Biberach

Personen, die es wert sind, nicht vergessen zu werden

Ein kleines Städtle wie Biberach, hatte natürlich einige Leute, die nicht in Vergessenheit geraten sollten. Zählen wir einfach einige auf.

Hans Bopp, oder stadtbekannt als “Boppe Hans” war immer mit einer kleinen Aktentasche unterwegs. Er versorgte seinen Vater und holte dazu immer Mittagessen im Gasthaus Taube. Sein Hobby waren Opern und Operetten und sein größtes Vergnügen war, wenn er nach Opern und dem dazugehörigen Komponisten befragt wurde. “Von wem isch dr Schreifritz?” Typisches Witzle von Hans, er meinte natürlich den Freischütz. Stolz war er auch auf seine “Französischkenntnisse” So rief er immer “nix bonne mai” – was französisch sein sollte.

“Done” mehr als seinen Vornamen kenne ich nicht mehr und den kannte auch fast niemand in der Stadt. Er arbeitete als Stallknecht in der Viehhandlung Xeller. Leider schaute er gerne und beständig zu tief ins Glas und war auch immer angesäuselt. Da er ständig im Kuhstall arbeitete und eigentlich nie sicher auf seinen Beinen war, hatte er immer eine feuchte Kleidung und einen ziemlich heftigen Geruch. Aber eigentlich konnte er keiner Fliege etwas zu leide tun.

Emil Braunger. Er arbeitete in der Fellhandlung seine Bruders Hans. Er musste immer die Felle von der Handlung in der Ulmertorstraße auf einem Handwagen quer durch die Stadt in die Riedlinger Straße ziehen, wo ein Fellager der Firma Braunger war. Sein Hobby war Mathematik, ich glaube, er hat es sogar studiert. Außerdem hatte er kleine Federreinigung mit einer Wahnsinns Reinigungsmaschine. Als beruf gab er immer “Fedrabutzer” an. Sein Bruder Hans hatte die Fellfirma. Büro und Fellsammelstelle waren in der Ulmertorstraße. Beim Luftangriff auf Biberach hatte er sein Bein verloren. Er wurde morgens immer mit dem Taxi aus seinem Haus am Lindele geholt, in sein Büro in die Ulmertorstraße gefahren. Dort verbrachte er seinen Tag. In seinem Büro roch es immer ziemlich streng wegen der Felle. Sein Essen bezog er aus dem Gasthaus Taube, dass ich es  ihm immer in sein Büro bringen musste. Der Haushalt wurde von der Schwester Frau Locher, geführt. Diese hatte ein Hutgeschäft am oberen Ende der Bürgerturmstraße. Wenn sie nicht gerade im Laden war, lief sie immer ziemlich zerlumpt herum und wer sie nicht kannte, wäre nie auf die Idee gekommen, dass sie ziemlich betucht war. Sie lebte in dem Haus in der Ulmertorstraße, in dem Hans sein Büro hatte. Ins obere Stockwerk ging es auf einer engen steilen Treppe. Das Haus am Lindele, in dem Hans schlief, wurde alle paar Jahre komplett sehr teuer neu eingerichtet. Meine Eltern mussten dann immer zur Besichtigung hoch.

Anton Kaiser war pensionierter Hauptkassier der Kreissparkasse Biberach. Er lebte mit drei Schwestern, wobei zwei mit ihm im Haus in der Ulmertorstraße wohnten, die dritte, die den Haushalt machte kam täglich aus Mittelbiberach. Zusammen mit zwei Schwestern betrieb er ein kleines Woll- und Handarbeitsgeschäft in der Ulmertorstraße. Er war immer mit einem alten Opel unterwegs, fuhr aber so langsam, dass er ein stadtbekanntes Verkehrshindernis war.

Hans Angele war ein Metzger in Bergerhausen, der immer total stolz auf sein Brät war. Er war fest davon überzeugt, dass niemand das Brät so gut machte wie er. Er war Stammgast im Gasthaus Taube und immer etwas laut. Einer seiner Lieblingssätze war: Ich zeig Dich an. Das hat mich als Kind immer ziemlich erschreckt.

