin Erbansprüche gelten, was zum Pfälzischen Erbfolgekrieges von 1688 bis 1697 führte und in dessen Verlauf die Kurpfalz verwüstet  und Schloss Heidelberg zerstört wurde.

Am 18. März 1677 verstarb Karl Ludwigs Frau Louise Freifrau von Degenfeld mit 42 Jahren. Karl Ludwig heiratete ebenfalls in morganatischer Ehe Elisabeth Holländer von
Berau, Tochter des Tobias Holländer, der Säckelmeister und Bürgermeister von Schaffhausen. Mit ihr hatte er einen Sohn.

Außer zu seiner jüngsten Schwester Sophie von Hannover hatte er zu seinen Geschwistern kein besonders gutes Verhältnis. Seinem Bruder Rupert hatte er 1657 das Betreten des Heidelberger Schlosses ausdrücklich verboten.

Karl Ludwig starb am 28. August 1680 bei Edingen.

Elisabeth wurde am 26. Dezember 1618 in Heidelberg geboren. Sie wurde zunächst von ihrer Großmutter Kurfürstin Luise Juliane von Oranien in Heidelberg erzogen. Nach der Schlacht am Weissen Berg brachte sie Elisabeth zu ihren nach Berlin geflohenen Eltern.

Die Eltern zogen weiter ins Exil nach Den Haag. Elisabeth blieb 1627 am kurfürstlichen Hof in Brandenburg, wo ihre Tante Elisabeth Charlotte (1597-1660) mit dem brandenburgischen Kurfürsten Georg Wilhelm lebte, den sie 1616 in Heidelberg geheiratet hatte. Elisabeth lebte 8 Jahre

In Berlin und Kossen. Für ihre Erziehung war ihre Großmutter und ihre Tante Katharina Sophie zuständig, die von calvinistischer Frömmigkeit geprägt war. 1627 kam sie zu den Eltern zurück in den Exilhof von Den Haag. Die durchweg begabten Kinder des Winterkönigs und seiner Frau

erhielten im Prinzenhof in Leiden eine vorzügliche Erziehung. Neben Gouvernanten und Erziehern kümmerte sich auch Lehrkräfte der Universität von Leiden um die umfassende Bildung der Kinder. Der Heidelberger Katechismus stand genauso auf dem Stundenplan wie Lektionen in Geschichte, Mathematik und Recht. Fremdsprachen auf dem Programm aber auch Reiten und Ballett und Gesang für die Mädchen. Erbprinz Friedrich Heinrich und die Prinzessin Elisabethstachen  durch besondere Geistesgaben hervor.  Friedrich Heinrich kam ja 1629 bei einem Schiffsunglück ums Leben.

Nach dem Tod Friedrichs 1632 kamen alle Kinder an den Hof der Mutter nach Den Haag zurück. Die Söhne verließen nach und nach das Haus der Mutter. Die Prinzessinnen beherrschten verschiedene Sprachen, wie Lateinisch, Italienisch, Spanisch, Holländisch, Englisch, Französisch und Deutsch.

Als Elisabeth kaum fünfzehn Jahre alt war, warb König Ladislaus IV. von Polen um ihre Hand. Sie gab ihm nicht das Jawort, auch weil das für sie bedeutet hätte, katholisch zu werden, worauf die polnische Geistlichkeit und der Reichstag bestanden.

Elisabeth war die Gelehrteste. Sie wandte sich  der Philosophie zu, stand in Briefwechsel mit Anna Maria von Schurmann, einer der gelehrtesten Frauen ihrer Zeit. 1619 begann sie die Schriften von Descartes zu lesen. 1640 wurde Descartes an Elisabeths Hof in Den Haag eingeführt.

Der Wegbereiter der Aufklärung nahm seinen Wohnsitz ganz in der Nähe der kurpfälzischen Prinzessin. 1644 widmete ihr Descartes sein Hauptwerk über die „Prinzipien der Philosophie“.  Die beiden blieben in jahrelangem Briefwechsel verbunden. Die Verbindung blieb bestehen bis zum Tod von

Descartes im Jahr 1650. Descartes übernahm ihre Korrekturen und Vorschläge oft als gute Verbesserungen in seine Arbeiten. 1645 trat ihr Bruder Prinz Eduard von Pfalz zum Katholizismus über, was sie als überzeugte Kalvinistin stark betroffen gemacht hat.

1646 ermordete ihr Bruder Prinz Philipp von der Pfalz (1627 bis 1650) in Den Haag auf offener Straße den Marquis de l’Epinay, einen Günstling seiner Mutter , die angeblich ein Liebesverhältnis zum dem Franzosen unterhalten hatte. Das führte zum Bruch mit ihrer Mutter und sie ging zusammen mit ihrer Schwester Henriette Marie von der Pfalz (1626-1651) von 1646 bis 1647 und 1648 an den Hof ihres Vetters, des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, wieder nach Berlin .

Schwer zu schaffen machte ihr auch das Schicksal ihres Onkels König Karl I. in England. König seit 1625 wurde er 1649 zum Tode verurteilt und am 30. Januar hingerichtet.

Nachdem ihr Bruder Karl Ludwig 1649 die Kurpfalz wieder zurückerhalten hatte, konnte auch Elisabeth 1650 wieder nach Heidelberg zurückkehren. Schnell nahm sie Kontakt zu den Professoren an der wieder eröffneten Universität auf. Sie soll sogar Studenten um sich gesammelt haben und mit

ihnen über die Lehren von Descartes zu sprechen.

In diesem Jahr wurde auch ihre Schwester Louise Hollandine (1622-1709) als Kanonisse in das Stift Herford aufgenommen. 1652 wurde ihr das Amt als Küsterin übertragen ihre Wahl zur Koadjutorin wurde aber von der regierenden Äbtissin, ihrer Cousine  Elisabeth Luise Juliane von Pfalz-Zweibrücken, verhindert.

Häusliche Zwietracht in Heidelberg, die unglückliche Ehe ihres Bruders und die anschließende Heirat mit Louise Freifrau von Degenfeld veranlassten Elisabeth, aus Heidelberg weg zu gehen. Wieder in Brandenburg betrieb sie von dort aus energisch ihre Aufnahme in das Stift Herford, unterstützt

vom Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Sie sollte dort Koadjutorin werden. Aber wie schon bei Louise Hollandine  versuchte die Äbtissin dies  wohl die Konkurrenz Prinzessin Elisabeths fürchtend  zu verhindern. Aber schließlich konnte Kurfürst Friedrich Wilhelm die Wahl durchsetzen und Elisabeth wurde am 01.05.1661  zur Koadjutorin der Fürstabtei Herford gewählt. Aufenthalte der Koadjutorin sind für die Jahre 1661, 1662, 1664, 1665 und 1666 in Herford nachweisbar.

Sie pendelte zwischen ihren Verwandten, der hessischen Landgräfin Hedwig Sophie, Tochter des brandenburgischen Kurfürstenpaars,  dem brandenburgischen Hof in Berlin und ihrer Schwester Sophie in Iburg.

Am 28.03.1667 starb Äbtissin Elisabeth Luise . Einen Monat später, am 30.04. 1667 wurde Prinzessin Elisabeth von der Pfalz feierlich als neue Fürstäbtissin des Reichsstiftes Herford inthronisiert.

Zwischen 1657 und 1669 hatte sich unter Jean de Labadie die Glaubensgemeinschaft der Labadisten gebildet. Sie wichen kaum von der Lehre der reformierten Kirche ab, strebten aber einem katholisch-klösterlichen Lebensideal nach und lebten in Gütergemeinschaft von Händearbeit.

Dieser Sekte hatte sich inzwischen Anna Maria von Schurmann angeschlossen, ihre Briefpartnerin aus Leiden. Nach der Ausweisung aus Amsterdam machte sie Labadie und seine Glaubensgenossen auf die Fürstäbtissin in Herford aufmerksam.

Bei den Labadisten wohnten Männer und Frauen in einem Haus, was den Verdacht der Vielweiberei erweckte. Dazu kam, daß die Labadisten die Gütergemeinschaft eingeführt hatten.

Die Äbitissin hatte der Gemeinde ein Haus zugewiesen, allerdings ohne den Rat und die Geistlichkeit der Stadt Herford von der Übersiedlung der Labadisten zu benachrichtigen. Sie sah sich dazu nicht verpflichtet, da sie ja Souverän ihres kleinen Territoriums war, das allerdings innerhalb der Stadtmauern lag.  Angesichts des schlechten Rufes, den die Labadisten hatten, verlangte die Bürgerschaft die sofortige Ausweisung und brachte die Angelegenheit vor das kaiserliche Reichskammergericht zu Speyer. Dieses entschied so schnell wie selten,dass die Äbtissin  bei Androhung der Reichsacht und einer Strafe von 30 Mark Gold die sofortige Ausweisung Labadies zu verfügen habe. Sie behielt die Labadisten zwar weiterhin unter ihrem Schutz aber nicht mehr in Herford sondern auf ihrem Landgut außerhalb der Stadt. Nachdem die Labadisten im Juni 1672 nach Altona weiterzogen, versöhnten sich die Äbtissin und die Stadt.

Die tolerante Haltung Elisabeths war auch den Quäkern nicht verborgen geblieben, einer anderen Religionsgemeinschaft, die in dieser Zeit in England ihren Ursprung nahm. Sie waren ebenfalls verfolgt und unterdrückt. Ihr Gründer William Penn reiste auch nach Herford, wo er die Äbtissin besuchte und drei Tage lang blieb. Der Briefwechsel dauerte bis zum Lebensende von William Penn.

Auch in in ihren letzten Lebensjahren stand sie mit zwei der bedeutendsten Philosophen in Verbindung.Mit dem Franzosen Malebranche und dem Deutschen Leibniz pflegte sie einen Briefwechsel.

Ihr wissenschaftliches Interesse schlug sich auch im weiteren Ausbau der Herforder Bibliothek nieder, die aber bei der Säkularisation zugrunde ging.

1679 wurde Elisabeth bettlägerig. Sie litt an Wassersucht und seit ihrer Jugend an Rheumatismus.Kurz vor ihrem Tode versöhnte sich aber mit ihrem Bruder Karl Ludwig.

Im Februar 1680 verstarb sie.m Im Münster von Herford wurde sie bestattet.

Ruprecht von der Pfalz wurde am 27. Dezember 1619 in Prag geboren. Ein Jahr später ging die Schlacht am Weißen Berg verloren. Friedrich V. wurde von den kaiserlichen Truppen unter General Tilly vernichtend geschlagen. Die königliche Familie machte sich auf die Flucht.

Es herrschte wohl ein heilloses Durcheinander. Man vergas sogar, den elf Monate alten Säugling Ruprecht mitzunehmen. Ein Kammerherr fand den schlafenden Prinzen und packte ihn auf den letzten Fluchtwagen. Nach der Flucht über Brandenburg und Wolfenbüttel lebte er bei seiner Mutter im holländischen Exil am Hofe seines Großonkels Friedrich Heinrich von Oranien. Er studierte in Leiden und erhielt natürlich die selbe vorzügliche Ausbildung wie seine Geschwister. Er interessierte sich vor allem für militärische Angelegenheiten. Schon im Alter von 13 Jahren schloss er sich 1633 der holländischen Armee an. In den Kämpfen gegen Spanien  war er bei der Belagerung von Rheinberg dabei. Er war Soldat in der Leibwache des Statthalters Friedrich Heinrich von Oranien, seines Großonkels. Er kämpfte bei der Belagerung von Tienen (Tirlemont ) mit, das 1635 fast völlig zerstört wurde. Auch an der Belagerung von Löwen (Louvain) nahm er teil.

1635 begleitete er seinen Bruder Karl Ludwig zu ihrem Onkel Karl I. nach England. Als Neffen des Königs erhielten sie hohe Gnadenbeweise. So wurde Ruprecht von der Universität Oxford zum Magister Artium promoviert. Der Erzbischof von Canterbury und Berater des englischen Königs William Laud

wollte ihm ein Bistum anbieten und Thomas Howard, der 21. Earl of Arundel, der auf der Hochzeitsreise seiner Eltern 1613 von London nach Heidelberg dabei war, wollte ihm eine Expedition nach Madagaskar unterstellen.

1637 kehrten die beiden aus England zurück.Ruprecht kämpfte wieder ihm holländischen Heer und nahm an der Belagerung und Rückeroberung von Breda teil.

Karl Ludwig hatte mittlerweile ein kleines Heer aufgestellt. Zu diesem begab sich Ruprecht nach der Einnahme von Breda. Von Karl Ludwig erhielt Ruprecht den Befehl über ein Kavallerieregiment. Militärisch war das Unternehmen allerdings nicht erfolgreich.

Seine Herrschaft in Meppen, die Karl Ludwig mit englischem Geld gekauft hatte, verlor er an die Kaiserlichen. Am 7./17.10. 1338 wurde er bei Vlotho an der Weser von Melchior Graf Hatzfeldt vernichtend geschlagen. Er entkam konnte über Hamburg . Ruprecht aber geriet in Gefangenschaft.

Für drei Jahre war er habsburgischer Staatsgefangener in Linz an der Donau. Die Haftbedingungen waren erträglich.Immerhin hatte er Zeit, sich mit Zeichnen und Malen zu beschäftigen. Er erfand  ein Gerät, welches perspektivisches Zeichnen einfacher machte.  Er war technisch nicht unbegabt und hat einige Erfindungen gemacht, über die noch zu reden sein wird. Sein Onkel Karl erreichte über diplomatische Kanäle die Freilassung bei Kaiser Ferdinand III. Er musste sein Ehrenwort geben, nie wieder gegen Habsburg zu Felde zu ziehen. Daran hielt er sich.

Ruprecht kehrte nach England zurück. 1642 wurde er von Karl I. als Ritter in den Hosenbandorden aufgenommen. 1642 brach in England ein blutiger Bürgerkrieg aus zwischen den Königstreuen, den „Kavalieren“, einerseits und auf der anderen Seite den Anhängern des Parlaments, den Republikanern oder Puritanern unter Oliver Cromwell. Er kämpfte für seinen Onkel. In den ersten Gefechten errang er wichtige Erfolge für den englischen König. Ruprecht hatte taktisches Talent und war tollkühn. 1643 eroberte er Bristol. Sein jüngerer Bruder Moritz war jetzt immer dabei und focht in allen Schlachten mit.

Im Januar 1644 ernannte ihn Karl I. zum Herzog von Cumberland. Er nahm Lancashire ein. Am 2. Juli 1644 fand in der Nähe von York die Schlacht von Marston Moore statt. Das war eine der entscheidenden Schlachten des englischen Bürgerkriegs.Die verlor Ruprecht. Ganz Nordengland ging für die Royalisten verloren. Ruprecht hatte am englischen Hof einige Gegner und das war natürlich Wasser auf deren Mühle. 1645 kann er zwar Leicester einnehmen, erlitt aber nur einen Monat später bei Naseby eine schwere Niederlage. Die militärische Lage in Bristol wurde aussichtslos und er übergab deshalb die Stadt im September 1645 an Lord Fairfax, dem kommandierenden General des Parlamentsheeres. Sein Onkel tobte und entzog ihm das Kommando. Das empfand Ruprecht als Schmach und wollte vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Er wurde zwar freigesprochen, hatte aber die Gunst des Königs verloren. Er bekam ein Angebot der Republik Venedig, die ihn als General haben wollte.Das englische Parlament stellte aber keinen Pass aus. Oxford seit der Vertreibung Karls aus London 1642 Regierungssitz des Königs fiel 1646. Das Parlament verwies nun Ruprecht und seinen Bruder Moritz des Landes. Die beiden gingen nach Frankreich. Er kämpfte dann in der französischen Armee und machte dort den niederländischen Feldzug mit. Bei der Belagerung von La Bassée durch Marschall de Gassion 1647 wurde er verwundet. Er wurde dann von Karl II., dem Prinzen von Wales zum Admiral der königlichen Flotte ernannt. In Irland errichtete er einen Stützpunkt in Kinsale. Von dort aus versorgte er eine kleine royalistische Garnison unter John Grenville auf den Scilly Inseln. Von dort aus führte er auch einen Kaperkrieg gegen englische Schiffe zwischen Kinsale und Lissabon und Toulon und den Kapverdischen Inseln. Ihr Seekrieg gegen das Parlament wurde allmählich zur Plage. Aber der Kommandeur der englischen Flotte Admiral Blake brachte ihm eine Niederlage bei. Er zog sich dann nach Westindien zurück. Von dort aus führte er seinen Kaperkrieg fort. Im Spätherbst 1652 sank das Schiff seines Bruders Moritz in einer Sturmnacht bei den westindischen Inseln. Moritz blieb verschollen. Auch auf seinen Kaperfahrten war er immer an Natur und Naturwissenschaft interessiert. Er beobachtet fliegende Fische, Delfine und Haie, staunte über riesige Bäume auf den Inseln und machte wissenschaftliche Beobachtungen – seine diesbezüglichen Interessen erwiesen den Prinzen auch als Naturforscher. Geld haben seine Kaperfahrten aber unterm Strich nicht eingebracht. Er brachte nur noch ein Schiff nach Europa zurück und das musste versteigert werden, um Schulden zu bezahlen.

Ruprecht gab 1653 seine Kaperfahrten auf und kehrte nach Europa zurück. Über Paris, wo er ostentativ gefeiert wurde, ging er nach Deutschland. Er ließ sich in Mainz nieder . Dort widmete er sich naturwissenschaftlichen Forschungen und der Kunst.

Er entwickelte verschiedene Arten von Schießpulver. Auch eine spezielle Legierung für den Kanonenguss stammte von ihm. Sie wurde unter dem Namen Prinzmetall bekannt. Auch die in England als Prince Ruperts Drops bekannten Bologneser Tränen werden mit ihm in Verbindung gebracht.

Er soll sie 1660 nach England gebracht haben. Das sind kleine Glastropfen, deren Kopf eine hohe mechanische Belastbarkeit aufweist. In der Kunst hatte sich Ruprecht die Technik der Schabkunst (Mezzotinto) angeeignet. Er erfand oder perfektionierte auch den “rocker”.  Damit wird eine zu bearbeitende Metallplatte aufgerauht.Anschließend wird die Farbe auf die gesamte Metallplatte aufgetragen und die Platte sauber gewischt. Die kleinen Vertiefungen, die beim Aufrauhen erreicht werden, behalten jedoch die Farbe und ermöglichen die Erzeugung von Halbtönen, wenn sie durch eine Druckmaschine mit Papier in Kontakt gebracht werden. Mit dieser Methode kann ein hohes Maß an Qualität und Reichtum erreicht werden.  Das ist eine Schlüsseltechnik im Mezzotinto. Wallerant Vaillant erlernte diese Technik bei Ruprecht, popularisierte sie und wandte sie geschäftsmäßig an.

Ruprecht nahm auch wieder Kontakt zu seinem Bruder Karl Ludwig auf. Er wollte von ihm, dass dieser ihm und seiner Mutter einen Besitz in der Kurpfalz zuweist von dem beide leben können. Er lebte ein Jahr auf dem Heidelberger Schloss, beging allerdings den Fehler, mit Luise von Degenfeld anzubändeln. Eine mäßige Rente, die ihm Karl Ludwig anbot,schlug er aus. Die Auseinandersetzungen im Hause Wittelsbach eskalierten. Von Testamentfälschung ist die Rede. Schließlich durfte Ruprecht ohne Erlaubnis des Kurfürsten nicht mehr aufs Heidelberger Schloss. Der Zwist wurde erst 1670 beigelegt aber nach Heidelberg kam Ruprecht nie mehr.

Ruprecht trat nun in den Dienst der Habsburger  und kämpfte als Feldmarschalleutnant mit eigenen Truppen im polnisch-schwedischen  Krieg gegen König Gustav von Schweden.König Gustav war übrigens der älteste Sohn des Pfalzgrafen von Zweibrücken, Johann Casimir und der Schwester Gustav Adolfs. Katharina. Sein Vater ein Freund und Verwandter von Friedrich V.

1660 änderten sich die politischen Verhältnisse in England. Dort kam Karl II., der Sohn des hingerichteten Karl I. wieder auf den Thron. Die Monarchie war wieder hergestellt. Ruprecht kehrte nun wieder nach England zurück. Der neue englische König war ein Vetter Ruprechts. In der Thronfolge stand Ruprecht an zweiter Stelle. Die beiden verstanden sich sehr gut. Er wurde Privatsekretär des Königs. Er übernahm noch einmal ein Flottenkommando. Er war „General-at-Sea“ im Rang eines Admirals. In Seeschlachten gegen die Holländer zeichnete er sich aus.

ER war der erste Gouverneur der 1670 gegründeten Hudsons’Bay Company, die so erfolgreich wurde, dass sie bald ein Monopol auf den gesamten Pelzhandel in Kanada haben sollte. Das rund 3,9 Millionen km²umfassende Territorium trug ihm zu Ehren den Namen Ruperts Land.

Er war nie verheiratet, hatte aber mit seiner Geliebten Frances Bard (1646–1708) einen Sohn Dudley Rupert Bard (auch Robert Dudley genannt, der 1686 bei der Belagerung von Ofen fiel. Um 1670 hatte er eine neue Geliebte die Schauspielerin Margaret Hughes (1630–1719). Mit ihr hatte er

eine Tochter Ruperta, die 1695 den englischen General und Botschafter in Hannover Emanuel Scrope Howe heiratete.

Ruprecht starb am 29. November 1682 in London und wurde in der Westminsterabtei neben seiner Mutter beerdigt.

Moritz von der Pfalz wurde am 6. Januar 1621 in Küstrin geboren. Die Familie befand sich auf der Flucht aus Prag nach Brandenburg. Alle mir verfügbaren online-Quellen zu Moritz setzen im englische Bürgerkrieg ein. Ruprecht hat das Kommando über die königliche Reiterei.

Moritz begleitete seinen Bruder treu ergeben auf all seinen Feldzügen und er erhielt von ihm immer ein Truppenkommando. Ihm wird ein „unbezähmbarer Raubtierblick“ nachgesagt. Er war in Edgehill (23. Oktober 1642)  und Marston Moor (2. Juli 1644) dabei. in Edgehill wurde er verwundet.

Zusammen mit Ruprecht wurde er 1648 des Landes verwiesen. Er kämpfte dann ebenfalls in der französischen und Habsburger Armee. Natürlich beteiligte er sich auch an den Kaperfahrten, die sein Bruder unternahm, erst in Europa und ab 1651 von der Karibik aus. Im Spätherbst geriet Moritz mit seinem Schiff in einen Hurrikan Er ging wohl mit Mann und Maus unter und blieb verschollen. Es gibt aber auch eine Legende über ihn, er sei mit riesigen Schätzen aus Peru und Mexiko in Richtung eines französischen Hafens unterwegs gewesen, kurz vorher aber in die Hände von Seeräubern gefallen, nach Algier verschleppt und im Inneren Afrikas verschwunden.

Er war mit Rose Poltenay verheiratet, mit der er eine Tochter Elisabeth Maria Fielding hatte.

 

Luise Hollandine wurde am 16. April 1622 als siebtes Kind von Friedrich V. und Elisabeth Stuart in Den Haag geboren. Sie war das erste Kind der Familie, dass im holländischen Exil geboren wurde und da die Generalstaaten die Patenschaft übernahmen, wurde sie Hollandine genannt.

Sie wuchs in Leiden auf und erhielt wie alle Kinder des Winterkönigs eine vorzügliche Ausbildung. Auch Malen stand auf dem Bildungsplan.Gerrit van Honthorst, der niederländische Maler unterrichtete die Königskinder und fand in Luise eine sehr begabte Schülerin, deren Talent eigentlich erst in den 80-iger Jahren gebührende Aufmerksamkeit fand. Natürlich war sie jetzt auch auf dem Hochzeitsmarkt. Einer ihrer Bewerber war der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm.

1650 wurde sie als Kanonisse in das Stift Herford aufgenommen. 1652 wurde ihr bereits das Amt als Küsterin übertragen. Ihre Wahl zur Koadjutorin wurde allerdings von der regierenden Äbtissin Elisabeth Luise von der Pfalz-Zweibrücken, ihrer Verwandten,

verhindert. Da hatte sie wegen ihres Maltalents bereits einen gewissen Ruf erlangt. Sie kehrte dann aber nach Den Haag zu ihrer Mutter zurück. Sie war das einzige Kind von Elisabeth Stuart, das noch bei seiner Mutter lebte. Am 19.Dezember 1657 verließ sie ihre Mutter fluchtartig und ging über Antwerpen nach Paris, wo ihre Tante Henriette Marie, die Gattin des hingerichteten englischen König Karl I. im Exil lebte. Sie trat zum katholischen Glauben über, ähnlich wie ihr Bruder Eduard, der diesen Schritt schon 1645 vollzogen hatte. Trotz der Konversion erhielt sie von den Generalstaaten

ein Gnadengehalt auf Lebenszeit. In Antwerpen war sie zuerst bei den Unbeschuhten Karmelitinnen. Dort wurde sie auch von ihrem Vetter König Karl II und dessen Schwester besucht und musste einige Vorwürfe wegen ihres Konfessionswechsels und die unschickliche Art, wie sie ihre Mutter verlassen hatte, über sich ergehen lassen. Ihr Bruder Eduard holte sie zunächst nach Rouen. Von dort ging sie dann weiter ins Kloster Chaillot, zu dem ihre Tante Henriette Marie eine besondere Beziehung hatte. Sie hatte in diesem Kloster eine Kapelle errichten lassen. In Chaillot war Mère Angelique Äbtissin, vor ihrem Eintritt ins Kloster Mademoiselle de la Fayette, Vertraute des französischen Königs Ludwig XIII.. Also neudeutsch “Connections” waren durchaus vorhanden. In Portroyal des Champs, einem zisterziensischen Frauenkloster trat sie im Beisein ihrer Tante am 25. März 1658 in die katholische Kirche ein.

Wie ihr Bruder Eduard Karl Ludwig berichtete, sei Luise Hollandine nie “zufriedener gewesen als jetzt. Auch der Kontakt zu ihren Schwestern wurde wieder enger. Luise wollte ins Kloster eintreten, das stand fest. Aber das kostete Geld. Von ihrer Mutter konnte sie genauso wenig erwarten wie von ihrem Bruder, dem Kurfürsten. Ihre Tante steuerte schließlich Geld bei und als Karl Ludwig sich bereit erklärte, eine monatliche kleine Pension zu bezahlen, war auch das finanzielle
Hindernis für einen Klostereintritt von Luise Hollandine beseitigt. Nach Fürsprache des französischen Königs und ihrer Tante wurde sie schließlich in das Zisterziensierinnenkloster Maubuisson in der Gemeinde Saint-Ouen-l’Aumône aufgenommen. Dazu vermerkt ihr Bruder Eduard etwas spöttisch:

„man hat uns eine andere Abtei, welche noch mehr wert ist, versprochen. Die Äbtissin ist nur 84 Jahre alt.“ (in Anna Wendland Pfalzgraf Eduard und Prinzessin Louise Hollandine, zwei Konvertiten des Kurhauses Pfalz-Simmern, Heidelberger Jahrbücher 1910, Seite 49-86, hier Seite 65)

Am 25.3.1659 nahm sie in Maubuisson den Schleier und legte am 19.9.1660 ihre Gelübde ab. Ludwig XIV. zahlte ihr dann auch eine jährliche Pension von 6000 Livres. Schließlich traf auch ein Versöhnungsschreiben ihrer Mutter bei Luise Hollandine ein, was für sie sehr wichtig war, denn sie litt darunter, dass sie das Gebot, Du sollst Vater und Mutter ehren mit ihrer Flucht aus Den Haag  grob verletzt hatte. Allerdings verlangte ihre Mutter dafür ein von Luise Hollandines gemaltes Bild der drei Töchter Prinz Eduards, wie dieser an seinen Bruder schreibt. Auch im Kloster durfte sie weiter malen.

Im April 1664 wurde sie zur Äbtissin gewählt. Sie zeichnete sich durch persönliche Bescheidenheit aus. Als Äbtissin war sie um  die Klosterzucht und die Einhaltung der Regeln sehr bemüht. Sie aß nie Fleisch, schlief auf einer harten Matratze und hatte nur einen Strohstuhl in ihrer Zelle. Von ihren Nonnen wurde sie verehrt und geliebt. Sie bewährte sich als kluge Verwalterin.

Ein sehr enges Verhältnis hatte sie zu ihrer Familie. Ihre Schwester Sophie von Hannover besuchte sie 1679 in Maubuisson , als diese in Frankreich war, um ihre Tochter Sophie Charlotte dort zu präsentieren und möglicherweise zu verheiraten. Beide nahmen auch regen Anteil an den kirchlichen Reunionsbestrebungen. 1680 versuchte Luise Hollandine die einflussreichen Kleriker und gelehrten  Jaques Benigne Bossuet, Bischof von Meaux, Christobal Rojas y Spinola, Bischof von Wiener Neustadt, Gerhard Wolter Molanus,evangelischer Abt von Loccum, Gottfried Wilhelm Leibniz, Hofrat und Bibliothekar in Verbindung zu bringen, wobei Luise Verbindungen zu Bossuet hatte und Sophie zu Molanus und Leibniz. Aber immerhin entwickelte sich daraus eine sich über Jahre hinziehende Korrespondenz.

Einen sehr herzlichen Kontakt hatte sie zu ihrer Nichte Liselotte von der Pfalz, Herzogin von Orléans. Diese besuchte sie oft im Kloster und blieb ihr brieflich bis an ihr Lebensende verbunden. Sie erzählt, dass ihre Tante, die Frau Äbtissin noch alle Zähne, “wenn auch verschlissen” habe, noch ohne Brille lesen könne und die Last der Jahre spüre man nur an ihrem gebeugten Gang. (ebda S. 80) 1705 erlitt Luise Hollandine einen Schlaganfall und ist die letzten Jahre ihre Lebens teilweise gelähmt. Sie starb am 11. Februar 1709.

Eduard von der Pfalz wurde am 05.0ktober 1625 in den Haag geboren. Seine ersten Lebensjahre verbrachte er in den Haag, um dann wie alle seine Geschwister in Leiden seine Erziehung zu  erhalten. Im Gegensatz zu seinen Schwestern war seine Neigung zu den Wissenschaften nicht sehr lebhaft.

Er folgte seinen Brüdern früh nach England. Dort entwickelten sich die politischen Verhältnisse aber bald zum Bürgerkrieg, was Eduard überhaupt nicht behagte. Er stand eher auf Lebenslust. Er verließ England sehr bald wieder. Die ständige Geldnot machte ihn aber zu einem ständigen Gast der Amsterdamer Geldverleiher, was ihn zum Sorgenkind seiner Mutter machte. Heimlich floh er 1645 nach Frankreich. Dort lernte er Prinzessin Anna, die Tochter des Herzogs von Mantua-Gonzaga und Nevers kennen. Er ging eine heimliche Ehe mit ihr ein. Nun war er zwar seiner Geldsorgen ledig,

musste aber zum katholischen Glauben konvertieren, den sonst hätte es wohl doch Schwierigkeiten mit dem französischen Hof gegeben. Gar nicht gut kam sein Schritt natürlich am pfälzischen Hof an, zumal der Konfessionswechsel einen Gesichtsverlust für den pfälzischen calvinistischen Kurfürsten

Karl Ludwig bedeutete, was sicher nicht dadurch gemildert wurde, dass Eduard seine Erb-und Rechtsansprüche durch den Würzburger Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn vertreten wissen wollte. Die Entfremdung zu seinen Geschwistern nach diesem Schritt war nicht von allzu langer Dauer.

Man nahm wieder Fühlung auf. Selbst die Mutter vergab ihm nach einiger Zeit. 1649 war er trotz seiner Religion in den englischen Hosenbandorden aufgenommen worden. Dank seiner vermögenden Gemahlin konnte er sich sogar “eine königliche Haushaltung” gestatten (Anna Wendland  S. 49)

So war es auch nicht schwierig , mit seinem Bruder Karl Ludwig 1653 einen Abfindungsvertrag zu schließen. Die Höhe der sehr bescheidenen Einkünfte aus der Pfalz sind darin geregelt worden und für den unwahrscheinlichen Fall seiner Rückkehr in die Pfalz sind ihm Häuser in Speyer oder Worms

angewiesen worden. Er selbst hatte sich nur das erbrecht für sich und seine Familie vorbehalten.

Er verwaltete die Güter seiner Frau. Er hatte drei Töchter, die er zärtlich liebte und die er auch von seiner Schwester Luise Hollandine  porträtieren liess (s.o). Die Portraits der kleinen Mädchen schickte er auch an seinen Bruder. Er hatte auch noch einen Sohn, der allerdings im ersten Lebensjahr starb.

Luise Marie (1647–1679) heiratete 1671 den Fürsten Karl Theodor zu Salm, kaiserlicher Feldmarschall und Oberhofmeister, der Erzieher  Josef I. wurde und später in dessen Diensten als erster Geheimer Rat tätig war.

Anna Heinriette Julia (1648–1723) heiratete 1633 Henri III.Jules de Bourbon, Großmeister von Frankreich. Das ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten am französischen Hof. Er leitete alle Dienste des Königshauses. Er ernannte die neuen Offiziere, die vor ihm den Eid auf den König ablegen mussten Und schließlich verwaltete er das Budget des Königs.

Benedicta Henriette Philippine (1652–1730), die 1688 Herzog Johann Friedrich zu Braunschweig, der Schloss Herrenhausen zu seiner Sommerresidenz ausbaute. Er holte auch den Philosophen Leibniz und den Mediziner und Naturforscher Niels Stensen an seinen Hof nach Hannover.

In der Ehe Eduard s hatte seine Frau das Übergewicht. Sie mischte sich in politische Angelegenheiten ein und spielte in der Fronde eine wichtige Rolle. Sie agierte sogar gegen Kardinal Mazarin und soll einen Aufstand angezettelt haben, der Mazarin zwang, den Anführer der Fronde Louis II. de Bourbon,

freizulassen.

Auch ihr Schwager Karl Ludwig bediente sich ihrer Vermittlung. Auf sie soll der Freundschaftsvertrag zurückgehen, der 1657 zwischen Frankreich und der Pfalz geschlossen wurde. Auch  die Heirat Elisabeth Charlottes mit  Prinz Philipp I. von Orleans dem Bruder von Ludwig XIV. soll von ihr angebahnt worden sein.

Das war eine Beziehung mit späteren Folgen. 1688 nahm der französische König diese Ehe zum Anlass für den Pfälzischen Erbfolgekrieg, in dem die Pfalz sehr zum Kummer von Liselotte mehrmals verwüstet wurde. Das Heidelberger Schloss wurde von den Franzosen unter General Mélac in Brand

gesetzt und 1691 von französischen Pionieren gesprengt.

Eduard erkrankte schon früh an Gicht und erlitt immer wieder heftige Anfälle. Am 13. März 1663 starb er im Alter von 37 Jahren in Paris.

 

Henriette Marie  von der Pfalz wurde am 17. Juli 1626 in den Haag geboren. Sie wird als vielseitig begabt beschrieben. Sie wuchs zuerst in Leiden und dann am Hof ihrer Mutter in Den Haag auf. Später wurde sie zu i9hrer Tante Elisabeth Charlotte von Brandenburg gegeben, die in Kössen als Witwe lebte.

1651 wurde sie mit dem Prinzen Sigismund Rákóczi verheiratet, Graf von Munkács (in der heutigen Westukraine), Sohn des Fürsten Georg I.Rákóczi  von Siebenbürgen. Die Familie war ein ungarisches, kalvinistisches Adelsgeschlecht und nach Aussage der Tante unter evangelischen
Fürsten die beste Partie, die zu machen sei. Auf jeden Fall war er sehr reich, verfügte über zahlreiche Festungen und nach Aussage der Tante ass das ganze Haus aus Silbergeschirr. Henriette Marie  wehrte sich heftig gegen diese Ehe. Sie flehte ihren Bruder Karl Ludwig an, ihr zu helfen. auch bezweifelte sie den Sinn dieses Eheprojekts. aber es half nichts. Sie reiste über Schlesien, Polen und Ungarn nach Siebenbürgen. Kaum dort angekommen verstarb sie nur wenige Monate nach ihrer Hochzeit. In Weissenburg wurde sie in der Marienkirche bestattet.

Philipp von der Pfalz wurde am 16.September 1627 in Den Haag geboren. Zeitweise wurde er am französischen Hof erzogen. auf Wunsch von Karl Ludwig kam er aber wieder an den Hof seiner Mutter in Den Haag zurück. Er war im Auftrag des englischen Parlaments unterwegs

um in Venedig Truppen auszuheben und diese nach England zu überführen. Den Auftrag hatte ihm Karl Ludwig verschafft. Am 21. Juni 1646 wurde er in Den Haag  eine Auseinandersetzung mit dem Marquis von Epinay verwickelt. Es ist nicht sicher, ob dieser Marquis ein Liebhaber seiner Mutter oder seiner Schwester Luise Hollandine war. Auf jeden Fall war er ein Günstling seiner Mutter. Bei dieser Auseinandersetzung  starb der Marquis. Philipp musste aus den Generalstaaten fliehen. Elisabeth erkannte ihn nicht mehr als ihren Sohn an und sprach nie mehr ein Wort mit Philipp.

Er war dann in lothringischen Reiterdiensten tätig und fiel als Reiteroberst  in den Kriegen der Fronde in der Schlacht bei Rethel (am 15. Dezember 1650) Er starb am 16. Dezember 1650. Seine sterblichen Überreste wurden nach Sedan gebracht.

 

Sophie von der Pfalz, Porträt aus dem Jahr 1650

Sophie wurde am 14. Oktober 1630 als zwölftes Kind von  Friedrich V. und Elisabeth Stuart in Den Haag geboren. Sie war erst zwei Jahre alt, als ihr Vater verstarb.Bis zu ihrem 10.Lebensjahr wuchs sie in Leiden auf, wo sie streng calvinistisch erzogen worden war. Dann holte die Mutter sie nach Den Haag.

Karl I. von England war ja am 30. Januar 1649  hingerichtet worden. Die englischen Subventionen blieben aus. Sophie siedelte zu ihrem Bruder nach Heidelberg über. Die Eheprobleme zwischen Karl Ludwig und Charlotte von Hessen-Kassel  erschwerten zwar den Aufenthalt Sophies am Heidelberger Hof. Sie kümmerte sich um die Kinder der beiden, Elisabeth Charlotte, der späteren Lieselott von der Pfalz und Karl, die unter den ständigen Streitereien ihrer Eltern litten. Bis an Sophies Lebensende schrieb Lieselotte zwei mal wöchentlich zwei mal 20-bis dreißig Seiten  lange Brief an “ma tante”.
Auch zu den Kindern ihres Bruders und Marie Luise  Freifrau v. Degenfeld, Raugräfin zu Pfalz hatte sie ein enges Verhältnis, was sich auch in einem jahrelangen Briefwechsel zeigte. Sie selbst verfolgte spätestens seit 1648 zielstrebig das Ziel einer standesgemäßen Verehelichung. Schon das erste Eheprojekt zwischen ihr und ihrem Cousin Karl II. von England war gescheitert. Der regierende Pfalzgraf Adolf Johann von Zweibrücken, der Bruder des schwedischen Königs Karl X. Gustav hielt um ihre
Hand an.Nächster Bewerber war der regierende hannoversche Herzog.Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg, der von seinem Antrag allerdings zurücktrat und als Tausch seinen jüngsten Bruder Ernst August anbot. Im Gegenzug verpflichtete sich Georg Wilhelm zu lebenslanger Ehelosigkeit und zum Verzicht auf sein Erbrecht im Fürstentum Calenberg, was er allerdings nicht einhielt. Am 30. September 1658: heirateten Sophie und Ernst August   in der Schloßkapelle in Heidelberg. 1662 wurde Ernst August Fürstbischof von Osnabrück. Das Paar zog nach Iburg. Da diese nicht den Ansprüchen an eine barocke Resident genügte, wurde zwischen 1667–73 im Zentrum von Osnabrück ein repräsentatives Schloß mit großer Gartenanlage errichtet.  Für den Garten war Martin Charbonnier zuständig, ein großer aus Frankreich stammender Gartenkünstler des Barock. Den Osnabrücker Garten betreute er später

von Herrenhausen aus.
  Die ersten beiden Söhne wurden  noch in Hannover geboren. Georg Ludwig(1660–1727) wurde als Georg I. 1714 König von Großbritannien.

Friedrich August (1661–1690) fiel im Krieg gegen die Türken.

1666 wurde Maximilian Wilhelm geboren(1666–1726). Er befehligte ein kaiserliches Kürassierregiment unter den Truppen des Markgrafen Ludwig Wilelms von Baden, dem “Türkenlouis”.

Sophie Charlotte (1668–1705) heiratete  1684 den Kurprinzen Friedrich von Brandenburg, der ab 1688 Friedrich III. als Kurfürst regierte und sich 1701 zum König krönte. Ihr Sohn war Friedrich Wilhelm, der später Soldatenkönig und ihr Enkel Friedrich II., der als Friedrich der Große in die Geschichte eingegangen ist. Das Schloss Charlottenburg wurde 1699 als Sophie Charlottes Sommerresidenz eingeweiht.

Karl Philipp (1669–1690) folgte 1669. Er fiel 1690 im Krieg gegen die Türken.

Auch Christian Heinrich (1671–1703)kam bei einem Feldzug ums Leben. Er ertrank 1703 beim Feldzug gegen die Franzosen 1703 in der Donau.

Der letzte Sohn Ernst August (1674–1728) war von 1716 bis 1728 regierender Fürstbischof von Osnabrück. 1716 wurde zum Ritter des Hosenbandordens erhoben und dann zum Herzog von York und Albany und außerdem zum
Earl von Ulster.Er starb unverheiratet am 17. August 1728.

1679 siedelte die Familie im August 1679 in die hannoversche Residenz in Herrenhausen um.  Hier kümmerte Sophie sich besonders um den Schlossgarten. Dieser orientierte sich an den niederländischen Barockgärten, die Sophie ja aus ihrer
Jugend kannte. Aber auch ihre französischen und italienischen Reiseeindrücke flossen ein

1683 führte Ernst August  führte er für seinen Herrschaftsbereich gegen den Widerstand seiner jüngeren Söhne die Primogenitur ein. Zum einen wollte er damit die Herrschaft in einer Hand erhalten, da ja alle Besitzungen an den erstgeborenen Sohn fallen sollten.

Zum andern war die Primogenitur auch Voraussetzung für die von ihm angestrebte Kurfürstenwürde, die ihm Kaiser Leopold I. (1658-1705) 1692 dann auch verlieh.in Opposition zu ihrem Mann diplomatische Beziehungen nach Dänemark auf. In der Folge wurde sie mit Hausarrest bestraft und ihr Sohn war jetzt Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg (“Kurhannover”) Die fünf jüngeren Söhne wehrten sich gegen die Enterbung,

was 1691 in der „Prinzenverschwörung“ ihren Höhepunkt fand. Sophie ergriff Partei für ihre jüngeren Söhne. Diese wollten ihre Erbansprüche mittels Interventionen ausländischer Mächte durchsetzen. Sophie baute in Opposition zu ihrem Mann diplomatische Beziehungen nach Dänemark auf.

Sophie wurde mit Hausarrest belegt. Ihr Sohn Maximilian sogar kurzzeitig inhaftiert. Nach dem Tod Ernst Augusts 1698 gewann Sophie ihre politische Stellung wieder zurück. Sie residierte vorwiegend in Herrenhausen.

1701 erließ das britische Parlament das “Act of settlement”. Dieses regelte die protestantische Thronfolge im Königreich England und legte das Recht auf Thronfolge im Hause Stuart unter Umgehung der bis dahin gültigen Erbfolgelinie auf Sophie von der Pfalz fest. sie war Cousine 1. Grades der regierenden Königin Anne Stuart. Die Bestimmungen zur Nachfolge waren direkt an die Person von Sophie geknüpft. Sophie starb allerdings kurz vor Anne Stuart. So bestieg nicht sie, sondern ihr Sohn Georg Ludwig als Georg I.von England den englischen Thron. Dieser blieb dann bis zur Thronbesteigung Königin Viktorias in Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover.

13 Sep 2020

DIE FAMILIE VON STADION

Stadion-Wappen

 

Die Familie von Stadion stammte ursprünglich aus Graubünden. Im 13. Jahrhundert erwarb sie Besitz in Schwaben. Erstmals urkundlich erwähnt wird ein Henricus de Lapide in einer Urkunde vom 9. September 1197, die

Herzog Philipp von Schwaben in Rottweil ausstellt und in der er dem Kloster Obermarchtal alle von seinem Vater Friedrich und seinem Bruder Heinrich bewilligten Begünstigungen  bestätigt und erneuert . In dieser Urkunde

tritt ein Henricus de Lapide als Zeuge auf (WUB II, Nr. 503). In Schwaben benennt sich die Familie nach ihrem Herrensitz Oberstadion. In einer Urkunde vom 13. Mai 1270 wird dominus Waltherus de Stadegun genannt. (WUB VII. Nr.119)

Im 14. Jahrhundert erscheinen die Enkel des ober genannten Walters wieder in Rätien und Glarus als bischöfliche und österreichische Lehensträger. Am 14. Dezember 1138 stellen Ludwig und Walter von Stadion
dem Churer Bischof Ulrich V. (Ribi) von Lenzburg (1331-1355) für die Burg(Alt-)Aspermont ob Trimmis einen Pfandrevers aus. Von 1338-1343 sassen sie als Pfandinhaber auf der Burg. 1340 wurde Ludwig österreichischer Vogt in Glarus. Am 3. 1354  urkundet der Churer Bischof Ulrich V. (Ribi) von Lenzburg (1331-1355) , dass Ritter Ludwig von Stadion mit seiner Zustimmung die Feste (Alt-)Aspermont Heinrich und Martin Buwigs um 600 Pfund und zwar unter gleichen Bedingungen wie dieselbe Burg dem Stadion vom Hochstift Chur versetzt worden war. Ludwig wird in der Urkunde allein erwähnt. Sein Bruder Walter war ja 1352 bei Näfels im Kampf gegen die Glarner gefallen. Von 1348-1353 sassen die Stadion auf der Marschlins bei Iglis,die 1337 als Lehen an Herzog Albrecht II gekommen war.

1339 hatten die Brüder Walter und Ludwig zusammen mit seinem Sohn Eitel für drei Jahre von Swigger von Schellenberg die Kastvogtei über das Kloster Ochsenhausen gekauft.

Ludwig war mit Anna von Frielingen (+ 1357  Daten Ludwigs und Annas nach Wilhelm Karl Prinz zu Isenburg, Europäische Stammtafeln) verheiratet und hatte mit ihr 4 Kinder, drei Töchter und den Sohn Eitel. Ludwig starb  1364. Eitel hatte drei Söhne,

Wilhelm, Konrad und Johann. Unter diese wurde der Stadionsche Besitz aufgeteilt. Eitel starb 1386. Konrad begründete die elsässische Linie. Johann der Reiche war württembergischer Landhofmeister und hatte mit Margareta von Stain einen Sohn Ludwig, der aber schon 1472 verstarb (nach Wilhelm Karl Prinz zu Isenburg)Ludwig war mit Margareta von Gravenegg verheiratet, mit der eine Tochter hatte, Waldburg von Stadion. Diese starb1498. Die Söhne Konrad, Burkhard, Wilhelm und Nikolaus hatten keine Nachkommen, bzw. erreichten das heiratsfähige Alter nicht.Damit war die Familie ausgestorben. Johann der Reiche hatte ein  beträchtliches Vermögen erworben, dass alles der Linie von Konrad zufiel.

Konrad hatte drei Söhne, Walter, Pankraz und Johann. Pankraz war mit Agnes von Laubenberg verheiratet. Aus dieser Ehe gingen vier Söhne hervor nämlich Konrad, Nikolaus, Johann und Walter. Nikolaus war mit Agnes von Gültingen verheiratet. Nikolaus von Stadion ließ sich in Schelklingen nieder. Der Bruder von Nikolaus war mit Clara von Wernau  verheiratet. Die Familie war auch in Schelklingen begütert. Außerdem lag die Pfandherrschaft über Schelklingen bei der schwäbischen Linie der Familie Stadion.Das alles mögen Gründe gewesen sein, die Nikolaus veranlasst haben, seinen Wohnsitz in Schelklingen zu nehmen. Dort erwarb er kurz vor 1475 ein Haus.In diesem Haus wurde 1878 sein Sohn Christoph geboren.

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In Schelklingen hat Christoph wohl die Lateinschule besucht. Schon mit 12 Jahren immatrikulierte er sich am 22. April 1490 an der Universität in Tübingen. 1491 wurde er Baccalaureus und am 28. Januar 1494 erhielt er den Magister der Artistenfakultät.

In Tübingen setzte er sich mit dem Humanismus auseinander. Ab 1494 studierte er in Freiburg im Breisgau. 1497 wechselte er nach Bologna und studierte dort Rechtswissenschaften. Nicht vor 1506 machte er in Ferrara den Doktor jur. Er kehrte nach Deutschland zurück und wurde in Augsburg Domherr. 1517 wurde er Domdekan. Auch erhielt er den Rang eines kaiserlichen Rats. Der Augsburger Bischof Heinrich von Lichtenau (1505-1517) wählte in Absprache mit dem Domkapitel bereits todkrank Christoph zu seinem

Koadjudator. Am 10. April 1517 übertrug ihm Papst Leo X. (1513-1521) das Recht auf Nachfolge. Zwei Tage später verstarb Bischof von Lichtenau. Christoph von Stadion wurde am 5.7. 1517 zum Bischof geweiht. Der Beginn seiner Regierung ist zu stürmischen

Zeiten erfolgt. Am 31. Oktober 1517 schlug Luther seine Thesen in Wittenberg an.Auf dem Reichstag in Augsburg 1518 war Martin Luther selbst zugegen. Dort fand vom 12.-14. Oktober die Unterredung mit Kardinal Thomas Cajetan statt, bei der ihn dieser aufforderte, seine 95 Thesen zum Ablass zu widerrufen, da er diese für ketzerisch hielt. Luther widerrief nicht. Seiner drohenden Verhaftung entzog er sich durch Flucht.

220px-Luther-vor-CajetanIn Augsburg hatte Luther schon viele Anhänger. Bischof Christoph nahm aber zunächst eine entschiedene Position gegen diese neue Strömung ein. So belegte er den Pfarrer von Jengen, Caspar Aquila mit dem Bann.

Aquila stammte aus Augsburg und hatte in Wittenberg Theologie studiert. Dann wirkte er als Feldprediger bei Franz von Sickingen. 1516 übernahm er eine Pfarrstelle in Jengen in der Nähe von Buchloe. Dort wurde er mit den Schriften Luthers vertraut.

Er heiratete und predigte im lutherischen Sinn. Die Reformation in Jengen war eingeführt. Bischof Christoph ließ den Pfarrer zudem in Dillingen festsetzen. Bischof Christoph nahm aber eine zunehmend verbindlichere Haltung an. Er näherte sich stark an Erasmus

von Rotterdam an. Erasmus hatte 1516  eine kritische Edition des griechischen Neuen Testaments herausgegeben, die auch Martin Luther als Ausgangstext für seine Bibelübersetzung nutzte und damit natürlich ein wichtiger Wegbereiter für die Reformation war.

Doch Luther hatte die Gegensätzlichkeit der theologischen Standpunkte schon 1516 erkannt. Erasmus sah die Freiheit des Menschen darin, die ihm von Gott angebotene universale Gnade abzulehnen oder anzunehmen. Erasmus sah sehr wohl die Mißstände in der

Kirche und trat auch für eine innere Reform ein. Für ihn war Toleranz und Neutralität wichtig. Die Gefahren der Religionskriege sah er voraus. Bischof Christoph stand mit Erasmus seit 1528 in Verbindung. Als auf dem Augsburger Reichstag 1530 die Confessio Augustana verkündet wurde, nahm Bischof Christoph eine versöhnliche Haltung ein. Er zeigte weitestes Entgegenkommen gegen die Forderungen der Protestanten.Die Confessio Augustana war eine der grundlegenden Bekenntnisschiften der lutherischen Reichsstände. Verfasst worden war sie von Philipp Melanchthon. Kaiser Karl ließ eine  Erwiderung darauf verfassen, die “confutatio”. Federführend war der papsttreue Theologe Johannes Eck, der in der Leipziger Disputation von 1519 das Streitgespräch mit Luther führte. Die Bemühungen Bischof Christophs waren weitgehend erfolglos. Das machte ihn müde und hoffnungslos. Der Bauernkrieg von 1525 hatte auch das Gebiet seines Hochstiftes schwer erschüttert. Am 18. Januar 1537 erließ die Freie Reichsstadt Augsburg ein Dekret, das den Klerus der Stadt zur Ausreise zwang. Bischof Christoph hatte schon vorher einen Sitz in Dillingen. Nun wurde auch der Sitz des Hochstifts nach Dillingen verlegt. Von jetzt an residierte der Bischof im Dillinger Schloss. Beim Reichstag in Nürnberg 1543 war er als Kaiserlicher Kommissar tätig. Beim Reichstag erlitt er einen Schlaganfall, an dem er verstarb. Er wurde in der Dillinger Pfarrkirche bestattet. Als Landesherr hatte er 1519 eine Straf-und Gerichtsordnung für Rettenbach erlassen. Auch hatte er Anläufe zur Reform des Klerus unternommen, allerdings ohne die notwendige Nachhaltigkeit. Er war geprägt von einer erasmisch-humanistischen Auffassung des Christentums. Er war wohl –sicher auch bedingt durch seinen Studiengang- wohl mehr Jurist als Theologe.

Auch war er wohl etwas zaghaft und dem Tumult abgeneigt, keine guten Voraussetzungen für diese stürmischen Zeiten. Und so fällt seine Bilanz auch etwas durchwachsen aus. Er galt aber als einer der gelehrtesten Bischöfe Deutschlands. Er  war geachtet von

Fürsten und vom Kaiser. In Zusmarshausen hatte er Hospital gestiftet, das bis in die Neuzeit Bestand hatte.

Der Bruder Bischofs Christoph Johann war mit Agnes von Stain verheiratet. Mit ihr hatte er sieben Söhne unter anderem Johann Christoph von Stadion und Johann Kaspar von Stadion. Johann Kaspar wurde am 21. Dezember 1567 in Beffort geboren, einem kleinen

Städtchen und Schloss im Sundgau. 1594 trat er in den Deutschen Orden ein. Er kam an den Hof des Hoch und Deutschmeisters Erzherzog Maximilians von Österreich. 1594 zog der Erzherzog nach Ungarn, wo sein Bruder Matthias den Oberbefehl im Kampf

220px-Brunnenfigurstadion

gegen die Türken den Oberbefehl innehatte.Im Jahre 1596 wechselte der Oberbefehl an Maximilian. Johann Kaspar bekam dabei den Befehl über eine Schar mit 1000 Pferden übertragen. Bis 1597 kämpfte er in Ungarn. Dann kehrte er nach Wien zurück.