Der Schneider. Mit Nachnamen hieß er Beroth. Er lebte im Bürgerheim.    In seinem Berufsleben arbeitete er als einer der letzten Störschneider in der Gegend von Biberach. Meine Familie betreute ihn inoffiziell mit und so war er so ein bisschen eine Art Familienmitglied. Am Sonntag kam er immer in die Taube.   Er bekam dann immer Bier und betete dafür ein Vaterunser für die Familie des Taubenwirts.

03 Jan 2011

Die Ulmertorstraßenkinder

das waren die Ulmertorstraßenkinder 52

Natürlich wohnten in einer größeren Straße wie der Ulmertorstraße  viele Kinder. Sie empfanden sich als zusammengehörige Gruppe,  die Kinder der Ulmertorstraße eben.  Da es relativ lange dauerte, bis die Ulmertorstraße nach dem Bombenangriff von 1945 wieder restlos bebaut war, war die Wohngegend auch sowas wie ein Abenteuerspielplatz. Ein wunderschöner Platz zum Spielen war das “Höfle” , das

Ulmertorstraße im Sonntagsstaat sich zwischen der Bürgerturmstraße und dem Taubengässle und der Ulmertorstraße und der Bahnhofstraße befand. In der Mitte des Platzes war ein großer Bombentrichter, der sich bei länger anhaltendem Regen in einen kleinen See verwandelte. Man konnte Bretter darauf werfen und ein bisschen darauf rumfahren. Ganz gruselig war das “Alte Arbeitsamt”, das als Ruine dastand. Man konnte in die dunklen Keller kriechen. Mit Kerzen konnte man an die Decken “schreiben”. Besonders beliebt waren gruselige Motive wie z. B. Totenköpfe. Ein ganz tolles Spiel war “Weiße Frau”, bei dem sich vor allem Bärbel hervortat. Das Taubengässle wurde gerne für “Ochs, Esel am Berg” genutzt. Ein Renner dort war auch “Teufel an der Kette” Am Hintergebäude der Taube wurde ein Seil angebracht, das zwischen der Mauer und dem Gartenzaun gegenüber einen schmalen Durchlass bot. Ein Kind hielt sich dort fest. Die anderen mussten von einer Seite der Gasse zur andern rennen, ohne von dem Kind am Seil, “dem Teufel an der Kette” erwischt zu werden.Ulmertorstraßenkinder

Dann gab natürlich auch Erwachsene in der Straße, die man liebend gerne ärgerte. Einer der bevorzugten war Franz Leichtle, der jeden Tag in  sein zerbombtes Haus ging. In den hinteren Teil konnte man noch hineingehen. Dort sass Herr Leichtle immer und las Zeitung. Die Ulmertorstraßenkinder hatten nichts besseres zu tun, als sich hinten ans Fenster zu stellen und die Zeitung laut mit zu lesen. Das ärgerte ihn immer tierisch und schon nach kurzer Zeit stürzte er wie von der Tarantel gebissen aus seinem Haus. Darauf hatten die Kinder nur gewartet und sie flüchteten sich schnellstens in den “Stadel”. Der war ja ebenfalls von Bomben zerstört. Auf der Rückseite war ein Loch in der Mauer und Kinder konnten dort praktisch mühelos durchkriechen. Herr Leichtle folgte den Kindern immer in den Stadel, diese waren aber längst wieder durch das Loch gekrochen , während Herr Leichtle noch wütend durch den Stadel irrte – sehr zur Freude der Kinder (und mancher Erwachsener, die das insgesamt gesehen harmlose Kindervergnügen mit Schmunzeln beobachteten).

Eine weitere beliebte Beschäftigung ergab sich in der Bahnhofstraße. Dort war das Spielwarengeschäft Smyk. Unterm Schaufenster waren so kleine Lüftungslöcher, durch die man mit Stangen stochern konnte und die Auslagen im Fenster umwerfen. Irgendwann hatte Herr Smyk dann genug von umgeworfenen Auslagen und die Löcher wurden verschlossen.  Es gab aber nicht nur “Ärgerzielscheiben” sondern auch das genaue Gegenteil, Herr Nothelfer zum Beispiel. Der hatte einen alten Opel. Da lud er immer einen Haufen Kinder rein und fuhr um den Block. Wenn es besonders hoch herging, fuhr er mit den Kindern am Kiosk am Bahnhof vorbei und jedes Kind bekam einen “Schlotzer”.

Kinder der Ulmertorstraße 56Wenn man nicht in der Straße blieb ging es gerne ins “Fohrhäldele”, auch dort konnte man herrlich spielen.

Bärbel hatte eine Kasperlepuppensammlung und unterhielt die Kinder oft bestens mit Kasperletheater.

Im Sommer stand natürlich das Schwimmbad auf dem Programm.Erich,Bernd,Butzi,Gerhard,Franz Mader

Was immer regelmäßig gemacht wurde, war am 1. Mai eine “Maientour” . Dabei spielte man gerne “fremd”, d.h., wenn irgendwelche Leute vorbeikamen unterhielt sich der ganze Kinderhaufen in voller Lautstärke und man redete wild durcheinander und gab sich größte Mühe so zu tun,  als sei man nicht aus der Gegend.

Natürlich spielte man auch “Indianerles” oder “Raibe- Bolle” (Räuber und Gendarm)

Bärbel und Erich

Auch war man dabei, wenn irgendwelche Ereignisse im Städtle anstanden, wie z. B. Zirkus oder natürlich das Schützenfest oder die Jahrmärkte. Am Martinimarkt gab es immer noch am Alten Postplatz und am Kapellenplatz einen Rummelplatz.

Willy Müller 1958 An Ostern verkaufte der Hildenbrand immer sein “Hasenblut” und im Sommer sein Eis. Dann gab es natürlich die täglichen Einkaufgelegenheiten beim Eisinger in der Bürgerturmstraße.

Aber man unternahm auch größere Ausflüge, zum Beispiel Radtouren an den Federsee.

In der leicht nostalgisch angehauchten Rückschau kann man sicher sagen,

dass die Kinder der Ulmertorstraße eine glückliche Kindheit erleben durften!

19.April 1962 Richard und Martin

03 Jan 2011

Hans Vollmair

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Bei einer Ausstellung zur Hexenverfolgung in Ellwangen bin ich auf Meister Hans von Biberach gestoßen. Der war seinerzeit ein geradezu berühmter Henker aus Biberach und hat sich in der Hexenverfolgung sehr hervorgetan. um 1588 war er in ganz Süddeutschland tätig. Das Einzugsgebiet der Meister Hans und Christoph Hiert, das war der Schwiegersohn von Hans Vollmair reichte von Garmisch im Süden bis Langenzenn bei Nürnberg im Norden . Ähnlich bedeutend war noch Meister Jörg Abriel von Schongau. In Schwabmünchen fanden um 1590 regelrechte Treffen von Scharfrichtergesellschaften statt, zum Meister Hans mit Frau, Tochter und Schwiegersohn anreisten. In Ellwangen gab es zwei Verfolgungswellen, die erste 1588, bei der Meister Hans sich hervortat und der mindestens 17, wohl aber 20 Menschen zum Opfer fielen.

In die Regierungszeit der Fürstbischöfe Hans Christoph I. und Hans Christoph II. (1603-1620) fiel eine zweite noch blutigere Verfolgungswelle denen 430 Menschen zum Opfer fielen.1618 ebbte die Zahl der Verfahren ab. Bis 1694 gab es nur noch zwei Verfahren mit 2 Hinrichtungen.

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Für die Opfer der Ellwanger Verfolgung ist auf dem Ellwanger Galgenberg eine Gedenkstätte errichtet.