1606 war Komtur in Freiburg, 1624 – 26 auf der Mainau. 1626 Landkomtur. Bis zum Tode Erzherzogs Maximilian war er auch dessen Oberstkämmerer und Oberhofmeister. Dann war er am Hof des Bruders des Kaisers Ferdinand II., Erzherzog Leopolds

in Innsbruck als kaiserlicher Kämmerer und diesem zugeordneter Assistenzrat. Er hatte seine administrativen Fähigkeiten ja schon unter Beweis gestellt und auch ausreichend Kriegserfahrung im Kampf gegen die Türken erworben. Als dann der kaiserliche

Feldmarschall Hans Freiherr von Molart am 15. Juni 1619 starb, berief ihn Kaiser Ferdinand zum Präsidenten des Hofkriegsrats. Auch Kommandant der Stadt Guardia Wien war er. Diese war eine dem Hofkriegsrat unterstellte Einheit, die den Auftrag hatte,

für die „Ordnung auf den Stadtmauern“ zu sorgen. Er wurde oft zu den Kriegsobersten in die Feldlager geschickt, um ihnen beratend zur Seite zu stehen. Auch als es im österreichischen Heer um Reformprojekte und Operationspläne geht, hat seine Stimme Gewicht.

Am 16. Januar 1622 bestimmte ihn der Kaiser als Mitglied in den Geheimen Rath, in welchem Eggenberg, Trauttmannsdorf,Liechtenstein, Ulm und Stralendorf außer ihm Sitz und Stimme hatten.  Auch im Orden ging sein Aufstieg weiter. 1626 hatte er die Landkomtur

Elsass inne. 1627 wählte ihn das Generalkapitels des Deutschen Ordens zum Hoch und Deutschmeister. Ende März 1621 sollte er das Kommando über die Reichsmiliz übernehmen. Er lehnte jedoch ab. Als Gustav Adolf nach Deutschland vorstieß, war

Johann Kaspar auch bei der Schlacht von Nördlingen 1634 dabei. Für seine Kaisertreue übertrug ihm Ferdinand 1637 die Grafschaft Weikersheim. Mittlerweile hochbetagt wurde ihm Erzherzog Leopold Wilhelm als Koadjudator zur Seite gestellt.

Trotz seines hohen Alters wurde er aber immer als diplomatischer und strategischer Berater gerufen. Auch 1641 machte er sich mit 74 Jahren nochmals auf den Weg zur kaiserlichen Hauptarmee. In dem Dorf Ammern in der Nähe von Mühlhausen in Thüringen

erlitt er einen Schlaganfall und starb. Er wurde nach Mergentheim überführt, wo er bestattet ist.

Der Bruder Johann Kaspars Johann Christoph war mit Margareta von Sickingen verheiratet. Aus dieser Ehe gingen 5 Söhne und eine Tochter hervor. Der Sohn Johann Christoph von Stadion wurde am 15.06. 1610 geboren. Er heiratete Maria Magdalena von Ostein,

die am 22.10. 1610 geboren ist. Aus dieser Ehe gingen 10 Kinder hervor. Zwei davon wollen wir näher betrachten. Am 16.01. 1637 kam Franz Kaspar zur Welt. Er wurde 1673 Bischof von Lavant und war das bis 1704.  Vorher war Franz Kaspar Domherr in Salzburg,

Bamberg und Würzburg. Ernannt hatte ihn der Salzburger Erzbischof Maximilian Gandolph (1668-1687). Der Bischofssitz war in St. Andrä im Lavanttal. Lavant war ein Salzburger Eigenbistum. Am 28. März 1679 schenkte Erzbischof Maximilian Gandolf

Gut und Schloss Thürn im Lavanttal dem Bistum Lavant, da das Einkommen des Bischofs so gering war. Er konnte auch Schloss Kolleg für das Bistum erwerben. Darüber gibt es einen Kaufbrief vom 20. April 1693, indem der Verkauf an den Domprobst bestätigt wird.

Auch Reideben konnte für das Domkapitel erworben werden.

In St. Andrä hatte Bischof Franz die Loreto – Kirche gebaut. Franz Kaspar war wohl  “ein Mann voll wahrer Gottesfurcht,christlicher Liebe und Milde, unermüdlichen Eifers in Erfüllung seiner hohen seelsorgerlichen Pflichten” wie es 1841 bei Karlmann Tangl in der

Reihe der Bischöfe von Lavant auf Seite 304 heißt.

Johann Philipp Joseph, Graf von Stadion-Warthausen, und Thannhausen, der Bruder Franz Kaspars , ist am 6.10.1652 in Maasmünster im Elsass geboren. Er war drei mal verheiratet.  Seine politische Karriere startete er als Würzburger Gesandter in Paris.Dann wurde

mainzischer Kammerpräsident und schließlich kurmainzischer Oberhofmeister. Damit hatte er automatisch großes Gewicht im Deutschen Reich, denn der Mainzer Erzbischof war auch Reichserzkanzler.  Aufgrund seiner herausragenden reichsrechtlichen Stellung war der Erzbischof der zweitwichtigste Mann im Heiligen Römischen Reich. Im Laufe der Jahre war diese Position allmählich unumstritten, aber Ende des 15. Jahrhunderts hatten die Mainzer Erzbischöfe sie wieder erreicht. Der Erzkanzler hatte besondere

Vorzüge und Rechte bei der Kaiserwahl und Krönung. Er hatte das Recht, die Kaiser-oder Königswahl zu leiten. Beim Tod des jeweiligen Reichsoberhaupts war er für die Zeit des Interregnums war er praktisch Reichsverweser. Er war beim Tod des Kaisers sofort zu

benachrichtigen. Er berief dann die Kurfürsten ein und setzte Wahlort und Wahltermin fest.

Kurmainz unterhielt am kaiserlichen Hof eine eigene Kanzlei, die Reichskanzlei oder Reichshofkanzlei genannt wurde. Folglich verfasste also Kurmainz die  Reichskanzleiordnungen. Die Reichskanzlei bewahrte das kaiserliche

Siegel und führte das Reichsarchiv. Eine wichtige Funktion hatte noch das Reichsdirektorium auf dem Immerwährenden Reichstag. Kurmainz führte das Direktorium und in diesem Sinne kann man  Kurmainz  durchaus als Vorgänger des heutigen

Bundesratspräsidenten sehen. Diese exponierte Stellung hatte natürlich auch eine rege Korrespondenz mit dem Kaiser, dem Papst, den Reichsständen und den bedeutenden , kleinen und auswärtigen Herrschern zufolge. Und so hatte der oberste Landesbeamte

eben eine ganz andere Funktion in diesem Apparat wie der eines kleines Kurfürstentums. Johann Philipp von Stadion wirkte bei vielen Türkenhilfen mit. Die Kriege gegen Ludwig XIV. waren natürlich ein Thema. An der Augsburger Liga, ein am 9. Juli

1686 geschlossenes Defensivbündnis zwischen Kaiser Leopold I., König Karl II. von Spanien, König Karl IX. von Schweden, Kurfürst Maximilian II.von Bayern und den Mitgliedern des fränkischen und oberrheinischen Reichskreises, wirkte er mit. Auch beim Ausbruch

des Pfälzischen Erbfolgekriegs war er tätig. Er nahm er  als Gesandter des Rheinkreises an den Friedensverhandlungen  von Utrecht im September 1712 teil. Der Friede wurde 1713 geschlossen. Auch bei den Verhandlungen für den

Frieden von Baden im Aargau war er dabei. Kaiser Leopold I. (1640-1705) erhob ihn am 21. April 1686 zum Freiherrn und am 1. Mai  1705 erfolgte die Standeserhöhung zum Grafen.  1696 erwarb er die Herrschaft Warthausen und 1705 die Herrschaft Thannhausen.

1653 hatte Graf Georg Ludwig von Sinzendorf die Reichsherrschaft Thannhausen  käuflich erworben. Von Sinzendorf war Reichserbschatzmeister, wurde allerdings 1680 wegen Betrugs und Unterschlagung seines Amtes enthoben. Die Familie musste die Herrschaft

verkaufen, um Steuerschulden zu tilgen. Diese Herrschaft erwarb dann Graf Johann Philipp  1705. Infolge dieses Erwerbs wurde er am 3. Mai 1708 in das Schwäbische Reichsgrafenkolleg aufgenommen.

Graf Johann Philipp war dreimal verheiratet. Seine erste Ehefrau Anna Maria Eva Faust von Stromberg verstarb am 10.10.1683. Aus dieser Ehe waren fünf Kinder hervorgegangen, 3 Töchter und zwei Söhne. Franz Konrad von Stadion wurde am 28. August 1679 in

Arnstein geboren.Er startete seine kirchliche Laufbahn sehr früh. Schon 1695 trat er in das Domstift in Bamberg ein. Er studierte in Rom und Angers. Seit 1709 war er kurmainzischer Gesandter am brandenburgischen und sächsischen Hof. Seit 1719 war er auch im

Würzburger Domkapitel vertreten.1727 wurde er in Würzburg Domprobst. Am 23. Juli 1753 wurde er Nachfolger des verstorbenen Fürstbischofs  Johann Philipp Anton von und zu Frankenstein. Er verstarb nach nur vier Jahren im Amt des Bamberger

Bischofs im März 1757. Er galt als religiös. Er veranlasste die Einführung eines neuen Katechismus für den Schulunterricht im Hochstift Bamberg. Auch förderte er die Volksmission der Jesuiten in Bamberg.

Zurück zu Graf Johann Philipp. Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau heiratete er Maria Anna Gräfin von Schönborn. Sie war die Nichte seines Dienstherrn, des Erzbischofs Lothar Franz von Schönborn (1655-1729). Aus dieser Ehe gingen 9 Kinder hervor,

für uns im Rahmen des Blogs von Interesse Anton Heinrich Friedrich. In dritter Ehe heiratete Johann Philipp Maria Anna, Freiin Wambolt von Umstadt. Auch diese Ehe war kinderreich. 10 Nachkommen entsprossen ihr.

Kommen wir nun zu Anton Heinrich Friedrich, Graf von Stadion-Warthausen und Thannhausen. Bei einer Schlossführung in Warthausen wurde mein Interesse für dieses Mitglied der Familie von Stadion geweckt. An ihn wird ja auch im Rahmen des Biberacher

Schützenfestes erinnert. Bei der Recherche fand ich aber die gesamte Familie so interessant, dass ich da vieles halt nicht einfach unter den Tisch fallen lassen wollte.

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Anton Heinrich wurde am 5. April 1691 in Würzburg geboren. Er studierte an der Universität Mainz Jura und Kameralwissenschaften. Die Kameralwissenschaften sollten Studierenden, die Kammerbeamte werden wollten, die erforderlichen Kenntnisse

für die Verwaltung in einem absolutistischen Staat vermitteln. Kameralwissenschaft wurde in zwei Teile gegliedert, zum einen Ökonomie, zum anderen Verwaltung. Schon in seinem Studiengang wurde der junge von Stadion also bestens auf den

angestrebten Beruf vorbereitet. Natürlich wurde auch er nach Abschluss seines Studiums auf Kavalierstouren geschickt. Er reiste nach Holland, Italien und Frankreich. Er begegnete dort den größten Geistern seiner Zeit, so in Frankreich Voltaire,

der ihn sehr beeindruckte. Er blieb auch weiter in Verbindung mit Voltaire. Er war sehr begabt und seine Reisen unternahm er mit sehr wachen Augen. Er wurde schon sehr jung in den Staatsdienst aufgenommen. Anton Heinrichs Vater trat 1737 von

allen Ämtern am kurmainzischen Hof zurück. Anton Heinrich begann seine öffentliche Laufbahn auch in kurmainzischen Diensten. Er wurde Geheimer Rat, dann Hofmarschall.In Bischofsheim, dem heutigen Tauberbischofsheim wurde er 1718

Oberamtmann. Dann kam er nach Mainz, wo er Staatsund Hofminister und schließlich  wie sein Vater Oberhofmeister wurde. Der erste Mainzer Erzbischof, unter dem er diente, war Philipp Karl von Eltz-Kempenich. Philipp Karl wurde im Juni 1732 neuer Erzbischof

in Köln und blieb dies bis zu seinem Tod 1743. Auf ihn folgte Johann Friedrich Karl von Ostein, ein Cousin von Anton Heinrich. Beide Herrscher waren schwach und in Staatsgeschäften sehr unerfahren.

1737 , imselben Jahr als Graf Johann Philipp von allen Ämtern zurückgetreten war, hatte Anton Heinrich den Rollingschen Hof erworben. Der Geheime Hofrat Lothar Friedrich von Rollingen hatte ihn in den Jahren 1628 bis 1633 erbauen lassen. Nach dem Erwerb durch

Anton Heinrich wurde er das Gebäude in Stadionscher Hof umbenannt.

Nachdem Tod von Philipp Karl von Eltz-Kempenich am 21. März 1743 wählte das Mainzer Domkapitel auch unter dem Druck der Pragmatischen Armee Johann Friedrich Karl von Ostein zum neuen Mainzer Erzbischof. Der bisherige Domkustos war

ein entschiedener Parteigänger Habsburgs. Nach dem Tod Karls VII. (1742-1745) gelang es ihm, im Bayrisch-Österreichischen Erbfolgekrieg zu vermitteln. In Füssen wurde  am 22. 4. 1745 Frieden geschlossen und damit der  Österreichischen Erbfolgekrieg  zwischen

Österreich und Bayern beendet. Kurfürst Max Joseph verzichtete auf die Kaiserwürde und alle Ansprüche auf österreichische Länder, anerkannte die Pragmatische Sanktion und versprach gegen Rückgabe seiner Länder Franz Stephan, dem Gemahl Maria Theresias,

bei der Kaiserwahl seine Stimme. Formell beendet war der Krieg zwar erst mit dem Frieden von Aachen. Der Füssener Friede hatte zunächst nur die Einigung zwischen Bayern und Österreich gebracht. In Aachen wurden Vereinbarungen zwischen

Österreich und England, die in diesem Krieg verbündet waren und Preussen und Frankreich andererseits getroffen. Im Bereich des Kurstaates war aber der Friede schon mit dem Vertrag in Füssen eingetreten.  Der Mainzer Erzbischof lud als Reichserzkanzler

zur Kaiserwahl nach Frankfurt. Dort wurde am 13. September 1745 Franz Stephan von Lothringen zum Kaiser gewählt. Der bayrische Kurfürst hatte sich in Füssen ja bereit erklärt, der Wahl zu zustimmen. Sieben der neun Kurfürsten stimmten für Franz I. Stephan.

Als er am 4. Oktober 1745 im Kaiserdom zu Frankfurt gekrönt wurde, kniete seine Gemahlin Maria Theresia nicht wie üblich neben ihrem Mann. Sie blieb unter den Zuschauern. Im Gegensatz zum neugewählten Kaiser besaß sie als Monarchin von Ungarn und

Böhmen und regierende Erzherzogin der habsburgischen Erblande wirkliche Macht. Der Kaiser war im 18. Jahrhundert für Zeremonien und Repräsentation zuständig. Er nahm Adels-und Ordensverleihungen vor. Friedrich der Große sagte zur Kaiserwürde, sie sei nur

“leerer Titel”.

Natürlich war die agierende Person immer der Mainzer Erzbischof. Man kann aber annehmen, dass Graf Anton Heinrich die Strippen zog, zumal er gut vernetzt war, während Friedrich Karl von Ostein ja kaum praktische Erfahrung in Staatsgeschäften hatte.

Auch im Kurstaat stellte der Oberhofmeister die Weichen. Er führte ein gültiges Landrecht im Kurstaat ein, das willkürlichen Rechtsabweichungen ein Ende machte. Ergänzt wurde das durch eine neue zeitgemäße Gerichtsordnung. Sie regelte den Verlauf von

Verfahren in Bürgerlichen und Strafsachen. Er erließ für die Förderung von Handel und Verkehr wichtige Verordnungen. Er führte zwei vierzehntägige Messen in Mainz ein. Er erließ Verordnungen zur Regelung des Messkredits und der Zahlungstermine. Er schuf

eine Vertretung des Handelsstandes unter Leitung des Vicedom-Amts. Das ist der Vorläufer einer künftigen Handelskammer. Sie hatte über alles zu beraten, „was zur Aufnahme der Gewerbe und Kauffmannschaft dahier gereichen, und Schaden und Abgang zu

verhindern vermag.“  Begleitet wurde dies von einer Neuregelung des Schiffahrtswesens. Auch über eine Verbesserung des Pfandverkehrs wurde nachgedacht. Das Löschwesen wurde verbessert. Und man versuchte den Bettelunfug in Griff zu bekommen.

1746 wurden die Privilegien der Universität erneuert. Der Erzbischof ließ einen botanischen Garten errichten und ein Anatomisches Institut wurde errichtet. Der Einfluss der Jesuiten wurde allerdings nicht zurückgedrängt.

Wenig Unterstützung hatte der Oberhofmeister von seinem Erzbischof allerdings, wenn es um religiöse Angelegenheiten ging. Als er ein 1720 errichtetes Kreuz entfernen ließ,um Platz für die Messe zugewinnen wurde geschickt Stimmung gegen den

aufklärerischen Oberhofmeister gemacht. Um die aufgebrachte Menge zu beruhigen, ließ die Regierung ein neues Kreuz errichten. Johann Baptist Horix war Doktor beider Rechte, der weltlichen und kirchlichen. Er unterrichtete als Professor an

der Universität Mainz. Er war einer der ersten Dozenten, die ihre Vorlesungen in deutsch hielten. In einer Arbeit “Tractatiuncula in fontibus juris canonici germanici”, kämpfte er gegen die von Rom angestrebte Vermehrung der Machtvollkommenheit an.

Die Geistlichkeit regte sich gegen den Gelehrten und ruhte nicht, bis dieser gemaßregelt wurde. Es gelang auch von Stadion darin zu verwickeln. Dieser musste schließlich eine Erklärung abgeben, er habe an der Arbeit des von ihm protegierten Professors

keinen Anteil.  Dies alles und die Erkenntnis, dass er bei seinem Herrn keinen Rückhalt hatte, veranlassten ihn, sich nach Warthausen zurück zuziehen, ohne aus dem Staatsdienst auszuscheiden.

Christoph Martin Wieland nennt einen anderen Grund für den Rückzug aus Mainz: „Der Graf von Stadion hatte den Cardinalnepoten, wie man ihn damals  am mainzer Hofe nannte, zum Fenster hinauswerfen wollen, und erhielt daher den Befehl, nach Warthausen, eine Stunde von Biberach, wo er Oberamtmann war, sich zu verfügen, und nicht eher als gerufen wieder  bei Hofe zu erscheinen.“(in Historisches Taschenbuch 10 S. 395 f.)

Sein Vater Johann Philipp hatte die Herrschaft Warthausen ja 1695 erworben.

Anton Heinrich hatte am 27. Juni 1724 in Ebnet bei Freiburg Maria Anna Augusta Antonia Euphemia Euphrosyna von Sickingen zu Hohenburg geheiratet. Dieser Ehe entstammten drei Söhne, von denen einer allerdings nur ein Jahr alt wurde und drei Töchter.

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Aus seiner Zeit aus Tauberbischofsheim stammt Georg Michael Anton Frank von Lichtenfels gen. von La Roche, den er zwar nicht legitimierte, der aber beste Ausbildung erhielt.

Zu Schloss Warthausen siehe Blog.  Graf von Stadion hatte sich 1756 ins Biberacher Bürgerrecht eingekauft. Er hatte auch ein Haus in Biberach erworben, das der damalige Biberacher Bürgermeister Wilhelm von Brandenburg erbaut hatte.

(Biberacher Bauchronik von 1928-Preisersche Chronik-S. 174.) Er ließ es kostbar einrichten. Die Rokoko-Stuckdecken im Haus, die Balustertreppe und die Tür mit Messingbeschlägen stammen wohl aus dieser Zeit.

Von Stadion nutzte das Haus als Sommerresidenz, wenn er in Biberach weilte. In diesem Haus hat er wohl auch Christoph Martin Wieland getroffen, der ja nur ein paar hundert Meter davon entfernt wohnte und als Städtischer Kanzleiverwalter

arbeitete. Als Georg Michael La Roche Warthausener Oberamtmann war, bewohnte er dieses Haus in der heutigen Biberacher Hindenburgstraße.

Graf Anton Heinrich hatte auch in Warthausen einige Veränderungen vorgenommen. So ließ er die bis dahin gotische Schlosskapelle barockisieren. Im heute sogenannten Damensalon ist eine aus der Zeit von 1720 original erhaltene Seidentapete zu bewundern.

Dort ist auch viel Porzellan ausgestellt. Vieles  sind Hochzeitsgeschenke zur Vermählung mit Maria Anna Augusta. Es sind alle Manufakturen der damaligen Zeit vertreten. Auch eine beachtliche Chinosoirie-Sammlung ist zusehen.

Ein Schmuckstück ist natürlich die Bibliothek, zum einen der Raum selbst, aber natürlich der Inhalt. Licht erhält der Raum durch zwei Fenster in Ost-West-Richtung. Er hat also den ganzen Tag Tageslicht. Die Fenster sind mit Butzenglas versehen,

das eine fokussierende Wirkung hat und so lange Tageslicht herrscht, optimale Lesebedingungen bietet. Die Bibliothek ist ins Denkmalbuch Baden-Württemberg eingetragen und wird von der Landesbibliothek betreut. Es ist dies ein repräsentatives

Zeugnis süddeutscher und aristokratischer Bibliothekskultur. Zusätzlich interessant ist die Bibliothek natürlich auch durch die Tatsache, dass sich Wieland oft und gerne in Warthausen aufgehalten hat, oder mit Wielands Worten Johann Georg Zimmermann

in einem Brief vom 22. Juni 1762 in Christoph Martin Briefwechsel hsg v. der Dt.Akademie der Wiss. (WB) Bd. III, Berlin 1975,S.93 “ un endroit où je passe de tems en tems quelques jour´s aussi agreablement qu’il le faut oublier ma situation desastreuse dans ma

villaine patrie”. Interessant ist die Bibliothek natürlich vor allem dadurch, dass die Möglichkeit, diese Bibliothek zu nutzen, in die Zeit fiel, in der Wieland an der Geschichte des Agathon und an seinen Shakespeare –Übersetzungen arbeitete. Die Bibliothek umfasst

rund 1400 Bände. Mehr als die Hälfte davon sind Geschichtswerke, Reisebeschreibungen, staatswissenschaftliche und ökonomische Beschreibungen. Sehr vieles davon sind französische Werke. Sie hat auch eine umfangreiche höfische Traktatliteratur,

Werke über Grundlagen der Adelserziehung. Wieland war ja ab 1772 in Weimar als Prinzenerzieher für die beiden Söhne von Anna Amalia von Sachsen-Weimar tätig. Dann sind in der Stadionschen Bibliothek natürlich  politische und philosophische Werke der

europäischen Frühaufklärung vertreten, die meisten in französischer Sprache oder Übersetzung. Francis Bacon Neuf Livres De la Dignité et De l’Acroissement des Sciences, Pierre Bayle, Dictionnaire historique et critique, einige Bücher von Réné Descartes,

Hugo Grotius Le Droit, La Guerre et la Paix,Voltaire, Oeuvres, Anti-Macchiavelli. Nicht verwunderlich ist Voltaire, schließlich ist von Stadion ja schon auf seinen Kavalierstouren begegnet und war von ihm beeindruckt. Dann ist Leibniz in Warthausen zu finden.

Einen großen Rahmen nimmt die französische Literatur von 1600 bis 1750 ein. Englische Literatur ist in Warthausen kaum verzeichnet. Daraus kann man schließen, dass Wielands  Rezeption englischer Literatur schon in seine Schweizer Zeit von 1752-1759

bei Bodmer fiel. Deutsche Dichtung des 18. Jahrhunderts ist in der Stadionschen Bibliotherk kaum präsent. Es ist noch eine handsignierte Aussage von Kant zu finden und natürlich eine komplette Wielandausgabe, die aber möglicherweise erst durch die Enkel

von Anton Heinrich hinzukamen.

Ab 1761 lebte Graf Anton Heinrich in Warthausen. Auch Georg Michael Frank von La Roche ging mit dem Grafen nach Warthausen. Er war dort Oberamtmann und übernahm die Verwaltung des Guts. 1753 hatte er Sophie von Gutermann geheiratet. Sie war

die Tochter des Kaufbeurer Arztes Georg Friedrich Gutermann zu Gutershofen.Sie war von ihrer Familie nach Biberach gebracht worden, weil sie sich in Augsburg mit dem Italiener Giovanni Ludovico Bianconi verlobt hatte. Die Familie wünschte aber die

Eheverbindung auch aus konfessionellen Gründen nicht. In Biberach traf sie den evangelischen Pfarrersohn, ihren Cousin Christoph Martin Wieland. Ihre Seelenverwandschaft führte bald dazu, dass sie sich verlobten. Allerdings löste Sophie diese

Verlobung als Wieland bei Johann Jakob Bodmer in Zürich weilte. Ende 1753 heiratete sie nun Georg Michael Frank von La Roche. Sophie war als Hofdame und Gesellschafterin am Warthauser Hof. Wieland war mittlerweile zunächst Senator und dann

Kanzleiverwalter in Biberach.Nicht weit von Warthausen ist das Kloster Obermarchtal. Dort war  Sebastian Sailer Prämonstratensermönch. Er war gefragter Prediger und vielseitiger Autor. 1764 war Ignaz Valentin Heggelin Pfarrer in Warthausen geworden,

auch er durchaus mit den Schriften der Aufklärung vertraut. Dann war noch Maria Maximiliana, die Tochter des Grafen. Seit 1754 ist sie als Stiftsdame des Freiweltlichen Damenstifts in Buchau verzeichnet. Am 18. Januar 1775 wurde sie dort als letzte Äbtissin

gewählt. Dieser kleine Kreis traf sich regelmäßig zum Gedankenaustausch in Warthausen und ist später als Warthauser Musenhof bekannt geworden. Auch Johann Heinrich Tischbein war immer wieder zugegen und fertigte Porträts des Kreises an. Auch das obige

Bild von Anton Heinrich Johann stammt von ihm. Als Johann Heinrich gerade 14 Jahre alt war, malte er ein Porträt des Kochs des Grafen. Das wurde auch dem Grafen gezeigt. Er erkannte das Talent des Jungen. Er förderte ihn und ermöglichte ihm eine Ausbildung in

Paris. Später stellte er den Kontakt zum Landgrafen Wilhelm VII. her. Er fertigte ein Porträt des Landgrafen an. Obwohl der Maler nur einen Tag zur Verfügung hatte und er außerdem von heftigen Zahnschmerzen geplagt war, gelang das Bild so gut,

dass er zum Hofmaler Wilhelms VII. ernannt wurde.

Auch den aus Reutte in Tirol zugewanderten Tischler Anton Haaf hatte er gefördert. Er hatte ihn auf die Bauakademie nach Wien geschickt. In Warthausen führte er im Auftrag des Grafen einige Umbauten durch. In Bönningheim wurde er mit dem Neubau des

Schlosses beauftragt, das über  Anton Heinrichs Vater in den Besitz der Familie Stadion gelangt war. Die Pläne für das Schloss stammen aber wohl von Anselm Franz Reichsfreiherr von Ritter zu Groenesteyn, der auch den Stadionschen Hof in Mainz gebaut hatte, der

manchmal als der “ große    Bruder “ des Bönnigheimer Schlosses bezeichnet wurde.

Nicht nur Friedrich der Große hatte in seinem Land die Kartoffel eingeführt. Auch Graf von Stadion hatte das in seiner kleinen Herrschaft gemacht. Die Riss hatte ein neues Bett bekommen und auf dem neugewonnenen Land ließ der Graf die Kartoffel

anpflanzen.

Zu von  Ostein’s Nachfolger Emmerich Josef v. Breidbach-Büresheim kam es wieder zu freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem ehemaligen Oberhofmeister und dem Kurfürsten, ohne dass Graf Anton Heinrich wieder in den kurmainzischen Staatsdienst

zurückkehrte. Und dank dieser Beziehung hatte er durchaus noch Einfluß. So wurde auf seinen Rat Christoph Martin Wieland als Professor der Philosophie nach Erfurt berufen, was in konservativen Mainzer Kreisen nicht besonders gut ankam. Auch beim Umbau

des Mainzer Schulwesens  spielten Stadion’s Freunde Freiherr v. Benzel-Sternau und Großhofmeister v. Grosschlag, beide freisinnige Männer, eine hervorragende Rolle.

Die Ehe mit Maria Anna von Sickingen war wohl nicht besonders glücklich. Maria Anna war wohl etwas engstirnig fromm und so ziemlich das Gegenteil ihres freisinnigen Gattens. Das Ehepaar lebte meist getrennt, sie die meiste Zeit in Freiburg.

Graf Anton Heinrich Friedrich verstarb am 26. Oktober 1768 in Warthausen.

Er hatte eine enorme politische Gestaltungskraft gezeigt. Ohne selbst schriftstellerisch tätig zu sein, hat er durch die Förderung Wielands und Sophie La Roches auch der deutschen Literatur Impulse gegeben. Seine Förderung Wielands in Biberach,

die Möglichkeit in Warthausen zu arbeiten und dass von Stadion Wieland den Weg nach Erfurt geebnet hat, hat diesem sicher einiges erleichtert.

Und auch seine Söhne haben wohl einiges von seinem Talent geerbt. La Roche hat in Trier dieselbe Stellung wie der Vater in Mainz eingenommen. Seine Frau Sophie war die bedeutendste Schriftstellerin ihrer Zeit. Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim

gilt als der erste von einer Frau geschriebene Roman. Über ihre Tochter Maximiliane wurde sie zur Großmutter von Bettina von Arnim und Clemens Brentano.

Der Sohn von Graf Anton Heinrich Johann Franz Konrad von Stadion zu Warthausen und Thannhausen wurde  am 15.03.1736 geboren. Er heiratete Maria Ludovica geb. Zobel von Giebelstadt. Am 18. Juni 1763 wurde Johann Philipp Karl Joseph Graf von Stadion

geboren. Sein erster Sohn Friedrich Lothar Graf von Stadion-Warthausen wurde am 6. April 1761 geboren. Er erkrankte früh an Tuberkulose und musste deshalb auf sein Erzgeburtsrecht verzichten. Er wurde für den geistlichen Dienst bestimmt und wurde Domherr in

Mainz. Sein Bruder  Johann Philipp Carl Joseph wurde am 18.06.1763 in Warthausen geboren. Johann Philipp studierte Jura in Nancy und Göttingen. Nach dem Studium ging er mit seinem Bruder auf Kavalierstour begleitet vom gemeinsamen

Erzieher Joseph Hieronymus Karl Kolborn. Für die beiden Brüder blieb er zeitlebens ein enger Berater und Vertrauter.

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Johann Philipp absolvierte ein Praktikum am Wiener Hofrat. 1787 trat er in den österreichischen diplomatischen Dienst ein. von 1787 bis 1790 war er Gesandter in Stockholm. Dann übernahm er die Gesandtschaft in London. Er konnte das angespannte britisch-

österreichische Verhältnis entspannen. Er trug auch maßgeblich zum Eintritt Englands in die Koalitionskriege gegen das revolutionäre Frankreich bei. 1793  Johann Amadeus Franz de Paula Thugut die Leitung der österreichischen Außenpolitik. Von Stadion hatte

sachliche Differenzen mit der österreichischen Politik und quittierte deshalb seinen Dienst. Er lebte auf den böhmischen Gütern der Familie. 1794 vermählte er sich mit Marie Anna Gräfin v. Thannhausen,deren Vater Joseph Johann Nepomuk Georg von Stadion

kurmainzischer  Geheimrat und Obersilberkämmerer war. Aus dieser Ehe gingen acht Kinder hervor.

Als Thugut 1800 zurücktrat folgte Johann Ludwig Graf von Cobenzl auf ihn. Er hatte die Verhandlungen beim Rastatter Kongress geleitet, die zum Friedensvertrag von Lunéville führten. Nun nahm auch von Stadion seine diplomatische Laufbahn wieder auf.

Er wurde 1801 Gesandter in Berlin. Danach folgte ab 1803 die Vertretung in Petersburg. 1805 trug er wesentlich zum Bündnis gegen die Expansionsbestrebungen Napoleons bei. Stadion hatte 1803 geraten, das alte Reich aufzulösen in der Hoffnung,

den Rheinbund verhindern zu können. Allerdings trog die Hoffnung. 1805 war Stadion zum Außenminister ernannt worden. Die Reformen des Schulwesens, innere Reformen, Verwaltungsreformen waren Schwerpunkte der Stadionschen Tätigkeit.

Er  befürwortete den österreichischen Aufstand von 1809. Aber Preußen hatte Stadions Hoffnungen enttäuscht und sich nicht daran beteiligt. Nach der österreichischen Niederlage wurde Stadion durch Metternich abgelöst. Ab 1815 war er als

Finanzminister tätig. Im Zug der Neuordnung des Finanzwesens gründete von Stadion 1816 die Österreichische Nationalbank. Sie hatte das Monopol auf die Emission von Banknoten. Die Wirtschaft hatte eine solide Geldquelle und es trat eine Beruhigung des

österreichischen Geldwesens ein.

Von Stadion gehörte in seiner Eigenschaft als Graf von Warthausen auch der Württembergischen Ständeversammlung an. Mit dem württembergischen König, der seine Standeserhöhung ja Napoleon verdankte, lebte er im Dauerkonflikt.

Das führte dazu, dass Warthausen 1826 verkauft wurde. Graf Philipp Johann starb am 15. Mai 1824 in Baden bei Wien.

Damit soll der Blick auf rund 1000 Jahre interessanter Familiengeschichte abgeschlossen sein.

01 Okt 2013

Matthias Erzberger

Unbenannt

Am 26. September 1875 wird Matthias Erzberger in dem kleinen Albdörfle bei Münsingen geboren. Er war eines von 6 Kindern des Postboten und Schneiders Josef Erzberger

und dessen Frau Katharina geborene Flad. Sein Geburtshaus ist heute die Erzberger-Gedenkstätte. In Bichishausen, Nachbarort von Buttenhausen und beides Teilorte der Gemeinde Münsingen

besuchte er die Volksschule. Schon dort war seine auffallende Begabung zu erkennen.Von Bichishausen wechselte er in die Präparandenanstalt in Schwäbisch Gmünd. Das war damals die unterste Stufe der Volkschullehrerprüfung.

Danach  besuchte er das katholische Lehrerseminar in Saulgau. Das war eigentlich die einzige Möglichkeit, die sich einem Kind aus so armen Hause bot. Mit 19 Jahren legte er die Volksschullehrerprüfung ab.

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Er war dann in Göppingen, Marbach und Stuttgart als Volksschullehrer tätig. 1896 begann er aber ein Studium des Staatsrechts und der Nationalökonomie in Freiburg im Üechtland. Im gleichen Jahr arbeitete er aber bereits als Redakteur beim

“Deutschen Volksblatt”, einer katholischen Tageszeitung mit dem Untertitel eine politische Zeitung, die seit 1848 in Stuttgart erschien. Sein Studium schloss er deshalb nicht ab. Gleichzeitig engagierte er sich in

katholischen Arbeitervereinen und der Zentrumspartei, die seit 1881 stärkste Reichstagsfraktion war. 1899 beteiligte er sich an der Gründung Christlicher Gewerkschaften.

Er blieb seinem katholischen und sozialen Milieu,  den “Kleinen Leuten” treu und schrieb zahllose Briefe und Eingaben. Seine vielen Zeitungsartikel zeugten von seinem enormen Engagement.

1903 wurde er erstmals in den Reichstag gewählt und zwar für den Wahlkreis 16 in Württemberg. Das waren die Städte Biberach, Bad Waldsee, Leutkirch und Wangen.

In Biberach hielt er seine Wahlveranstaltungen immer im Grünen Baum ab. Dort ist am 20.12. 2012, also an seinem Geburtstag, ein Saal nach ihm benannt worden.

Erzberger war der jüngste Reichstagsabgeordnete und kam  mit 28 Jahren in den Reichstag. Das aktive und passive Wahlrecht lag damals bei 25. Sein politischer Ziehvater war

der Reichstagsabgeordnete Richard Müller, in Fulda geboren und von 1893-1918 im Reichstag. In der ersten Legislaturperiode gab es die sogenannten Kolonialskandale. Ein deutscher Kolonialbeamter Georg Schmidt

hatte in Togo mehrere minderjährige Afrikanerinnen vergewaltigt. Das sollte vertuscht werden. Doch Erzberger deckte dies auf. Als dann der Reichstag einen Nachtragshaushalt von 29 Millionen Reichsmark für den Krieg in Südwestarika forderte,

kritisiert vor allem Erzberger die umfangreichen Ausgaben und die Kolonialkriege. Daraufhin lehnte die Zentrumsfraktion, selbst nicht ganz einig, den Antrag ab. Eine knappe Mehrheit 177:168 votierte gegen den Nachtragshaushalt.

Reichskanzler von Bülow löste noch am selben Tag den Reichstag auf. Es kam zu Neuwahlen, die auch als “Hottentottenwahl” – wegen des Volksaufstands in Südwestafrika bezeichnet wurden. Die Wahlbeteiligung war mit 84,7 % die höchste aller bisherigen

Reichstagswahlen. Das Zentrum konnte knapp dazu gewinnen und erreichte nun 105 statt 100 Sitze.

1909 scheiterte der “Bülow-Block” an der Reichsfinanzreform. Es ging vor allem um die Erbschaftssteuer. Dagegen hatten sich vor allem die Konservativen, aber auch das Zentrum gewandt. Als die Mehrheit gegen Bülows Entwurf stimmte, trat er zurück.

Allerdings brachten er die Finanzreform noch vor dem Ende seiner Kanzlerschaft mit veränderten Inhalten und Mehrheiten doch noch durch.

Eindeutiger Sieger der Reichstagswahl 1912 war die SPD mit 34,8 % der Stimmen und 110 Sitzen. Das Zentrum erreichte 16,4 % und 91 Sitze und war damit zweitstärkste Kraft.

Im Oktober 1914 wurde durch einen Erlass des Reichskanzlers Bethmann von Hollweg die Zentralstelle für Auslandsdienste eingerichtet. Erzberger übernahm  die Leitung. Nach seinen Worten  sollte sie dem Ausland zeigen, wie es in Deutschland aussieht und

was das deutsche Volk in seiner Gesamtheit anstrebt, um hierdurch ein bleibendes Fundament für die gerechte Beurteilung der deutschen Sache zu schaffen.

Anfangs war Erzberger für die Errichtung einer kontinentalen Hegemonie und für Annexionen vor allem in Belgien, dessen Häfen eine Ebenbürtigkeit mit England sichern sollten. Er war auch gegen ein Nachgeben auf amerikanischen Druck und für den U-Bootkrieg.

Er war noch gegen eine Ablehnung aus völkerrechtlichen Gründen, teilte aber auch nicht den blinden Glauben an die Wunderwaffe. Bis 1916 konnte er seine Partei davon abhalten, sich offen für den uneingeschränkten U-Boot-Krieg auszusprechen.

1916 konnte er sich mit seiner Position auch des sicheren Eintritts der USA in den Krieg bei einem uneingeschränkten U-Boot Krieg nicht mehr durchsetzen. Er hatte sich mittlerweile von einem begeisterten Annexionisten zu einem vorsichtigen Realpolitiker

gewandelt, der das Machtpotential der USA in seine Überlegungen einbezog. Als einer von wenigen bürgerlichen Politikern begrüßte er das Friedensangebot von Bethmann Hollweg und setzte vor allem große Hoffnungen auf das Vermittlungsangebot des

amerikanischen Präsidenten vom 21. Dezember 1916. Er war mittlerweile überzeugt, dass der Krieg mit militärischen Mitteln allein nicht mehr zu gewinnen sei. Er war bereit, Vermittlung egal woher sie käme, zu akzeptieren. In Deutschland lagen nur noch die

Sozialdemokraten auf dieser Linie. Das Friedensangebot der Mittelmächte wurde von der Entente abgelehnt und am 9. Januar 1917 kam es dann zur Entscheidung, den uneingeschränkten U-Boot-Krieg zu eröffnen.

Die militärische Lage wird immer kritischer.  In einer Debatte am 6. Juli 1917 fordert Erzberger den Verzicht auf Annexionen.  Am 19. Juli 1917 wird von den Mehrheitsparteien, dem Zentrum und den Mehrheitssozialisten eine von ihm initiierte Friedensresolution

eingebracht.

“ Der Reichstag erstrebt einen Frieden der Verständigung und der dauernden Versöhnung der Völker. Mit einem solchen Frieden sind erzwungene Gebietserwerbungen und politische, wirtschaftliche oder finanzielle Vergewaltigungen unvereinbar.
Der Reichstag weist auch alle Pläne ab, die auf eine wirtschaftliche Absperrung und Verfeindung der Völker nach dem Kriege ausgehen. Die Freiheit der Meere muß sichergestellt werden. Nur der Wirtschaftsfriede wird einem freundschaftlichen Zusammenleben der Völker den Boden bereiten.”

Dies war über die Proteste des Kanzlers und der Obersten Heeresleitung hinweg geschehen und zeigte erstmals einen ernsthaften Riss durch den innenpolitischen Konsens, den der Krieg hervorgebracht hatte. (Kaiser Wilhelm am 1. August in seiner “Balkonrede”:

“Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche”) Der Krieg aber war verloren. Am 30. September 1918 trat Reichskanzler Georg Graf von Hartling zurück. Ihm folgte Max von Baden nach. Dieser wurde am 3.10.1918 als Reichskanzler und preußischer

Ministerpräsident berufen. Erzberger wurde zum Minister ohne Geschäftsbereich ernannt. Am  6. November übernahm er die Waffenstillstandskommission. Am 8. November begannen die Verhandlungen. Auf alliierter Seite saß der französische General

Foch. Die Waffenstillstandsbedingungen waren so hart, dass die Annahme einer Kapitulation gleichkam. Erzberger versuchte mit Berlin Kontakt aufzunehmen, erreichte aber nur Hindenburg. Der aber forderte die Annahme des Waffenstillstands, wenn nötig unter

allen Bedingungen. Am 11. November 1918 unterzeichneten Foch und Erzberger in dem berühmten Eisenbahnwaggon die Kapitulation. Erzberger wusste sehr wohl, was das für ihn bedeutete. Fortan war er die Hassfigur für die Rechten.

Die Herren Militärs hatten sich aber geschickt aus der Verantwortung gezogen, einen Zivilisten vorgeschickt, der das Desaster, das sie angerichtet hatten, ausbaden durfte, sie aber konnten getrost an der “Dolchstoßlegende” stricken.

Irgendwie ist es bezeichnend, dass es im Hauptort des Erzbergerschen Wahlkreises nur in einem kleinen Ortsteil eine “Erzbergerstraße” gibt. Die “Hindenburgstraße” ist aber nach wie vor die zentralst gelegene Straße Biberachs!

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Ab 16. Oktober mehrten sich die Abtretungsempfehlungen, später Forderung an Kaiser Wilhelm. Am 28. Oktober reiste der Kaiser zum großem Hauptquartier nach Spa in Belgien ab. Das war im 1. Weltkrieg zunächst die militärische Zentrale, später auch

die politische der Führung des deutschen Kaiserreichs. Die Lage im Reich wurde immer undurchsichtiger und schwieriger. Kaiser Wilhelm wollte noch am 8. November im Einklang mit der Obersten Heeresleitung an der Spitze des Heeres

nach Deutschland einmarschieren. Bald aber wurde klar, dass die Truppe mehrheitlich nicht mehr hinter dem Kaiser stand. Am 9. November gab der Kanzler Max von Baden eigenmächtig die Abdankung des Kaisers bekannt. Die Revolution war nach

dem Kieler Matrosenaufstand und der Novemberrevolution in Berlin angekommen. Am 9. November rief Philipp Scheidemann vom Westbalkon des Reichstagsgebäudes die Republik aus, auch um Karl Liebknecht zuvor zu kommen. Dieser hatte kurze Zeit später

vor dem Berliner Stadtschloß die “Freie sozialistische Republik Deutschland ausgerufen.” Am 10. November verließ der Kaiser Spa. Dazu hatte ihm Hindenburg geraten. Am 19. Januar fand die Wahl zur Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung statt.

Diese trat am 6. Februar in Weimar zusammen. Erzberger war ebenfalls in die Nationalversammlung gewählt worden. Das Zentrum hatte 19,7 % der Stimmen oder 91 Sitze erhalten und war hinter der SPD mit 163 Sitzen zweitstärkste Kraft.

Die Volksversammlung wählte am 11. Februar Friedrich Ebert zu Reichspräsidenten. Dieser beauftragte Scheidemann mit der Regierung. Erzberger gelang es, in seiner Partei eine Mehrheit für eine Beteiligung für eine Koalition mit der SPD zu organisieren.

Das Zentrum stellte drei Minister. Erzberger war Minister ohne Geschäftsbereich und war weiterhin mit  Friedensverhandlungen betraut. Im Gegensatz zum Außenminister Ulrich Graf von Brockdorf-Rantzau befürwortete er den Versailler Vertrag und wurde deshalb

als” Erfüllungspolitiker” bezeichnet, was ihm ebenso wie später Walther Rathenau zum Verhängnis wurde. Beide wurden zu Opfern von Fememorden der Organisation Consul.

Im Juni ging es vor allem u die Kriegsschuldfrage und ob der Versailler Vertrag unterzeichnet werden solle oder nicht. Erzberger war der Meinung, dass bei einer Ablehnung die völlige Besetzung  Deutschlands drohe. Befürworter und Gegner  waren  etwa gleich

stark. Aber am 19. Juni verhärteten sich die Fronten. Scheidemann und mit ihm Brockdorff-Rantzau und der Justizminister traten zurück. Damit war das Kabinett Scheidemann am Ende. Auf ihn folgte Gustav Bauer. Erzberger wurde Finanzminister im Kabinett Bauer

und setzte die Finanzreform durch.Der Zeitjournalist Robert Leicht meint dazu, “Erzberger setzte in wenigen Monaten durch, was einem Paul Kirchof unter Friedensbedingungen nie gelingen würde”: eine völlig neue Finanzverfassung für Deutschland. Bis 1918 finanzierte sich der Haushalt des Kaiserreichs aus den sogenannten Matrikularbeiträgen. Das waren Abgaben, die die Länder zu zahlen hatten. Dabei wurde die Höhe der Beiträge nicht aufgrund der

Wirtschaftskraft der Länder sondern ihrer Einwohnerzahl festgelegt. Erzberger führte den direkten Lohnsteuerabzug ein. Das ist die Grundlage des Steuersystems, das heute noch in Kraft ist. Das Reich erhielt die ausschließliche Steuerhoheit. Damit war das Reich

nicht mehr wie im Kaiserreich von den Ländern abhängig. Erzberger strebte eine spürbare Entlastung der sozial schwächeren Schichten an. Im Dezember 1919 kam noch das Reichnotopfer hinzu, eine einmalige Abgabe auf Einkommen und Vermögen, die vor allem

im Besitzbürgertum für große Empörung sorgte. Zwar war die Dringlichkeit unumstritten, brachte ihn aber auf der Rechten in den Ruch eines “Konfiskatorischen Sozialisten”(H.A.Winkler). Die Staatschuld hatte 1913 etwa 5 Milliarden Reichsmark betrag. 1919 waren

daraus 153 Milliarden geworden. Das deutsche Reich hatte den Krieg überwiegend über Anleihen finanziert– aber den Krieg verloren. Die Hoffnung dies aus den Reparationen der besiegten Gegner zu bezahlen, war damit geplatzt wie ein schöner Ballon.

Deutschland bat nicht zur Kasse, sondern wurde zur Kasse gebeten. 1921 wurden Deutschland 130 Millionen Goldmark als Reparationszahlungen auferlegt. Das Reichsschatzamt hatte 1919 noch mit maximal 30 Milliarden gerechnet. Einen Staatsbankrott lehnte Erzberger

genau so ab wie Inflation. Beides hätte vor allem die kleinen Leute getroffen, die schon 90 % der Kriegsanleihen gezeichnet hatten. Gerade das Reichsnotopfer belegt, dass dies nicht der Erzbergersche Weg war. Allerdings

verpuffte der Effekt eben wegen der Inflation ziemlich wirkungslos. Flankiert wurden die Maßnahmen durch die Einführung einer einheitlichen Reichssteuerverwaltung. Steuergesetze sind immer nur so gut, wie sie umgesetzt werden.

Eine finanztechnische Schulung der Beamten war vorgesehen. Erzberger strebte an “eine im einheitlichen Geiste erzogene und geschulte Beamtenschaft “ heranzuziehen. Es war absehbar, dass dieses Vorhaben eine Kapitalflucht zur Folge haben würde.

Deshalb hatte Erzberger drastische Grenzkontrollen und drakonische Strafen für Gesetzesverletzungen vorgesehen. Die hohen Steuern waren der Preis für die falsche Führung des Krieges durch die Kreise, die jetzt das lauteste Geschrei anstimmten.

In nur acht Monaten hatte Erzberger seine Reform durchgesetzt. Das ging nur, weil er seit der Friedensresolution von 1917 zum Inneren Führungszirkel der neuen politischen Entscheidungsträger gehörte. Erzberger wurde zum meist gehassten Politiker der

Nachkriegszeit. Aber er wehrte sich wie er zum Beispiel in der parlamentarischen Auseinandersetzung vom 25. Juli 1919 zeigte. Da ging es um die Kriegszielpolitik. Er sagte unter anderem

»Jeder Friedensvertrag ist die Schlußrechnung eines Krieges. Wer den Krieg verliert, verliert den Frieden, und wer hat bei uns den Krieg verloren? Ich habe es Ihnen nachgewiesen: diejenigen, welche den handgreiflichen Möglichkeiten eines maßvollen und würdigen Friedens immer wieder einen unvernünftigen, trotzigen und verbrecherischen Eigensinn entgegenstellten[…]. Die moralische Verantwortung dafür, daß schließlich kein besserer Friede mehr möglich war, tragen diejenigen, welche die alte Regierung unterstützt haben und welche den Kampf gegen die Friedenszielresolution des Reichstags in dieser Weise führten, wie ich sie vorhin zeichnen durfte. Dadurch, daß wir Ihren Waffenstillstand und Ihren Frieden unterzeichnen mußten, haben wir für Ihre Schuld gebüßt. Diese Schuld werden Sie niemals los, und wenn Sie hundertmal Ihre Hände durch ein ›Nein‹ in Unschuld waschen wollen. Sie werden diese Schuld nicht los, weder vor uns, noch vor der Geschichte, noch vor Ihrem eigenen Gewissen“

Natürlich bekämpfte die Rechte Erzberger mit allen Mitteln. Schon als er 1909 um die Auseinandersetzungen über die Kolonien mit Helfferich die Klingen kreuzte, waren harte Debatten im Parlament erfolgt und Erzberger drängte Helfferich aus

seinem Amt. Nun schlug dieser zurück und griff Erzberger in seiner Artikelserie “Fort mit Erzberger” wegen seiner Unterschrift unter das Waffenstillstandsabkommen und seiner Rolle als Befürworter des Versailler Vertrags als Vaterlandsverräter und

Novemberverbrecher an. Infam wurde es, als er Erzberger der Steuerhinterziehung bezichtigte und behauptete, Erzberger hätte Gelder in die Schweiz verschoben. Ein Vorwurf mit höchster Brisanz gerade einem Finanzminister gegenüber,

der Kapitalflucht unnachsichtig bekämpfte. Erzberger blieb gar nichts anderes übrig als eine Beleidigungsklage gegen Helfferich anzustrengen. Erzberger gewann seinen Prozess zwar. Die Begründung war aber so schwach, dass das einer Niederlage

gleich kam. Helfferich wurde nur zu einer Strafe von 300 Mark verurteilt. Noch am Tag der Urteilverkündung, nämlich am 12. März 1920 trat Erzberger zurück. Erzberger zog sich aus der aktiven Politik zurück, um sich mit ganzen Kräften seiner Rehabilitierung zu

widmen.Das war wohl auch einigen Zentrumsleuten nicht ganz unangenehm.

Bereits am 26. Januar hatte es ein Attentat auf Erzberger gegeben, bei dem er nur leicht verletzt wurde, aber zutiefst beunruhigt. Der Täter, ein ehemaliger Fähnrich, Oltwig von Hirschfeld wurde zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. 4 weitere Anschläge wurden

noch  auf ihn verübt. Seiner Tochter sagte er, „die Kugel, die mich töten soll, ist schon gegossen“. Am 26. August 1921 war er mit dem Radolfzeller Reichstagsabgeordneten Carl Diez auf einem Spaziergang bei Bad Griesbach im Schwarzwald unterwegs,

Der Vorwurf des Meineids war schon im Juni bei einer Voruntersuchung zusammengebrochen. Das Verfahren wegen Steuerhinterziehung und Kapitalflucht war am 17. August 1921 ergebnislos eingestellt worden. Einer Rückkehr in die Politik stand nichts mehr im

Wege. Auf dem Weg zum Kniebis lauerten ihm Heinrich Tillesen und Heinrich Schulz, beide ehemalige Marineoffiziere und Mitglieder der rechten Organisation Consul auf.

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Beide konnten fliehen und nach der Machtübernahme durch die Nazis wurden beide 1933 nach der Straffreiheitsverordnung aus demselben Jahr amnestiert  „Für Straftaten, die im Kampfe für die nationale Erhebung des Deutschen Volkes, zu ihrer Vorbereitung oder

im Kampfe für die deutsche Scholle begangen sind, wird Straffreiheit (…) gewährt.“ auch nochmals 1946.

Erst 1947 wurde die  Amnestie nach einem öffentlichen Skandal aufgehoben und Tillesen 1947 in Konstanz zu 15 Jahren Zuchthaus und Schulz in Offenburg zu 12 Jahren  Zuchthaus verurteilt. Beide saßen nur einen Teil der Strafe ab. Tillesen

wurde 1952  Haftverschonung gewährt. Im Dezember wurde die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt.1958 wurde die Strafe auf dem Gnadenweg erlassen. Auch die Witwe von Erzberger hatte sich für die Begnadigung ausgesprochen. Tillesen verstarb mit 90.

Auch bei Heinrich Schulz war die Strafe im Dezember 1952 zur Bewährung ausgesetzt worden.

Matthias Erzberger wird am 31.8. 1921 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem katholischen Friedhof in Biberach beigesetzt. Am selben Tag fanden im ganzen Reich Protestkundgebungen gegen den Rechtsradikalismus statt.

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Matthias Erzberger war einer der gestaltungsmächtigsten Politiker des späten Kaiserreichs und der frühen Republik.Erzbergers Leistung als Finanzminister würdigte schließlich Alex Möller, der bis 1971 Finanzminister in der sozialliberalen Koalition

im Kabinett Brandt war.  Ein Gedenken Erzbergers hat vor allem seine Hauptleistung zu umfassen: das große finanzpolitische Reformwerk, das nachhaltig bis in unsere Gegenwart hereinwirkt. Seine Reform der Finanzverwaltung hat ein geschlossenes Verwaltungssystem geschaffen, das – unbeschadet des Wandels in der Verwaltungshoheit – in dem einheitlichen Behördenaufbau, dem einheitlichen Besteuerungsverfahren, den einheitlichen Verwaltungsrichtlinien und der einheitlichen Fachausbildung der Finanzbeamten fortlebt und damit eine möglichst gleichmäßige Steuererhebung in allen Bundesländern gewährleistet. Seine Reform des Finanzausgleichs hat in Überwindung des entwicklungshemmenden Matrikularbeitragssystems dynamische Lösungsmöglichkeiten der Steuerverwaltung zwischen Oberstaat, Gliedstaaten und Gemeinden eingeleitet; das heutige Steuerverbundsystem in der Bundesrepublik geht im Prinzip auf das Vorbild der  Erzbergerschen  Reform zurück.

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07 Mai 2012

Joss Fritz

 

 

 

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Obwohl im Netz gute Seiten und viel Informationen zu Joss Fritz zu finden sind, will ich ihn dennoch in meinen Blog aufnehmen. Zum einen fasziniert mich gerade die Zeit des Joss Fritz, diese Zeit eines gewaltigen Umbruchs,

zum andern passt er gut ins Umfeld meiner Kategorie “Personen der Geschichte”, sind da doch Zeitgenossen oder auch Vorläufer versammelt. Auch bei der Beschäftigung mit Klöstern wird man fast bei jedem Kloster auf Bauernunruhen stoßen

und so ergänzt sich das einfach bestens.

Was war das für eine Zeit, in die Joss oder Jodocus  wie sein Taufnahme lautete, geboren wurde?  Will Erich Peukert nennt sie Zeit der Wende, das apokalyptische Saeculum. Huizinga sieht den Herbst des Mittelalters.

Die Zeit ist aus den Fugen geraten , wie Skaespeare 1602 in seinem Hamlet bemerken wird.

Das Zeitalter der Entdeckungen beginnt. 1487 umsegelt Bertolomeu Diaz(um 1450 bis 1500) die Südspitze Afrikas. 1492 entdeckt  Christoph Kolumbus (1451-1506)

Amerika. 1509 entwickelt Kopernikus (1473-1543) sein Heliozentrisches Weltbild, nicht mehr die Erde steht im Mittelpunkt,sondern die Sonne.

Um 1350 hatte Berthold Schwarz, ein Freiburger Franziskaner Mönch durch Zufall das Schwarzpulver entdeckt. So konnte man die Feuerwaffen, Gewehr und Kanonen entwickeln, was die Kriegstechnik

entscheidend veränderte.

Die wichtigste technische Entwicklung im 15. Jahrhundert war der Satz mit beweglichen Lettern, den der Mainzer Johannes Gutenberg (um 1400-1468) 1440 entwickelte. Die Verwendung dieser (in Europa)

neuen Technik revolutionierte den Buchdruck und löste eine Medienrevolution aus. Man denke nur an die Flugblätter. Reformation, aber auch die Bauernkriege nutzten dieses neue Medium intensiv

und die Reformation hätte sich ohne Buchdruck vielleicht nicht so schnell entwickelt.

Die Städte begannen sich in dieser Zeit rasant zu entwickeln. Die Bürger traten als gesellschaftlich wichtige neue Gruppe auf den Plan. Nürnberg, Augsburg waren die neuen starken Zentren. Nürnberg, begünstigt durch seine

verkehrstechnische Lage wurde wichtig für den Fernhandel. Zum Handel kamen Finanzgeschäfte, Beteiligung in Montanunternehmen. Die Unternehmen der Fugger und Welser in Augsburg

hatten Weltgeltung und beeinflussten  die europäische Politik. Die Fugger finanzierten die Habsburger und ohne das Fuggersche Kapital wäre Karl V. möglicherweise nicht Kaiser geworden.

Selbst in kleineren deutschen Städten kamen die Kaufleute nach oben, so die Ravensburger Handelsgesellschaft der Humpis, die bis etwa 1530 zu den bedeutendsten Handelsunternehmen des Spätmittelalters zählte.

Der Aufstieg der Städte verlangte aber auch eine Rechtssicherheit. So kam es auch zu einer allmählichen Übernahme des römischen Rechts. Der Ruf nach dem alten Recht wird in den Bauernkriegen immer wieder laut.

Bauernunruhen sind zu Zeiten von Joss Fritz auch nicht neu.

Der Appenzeller Krieg von 1401-1408 (siehe dazu Beitrag Kloster Sankt Gallen) war auch eine Auseinandersetzung zwischen den Appenzeller Bauern und dem

Landesfürsten, in diesem Fall dem Sankt Gallener Abt Heinrich von Gundelfingen.

1476  tritt der Pfeifer von Niklashausen im Taubertal auf. Das war nicht nur eine religiöse Bewegung sondern auch begleitet von Forderungen nach Abschaffung der Standesunterschiede, Abgabenfreiheit und Befreiung von Frondiensten

und die Überführung von privatem und hoheitlichen Besitz an Feldern, Wiesen und Gewässer  in die Allmende. (siehe dazu Beitrag Der Pfeiffer von Niklashausen)

1491 gibt es Bauernunruhen im Allgäu und Bereich der Fürstabtei Kempten. von 1498-1502 gärt es im Kloster Ochsenhausen. 1502 schloss Abt Hieronymus Biechelberger mit den Klosterbauern einen Untertanenvertrag ab, der zwar 1525 im Bauernkrieg

wieder zurückgenommen wurde, aber der Grund dafür sein dürfte, dass das Kloster Ochsenhausen relativ unbeschadet durch den Bauernkrieg kam.(siehe dazu Beitrag Kloster Ochsenhausen)

1493 begegnen wir zum ersten Mal dem Bundschuh und zwar im Elsass.

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In Schlettstadt hatten sich 110 Verschwörer zusammengetan und wählten den Bundschuh als Symbol. Das Beispiel des Hans Böhm in Niklashausen vor Augen wollten sie gegen das undurchsichtige Rechtssystem und die hohen Steuern und die damit

einhergehende Verschuldung der Bauern aufbegehren. Der Aufstand wurde aber rasch niedergeschlagen. Die Anführer, Johann Ullman ein ehemaliger Bürgermeister von Schlettstadt und Jakob Hanser, der Schultheiß von

Blienschweiler bezahlten ihr Aufbegehren mit ihrem Leben.

Kommen wir nun zu Joss Fritz. Er ist um 1470 in Untergrombach als Sohn des Michels und der Magdalena Fritz geboren, beide Leibeigene. Joss Fritz wird Landsknecht. Er kann Lesen und Schreiben und kommt in der Welt herum.

Das Jahr 1501 war ein schweres Hunger-und Pestjahr. In Süddeutschland wütetet die Pest. Die Lage der Landbevölkerung hat sich enorm verschlechtert. Untergrombach gehörte damals zum Fürstbistum Speyer. Der regierende Fürstbischof war

Ludwig von Helmstatt (1478-1506). Er entstammt einer Familie, die mit Reinhard und Raban von Helmstatt schon zwei Fürstbischöfe gestellt hat. Ludwig erscheint 1453 als Domherr zu Speyer. 1478 wird er vom Domkapitel einstimmig zum Bischof

gewählt. Papst Sixtus IV. bestätigt die Wahl und am 13. Dezember 1478 wird er in der Liebfrauenkirche  in Bruchsal von dem Wormser Bischof Reinhard von Sickingen  geweiht. Das Hochstift war zu diesem Zeitpunkt schon stark verschuldet.

Reich und Kurpfalz erhoben weitere finanzielle Forderungen. Der Bischof konnte die Belastung kaum vermindern, konnte sich aber durch Umwandlung von kurzfristigen in langfristige Darlehen und Zinssenkungen  etwas Luft verschaffen.

Er erhob zahlreiche außerordentliche Steuern, hatte aber immer den Rückhalt des Domkapitels. Der Bischof wird als Bauherr der Liebfrauenkirche  genannt. Die steigende Steuerlast bei gleichzeitiger Einschränkung der  Forst-Weide-und Fischereirechte weckte den

Unmut der Bauern. Wie schon 1493 sammelten sich die Unzufriedenen unterm Zeichen des Bundschuhs im Bruchrain bei Untergrombach. Ob Joss Fritz schon in Schlettstadt dabei war, ist nicht belegt. In Untergrombach zählte er aber zu den Hauptinitiatoren.

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Die Bewegung wuchs sehr rasch an und zählte bald siebentausend Verschwörer. Die Aufnahme in den Bund wurde wie eine religiöse Zeremonie abgehalten. Wer aufgenommen werden wollte, musste kniend fünf Vater unser und Ave Maria beten.

Als Erkennungszeichen diente das Losungswort: “Loset was ist nun für ein Wesen”  Der dazu gehörige Antwortreim war:”Wir mögen vor Pfaffen und Adel nit genesen”. Der Zweck war Umsturz der weltlichen und geistlichen Aristokratie.

Sie forderte Freiheit von Zins und Zehnten weder an “Fürsten noch Edle noch Pfaffen”. Es sollte kein Zoll und keine Steuer mehr bezahlt werden. Weide, Fischerei, Jagd und Wald sollten für alle offen und frei sein. Klöster und Kirchengüter sollten bis auf eine

kleine Zahl eingezogen werden und verteilt werden. Als erstes sollte Bruchsal, wo mehr als die Hälfte der Bürger im Einverständnis war, überfallen und eingenommen werden. Der große Haufe aber sollte gleich in die Markgrafschaft

Baden weiter ziehen und dann fort und immer weiter und sich an keinem Ort länger als 24 Stunden aufhalten bis sie alle Lande in ihr Bündnis eingebracht hätten, die ursprüngliche Freiheit und damit die  Gerechtigkeit Gottes auf Erden

eingeführt hätten. Die Schlettstatter hatten die Beichte verboten, nicht so die Untergrombacher und das wurde ihnen zum Verhängnis. Ein badischer Söldner, Lux Rapp, hatte sich in einer Beichte dem Pfarrer anvertraut und dieser gab

sein Wissen unter Missachtung des Beichtgeheimnisses an die Obrigkeit weiter. Dadurch bekam sie Wind von der Sache. In Schlettstadt versammelten sich nun Vertreter der Fürsten, Herren und Städte und berieten unter Vorsitz des Kaiser

Maximilian über das weitere Vorgehen. Es dauerte bis die Maschinerie in Gang kam, was den Anführer der Verschwörer Zeit gab, zu entkommen. Natürlich wurden Leute, derer man habhaft werden konnte, grausam bestraft. Zehn Bauern wurden

zur Abschreckung geköpft oder gevierteilt oder an der Landstraße aufgehängt. Joss Fritz aber war geflüchtet. Die Bauern blieben ruhig, aber nicht, weil sie mutlos waren. Sie wollten die Herren einfach wieder sorglos machen. Die Verhältnisse

und auch die Gesinnungen hatten sich ja nicht geändert.Die meisten Flüchtlinge gingen in die Schweiz, in den Schwarzwald oder nach Württemberg. Joss Fritz zog mehrere Jahre unerkannt in Oberschwaben herum. Er hielt sich im Gebiet des Bodensees

auf, war bei Lenzkirch und bei Stockach. In Nenzingen, heute im Kreis Konstanz, heiratete er um 1510 die Bauerstochter Else Schmid. 1512 zog er in das Dörfchen Lehen, heute ein Stadtteil von Freiburg. Dort erhielt er sogar eine Anstellung und zwar

als Bannwart des Balthasars von Blumeneck, eines Adligen, der im Schlößchen von Lehen residierte. Dort sammelte er wieder Getreue um sich. Er bestellte sie immer auf die Hartmatte, das ist ein Wiesengrund an der Dreisam gelegen.

Mit dem Ortspfarrer, einem Pater Johannes Schwarz war er im Einverständnis. Seine ersten Lehener Vertrauten waren Hans und Augustin Enderlin, Hieronymus, einem Bäckergesellen aus Tirol, der als geschickter Redner galt, Kilian Meyer, ein Bauer aus Lehen,

Hans und Karius Heitz, die Bauern Peter Stübler und Jakob Hauser, dann Thomas Müller und Marx Sudlin und  der Schneider Hans Hummel, der aus Feierbach stammte. Ein Stoffel oder Veltlin aus Freiburg galt als weiterer

Hauptmann. Dieser hielt sich oft in Waldkirch auf. Dieser scheint wie Joss eine imposante Persönlichkeit gewesen zu sein. Die neue Bewegung zog rasch viele neue Leute an. Auch rekrutierten sie viele Bettler, damals eine durchaus bedeutende Volksgruppe.

Den Hauptleuten versprachen sie 2000 Gulden, wenn sie in der Markgrafschaft Baden einen Aufstand verursachen würden.

Anders als im Bruhrain hatte der Bundschuh diesmal ein Programm, das 14 Pumnkte umfasste. Joss musste die Rechtmäßigkei der Artikel auf der Grundlage der Bibel nachweisen.

Artikel 1 besagte, dass niemand mehr einen Herrn anerkennen solle, als Gott, den Kaiser und den Papst.

2. Sollte jeder nur dort vor Gericht gestellt werden, wo er zuhause war. Das Rottweiler Gericht sollte abgeschafft werden und die geistlichen Gerichte sollten nur noch für das Geistliche zuständig sein.

3. Sollten Zinsen abgeschafft sein wenn die Zinsleistung inzwischen dem Kapital entsprach  und alle Zins-und Schuldbriefe vernichtet werden.

4. Zinsen, die bisher weniger eingebracht hatten sollten so behandelt werden, wie das göttliche Recht anzeige und unterweise

5. Fisch und Vogelfang, Holz,Wald und Weide sollte frei und Armen und Reichen gemein sein.

6. Jeder Geistliche soll auf eine Pfründe beschränkt sein.

7. Klöster und Stifte sollten an Zahl beschränkt sein. Ihre überflüssigen Güter genommen werden und daraus eine Kriegskasse des Bundes gebildet werden.

8. Alle unbilligen Steuern und Zölle sollten abgeschafft werden.

9.Ein beständiger Friede solle herrschen. Wer sich dagegen widersetze solle getötet werden. Wer aber durchaus kämpfen wolle, soll mit Handgeld gegen die Türken oder ungläubigen geschickt werden.

10. Wer dem Bund anhängt, soll seines Leibes und Gutes sicher sein, wer sich widersetzt gestraft werden.

11. Eine gute Stadt oder Festung soll als Halt und Mittelpunkt des Unternehmens genommen werden.

12. Jedes Bundesmitglied soll das Seinige zu den Mitteln der Ausführung beisteuern.

13. Sobald der Haufen des Bundes sich vereinigt habe, soll man sich an den Kaiser wenden

14. Falls dieser das nicht annehme, soll die Eidgenossenschaft um Bündnis und Beistand aufgerufen werden.

Einige ähnliche Forderungen werden 1525 in den Memminger Artikel ebenfalls gestellt.

Großen Wert scheint Joss Fritz auf die Fahne gelegt zu haben. Sie galt als Zeichen der Verschwörung  und selbst der zum Fähnrich gewählte Jakob Huser bekam sie nicht zu Gesicht. Nachdem ein Freiburger  und ein in Lehen

ansässiger Maler es abgelehnt hatten, die Fahne zu malen wurde schließlich ein Heilbronner Maler oder ein Maler in Metz überredet. Sie enthielt unter anderem den Bundschuh,  ein  weißes Kreuz und trug die Inschrift

“Herr steh deiner göttlichen Gerechtigkeit bei” Vor Verrat wurde die Bewegung dadurch geschützt, dass die Mitstreiter jeweils nur ganz wenige Mitglieder kannten.

Für den 9. Oktober war der Beginn des Aufstands geplant. Die Erhebung in Biengen, heute ein Ortsteil von Krozingen sollte der Beginn sollte die Maßenerhebung ausgelöst werden.

Aber zwei Wochen nach dem treffen auf der Hartmatte war der Bundschuh verraten. Rasch erfolgten die ersten Festnahmen. Joß Fritz und Hieronymus flohen in die Schweiz. Dort traf er sich in im solothurnischen Seewen mit

Mayer, Enderlin und Hauser. Von dort schickte Joß Fritz Augustin Enderlin und Thoma Müller zurück nach Lehen, um die noch nicht endeckten Mitverschwörer nach Schaffhausen zu beordern. Sie entledigten sich dort ihres Auftrags.Dann gingen sie durch den

Schwarzwald nach Schaffhausen. Dort wurden sie am 24. Oktober entdeckt und gefangengenommen. Kilian Meyer und Jakob Hauser wurden von Basler Häschern am 18. Oktober zwischen Liestal und Seewen auf freiem Feld

ergriffen. Joss Fritz aber konnte entkommen, ob viele Straßenkontrollen waren und viele Streifen unterwegs waren. Seine Frau Else wurde ebenfalls inhaftiert. Sie wurde am 24. Oktober wieder aus der Haft entlassen und es wird vermutet, dass

ihr Mann öfters bei ihr war. Hans Hummel konnte sich zunächst in Sicherheit bringen. Er wurde später gefasst und 1514 in Freiburg hingerichtet. Hingerichtet wurden auch  Hans und Augustin Enderlin (1513 in Schaffhausen, bzw. Freiburg)

Kilian Meyer 1513 in Basel, Jakob Hauser und Thomas Müller (1513 in Schaffhausen) und Marx Sudlin 1514 in Freiburg.

1517 organisierte Joss Fritz nochmals eine  Verschwörung, diesmal überwiegend im Straßburger Raum aber letztlich auch wieder ohne Erfolg.

Das letzte Mal soll Joss Fritz zwischen 1524 und 1525 am Oberhein gesehen worden sein.

Dort verliert sich seine Spur

Joss Fritz ist breit und ist leibeigen,
schon dreimal hat man ihn geschasst.
Die Weiber kreischen auf der Tenne,
wenn er beim Tanz die Punze fasst.
Und rasches Flüstern zwischen Türen,
das, meinen viele, ist die Brunst.
Und nachts das Rascheln, Strohgeknister
ist heimlich geile Weibergunst.
Und doch ist das der Bundschuhführer,
der heimlich kommt, organisiert
und agitiert und der auch zügelt,
wenn wilde Wut die Köpfe schnürt.
Lasst nicht die roten Hähne flattern
ehe der Habicht schreit.
Lasst nicht die roten Hähne flattern
vor der Zeit.

Und als die schönen Schlösser brannten
im schönen Nachtigallenmai,
und als der bunte Haufe rannte
vor Fürstenheer und Reiterei,
und wurden Köpfe abgeschnitten,
geblendet viele und gehetzt,
die Organisation verraten,
die Bundschuhfahne war zerfetzt,
da lernten die, die übrigblieben:
es war ein ganzes Stück zu früh,
noch viel zu stark war dieser Gegner,
und viel zu wenig waren sie.
Lasst nicht die roten Hähne flattern
ehe der Habicht schreit.
Lasst nicht die roten Hähne flattern
vor der Zeit.

Joss Fritz, gejagt auf allen Straßen,
im Weiberrock, am Bettlerarm,
wird Fisch und taucht im Volke unter
und wieder auf als Dorfgendarm,
und lernt den Feind und lernt die Schliche,
taktiert und reorganisiert
und konspiriert mit Pfaff und Bürger
und mancher Mann sympathisiert.
Den Aufruhr in die Köpfe tragen
wie kaltes Feuer, heißes Eis,
geduldig, listig und verschlagen,
und warten können, weil er weiß:
Lasst nicht die roten Hähne flattern
ehe der Habicht schreit.
Lasst nicht die roten Hähne flattern
vor der Zeit.

Und als die Bänkelsänger sangen,
und als die Nachricht schneller lief,
geheime Zinken an den Türen,
und als zu oft die Eule rief,
und als die Bundschuhfahne wehte
beim wilden Hagebuttenfest,
und als sie fast dreitausend waren
und Waffen überall versteckt,
und als ein paar nicht warten wollten,
und einer bei der Folter schrie
und Pläne, Plätze, Namen nannte,
da war es wieder mal zu früh.
Lasst nicht die roten Hähne flattern
ehe der Habicht schreit.
Lasst nicht die roten Hähne flattern
vor der Zeit.

Verrat. Und wieder auf den Straßen
Joss Fritz gejagt, gesucht, versteckt.
Und die ihn hören und berühren
sind aufgerührt und angesteckt.
Mal ist er Mönch, mal Landsknecht, Bettler,
mal zieht ein Gaukler über Land,
und mal erkennen ihn Genossen
am Muttermal auf seiner Hand.
Das große Bündnis will er knüpfen
mit Ritter, Bürger, Bauer, Pfaff,
Plebejer, Bettler und Soldaten,
und immer warnt er vor der Hast.
Lasst nicht die roten Hähne flattern
ehe der Habicht schreit.
Lasst nicht die roten Hähne flattern
vor der Zeit.

Und als die schönen Sensen glänzten
und Morgensterne glänzten mit,
und als der Hammer Helme knackte,
und als die Sichel schneller schnitt,
und als die schönen Schlösser brannten,
und als der Bischof Gnade bat,
und als die Reiterheere flohen
und Mauern brachen vor der Stadt,
da ging die Saat auf, die er säte
im schönen Nachtigallenmai.
Und zieht dahin, der helle Haufe,
Joss Fritz ist irgendwo dabei
und lässt die roten Hähne flattern
beim hellen Habichtschrei,
und lässt die roten Hähne flattern
und ist dabei,
und war dabei.

Franz Josef Degenhardt

Unbenannt

02 Mai 2012

Lazarus von Schwendi

220px-Siebmacher115-Schwendi Die Herren von Schwendi werden in einer Urkunde des Klosters Ochsenhausen 1128 zum ersten Mal erwähnt. Es war eine niederadlige Familie, die aufgrund ihrer Besitzungen dem Ritterkanton Donau angehörte. Schwendi war damals vorderösterreichisch. 1228 wird ein Heinrich von Schwendi als Teilnehmer am Kreuzzug Friedrichs II. genannt. In Schwendi wird 1406 eine Burg erwähnt, die nach 1406 zerstört wurde. Die Reste wurden um 1561 in der Kirche verbaut.

1406 verkaufte Wilhelm von Schwendi drei Viertel der Herrschaft an das Ulmer Spital. 1475 kauften die Herren von Schwendi die Herrschaft wieder zurück.

Mitglieder der Familie von Schwendi nahmen 1523 am sogenannten fränkischen Krieg teil. Das ist die Strafaktion des Schwäbischen Bundes im Juni und Juli 1523 gegen fränkische Burgen. Die Stadt Nürnberg hatte den Schwäbischen Bund um Hilfe gerufen, da ihre Kaufleute immer wieder Ziel fränkischer Raubritter, vor allem des Hans Thomas von Absberg, waren. Man kann aber durchaus auch einen Zusammenhang zu dem Reichsritteraufstands des Franz von Sickingen 1522 sehen. Dieser war nach der Trierer Fehde auf seiner Burg Nanstein bei Landstuhl belagert worden. Am 7. Mai 1523 starb er an den Folgen einer Verletzung, die er bei der Beschießung erlitten hatte. An den Beteiligten des Aufstands wurde eine Exempel statuiert. Zahlreiche ritterschaftliche Familien gingen ihrer Besitzungen verlustig oder mussten zu  mindestens Einbußen an ihrer Selbstverwaltung hinnehmen.

Bei der “Abconterfeyung 1523” des Kriegsberichterstatters Hans Wandereisen zum fränkischen Krieg wird ein Marquart von Schwendi, ein Philips von Schwendi und ein N. Schwendi erwähnt.

Bekanntester Vertreter derer von Schwendi, der den Namen Schwendi weit über Oberschwaben hinaustrug, war Lazarus von Schwendi. Er wurde 1522 in Mittelbiberach geboren. Sein Vater Rutland von Schwendi war der jüngere von zwei Brüdern. Die Magd seines Vaters,  Apollonia Wencken war seine Mutter. Kaiser Karl V. legitimierte Lazarus 1524.Schon im selben Jahr starb der Vater. Testamentarisch hatte er den Bürgermeister und den Rat der Stadt Memmingen zu den Vormündern seines Kindes und zum Verwalter seines nicht unbeträchtlichen Vermögens bestimmt. Allzu viel Freude hatten die Stadtväter nicht mit ihrem adligen Pflegesohn. Der Rat schickte ihn mit 13 Jahren an die Universität von Basel. Dort lehrte Oeokolampadius, der mit Erasmus von Rotterdam das Neue Testament edierte. Außerdem war zu der Zeit Simon Grynäus an der Basler Universität.  Man darf unterstellen, dass diese hochgerühmten Humanisten und späteren Reformatoren nicht ohne Einfluss auf die geistige Entwicklung des jungen Lazarus waren. Grynäus war in Pforzheim Mitschüler von Philipp Melanchthon und reformierte später im Auftrag Herzog Ulrichs von Württemberg zusammen mit Ambrosius Blarer die Universität Tübingen. Oekolampadius führte die Gespräche gegen Luthers Gegner Johannes Eck und nahm später an der Seite Zwinglis an den Marburger Religionsgesprächen teil.

In Basel studierte der junge Lazarus 1536/37 an der Artistenfakultät. Das war normalerweise das Vorstudium. Das Curriculum bestand aus den sieben freien Künsten. Erst danach entschied sich der Student, ob er Jura, Theologie oder Medizin studierte. In Basel hatte Lazarus eine gründliche humanistische Bildung erhalten. 1538 ging er an die Universität von Straßburg, auch das eine Hochburg von Humanismus und Reformation. Dort studierte er Jura. Außerdem unternahm er Reisen nach Frankreich und lernte so Französisch. Im Alter von 28 Jahren kehrte er

220px-Custos_Lazarus_von_Schwendinach Memmingen zurück, um sich für mündig erklären zu lassen. Aus den Ratsannalen geht hervor, dass der junge Lazarus weder so fleißig, noch so  sparsam oder sittenstreng gewesen war, wie es der Rat gerne gehabt hätte. Er gab sich übermütig und leichtfertig und provozierte die gestrengen  Ratsherren mit einem beabsichtigen Fehltritt. Sie warfen ihn für einige Tage ins Gefängnis. Er erbat sich, nicht wie ein gemeiner Handwerker behandelt zu werden und auch könne er später der Stadt bei Fürsten-und Herrendiensten nützlich sein. Er zog die Stadt bald wegen unregelmäßiger Vermögensverwaltung zur Verantwortung und auch später zeigte er ihr keine Dankbarkeit. 1546 finden wir Lazarus in den Diensten Karls V. Er tritt auf dem Regensburger Reichstag auf, der kurz vor dem Schmalkaldischen Krieg (1546/1547) stattfindet. Im Auftrag des Kaiser soll Lazarus versuchen, die Städte Augsburg, Ulm und Nürnberg dem Schmalkaldischen Bund abtrünnig zu machen, was ihm aber nicht gelingt. Er verhandelt dann weiter in München. Bayern bleibt nach außen neutral, verpflichtet sich aber, Sammelplätze, Verpflegung und Munition für das kaiserliche Heer bereit zu stellen. Als der Krieg dann ausbricht, ist Lazarus an den Schlachten an der Donau und in Sachsen dabei. Nach der Kapitulation von Wittenberg am19. Mai 1547 überwacht er als kaiserlicher Kapitän die Schleifung von Gotha und Grimmenstein.

300px-Gotha1572Dabei bewährt er sich bestens. Karl V., nun auf dem  Höhepunkt seiner Macht, will den Sieg ausnützen. Er will die Reichsverfassung in monarchischem Sinne reformieren und auf dem “Geharnischten Reichstag” 1548 diktiert er das “Augsburger Interim”. Dabei setzt er auch die Todesstrafe durch für die Aufnahme von Diensten bei anderen Machthabern, was damals ja gang und gäbe war. Er lässt in Weissenburg Sebastian Vogelsberg (um 1505 bis 1548), einen bekannten und populären Heerführer aufgreifen und am 7. Februar 1548 in Augsburg hinrichten. Vom Blutgerüst herab beschuldigt Vogelsberg Lazarus “als Erzbösewicht”, der ihn auf die Fleischbank geliefert habe. Zwar verteidigt ihn Karl persönlich und Lazarus wehrt sich mit einer Flugschrift, doch der Vorwurf, er habe hinterlistig und unritterlich gehandelt, bleibt lange an ihm hängen. 1548 war er für Karl in Norddeutschland unterwegs. Niedersachsen konnte er ruhig halten. Magdeburg galt als Zufluchtsstätte aller Interimsgegner. Magdeburg war schon lange mit der Acht belegt und Lazarus hielt es für das Geratenste, die Stadt mit Gewalt zu nehmen. Dazu war Karl aber nicht in der Lage. Das zeigte sich auch, als Markgraf Alcibiades von Brandenburg, dem Lazarus im Auftrag Karls seine offen betriebene Kriegsrüstungen untersagen sollte, einfach keine Audienz erteilte. Auch erschien er nicht auf dem neuen Reichstag. Magdeburg leistet bis 1551 Widerstand. Lazarus überwacht 1552 in kaiserlichem Auftrag die von Moritz von Sachsen durchgeführte Exekution. Da ahnte er allerdings nicht, dass Moritz an der Spitze der Fürstenopposition gegen Karl vorgehen wollte. Bei Innsbruck erlitt er gegen Moritz eine entscheidende Niederlage. Der Passauer Frieden vom 2. August 1552 wurde bereits zwischen Karls Bruder Ferdinand und Moritz von Sachsen verhandelt. Das war die formale Anerkennung des Protestantismus. Reichsrechtlich festgeschrieben wurde diese mit dem Augsburger Religionsfrieden vom 25. September 1525. (Cuius regio, eius religio)

Von 1552 bis 1556 versuchte Karl erfolglos, die Bistümer Metz, Toul und Verdun, die formal zum Kirchenprovinz Trier gehörten, zurück zu erobern. Der französische König Heinrich II. hatte sie nach dem Vertrag von Chambord (15. Januar 1552) besetzt. Der Vertrag war ein zwischen der Fürstenopposition um Moritz von Sachsen und Heinrich II. von Frankreich geschlossenes Abkommen, das sich gegen Karl V. richtete.

Lazarus nahm an den Kämpfen Karls in Frankreich teil.

1553 wird Lazarus vor Metz von Karl zum Ritter geschlagen und in den erblichen Ritterstand erhoben. Im selben Jahr heiratet er Anna Böcklin von Böcklinsau. Ihre Familie stammte aus einem alten elsässischen Adelsgeschlecht, das ursprünglich zum Patriziat der Stadt Straßburg gehörte. Aus dieser Ehe geht der Sohn Hans Wilhelm hervor. Anna verachtet ihren Mann allerdings wegen seiner unehelichen Geburt. 1561 erfolgt die Trennung. 1573 heiratet Lazarus die 1554 geborene Eleonara von Zimmern, mit der er bis zu seinem Tod zusammenlebt. In zweiter Ehe verheiratet sie sich nach dem Tod ihres ersten Mannes mit Johann von Limburg.

1556 dankte Karl zugunsten seines Bruders Ferdinand I. ab, der seit 1531 deutscher König war. Schon im Oktober 1555 hatte Karl die Niederlande und Burgund an seinen Sohn Philipp II. von Spanien übergeben. Am 16. Januar 1556

347px-Tizian_066Kastilien, Aragon, Sizilien und die amerikanischen Kolonien. Karl zog sich in das Kloster San Jerónimo de Juste in Extremadura zurück. Dort starb er am 21. September 1558 an Malaria.

Als Karl 1556 abdankte,  trat Lazarus in die Dienste Philipps. Er kämpfte im niederländischen Herr gegen Frankreich. Er war der erste Festungskommandeur der neu erbauten Festung Philippeville im heutigen Belgien in der Provinz Namur.

Dann nahm er an der Schlacht von St. Quentin teil, die am 10. August 1557 stattfand. Hier besiegte das spanische Heer unter Herzog Emanuel Philibert von Savoyen das französische Heer unter Connétable Anne de Montmerency. Die französische Niederlage war einer der schwersten Verluste für Frankreich. Die Schlacht war das letzte bedeutende Gefecht innerhalb der Auseinandersetzung zwischen Habsburg und Frankreich. In der Schlacht von Graveline am 13. Juli 1558 war Lazarus unter Graf Egmond dabei. Diese Schlacht beendete schließlich den Kampf um die Vorherrschaft in Europa zwischen Frankreich und Philipp. Lazarus stieg in der Gunst Philipps und Margarethes von Parma, eine uneheliche Tochter Karls V., die 1559 von Philipp als Statthalterin der habsburgischen Niederlande eingesetzt worden war, was sie bis 1567 war. Eine vertrauensvolle Beziehung baute Lazarus auch zu Wilhelm von Oranien auf, den er auf mehreren Reisen nach Deutschland begleitete. Er lernte aber auch Kardinal Granvelle und den Herzog Alba kennen, der Margarethe 1567 als Statthalter nachfolgt. Dieser errichtete  ein Schreckensregiment in den spanischen Niederlanden, da seine Vorgängerin der immer stärker werdenden Rebellion nicht mehr Herr geworden war.

Die Einstellung von Lazarus änderte sich allmählich. War er unter Karl noch ein Verfechter der harten Linie gegen den Protestantismus. So sah er das wohl allmählich mit anderen Augen. 1562 nahm er Urlaub und trat 1564 in die Dienste

180px-Lazarus_von_Schwendi_Bartholdi_Colmar_n1 der deutschen Habsburger beziehungsweise des Reiches. Ferdinand I. war inzwischen (1558) von den Kurfürsten auf dem Frankfurter Kurfürstentag zum deutschen Kaiser proklamiert worden. Seinen Neffen Philipp II. hatten die Kurfürsten als hochmütigen und bigotten Spanier abgelehnt. Im Auftrag Kaiser Ferdinands inspizierteLazarus  1565/63 die ungarische Grenze. Inzwischen kam Maximilian II. nach dem Tod seines Vaters am 25. Juli 1564 auf den deutschen Kaiserthron. Lazarus wird zum Generalkapitän der deutschen Truppen in  Ungarn

220px-Nicolas_Neufchâtel_002ernannt. Er kämpfte erfolgreich gegen die osmanische Armee und vor allem gegen Johann Sigismund Zapolya, der schon kurz nach seiner Geburt 1540 zum König von Ungarn gewählt worden war und dies auch als Johann II. bis 1570 blieb. Ab 1570 war er als Johann I. der erste Fürst von Siebenbürgen. 1565 kämpfte Lazarus im nördlichen Ungarn gegen Zapolya. Obwohl numerisch unterlegen,  holte er  verlorene Plätze zurück und eroberte nach längere Belagerung Tokay und die Gegend des heutigen Satu Mare (heute Rumänien. Seine Beute in Tokay waren 4000 Fässchen Tokayer. 1567 eroberte er Mukatschewe, das heute in der Ukraine liegt.

Seine Siege und sein Organisationstalent, das er in der Grenzsicherung zeigte, erregten in Europa Aufsehen,  verschafften ihm hohes Ansehen und begründeten seinen Ruf als Feldherr. In dieser Zeit ist er auch auf die Ruländer Rebe gestoßen, vermutete, dass sie die Grundlages des Tokajer sei und brachte sie nach Baden und ins Elsass. Dort ist sie als Pinot gris bekannt. 1567 bat Lazarus um seine Rückberufung aus Ungarn. Wegen seiner Verdienste wurde er 1568  zum Reichsfreiherren von Hohenlandsberg ernannt. Die Burg Hohenlandsberg ist in der Nähe von Colmar. Er hatte Burg und Herrschaft 1563 von den Erben der Grafen von Lupfen gekauft.Die Herrschaft umfasste die Ortschaften Kientzheim, Ammerschwihr, Niedermorschwihr, Türckheim, Sigolsheim und Wintzenheim. Schon 1560 hatte er die Pfandschaft über Stadt, Schloss und Herrschaft Burkheim am Kaiserstuhl bekommen. Dort errichtete er das Schloss Burkheim, das 1673 von französischen Truppen zerstört wurde. Es ist heute die einzige Ruine eines Renaissanceschlosses in Südbaden.

300px-Haut-Landsbourg_Cour Ruine Hohlandsberg

1568 suchte Lazarus aus unbekannten Gründen um seine Demission nach. Doch von Maximilian II. schickte ihn als Generalkapitän zu einer neuerlichen Inspektionsreise an die ungarische Grenze. Aus dem Dienstverhältnis mit Philipp II, indem er ja immer noch stand – er war ja nur beurlaubt und hatte seine Bezüge weiter erhalten, was die Wertschätzung unterstreicht, die er auch am spanischen Hof genossen hatte. Am 28. Juni 1568 ließ Herzog Alba den Grafen Egmont in den Niederlanden hinrichten, Wilhelm von Oranien, der ja in Dillenburg geboren war, hatte sich nach Deutschland retten können. Mit beiden war er ja seit seiner Dienstzeit unter Philipp in den Niederlanden befreundet. Das harte Vorgehen Philipps in den Niederlanden, aber auch die Hugenottenkriege, die seit 1562 in Frankreich geführt wurden,  beunruhigten ihn. Er hatte Sorge, dass die religiösen Auseinandersetzungen auch auf Deutschland übergreifen könnten, zumal die blutigen Auseinandersetzungen auch in Deutschland erst kurze Zeit zurück lagen.

Auch war er enttäuscht von den Ergebnissen des Konzils von Trient (zwischen 1545 und 1563 in vier Sitzungsperioden) Beim Frankfurter Deputationstag 1569 wurde Lazarus zum Generalleutnant ernannt. Das war die Krönung seiner  militärischen  Laufbahn. Er war damit militärischer Stellvertreter des Kaisers. Er war einer der einflussreichsten Berater Maximilians. Sein Anliegen war die gegenseitige Tolerierung der Konfessionsparteien. Er sprach sich gegen die Erweiterung des Landsberger Bundes unter Einbeziehung Herzog Albas aus, eines auf Veranlassung des bayrischen Herzog Albrechts V. gegründeten Zusammenschlusses katholischer Länder und Städte als Gegengewicht zu den protestantischen Reichständen. Er sah in einer auf den Reichskreisen basierende Wehrverfassung geeignetes Mittel zur Sicherung des Friedens im Reich. Damit gab er sich als Verfechter der Reichseinheit zu erkennen. Ihm schwebte eine zentral gelenkte Monarchie vor. Dafür setzte er sich auch auf den Reichstagen von 1566 und 1576 ein, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Die Reichsstände wollten von ihren erreichten Positionen nichts preisgeben und der Kaiser wollte keine weitere Eskalierung der ohnehin schon bestehenden Spannungen.

In seinem Herrschaftsbereich sorgte er für eine vorbildliche Ordnung.

Lazarus starb am 28. Mai 1854 auf seinem Schloss in Kirchofen. In Kientzheim wurde er nach katholischem Ritus bestattet. Dort erinnert auch ein Epitaph an ihn.

1986 wurde der Lazarus-von-Schwendi- Städtebund gegründet um seine humanistische Gesinnung, seine Toleranz und Klarheit weiter zu geben und zu fördern. Gemeindevertreter treffen sich jährlich abwechselnd an einem der Mitgliedsorte.

Die Orte sind in Belgien Philippeville, in Frankreich alle im Oberelsass Kientzheim, Ingersheim, Logelheim, Sigolsheim, Wintzheim, Turckheim, Munster, Ammerschwihr und Niermorschwihr und in Deutschland Kirchofen, Burkheim, Triberg, Mittelbiberach und Schwendi.

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22 Apr 2011

Der Pfeifer von Niklashausen

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Weit beachtet wurde im Frühjahr 1476 ein junger Schweinehirt und Musikant, der in Niklashausen, einem kleinen Dorf im Taubertal, das noch heute 600 Jahre später gerade mal 460 Einwohner zählt, wirkte.  Er zog innerhalb kurzer Zeit Scharen von Menschen an. Nach zeitgenössischen Berichten lauschten bis zu 40.000 Menschen seinen Predigten. Keine 20 Jahre später war er schon in der Schedelschen Weltchronik mit Holzschnitten abgebildet. Die protestantische Historiographie sieht in Hans Böhm einen vorreformatorischen Reformator. Die sozialistische Geschichtsschreibung sieht in ihm einen ersten Höhepunkt der frühbürgerlichen Revolution und der DDR galt 1476 als Epochenjahr für den Beginn der Neuzeit.

Werfen wir erst mal einen Blick auf das 15. Jahrhundert. Das Konzil in Konstanz 1414-1418 war zu Ende gegangen. Es beendete die Zeit von Papst und Gegenpapst, die über Jahrzehnte die Christenheit in Europa in Atem gehalten und gespalten hatte. Im kirchlichen Bereich hatte das einen erheblichen Autoritätsverlust nach sich gezogen. 1415 war Johannes Hus als Ketzer in Konstanz verbrannt worden. Man hatte zwar seine Person vernichten können, nicht aber seine Ideen. Gerade in Bayern hatten diese durchaus noch Wirkung.

Zu der Unzufriedenheit mit den bestehenden kirchlichen Verhältnissen kam eine enorme Unzufriedenheit mit den sozialen und politischen Verhältnissen.

Die “Reformation Sigismundi” wurde 1439 von einem unbekannten Verfasser geschrieben, 1476 erstmals gedruckt, erlebte bis 1522 sieben Auflagen und wurde rasch zur verbreitesten Reformschrift ihrer Zeit.

In den Städten  mehrten  sich die Auseinandersetzungen. Oft war es eine Auseinandersetzung der Zünfte mit den Patriziern um die Herrschaft in der Stadt, sowie z. B. 1430 in Bamberg

In der Schweiz, in der Gegend um Salzburg, in Worms gibt es erste Erhebungen  der Bauern (1431/1432).

Die Fürsten versuchten ihre Herrschaft auszubauen. Der Umbau vom mittelalterlichen Domänenstaat auf den frühmodernen Finanzstatt wird forciert.

Das heißt die Landesherren führen Steuern ein und schaffen damit neben den

Domäneneinkommen ein neues Standbein für die Staatsfinanzierung.

Bußprediger haben Konjunktur. In Würzburg predigt Capistran (1386-1456)mit großem Erfolg. Vieles was er in Würzburg predigte, taucht auch bei Hans Böhm auf.

Das Niveau vor allem des niedrigen Klerus ist kaum zu unterbieten. Und Papst und Bischöfe standen ja auch stark in der Kritik. So predigte ein Straßburger Bußprediger über die Bischöfe:” mit viel Pferden reiten, gross Ehr einnehmen, den Säckel füllen, gute Hühnlein essen und den Huren nachlaufen”.

Nun wird im Mai 1476 Der Bischof von Würzburg Rudolf von Scherenberg (ca. 1401- 1495) vom Grafen Johann III. von Wertheim informiert, dass immer größer werdende Menschenmengen nach Niklashausen pilgerten, weil dort ein junger Hirte

220px-ScherenbergMarienerscheinungen gehabt habe und Predigten abhalte. Hans Böhm war um 1450 in Helmstadt, nahe Würzburg geboren. Der Würzburger Bischof hatte die geistige Herrschaft über Helmstadt inne, der Wertheimer Graf die weltliche. Noch ein dritter Akteur war mit der Angelegenheit befasst, nämlich der mainzer Erzbischof Diether von Isenburg (1412-1482), der für Niklashausen zuständige Diözesanbischof.

Man weiß wenig über Hans Böhm. Er ist in sehr ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, war wahrscheinlich Waisenknabe und musste schon als Kind seinen Lebensunterhalt bestreiten.Auf Grund seines Namens wird oft angenommen, dass seine Eltern aus Böhmen stammen. Der Name Böhm war aber in der Grafschaft Wertheim durchaus verbreitet. In seinen Predigten erzählt Hans Böhm von seinen Marienerscheinungen. Das ist nicht verwunderlich gilt der Taubergrund doch heute noch als Madonnenländchen und Marienfeste wurden in der Grafschaft Wertheim als besondere Feiertage gehalten. Nach  Lätare, dem 4. Fastensonntag trat Hans Böhm öffentlich auf, verbrannte seine Pauke und hielt seine erste Predigt. Er forderte zur Marienwallfahrt nach Niklashausen auf. Wenn man in Demut und Verehrung zum Gnadenbild nach Niklashausen wallfahre, erhalte man ebenso vollkommenen Ablass, wie wenn man zum Papst nach Rom pilgere.

357px-Niklashausen_liedDie Zuhörer wurden  aufgefordert, Schmuck, seidene Schnüre, spitze Schuhe und Brusttücher als Zeichen der Sühne zu opfern.

Die Marienkirche von Niklashausen war 1344 geweiht worden und seit 1353 im Besitz eines in Avignon ausgestellten Ablassbriefes.

Hans Böhm prangerte die Habgier des Adels an, forderte auf,  seinen Lebensunterhalt mit eigener  Hände Arbeit zu verdienen und mit Bedürftigen zu teilen. Standesunterschiede, Abgaben und Frondienste sollten abgeschafft werden.

Privater und hoheitlicher Besitz an Feldern, Wiesen, Wäldern und Gewässern seien

in die Allmende zu überführen. Die Wallfahrt erhielt bald einen ungeheuren Zulauf.

Aus der näheren Umgebung aber auch aus dem Rheingebiet, aus den Alpengegenden, dem Elsass, Thüringen, aus dem Harz ja bis aus Sachsen und Meißen strömten die Menschen herbei. Seine politischen und sozialen Forderungen verbunden mit seinen religiösen Ideen bargen ungemeinen Sprengstoff. Die Obrigkeit schritt ein. Zunächst waren bibelfeste Glaubensbrüder entsandt worden, die den Pfeifer als Scharlatan entlarven sollten. Obwohl ungebildet war der Pfeifer den gesandten Geistlichen rhetorisch und argumentativ überlegen. Mit Hohn und Spott vom Publikum bedacht zogen sie ab, um in Würzburg Bericht zu erstatten.

Ende Juni 1476 beschlossen die Mainzer und Würzburger bischöflichen Räte, die

Niklashausener Wallfahrt zu verbieten. Mit gezielten Falschmeldungen versuchte man, die bayrischen und schwäbischen Landesherren zu mobilisieren. Am 13. Juli wurde Hans Böhm von würzburgischen Reitern gefangen genommen, mit ihm zusammen ein Mönch, der wie Hans Böhm im Verhör sagte, ihn zum Predigen bekehrt habe. Als die Wallfahrer von der Verhaftung erfuhren, herrschte zunächst Verwirrung unter den Wallfahrern. Am 14. Juli zogen rund 16.000 Wallfahrer mit

Kerzen und Fahnen nach Würzburg und sangen christliche Lieder. Dort war man bei der Ankunft dieser Massen natürlich beunruhigt. Konrad von Hutten als Abgesandter konnte die Menge zunächst beruhigen. Die Masse zerstreute sich und zog ab. Als Konrad von Hutten aber ins bischöfliche Schloss zurückgekehrt war, wurde von den Wällen des Schlosses mit Kanonen in die Menge geschossen. Die Menge flüchtet in Panik, viele werden verwundet, einige getötet. Dem Pfeifer aber wurde der Prozess gemacht. Schon am  19. Juli wird das Urteil über ihn gesprochen. Er wird zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Zwei Bauern werden enthauptet.

Einige Adlige waren vorher Hans Böhm zur Seite gestanden. Die Herren von Thüngfeld und die Herren von Stetten. Kunz und Michael von Thüngfeld mussten dem Würzburger Bischof Urfehde schwören. Die zwei Bauern wurden enthauptet und

Hans Böhm auf den Scheiterhaufen gebracht, wo er laut Marienlieder sang, bis seine Stimme brach.

Das Singen der Lieder Böhms, die Verbreitung seiner Botschaft wir verboten und unter Strafe gestellt. Hans Böhm wird als leichtlebiger Musiker, als Sackpfeifenspieler und als Narr dargestellt.

Die drei Herren teilten sich die Opfergaben, die an Niklashausen entrichtet worden waren auf. Über die Kirche wurde ein Interdikt gesprochen. 1477 sollte sie abgerissen werden. Auf Bitten der Gemeinde und ihrer Fürsprecher wurde davon abgesehen. 1618 wurde für die baufällig gewordene Kirche ein Neubau errichtet.

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10 Apr 2011

Franz von Sickingen

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Franz von Sickingen wurde am 2. März 1481 auf der Ebernburg bei Bad Münster am Stein als einziger Sohn des Schweickhard von Sickingen geboren. Seine Mutter Margarethe von Hohenburg stammte aus dem Unterelsass. Die Hohenburg liegt an der heutigen deutsch-französischen Grenze in unmittelbarer Nachbarschaft dreier Burgen, der Wegelnburg auf deutscher Seite und Löwenstein und der Burg Fleckenstein auf französischer Seite. Der Vater hinterließ ihm beträchtlichen Besitz,

die Ebernburg als Stammsitz und großen territorialen Streubesitz an der Nahe, im Unterelsass und im Kraichgau, aber auch ein beträchtliches Barvermögen sowie Beteiligungen im Silber-und Kupferbergbau und Schuldverschreibungen verschiedener Reichsfürsten. Die Familie der Sickingen stammt aus Sickingen, heute ein Teilort von Oberderdingen im Kraichgau und ist erstmals 1289 urkundlich erwähnt, kann aber möglicherweise bis auf das Jahr 936 zurückgeführt werden.

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Angehörige der Familie besetzten einflussreiche kirchliche und weltliche Ämter.

Reinhard von Sickingen war von 1445 bis 1482 Fürstbischof von Worms.

Der Urgroßvater von Franz von Sickingen, Schweicker, war  Oberhofmeister von Ruprecht von der Pfalz (1352-1410). Der Vater von Franz war kurpfälzischer Großmeister und Oberst. Er starb 1505 bei Landshut während des 1. bayrischen Erbfolgekriegs (1504/1505). Franz erwies sich als guter Verwalter und konsolidierte seine Besitzungen. Um 1500 heiratete er Hedwig von Flersheim. Die Familie von Flersheim stammte aus Rheinhessen, aus dem heutigen Flörsheim-Dahlsheim und war um Flörsheim, aber auch im Kraichgau begütert.  Mit Hedwig hatte Franz 6 Kinder. Hedwig starb am 9. Januar 1515 bei der Geburt des siebten Kindes.

Vor wir mit Franz weiterfahren, werfen wir erst einen Blick auf das gesellschaftliche und politische Umfeld.

Das frühe 16. Jahrhundert war durch eine Vielzahl sozialer Spannungen gekennzeichnet. In den letzten Jahren des Kaiser Maximilian (1459-1519) war es

220px-Albrecht_Dürer_084b zu einer Fülle von innerstädtischen Auseinandersetzungen gekommen. Um die Jahrhundertwende gab es immer wieder bäuerliche Aufstände und Unruhen (1476 Pfeifer von Niklashausen, 1491 Unruhen in der Abtei Kempten, 1492 Unruhen in Oberschwaben, 1502 im Bistum Speyer wird der Bundschuh aufgedeckt, 1514 ist der arme Konrad in Württemberg und 1525 der große Bauernkrieg). Auch die Ritterschaft war unruhig geworden. Die Fürsten intensivierten ihre Territorialisierungsbestrebungen. Die territorialen Verwaltungen wurden neuformiert. Bürgerliche Juristen  kamen in die Schaltstellen der Verwaltungen. Dazu kam natürlich auch der Wandel des Kriegswesen. Landsknechtshaufen bestimmten jetzt das Bild des Krieges.  Auch hatten die Ritter  sich der ständischen Reichsreform weitgehend versagt. Das sparte zwar die Reichssteuer. Aber sie waren auf den Kreis- und Reichstagen nicht vertreten und blieben deshalb von den politischen Entscheidungen weitgehend ausgeschlossen. Die Ritter mussten versuchen, eine Einbindung in das Verfassungsgefüge des Reiches anzustreben oder die sich verfestigenden territorialen Strukturen des Reiches aufzubrechen.

Franz war nun “Fehdeunternehmer” und als solcher sehr erfolgreich. Reichsweite Berühmtheit brachte ihm die Wormser Fehde im Jahr 1515. Dem bischöfliche Notar Balthasar Schlör war im Zuge von innerstädtischen Unruhen sein Vermögen eingezogen worden. Er hatte sich an Franz von Sickingen  gewandt. Das in Worms sitzende Reichskammergericht verwies Franz auf den Rechtsweg um den er sich nicht kümmerte. Er überfiel Wormser Kaufleute, was ihm reiches Lösegeld, aber auch die Reichsacht einbrachte, da der Kaiser dies als Bruch des Landfriedens sah.

images2 Urkunde über Verhängung der Reichsacht

Aber keiner der Reichsstände war bereit, die Reichsacht zu vollziehen. Um sein Überleben zu sichern trat er allerdings in die Dienste von Franz I. von Frankreich (1494-1557). In dessen Auftrag eroberte er die damals deutsche Reichsstadt Metz. Für 20.000 Gulden in Gold und einem Monatssold für seine Landsknechte kaufte sich Metz von der Plünderung frei. Maximilian zog Franz von Sickingen wieder auf seine Seite und er war 1519 maßgeblich an der Vertreibung Herzog Ulrichs von Württemberg  (1487-1550) beteiligt. 1519 lernt Franz von Sickingen Ulrich von Hutten (1488-1523) kennen. Hutten machte ihn mit den Ideen des Humanismus und der Reformation bekannt. Die Ebernburg als “Herberge der Gerechtigkeit” bot

b2f451e8b0verfolgten Anhängern der Reformation Schutz. Martin Bucer, Kaspar Aquila, Johannes Oekolampadius und Johann Schwebel suchten und fanden hier Zuflucht. Auch in den Dunkelmännerstreit, dem Streit zwischen den Kölner Dominikanern und dem Pforzheimer Humanisten Johannes Reuchlin griff er ein. Er drohte den Kölner Dominikanern mit einer Fehde.

1520 war Franz von Sickingen Führer der Streitmacht,  die die Kaiserwahl beschützen sollte.  Nicht Franz I. von Frankreich sondern Carlos, der als Karl V. gewählt wurde, wurde der deutsche König. Karl ernannte Franz zum kaiserlichen Rat. 1521 warb Franz Söldner aus eigener Tasche für einen Feldzug gegen Frankreich an, der allerdings fehlschlug.

Die Ritter organisierten sich nun verstärkt in territorialen Ritterbünden. 1522 versammelten sich 600 Ritter in Landau. Dort wählte im August 1522 “Die brüderliche Vereinigung”  der oberrheinischen Ritterschaft  Franz zu ihrem Hauptmann. Diese stand ihrerseits mit fränkischen Rittern in Verbindung. Franz wollte den Aufstieg zu einer eigenen territorialen Herrschaft, damit wahrscheinlich verbunden den Aufstieg zu fürstengleicher Herrschaft der gesamten Ritterschaft. Erreicht werden sollte dieses Ziel auf Kosten der geistlichen Fürsten. Das wiederum deckte sich mit der Ansicht der Reformation, die in der weltlichen Herrschaft von Bischöfen und Äbten ohnehin eine schlimme Vermischung von geistlicher und weltlicher Obrigkeit  sah.

Burg 1618 Burg

Nun begann Franz eine großangelegte Fehde gegen den Kurfürsten und Erzbischof von Trier, Richard von Greiffenklau ( 1467-1531) Es schien der Beginn einer großen Erhebung der Ritterschaft. Franz  erfuhr kaum Unterstützung von seinen Standesgenossen. Auf der Gegenseite aber griffen Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen (1504-1567) und der Kurfürst Ludwig der Friedfertige (1478-1544) ein.

GreiffenklauAltar__Detail index0 220px-Ludwig_V._Pfalz

Franz von Sickingen belagerte 1522 Trier, musste die Belagerung aber bald aufgeben. Franz wurde erneut die Acht erklärt. Über den Winter musste er seine Landsknechte entlassen. Die Fürstenmacht ging nun auf Landstuhl zu. Dort war Franz auf seiner Burg Nanstein. Nach zweitägigem heftigen Beschuss musste Franz kapitulieren. Er selbst war am 1. Mai bei der Beschießung verwundet worden und starb am 7. Mai 1523  an seinen Verwundungen. Im Sommer 1523 zog ein Heer des Schwäbischen Bundes gegen die schwäbischen und fränkischen Ritter. 30 Burgen gingen in kurzer Zeit in Flammen auf. Die Burgen von Sickingens wurden von der Fürstenkoalition übernommen. Burg Drachenfels, eine Ganerbenburg bei Busenberg in der Südpfalz, wurde zerstört, obwohl der Burgvogt die Burg bereits kampflos übergeben hatte. 19 Jahre nach dem Tod von Franz wurden seine Söhne wieder in ihre alten Rechte eingesetzt. Sie mussten aber die Lehenshoheit der Kurpfalz anerkennen.

Der Ritteraufstand war gescheitert. Der Adel  konnte sich im Lauf der folgenden Jahrzehnte als reichsunmittelbare Ritterschaft im Süden und Westen des Reiches aber konsolidieren.

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01 Apr 2011

Götz von Berlichingen

453px-Berlichingen-Wappen

Im Lorscher Codex wird 800 zum ersten Mal der Ort Berlichingen erwähnt. Die Familienchronik derer von Berlichingen sieht sich zu der Annahme berechtigt, dass schon damals Vorfahren der Familie in Berlichingen lebten. In einer Chronik des Kloster Schöntal aus dem Jahre 1151 wird ein Engelhardt von Berlichingen erwähnt. Sicher nachzuweisen ist die Familie der Freiherren erstmals 1212. In einer Urkunde der Herren von Weinsberg für das Kloster Schöntal wird ein Engelhard von Berlichingen als Zeuge erwähnt. Zu den Besitztümern der Familie zählte Burg Hornberg in Neckarzimmern und Burg Jagsthausen, die “Götzenburg”. Dort wurde 1480 oder 1481 Gottlieb also Götz als Sohn von Kilian von Berlichingen und der Margaretha  von Thüngen geboren. Kilian war dreimal verheiratet, erst mit Barbara von Wolmershausen, dann mit Elisabeth von Steinau-Steinrück und schließlich mit Margaretha. Mit diesen drei Frauen hatte er 5 Töchter und 5 Söhne. Der jüngste Sohn aus 3. Ehe Götz wurde als der  legendäre Götz von Berlichingen berühmt durch zwei Dinge. Er war der “Ritter mit der Eisernen Hand” und dann natürlich das “Götz-Zitat” von Goethe.

Goetz-eiserne-hand Götz, Sproß eines reichsunmittelbaren Rittergeschlechts aus Franken, geboren in eine Zeit, die aus den Fugen geraten ist, passt auch hervorragen zum Titelhelden eines Sturm und Drang Dramas.

Das Zeitalter der Entdeckungen stand an seinem Anfang. Die Einheit der Religion ging mit Luthers Reformation verloren. Das bisher bestehende Standesverständnis wurde nicht mehr klaglos einfach hingenommen. Die Ritter kämpften um ihren Platz im Gesellschaftsgefüge. Die Bauern begehrten auf. Die Städte wurden immer mächtiger, wichtiger und bedeutender. Und eine ganz neue Großmacht trat auf den Plan: das Geld. Im kleineren Rahmen die Humpis in Ravensburg und in Augsburg die Welser und vor allem die Fugger wurden die eigentlich Mächtigen. Ihr Waffe war das Kapital.

goetz1.jpgSchon vom Großvater von Götz, Hans von Berlichingen wird 1430 von Fehden berichtet. Und Fehden zogen sich durchs ganze Leben des berühmten Ritters.

In seiner Kindheit weilte er ein Jahr bei einem Verwandten Kunz von Neuenstein. In Niedernhall am Kocher besuchte er die Schule. 1494 trat er als “Bube” in den

Dienst Konrads von Berlichingen, der Hofmeister und Rat des Markgrafen von Brandenburg-Ansbach war. Mit ihm war oft unterwegs.1495 war er beim  Reichstag in Worms mit dabei, wo unter Maximilian über Reichsregiment, Landfriede und Kammergericht verhandelt wurde und der Grundstein zu einer umfassenden Reichsreform gelegt wurde.1496 war der Reichstag in Lindau. Da hier die wichtigsten Stände nicht anwesend waren, konnten keine weitreichenden Beschlüsse gefasst werden.  Konrad starb 1497. Götz trat in den Dienst des Markgrafen zu Ansbach. Schon mit 17 Jahren war auf seinem ersten Feldzug. Dieser Zug führte durch Burgund, Lothringen und Brabant. Am 29. Mai 1498 starb der Vater, Kilian von Berlichingen. Den Winter über blieb Götz dann in Jagsthausen. 1499 zog Markgraf Friedrich  in den Schwabenkrieg in die Schweiz und Götz zog natürlich mit.

Der Schwabenkrieg oder Schweizer Krieg (je nach Blickwinkel) ging für Habsburg und den Schwäbischen Bund nicht gut aus. Die Schweizer hatten die Selbständigkeit der Eidgenossenschaft gegenüber dem Reich erfolgreich verteidigt. Rechtlich blieb die Eidgenossenschaft noch bis zum Westfälischen Frieden von 1648 Teil des Reiches.

Am Hofe des Markgrafen hatte Götz immer wieder Schwierigkeiten, da er öfters in Prügeleien verwickelt war

1500 befand sich Götz nun in recht übler Gesellschaft. Zusammen mit seinem Bruder Philipp traf er auf Thalacker von Massenbach, der seinen Lebensunterhalt mit Wegelagerei, Plünderungen und Geiselnahme bestritt. Bei ihm lernte er das Fehdehandwerk, das Nachrichtensammeln in Herbergen, das Auflauern im Gehölz und in Hohlwegen, Nachtritte mit Gefangenen  durch feindliches Gebiet, das Unterbringen von Geiseln in abgelegenen Burgen befreundeter Raubritter und die Verhandlungen mit Hehlern, bei denen man Diebesgut aus Kaufmannswägen versilberte. Im Winter 1501 wäre er beinahe von Truppen des Schwäbischen Bundes gefangen worden. In letzter Sekunde konnte er sich auf die Burg Sodenburg retten, die einem Verwandten gehörte. Der Boden in Schwaben war

index3für Götz ziemlich heiß geworden. 1502 findet man ihn wieder beim Markgrafen von Ansbach. Dieser war in Streitigkeiten mit Nürnberg verwickelt. Im Streit um den Kirchweihschutz von Affalterbach griff Götz wohl mit schlachtentscheidend ein. Die Nürnberger verloren alle ihre Fahnen. Diese wurden in der Kirche von Schwabach ausgestellt. 1504 wird für Götz ein entscheidendes Jahr. In der Landshuter Fehde

kämpfte der Ansbacher Markgraf auf der Seite des Bayernherzogs Albrecht IV. Am 13. Juli 1504 kam es auf den Wiesen bei Altdorf in der Nähe von Landau an der Isar zu einem großen Gefecht. Eine Feldschlange zerschmetterte die rechte Hand von Götz. Sie musste amputiert werden. Bis Februar lag er auf dem Krankenlager. Dann ließ er sich von einem Nürnberger Kunstschmied eine eiserne Prothese anfertigen. Bis dahin gab es nur schlichte Metallhaken zum Greifen von Gegenständen. Diese Prothese gilt als technische Meisterleistung. Sie wurde durch ein ausgeklügeltes System von Federn und Zahnrädern bewegt. Götzens militärische Karriere war nicht beendet, sondern ging eigentlich erst richtig los. Er tauchte wieder bei Händeln und Streitigkeiten auf. Ja, man könnte ihn fast als Fehdeunternehmer bezeichnen. Er war kein versprengter letzter Ritter sondern ein kühl kalkulierender, das antiquierte Faustrecht nutzender kapitalistischer Raubunternehmer. Er erklärte seinen Gegnern aus  belanglosem Anlass die Fehde, überfiel deren Untertanen, meist reiche Kaufleute, machte Beute und erpresste Lösegeld. Das geschah zwar alles am Rande der Legalität, aber Götz wurde reich damit. Allein aus der “Mainzer Fehde” erzielte er 10.000 Gulden Reingewinn, nach heutigen Geldwert ein Millionenvermögen. In sieben Jahren focht er in eigener Sache 15 Fehden aus und leistete bei “Freunden und guten Gesellen” Hilfe. Zwar wurde er 1512 von Kaiser Maximilian wegen “Rauf-undRaubhandel” geächtet. Von dieser Acht konnte er sich loskaufen, wurde aber kurz danach wieder geächtet. Mit der Reichsstadt Nürnberg konnte er sich vertraglich einigen und 1517 konnte er sich von seinem angehäuften Reichtum

Kaufbrief_Burg_Hornberg_von_Gotz_von_BerlichingenBurg und Herrschaft Hornberg mit den Dörfern Zimmern und Steinbach kaufen. Er wird württembergischer Amtsherr in Möckmühl und heiratet 1517 Elisabeth von  Gailing, eine Nachfahrin des legendären Raubritters Eppele von Gailingen, der 1381 qualvoll hingerichtet worden war. Sein Treiben setzte er munter fort. 1519 aber überwältigte ihn  eine Truppe der Stadt Heilbronn und setzen ihn dort fest. Er wurde dort in den Diebsturm verbracht. Georg von Frundsberg und Franz von Sickingen setzten sich für ihn ein, so dass er den Diebsturm mit “ritterlicher Haft”in  “Wagemanns Wirtshaus” am Marktplatz vertauschen konnte. Dort war er dann mit Frau und Kindern 3 1/2 Jahre in Heilbronn festgesetzt und erst nachdem er Urfehde geschworen hatte, das heißt er verzichtete unter Eid auf jedwede Fehde, durfte er wieder nach Hornberg zurück. Er kam also erst 1522 wieder frei, was ihn vielleicht davor bewahrte in die Sickingsche Katastrophe hineingezogen zu werden. Dieser hatte 1522 den Reichsritteraufstand ausgelöst und kam im Jahre 1523 bei der Belagerung der Feste Landstuhl ums Leben. Götz wusste wohl über die Pläne Franz von Sickingens recht gut Bescheid. Im Frühjahr 1525 brach dann

images4Bauernkrieg aus. Am 24. April 1525 kam der Odenwälder Haufe in die Nähe seiner Burg Hornberg. Wendelin Hipler und Georg Metzler, die Führer des Odenwälder Haufens nahmen ihnzunächst mal für vier Wochen  als Hauptmann auf.  Später wird er aussagen, das sei alles nur auf Zwang geschehen und um Schlimmeres zu verhindern. Aber ungelegen dürfte ihm das Abenteuer nicht gekommen sein, nachdem er nach seinem Urfehdeschwur zur Untätigkeit verdammt auf Hornberg saß. Die Plünderung des Kloster Amorbach, das Niederbrennen der Burg Wildenberg, die Verwüstung von Miltenberg sei alles gegen seinen Willen geschehen. Götz -vier 4 Wochen Hauptmann- verließ nach Ablauf der zugesagten Frist das Bauernheer und stellte sich dem Schwäbischen Bund. Götz rechtfertigte sich persönlich vor Truchsess Georg von Waldburg, dem Bauernjörg und 1526 vor dem Reichstag in Speyer. Er kam glimpflich davon. 1528 wird er aber in Blaufelden festgenommen und nach Augsburg verbracht. Dort wird er inhaftiert und 3 Jahre gefangen gehalten. Er muss nochmals Urfehde schwören und wird in Hornberg in Hausarrest gehalten. Er hält sich peinlich genau an die Vorschriften.

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1540 wird er vom Kaiser begnadigt, da der Türkenkrieg erfahrene Kämpfer fordert.

Mit Kaiser Karl V. zog er als 60-jähriger gegen die Türken. Zwei Jahre später ist er nochmals im Heerbann gegen Frankreich dabei. Bei St. Dizier erleidet er einen Ruhranfall. Nach dem  dem Frieden von Crespy kehrt er nach Hornberg zurück. Nachdem Tod seiner Ehefrau hat er noch mit zwei Mägden Kinder

1550 macht er sein Testament. Ab 1559 diktiert er, fast erblindet, seinem Pfarrer Georg Gottfried aus Neckarzimmern seine Memoiren. Am 23. Juli 1562 stirbt er “uber etlich und achtzig Jahre alt”. Obwohl längst protestantisch geworden wird er im Kreuzgang des Klosters Schöntals beigesetzt.

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07 Mrz 2011

Georg von Frundsberg

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Ulrich von Frundsberg stammt aus einem Tiroler Adelsgeschlecht, das bei Schwaz Silberbergwerke besaß. Er war Rat des Tiroler Erzherzogs  Sigismund. Er war zusammen mit seinem Bruder Johann unter den Stiftern des Rittergesellschaft St. Georgenschild und als solcher auch Hauptmann der Gesellschaft. Auf Veranlassung Kaiser Friedrichs III. wurde am 14. Februar 1488 auf dem Reichstag zu Esslingen der Schwäbische Bund als Zusammenschluss der schwäbischen Reichsstände gegründet. Der Schwäbische Bund baute auf der Organisationsstruktur des St. Georgenschilds auf. So war von Frundsberg auch mehrmals Bundeshauptmann des Schwäbischen Bundes. Ulrich heiratete Barbara von Rechberg. Da ihr Bruder Bero von Rechberg in Reichsacht gerät, verkauft er am 31. August 1467 Herrschaft und Burg Mindelheim an seinen Schwager Ulrich von Frundsberg und dessen Bruder Johann. Johann stirbt kinderlos und so wird Ulrich alleiniger Herr von Mindelheim. Mit seiner Frau Barbara hat Ulrich 14 Kinder, nämlich Johann, 1482 vermählt mit Helena von Rechberg aus einer anderen Rechberger Linie, Ulrich, der Bischof in Trient  ist, Thomas vermählt mit Ursula Truchsessin , Kaspar, Wolfgang,Sigmund,Christoph, die alle jung versterben, Adam der auch Hauptmann des Schwäbischen Bundes wird und 1518 unvermählt stirbt, Eva, vermählt mit Degenhart Fuchs von Fuchsberg auf Jaufenberg, Barbara vermählt mit Frisch Hans von Bodmann, Madlen vermählt mit Hieronymus zu Rosenberg, Agnes vermählt mit  Albrecht von Wildenstein zu Braitenegg, Siguna, jung gestorben und schließlich  Georg der spätere kaiserliche Feldhauptmann der 1500 Katharina von Schrofenstein heiratet und sich nach deren Tod 1518 mit Gräfin von Lodron zur Frau nimmt. Der Vater Ulrich stirbt 1501.

Georg ist am 14. September 1473 geboren. Georg wurde von seinem Vater wohl noch nach ritterlichen Brauch ausgebildet. Von wem er seine militärische Erziehung erhielt ist nicht überliefert. Aber feststeht, dass er 1492 an der Seite seines Vaters im Heer des Reichshauptmannes Markgraf Friedrich II. von Brandenburg- Ansbach

ins Feld zog, um die Acht an Albrecht V. von Bayern zu vollziehen. Dieser lenkte allerdings ein und so kam es nicht zum Kampf. Nach sieben Friedensjahren kämpfte der Schwäbische Bund im Schwaben- oder Schweizerkrieg gegen die Eidgenossen.

220px-Schlacht_bei_DorneckDie Kämpfe liefen nicht zum Vorteil für den Schwäbischen Bund und ließen diesen das Vertrauen in die militärischen Fähigkeiten Maximilians  verlieren. Die Siege der Schweizer zeigten Georg, dass die Zeit der gepanzerten Ritter zu Ende war und er erkannte den Wert der Infanterie, die Kampfkraft gut ausgebildeten Fußvolkes. Maximilian ernannte ihn zum Tiroler Feldhauptmann.

landsknechte-Pikeniere Er stellte eine schlagkräftige Truppe aus Pikenieren auf, weswegen man ihn später auch Vater der Landsknechte nannte. Er perfektionierte die Taktik der Gewalt oder Gevierthaufen, in denen die Pikeniere einen schützenden Rahmen um die anderen Nahkämpfer mit ihren Hellebarden und anderen Waffen legten. Er verfasste mehrere Werke über Kriegstaktiken. “Der treue Rat” erschien zwar anonym, ist aber sicher von ihm geschrieben.

Landsknechte waren Söldner, eine Truppe mit frühdemokratischen Organisationsformen. Sie wählten ihre Vertrauensleute und hatten eine eigene Gerichtsbarkeit. Es waren keine gescheiterten Existenzen, die sich um die Banner scharten. Sie mussten Bekleidung und Ausrüstung selber stellen und durften deshalb nicht arm sein. Oft waren es junge Adelssöhne, die von der Erbfolge ausgeschlossen waren oder Lehrlinge und Gesellen, die wegen der strengen Zunftgesetze keine Aussicht auf eine Meisterstelle hatten. Auch lockte der vergleichsweise immense Lohn. Allerdings war die Besoldung der Schwachpunkt der damaligen Armeen. Oft hatten die Kriegsherren nicht das nötige Geld, so dass sich die Landsknechte ihren Lebensunterhalt mit Gewalt sichern mussten. Das war der Moral der Heerhaufen nicht gerade zuträglich. Georg von Frundsberg gab seinen Männern eine feste Ordnung. In “Artikelbriefen” legte er Rechte und Pflichten für Mannschaften und Führer fest. Er regelte das Gerichts- Proviant-und Soldwesen. Er ordnete Musterung, militärische Ämter und Befehlshierarchien. Er exerzierte nun mit seinem Landsknechtshaufen, übte Marschordnungen und lehrte, wie man Schwachpunkte des Feindes erkennt. So schuf er eine erfolgreiche Truppe, mit der er in der Folge zahlenmäßig weit überlegene Gegner vernichtete.

Die Habsburger waren nicht nur in Auseinandersetzungen mit den Eidgenossen verwickelt sondern auf europäischer Ebene auch mit Frankreich. In Italien entzündeten sich Kriege zunächst um einen dynastischen Machtkonflikt um das Königreich Neapel und weiteten sich dann in eine Auseinandersetzung zwischen dem französischen Königshaus Valois und den Habsburgern aus.

Karl VIII. von Frankreich (30.06.1470-07.04.1498) kämpfte  1494-1495 in Italien um die Ansprüche Ludovico Sforza, der ab 1481 in Mailand regierte auf den Königsthron in Neapel durchzusetzen. Karl marschierte sehr schnell durch Italien und brach mit großer Härte den Widerstand der italienischen Städte. Florenz kapitulierte im Oktober. Am 31. Dezember 1494 nahm Karl Rom ein und am 22. Februar 1495 eroberte er Neapel. Sforza erkannte, dass Karl sich wohl nicht mit Neapel zufrieden geben würde und wandte sich an Papst Alexander VI. um Hilfe. Der  brachte die “Heilige Liga” zustande, vorgeblich um Widerstand gegen das Osmanische Reich zu leisten, tatsächlich ging es aber um die Vertreibung Karls VIII. aus Italien. Gegner der französischen Hegemonie waren der Papst selbst, Ferdinand II. von Aragon, Maximilian I. , das Herzogtum Mailand und die Republik Venedig. Die Liga brachte ein Landsknechtsheer zusammen. Es kam am 6. Juli 1495 zur Schlacht bei Fornovo. Dort erlitt Karl so schwere Verluste, dass er nach Frankreich zurückkehrte, wo er 1498 an den Folgen eines banalen Alltags- Unfalls verstarb. Er hatte den Kopf an eine Steintür gestoßen und starb Stunden später an den Folgen einer Hirnblutung. 1499 machte der neue französische König Ludwig XII. Ansprüche auf Mailand geltend und entsandte ebenfalls ein Heer nach Italien. Maximilian schickte nun Herzog Ludovico Sforza eine Heer des Heiligen Römischen Reiches gegen die Franzosen zu Hilfe.   In den Reihen dieses Heeres war Georg von Frundsberg. Die nächste Herausforderung, aber auch wieder Möglichkeit, sich in den Blickpunkt der Mächtigen zu stellen, war der bayrische Erbfolgekrieg. Herzog Georg der Reiche von Bayern Landshut hatte mit seiner Gemahlin Jadwiga von Polen keine männlichen Erben. Dieses Paares wird noch heute in der Landshuter Fürstenhochzeit gedacht. Im Widerspruch zum Wittelsbacher Hausvertrag setzte Georg in seinem Testament vom 19. September 1496 seine Tochter Elisabeth zum Erben ein. Beim Aussterben  einer männlichen Linie sollten die Besitztümer der Linie an die jeweils andere fallen. Herzog Albrecht IV. von Bayern-München akzeptierte diesen Vertragsbruch nicht.

Als Georg der Reiche am 1. Dezember 1503 starb, mündete der Konflikt in den Landshuter Erbfolgekrieg. Der Regentschaftsrat, den die niederbayrischen Landstände bildeten, wandte sich an das Reichskammergericht. Darauf beschied Maximilian die Parteien ins Augsburger Rathaus. Als Gegenleistung für seine Vermittlungsbemühungen stellte er seinerseits Gebietsforderungen. Albrecht erklärte sich bereit, die Gerichte Kufstein, Kitzbühl und Rattenberg an Maximilian abzutreten. Daraufhin sagte er Albrecht 10.000 Mann Hilfstruppen und finanzielle Unterstützung zu. Am 23. April belehnte er die Münchner Herzöge mit Georgs Ländern. Rupprecht, den Gemahl von Elisabeth der Tochter des verstorbenen

index1Georg des Reichen erklärte er in die Reichsacht. Da der Pfalzgraf Philipp der Aufrichtige sich auf die Seite seines Sohnes Rupprechts gestellt hatte, wurden die meisten Kämpfe in der Kurpfalz ausgetragen. Zur größten Schlacht kam es aber in der Nähe von Regensburg am 12. September 1504 in Wenzenbach. An dieser Schlacht nahm auch Georg von Frundsberg teil. Mit seinem Landsknechtsregiment aus Memmingen schlug er sich so tapfer, dass er von Maximilian zum Ritter geschlagen wurde. Von nun an war er ständig im kaiserlichen Heer. In den Folgejahren nahm er am Kriegszug gegen den Herzog von Geldern in den Niederlanden teil. Nach Kämpfen der Liga gegen Venedig kehrte Maximilian nach Deutschland zurück. Markgraf Albrecht von Brandenburg, der 1511 der letzte Hochmeister des Deutschen Ordens wurde blieb in Verona  zurück, ebenso wie Georg von Frundsberg als Obrist eines Landsknechtsregiments. Bei der Verteidigung Veronas gegen venetianische Truppen spielte der Obrist eine maßgebliche Rolle, ebenso wie bei der Eroberung mehrerer venetianischer Städte.

Am 22. Mai 1511 kam es zur Schlacht bei Bologna. Hier wurde das päpstlich-ventianische Heer  vollständig geschlagen. Einen wesentlichen Anteil hierbei hatte

Georg. Es kam zu weiteren Scharmützeln im Brentatal. In der mächtigen Festung Beitelstein zwang Frundsberg mit 1800 Landsknechten die 9000 Mann Besatzung zur Aufgabe und Übergabe. Nach zehntägiger Belagerung von Treviso kehrte Frundsberg nach Deutschland zurück. Dort hatten die Herren von Friedingen vom Hohenkrähen aus das Land mit Raubzügen und Plünderungen beunruhigt. Der

300px-Hohenkraehen-1900 entsandte Schwäbische Bund ein Heer, um die Raubzüge zu beenden. Als Bundeshauptmann befehligte von Frundsberg das Heer. Am 12. November nahm das Heer nach kurzer Belagerung die Burg ein. Mit Georg von Lichtenstein und Hans von Landau kehrte er mit 6000 Mann nach Italien zurück. Es gab eine Reihe kleinerer Gefechte, dann erfolgte die Beschießung von Venedig. Ein Ersatzheer der Venetianer unter Alviana rückte heran und drohte den Kämpfern der Liga den Rückzug abzuscheiden. Zahlenmäßig 4 fach überlegen verzagten die Ligatruppen. Nur von Frundsberg gab die Hoffnung auf Rettung nicht auf. Sein Wahlspruch nun “Viel Feind, viel Ehr” Er wurde Oberbefehlshaber der Ligatruppen. Er stellte die Landsknechte in einem großen  Viereck auf, die Reiterei in einen Schlachthaufen und rückte bei Vicenza am 7. Oktober 1513 den Truppen Alvianos entgegen. Bei Creazzo erfolgte das Zusammentreffens. Der wuchtvolle Stoß der Landsknechte brach die Schlachtordnung der Venetianer. Sie wandten sich zur Flucht. 24 Geschütze und alle Fahnen wurden erobert. Die Fahnen ließ er in der Kirche von Mindelheim aufhängen. Durch die geschützte Lage Venedigs konnte man gegen die Stadt nicht direkt etwas unternehmen. Im Folgejahr behauptete von Frundsberg die gewonnene Landschaft.

Im Jahr 1520 hatte Herzog Ulrich mit seinem Angriff auf Reutlingen den Reichsfrieden gebrochen. Der Schwäbische Bund bot ein Heer unter Herzog Wilhelm von Baiern gegen ihn auf. Georg von Frundsberg war oberster Feldhauptmann der Fußtruppen des Bundesheeres. Ulrich zog sich nach Mömpelgard zurück. Württemberg wurde rasch erobert. Daraufhin wurde  das Heer entlassen. Kaum war das geschehen,  fiel Herzog Ulrich mit 8000 Mann wieder in Württemberg ein. Das Bundesheer wurde wieder aufgeboten und Ulrich verlor sein Land zum zweiten Mal. Vertragsgemäß wurde es nun Karl V. überlassen.

1521 berief Karl den Reichstag nach Worms ein. Es ging hauptsächlich um die “Causa Lutheri” in der Martin Luther seine Thesen verteidigen sollte. In Worms lernte von Frundberg Martin Luther und als der Reformator zum Verhör schritt, soll Frundsberg gesagt haben “Mönchlein, Mönchlein, Du gehest einen Gang, dergleichen ich und mancher Obrister auch in unserer allerernstesten Schlachtordnung nicht gethan haben; bist Du auf rechter Meinung und Deiner Sache gewiss, so fahre in Gottes Namen fort, Gott wird Dich nicht verlassen.”

220px-Luther-in-Worms-auf-RtTheologische Spitzfindigkeiten waren nicht von Frundsbergs Sache. Aber er schloss sich der neuen Glaubenslehre an, allerdings erst, als er mit den hinter den Kulissen gegen den Kaiser gerichteten päpstlichen Politik unzufrieden war.

Frundsberg wird auf dem Reichstag von 1521 als oberster Hauptmann in der Grafschaft Tirol bestätigt. Er erhält den kaiserlichen Ratstitel und damit verbunden ein Jahresgehalt. Und er übernimmt die Burghut auf  Runkelstein in Südtirol in der Nähe Bozens.

Als selbstständiger Heerführer befehligt er 1521 in der Picardie. Anfangs erfolgreich kann er nach Anmarsch der französischen Übermacht nach rechtzeitigem Rückzug nur noch die ihm anvertrauten kaiserlichen Truppen retten. Das muss sehr schwierig gewesen sein, denn von Frundsberg bezeichnet diesen Rückzug als seine beste Kriegstat. Im Februar 1522 ist Georg wieder in Italien. Franz von Sforza, der jüngere Sohn von Ludovico Sforza sollte wieder in seine Rechte in Mailand eingesetzt werden. Am 27. April 1522 kam es bei La Bicocca zur entscheidenden Schlacht. Georg stand mit seinem Heer den Truppen des französischen Marschalls Lautrec und Schweizer Söldner, die man auch “Reisläufer”

180px-Niklaus_Manuel_1553nannte, gegenüber. Wieder landete von Frundsberg einen großen Sieg. Vor Beginn der Kampfhandlungen liefert sich Georg ein Duell mit dem Anführer der Schweizer Truppen, Arnold von Winkelried, den er mit der Hellebarde erschlug. Danach  zertrümmerte er die gegnerischen Linien so gründlich, dass sich Schweizer und Franzosen fluchtartig aus Italien zurückzogen. Pizzighettone und Cremona ergaben sich, Lodi und Genua wurden erstürmt. Sforza zog wieder in Mailand ein.

Georg konnte nach Deutschland zurückkehren. Sforza allerdings trat 1526 der Liga von Cognac bei, die gegen Karl V. gerichtet war. Sforza war aufgrund seiner Steuererhebungen in Mailand unpopulär. Mit seinem Tod am 24. Oktober 1535 stirbt die männliche Linie der Sforza aus. Das Herzogtum Mailand geht an den Kaiser über.

Zurück zum Jahre 1522. 1524 musste Georg wieder nach Italien. Die Franzosen unter Karl I. standen wieder in Italien, diesmal in erdrückender Überlegenheit. 80000 Franzosen standen gegen 18000 Kaiserliche, darunter 12000 deutsche Landsknechte und mit 9000 Mann noch die Besatzung von Pavia. Kommandant der Garnison war Antonio de Leyva, aus Navarra stammend. Dieser, von Gicht gequält und unfähig allein ein Pferd zu besteigen, richtete die Belagerten auf.

In Pavia stand auch Caspar, Georgs Sohn. Die Habsburger hatten nun allerdings auch mit ihrer Geldnot zu kämpfen. Die Verbündeten versuchten Geld aufzutreiben und auch Georg warb Landsknechte und bezahlte aus eigener Tasche. Es gelang auch Geld in die belagerte Stadt zu schmuggeln. Die Kriegsleute konnten bezahlt werden. Auch konnten die Heerhaufen wieder mit Lebensmittel versehen werden, die ihnen die eingeschüchterten Einheimischen überließen.   Das französische Belagerungsheer war immer stärker geworden. Deswegen schickte Franz einen Teil seiner Streitmacht gegen Neapel, weil er hoffte, dass der Vizekönig seine Truppen ebenfalls aus der Lombardei abziehen würde, um Neapel zu unterstützen und damit der Fall Pavias wahrscheinlicher würde. Im Januar erreichte Georg Lodi. Er übernahm den Oberbefehl über die 12000 deutschen Landsknechte. Er teilte das deutsche Heer nicht, sondern behielt seine Steitmacht vor Pavia. Aber ausstehender Sold ließ es nicht sicher erscheinen, dass die deutschen und spanischen Söldner ausrückten. Doch Frundsberg konnte mit einer Ansprache die Söldner hinhalten. Am 24. Januar überschritten sie dann die Adda, um den Eingeschlossenen in Pavia zu Hilfe zu kommen. Die Franzosen dachten zunächst, dass sich das Heer nach Mailand wenden würde. Als dann am 29. Januar die Festung St. Angelo erstürmt und geplündert wurde, war klar, dass Pavia das

220px-GeorgundCasparvonFrundsbergMarschziel war. In Erwartung des Angriffs hatte Franz sein Hauptquartier am Westende Pavias verlassen. Die Feldherren der Franzosen  wussten um den Geldmangel des kaiserlichen Heeres und schlugen Franz vor, die Belagerung Pavias aufzuheben und um Binasco oder Certosa eine zur Abwehr günstigen von Kanälen und Feldgräben durchschnittenen Ebene zurück zu ziehen. Die französischen Führer nahmen an, dass die kaiserlichen Söldner aus Geldmangel entweder davon laufen würden oder meutern. Franz aber hörte nicht auf die alten erfahrenen Generäle sondern auf sein Günstling Bonvivant und dessen unerfahrenen, draufgängerischen Altersgenossen. Frundsbergs Entsatztruppen waren nun herangerückt und die beiden Here staden sich in unmittelbarer Nähe gegenüber.

Das französische Heer lagerte im Park von Mirabello, ein durch Mauern geschütztes Gelände, das zum Entspannen und Vergnügen der Mailänder Herzöge bestimmt. war. den Kaiserlichen gelang es, unbemerkt Öffnungen in die Mauern zu schlagen. So konnten sie dann später eindringen. Zunächst Mal wurde durch ständige kleiner Gefechte der Gegner in Unruhe gehalten. Bei einem dieser Scharmützel wurde Giovanni da Medici verwundet. Auf Grund der Schwere der Verletzung wurde er nach Venedig gebracht. auch seine Kompanie verließ das Schlachtfeld. Am 24. Februar 1525 kam es dann zur Entscheidungsschlacht. Die kaiserlichen Truppen warn unbemerkt in den Park eingedrungen. Die Franzosen, zu spät aufgeschreckt, schossen zwar aus allen Kanonen und im Morgengrauen setzte Franz seine schwere Kavallerie ein. Gegen die kaiserliche Infanterie kam der Vorstoß schnell ins Stocken. Franz war zu weit von seiner Infanterie entfernt und in seiner Rüstung erkannt. Beim Versuch den König zu retten, kamen viele hochrangige französiche Heerführer ums Leben, unter ihnen der Herzog von Tremouille und der Maréchal de Foix. Das Pferd Franz I. wurde verletzt und er musste zu Fuß weiter kämpfen. Er geriet in Gefangenschaft und musste 1526 den Frieden von Madrid schließen.

image_largeEr gestand Karl V. den Besitz Mailands, Genuas, des Herzogtums Burgunds und Neapels zu. Als er freigekommen war, widerrief er den Frieden als erzwungen aber sofort. Der Kampf um die Vorherrschaft in Europa sollte noch bis 1559 dauern. Der Sieg in der Schlacht bei Pavia gilt als Frundsbergs spektakulärster Erfolg. Georg von Frundsberg kehrte nun nach Deutschland zurück. Dort bahnte sich der Bauernkrieg an. Auch die Bauern um Mindelheim hatten sich erhoben. sie wollten wohl auch die Mindelburg stürmen und dort seine Gemahlin gefangen setzen. Aber die Burg war von Kriegsleuten von Frundsbergs besetzt. Auch hatten die Bauern wohl zu sehr Respekt vor Frundsbergs Ruf, so dass die Mindelburg unbeschadet durch den Bauernkrieg kam. Er zog mit dreitausend Mann in die Nähe von Kempten. Dorthin war auch Georg III. mit seinem Heer von Würzburg über Memmingen gezogen. Der Allgäuer Haufe war der letzte noch verbliebene im Bauernkrieg. Georg von Frundsberg vereinigte seine Truppe mit der des Bauernjörgs bei Leubas. Nach der “Kanonade von Leubas” war der Bauernkrieg blutig niedergeschlagen. Georg von Frundsberg wurde noch nach Salzburg geschickt. Auch dort hatten sich die Bauern erhoben. Diesen Aufstand konnte er durch Vergleich beenden, zumal einige der aufständischen Buaern schon als Führer unter Frundsberg gedient hatten.

Nachdem Franz I. von Frankreich aus Madrid frei gekommen war, widerrief er seine Zugeständnisse aus dem Friedensvertrag von Madrid und erklärte erneut den Krieg. Die Habsburger litten nach wie vor unter Geldnot, so verpfändete Georg sein Familiensilber und warb 12000 Söldner an. Unter ihm befehligten sein Sohn Melchior, sein Schwager Londron und Sebastian Schertlin, der schon bei Pavia mitgekämpft hatte. Bei Brescia kann er am Jahresende die päpstlichen Truppen schlagen. Die Lage aber bleibt angespannt. Er kann kaum den Sold bezahlen und nur die Aussicht auf Beute hält die Männer zusammen. Von Karl V. erhält er trotz eindringliche bitten keine finanzielle Unterstützung mehr. Im März machen Gerüchte um einen bevorstehenden Friedensschluss mit dem Papst die Runde. Am 16. März 1527 bricht im Feldlager von Bologna eine Revolte aus. Vor von Frundsbergs Zelt rotten sich die Landsknechte zusammen. Er tritt zwar unerschrocken vor sie, doch sie brüllen weiter nur “Sold”. schließlich richten sie ihre Spieße auch gegen ihn. Das ist zu viel für ihn. Vom Schlag getroffen sinkt er auf eine Trommel. Dieses Unglück bringt die Landsknechte wieder zur Vernunft. Sie schultern ihre Spieße und gehen auseinander. Georg wird nach Ferrara gebracht, wo er so weit wieder hergestellt wird, dass er im Folgejahr in einer Sänfte nach Deutschland gebracht werden kann. 8 Tage nach seiner Rückkehr stirbt er verarmt und verbittert am 20. August 1528 auf seiner Stammburg in Mindelheim.

Sein bitteres Resümée: “Drei Dinge sollten jedermann vom Krieg abschrecken: die Verderbung und Unterdrückung der armen, unschuldigen Leute, das unordentliche und sträfliche Leben der Kriegsknechte und die Undankbarkeit der Fürsten.

Frundsbergs Truppen nehmen unter Konrad von Boyneburg an der Eroberung Roms teil, wo es am 6. Mai 1527 zum “Sacco di Roma” kam, dieser berüchtigten Plünderung Roms. Als Spätfolge dieser Plünderung konnte sich Karl V., der als letzter deutscher König in Italien zum Kaiser gekrönt wurde, 1530 nicht in Rom krönen lassen. Aus Sicherheitsgründen fand die Krönung in Bologna statt.

Caspar war ebenfalls Feldherr im Dienste Habsburgs. Aus den Pfründeentschädigungen kann er  die hochverschuldeten Güter seines Vaters zumindestens teilweise sanieren. 1529 heiratet Kaspar Margarete von Firmian. Aus dieser Ehe geht die Tochter Katharina, geboren 1530 hervor. Er hat auch noch einen Sohn namens Georg. Ob dieser der leibliche Sohn Margaretes war, ist nicht sicher. Mit Georgs Tod 1586 erlischt das Haus Frundsberg. Mindelheim geht an Bayern über.

Zu Ehren Frundsbergs steht seine Büste in der Walhalla und in Mindelheim gibt es ein Frundsbergdenkmal. Auch findet dort alle drei Jahre das Frundsbergfest statt.

Es ist auch nicht verwunderlich, dass sich die SS des Namens Frundsberg bedient hat. Sie stellte die Panzerdivision “Frundsberg” auf.

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21 Feb 2011

Bauernjörg

index3 Georg III. von Waldburg-Zeil, der wegen seiner Rolle im Großen Bauernkrieg von 1525 schnell den Beinamen “Bauernjörg” erhielt, stammt aus dem Haus Waldburg, einem hochadeligen, schwäbischen Adelsgeschlecht. Stammburg der welfisch-staufischen Ministerialen ist die Waldburg in Oberschwaben. Das Geschlecht ist urkundlich seit 1170 belegt. Als Stammvater gilt Heinrich von Tanne, der um 1190 geboren ist. Er ist 1248 gestorben.

220px-Waldburg_Scheibler43psDas Haus Waldburg teilte sich in mehrere Linien auf hat und großen Einfluss auf die Geschichte Oberschwabens.  Seine Burgen und Schlösser prägen noch heute die Landschaft des württembergischen Allgäus.

Georg III. wurde am 25. Januar 1488 als Sohn des Truchsessen Johannes des Jüngeren von Waldburg und der Helene, geborene Gräfin von Zollern geboren. Mit 10 Jahren kam er an den Hof des Bischofs Friedrich von Augsburg, dem Bruder seiner Mutter.

Dort erhielt er seine Erziehung. Einer seiner Lehrer war  Meister Paulus,  Chorherr am Augustinerstift St. Moritz in Augsburg. Im Schwabenkrieg, dem kriegerischen Konflikt zwischen der Eidgenossenschaft, dem Haus Habsburg und dessen Hauptverbündeten, dem Schwäbischen Bund (Januar-September 1499) entlief er, weil er Kriegsdienst leisten wollte. Er wurde aber rasch wieder zurückgebracht. Am bairischen Erbfolgekrieg von 1504 nahm er bereits teil. 1508 trat er in die Dienste Herzog Ulrichs von Württemberg. 1509 heiratete er Apollonia, die Tochter des Grafen Johannes von Sonnenberg. Diese starb jedoch schon 1512. Darauf ehelichte er 1513 Maria, die Tochter des Grafen Joachim von Oettingen. Im Jahre 1511 feierte Herzog Ulrich von Württemberg eine aufwändige Hochzeit mit der Nichte Maximilians I.  Dieser große Pomp, der luxuriöse, höfische Lebenstsstil Ulrichs und teure Kriegszüge ruinierten die Staatskasse Württembergs. Trotzdem plante er einen Feldzug gegen Burgund. Mit großem Erfindungsreichtum zwang er der Bevölkerung neue Steuern auf. Was vor allem empörte, war die Art der Erhebung. So wurde die Steuer nicht auf die Ware geschlagen, sondern die Maßgewichte verringert. Das führte zu Bauernunruhen und schließlich zum Aufstand des “Armen Konrads” vor allem im Remstal. Der “Gaispeter” aus Beutelsbach führte ein Gottesurteil vor, ähnlich wie bei Hexenprozessen. Er warf die neuen Gewichte ins Wasser. Schwimmen sie oben, ist der Herzog im Recht, gehen sie unter, sind die Bauern im Recht. Die Obrigkeit verlangte die  Rückgabe der Steine. Gaispeter konnte oder wollte sie nicht beibringen. Die Situation eskalierte. Die Ehrbarkeit von Stuttgart und Tübingen ließ die Steuern in Verbrauchssteuern umwandeln. Im Tübinger Vertrag vom 8. Juli von 1514 musste Herzog Ulrich Zugeständnisse machen. Ohne die Zustimmung der Landstände durfte kein  württembergischer Landesherr Krieg führen oder Steuern erheben. So wurden die Landstände die wichtige Gegenpartei der Landesherren. Ulrich erhielt nun die nötigen Mittel und konnte den Aufstand niederschlagen, an seiner Seite Georg Truchsess von Waldburg. Zunächst war dieser vermittelnd zwischen dem “Armen Konrad” und dem Herzog tätig, dann, als der Aufstand mit Gewalt niedergeschlagen wurde, als Hauptmann, der sich auszeichnete. Und wie im Großen Bauernkrieg dasselbe Verhaltensmuster. Die Bauern werden hingehalten, man versucht sie ruhig zu halten. Wenn dann die militärischen Mittel ausreichend vorhanden scheinen, wird mit unverhüllter Gewalt zugeschlagen. Herzogliche Truppen besetzen das Remstal, schleppen die Anführer, derer sie habhaft werden können nach Schorndorf. Dort werden diese anfang August enthauptet.

index4 1515 scheidet Georg aus den württembergischen Diensten aus. Doch die gemeinsame Geschichte Jörgs und Ulrich ist noch nicht zu Ende. Georg wird Rat und Landeshauptmann des Herzogs Wilhelm von Baiern. Er reist mit seinem neuen Herrn in die Niederlande und visitiert und reformiert in dessen Auftrag die bairischen Gerichte und gibt ihnen neue Ordnungen und Satzungen. 1519 greift nun Herzog Ulrich die Stadt Reutlingen an. Diese ist Mitglied des Schwäbischen Bundes, einer Vereinigung der schwäbischen Reichsstände, die 1488 auf Veranlassung Kaiser Friedrichs III. gegründet worden war. Der Angriff auf Reutlingen war für den Bund der Kriegsfall. Oberster Feldherr des Bundes wird Herzog Wilhelm von Baiern. Truchsess Georg wird oberster Feldlieutenant. In nur zwei Monaten war wieder ganz Württemberg in der Hand des Bundes, nicht zuletzt

ein Verdienst von Truchsess Georg. Zwischen Herzog und Truchseß kommt es allerdings zu einem Zerwürfnis. Es ging um Entschädigungsansprüche, also ums Geld. Am 24. Juni 1520 wurde Georg auf dem Bundestag in Augsburg österreichischer Rat und Diener. Am selben Tag wurde sein Schwiegervater Joachim von Oettingen  von Ritter Hans Thomas von Absberg angegriffen und tödlich verwundet. Georg nimmt sich dieser Sache an, bringt  sie vor den Bund und klagt auf Hilfe für die Grafen von Öttingen. Diese wird zugesagt, erfolgt aber nicht sofort. Aber Reisige werden bewilligt und Georg zu deren Hauptmann ernannt. 1523 unternimmt nun der Schwäbische Bund einen großen Feldzug gegen die fränkischen Raubritter. Er wird von Georg als Feldhauptmann geführt. In kurzer Zeit bricht er 23 Burgen der fränkischen Ritter und damit ihre Macht. Aber die nächste Herausforderung steht in dieser stürmischen Zeit schon an. Im Sommer 1524 empören sich die Bauern in Stühlingen und im Hegau. Diese Gegend gehörte nun zum Teil zu Österreich, zum Teil stand sie unter Österreichs Schutz. So gibt Erzherzog Friedrich den Befehl zur Gegenwehr und Unterdrückung. Zunächst aber soll es auf gütlichem Weg versucht werden. Nun war auch Herzog Ulrich, der 1519 vertriebene württembergische Herzog im Land und versucht  seine Herrschaft zurück zu erobern. Wenn man nun einen Blick auf die politische “Großwetterlage” wirft,

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so war die Lage für den Schwäbischen Bund nicht gerade rosig. Zwischen 1494 und 1559 wurden die “Italienkriege” ausgetragen. Die Kämpfe fanden praktisch alle in Italien statt und es ging um die große Auseinandersetzung zwischen Habsburg und Frankreich. Das band eine Vielzahl von Söldnern und Kapital. Denn nur wer zahlen konnte, konnte sich auch die Söldner leisten. Im Reich waren soziale Unruhen, von Bauernunruhen war schon die Rede. Der Reichsritteraufstand erschütterte das Reich. Ging es hier doch auch darum, die Landesherrschaften zu territorialisieren. Das alles wurde durch den geistigen Katalysator, die Reformation,

angefacht. Bauern, Ritter und Städte beriefen sich auf sie. Dem Feldhauptmann des Bundes standen zu wenig Truppen zur Verfügung, um den Einfall Ulrichs zu verhindern. Nur mit den württembergischen Truppen konnte er modern gesagt nur eine Art Guerillataktik verfolgen. Herzog Ulrich nahm sehr schnell Balingen, Herrenberg, Sindelfingen und Leonberg ein. Als die Truppen des Schwäbischen Bundes eintrafen vereinigte Georg  sie unterhalb von Rottenburg mit dem württembergischen Aufgebot. Er zog schnell nach Stuttgart. Die vom Herzog geworbenen Schweizer verließen diesen undÚlrich musste sein Heil in der Flucht suchen. Georg konnte die Städte rasch zurückerobern. Nun wandte er sich den Bauern zu. Es hatte sich ein bedrohliches Szenario entwickelt. Die Bauern hatten sich gegen ihre Herren empört und drei Haufen gebildet. Den Baltringer Haufen, den Allgäuer Haufen und den Seehaufen. Auch hier kam die Taktik wie schon beim “Armen Konrad” zum Einsatz. Hinhalten, verhandeln und wenn man stark genug ist, losschlagen.  Die drei Großen Haufen, der Allgäuer, der Baltringer Haufe und der Seehaufe hatten sich in Memmingen am 7. März 1525 zur “Christlichen Vereinigung” zusammengeschlossen. Die 12 Artikel gelten als erste Menschenrechtserklärung der Welt. Maßgeblich auf der Seite der Bauern war Ulrich Schmid von Sulmingen. Der Baltringer Haufe hatte sich zunächst in Tälern der Alb festgesetzt. Dort verfolgte Georg von Waldburg sie nicht. Er schlug sein Lager bei Wiblingen auf.  Er hatte 1500 Reisige und 7000 Fußknechte dabei. Er zog gegen Leipheim und Günzburg. In der Schlacht von Leipheim wurden Tausend erstochen, viele in die Donau gejagt, wo sie ertranken. Der Leipheimer Haufe, das waren rund 5000 Bauern und der Baltringer Haufe unterlagen.  Der Führer des Leipheimer Haufens, der unter anderem das Kloster Elchingen geplündert hatte, Jakob Wehe, wurde hingerichtet.  Ulrich Schmid von Sulmingen, der Kürschnergeselle Sebastian Lotzer, der Schriftführer des Baltringer Haufens und der Memminger Reformprediger Christoph Schappeler, der wohl wesentlichen Anteil an den Memminger Artikeln hatte, konnten in die Schweiz entkommen. Teile der aufständischen Baltringer Bauern unterwarfen sich. Andere zogen in Richtung der Herrschaft des Truchsessen, ins  Allgäu.Dieser  schlug aber die Aufständischen am 13. April bei Essendorf und am 14. April bei Wurzach. Den Seehaufen drängte er von Gaisbeuren gegen Weingarten. Es standen immer noch rund 18000 Mann gegen ihn und er war sich seiner Truppen auch nicht so sicher. Immerhin hatten dies unter den Aufständischen auch Verwandte. So versuchte er nach kurzen Artilleriegefechten und Drohungen sein Ziel der Unterwerfung durch Verhandlungen zu erreichen. Graf Hugo XVI. von Montfort vermittelt zwischen dem Truchsessen und dem Seehaufen. Am 17. April 1525 kommt der Vertrag von Weingarten zustande. Der Bauernhaufe wurde aufgelöst und erhielt freien Abzug. 1537 erhält Graf Hugo von Montfort das Schloss Wasserburg vom Abt von St. Gallen als Geschenk für seinen Einsatz und seine Vermittlung im Bauernkrieg. Ein Scheitern bei Weingarten wäre eine Katastrophe für den Schwäbischen Bund gewesen. Möglicherweise wären dann die Städte offen zur Revolution übergegangen. Im Bauernkrieg war der Vertrag aber der Wendepunkt. Georg hatte nun freie Hand. Zunächst rückte er gegen die Hegauer und Klettgauer Bauern vor. Er zog nsch Böblingen weiter. Dort schlug er am 12. Mai fast 20.000 Mann von der württembergischen Landschaft,  den Schwarzwäldern, Hegauern und Weinsberger Bauern. Über 6000 kamen ums Leben. Der Bauernaufstand in Württemberg hatte seinen Todesstoß erhalten. Dann zog Georg weiter nach Würzburg. Dort hatten sich noch 40.000 Bauern versammelt. Auf dem Zug nach Würzburg, verbrannte er Weinsberg. Weinsberg hatte ja bei den Herrschenden Fanalwirkung und Angst und Schrecken bei ihnen ausgelöst. Am 16. April waren die Bauern unter Führung des Jäcklein Rohrbach nach Weinsberg gezogen und hatten den Grafen von Helfenstein durch die Spieße gejagt. Dies veranlasste Luther zu seiner Parteinahme gegen die Bauern mit seiner Schrift “ Wider die mörderischen Rotten der Bauern”. Die Rache Georgs war blutig. Weinsburg wurde zerstört, musste zahlreiche Bussen  und Strfaen bezahlen und ging seiner Stadtrechte verlustig, obwohl die Stadt für die Taten der Bauern nicht verantwortlich war. Jäcklein Rohrbach wurde gefasst und am 20. oder 21. Mai bei Heilbronn bei lebendigem Leib verbrannt.Georg  nahm dann

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Neckarsulm, Löwenstein und Öhringen. Am 28. Mai vereinigte er sich mit den Kurfürsten von Trier und Pfalz, mit  Ottheinrich und dem Bischof von Würzburg. Sein Heer war  nun immer  stärker angewachsen. Am 2. Juni schlug er die Odenwälder und Neckartaler Bauern. Das kostete über 5000 Bauern das Leben. Es ging weiter nach Würzburg, wo er erfolgreich die Veste Marienberg entsetzte. Vorher hatte sich Götz von Berlichingen von den Bauern abgewendet und war auf seine Burg zurückgekehrt. Am 4. Juni kam es in Würzburg zur entscheidenden Schlacht. Die Würzburger Bürger hatten sich mit den Bauern gegen ihren Bischof verbündet. Da sie aber ohne militärisch erfahrenen Führer waren, hatten die Bürger und Bauern gegen die kampferprobten Truppen des Truchsess und des Bischofs keine Chance.

220px-Tilman_riemenschneiderInnerhalb von zwei Stunden wurden 8000 Bauern getötet.  Der Aufstand der Bürger endete in ihrer totalen Niederlage und Unterwerfung. Die Anführer des Aufstands, unter ihnen alle Ratsherren wurden  in den Verliesen der Veste Marienbergs eingekerkert. Tilmann Riemenschneider war damals Würzburger Ratsherr und hatte für die Bauern Stellung bezogen. Und so wurde er natürlich auch eingekerkert. Die Hände wurden ihm nicht gebrochen, wie man heute weiß, ein großer Teil seines Vermögens aber eingezogen und er bekam praktisch keine Aufträge mehr. Er starb 1531. Sein Werk war aber zunächst in Vergessenheit geraten. Georg wandte sich nun nach Schweinfurt und zog von dort zwischen Nürnberg und Nördlingen durchs Ries auf Memmingen zu. Memmingen war von Bauern belagert, die wichen, als Georg heranzog. Er folgte ihnen weiter über nach Kempten. Es gab ein zwei Tage dauerndes Artilleriegefecht. Zwar hatte Georg durch Georg von Frundsberg mittlerweile Verstärkungen erhalten, war aber dem Bauernheer zahlenmäßig immer noch unterlegen. An der Leubas  standen 12000 Bauern gegen 7500 Mann der Bundestruppen. Die Bauern verließen  ihre Stellungen, aber warum ist bis heute ungeklärt. Nach einer dreitägigen Kanonade war der Kampf zu Ende. Die Anführer der Bauern wurden gefasst, unter ihnen Jörg Schmid „der Knopf“ und Jörg Töuber und hingerichtet. 200 Höfe wurden gebrandschatzt. Die Sache der Bauern aber war endgültig verloren.

1525 wird Georg  zum Statthalter Württembergs bestellt.  Am 25. 1526 wird er zum Erbtruchsess ernannt. Er kassierte Lösegelder und erhielt eine Großteil der Gebiete, in denen der Aufstand niedergeschlagen wurde. Noch heute ist die Familie von Waldburg-Zeil noch eine der größten Grundbesitzer in Deutschland. Nach den Quellen kostete der Baunerkrieg zwischen 70.000 und 130.000 Aufständischen das Leben. Alle Bauernführer, derer man habhaft wurde, wurden grausam zu Tode gebracht.

Georg III. Truchsess von Waldburg-Zeil starb am25. Mai 1531 in Waldsee.

10 Feb 2011