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02 Jan 2011

Die Ulmertorstraße, Gesichter einer Straße aus alten Alben

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Das war die Ulmertorstraße  kurz nach der Jahrhundertwende. Ursprünglich

war es die Spitalgasse, weil sie zum Spital führte. Drei Bäckereien, Leichtle,

der “Rosenbäck”, Rau mit dem späteren Café Sonne, und Müller, später Bäckerei

Schefold waren in der Straße. Dann gab es zwei Gaststätten, nämlich die Rose,

gleich am Eingang der Straße und die Taube. Die Rose wurde allerdings schon in den dreißiger Jahren nur  einmal im Jahr vom Taubenwirt bewirtschaftet. Die Taube

bestand bis in die Mitte der 60-iger Jahre.

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Bild links ist eine der ersten Photographien der Ulmertorstraße, Bild rechts um 1924, der Blick von der Ulmerstraße aufs Ulmertor. Das Gebäude rechts

ist das Postamt und links das spätere Landratsamt.

Auf dem linken Photo ist vor dem Ulmertor rechts die Bäckerei Rau, gegenüber die Metzgerei Baumgärtner. Die Taube ist auf der linken Seite etwa in Bildmitte. Daneben (Richtung Ulmertor) ist die Weinhandlung Franz Leichtle. Franz Leichtle war der Bruder des “Rosenbäcks”, dessen Bäckerei auf der rechten Seite ganz vorne an der Ulmertorstraße war. Vor der Taube war das Woll-und Kurzwarengeschäft Kaiser, das nach dem Krieg von zwei Schwestern betrieben wurde. Außerdem lebte mit den beiden Schwestern noch Anton Kaiser, bis zu seiner Pensionierung Hauptkassier der Kreissparkasse Biberach. Er fuhr einen alten Opel und war im ganzen Umland als Verkehrshindernis bekannt. Wenn man mit dem Auto unterwegs war, dann an eine lange Fahrzeugschlange kam, die von einem Fahrzeug angeführt wurde, konnte man fast sicher sein, dass der Kolonnenführer “Kaisers Done” war!

in der Kneipe Taubengässle im Krieg

Das Taubengässle war die Verbindung zwischen Ulmertorstraße und der Bahnhofstraße. Auf dem linken Bild ist im Hintergrund das Haus Nothelfer, das am 12.April 1945 zerstört wurde. Rechts ist die Weinhandlung Leichtle. Das Fuhrwerk lässt vermuten, dass das Bild an einem Mittwoch aufgenommen worden ist. Denn da kamen immer die Bauern aus dem Umland in die Stadt. Hinter dem Gasthaus Taube war ein Hintergebäude, indem ein Gaststall war.  Die Frau auf dem Bild ist Bernhardine Gnant.

Auf dem Bild rechts ist die Taube rechts,  mit Blick nach vorne Richtung Ulmertorstraße. Etwa in der Gebäudemitte war der Eingang, durch den praktisch alle Stammgäste der Taube gingen. Den Vordereingang benutzten fast nur Fremde. Links ist die Weinhandlung Leichtle. Die Frau rechts auf dem Bild ist Pauline Gnant, die Taubenwirtin.

Ulmer Torstraße ZerstörtDer bitterste Tag für die Ulmertorstraße  war der 12. April 1945 als bei einem Fliegerangriff am Vormittag fast die ganze Straße in Schutt und Asche gelegt wurde. Schwer beschädigt wurde auch der Obstmarkt, der vordere Bereich der Pfluggasse, die Bahnhofstraße und die Bürgerturmstraße. 55 Menschen kamen bei dieser Aktion ums Leben, von dem bei den Straßenbewohnern auch später nur “dem Angriff” gesprochen wurde.

auf dem Weg

Diese Bild gibt einen recht interessanten Vergleich zum Taubengässle oben, ist es doch fast genau an derselben Stelle aufgenommen. Rechts ist die Taube. Wie auf dem obigen Bild ist sogar der Ventilator zu erkennen. Links ist die zerstörte  Weinhandlung Leichtle zu sehen, wo der vordere Teil des Gebäudes ganz weg ist. Im hinteren Teil konnte man sich noch aufhalten, der obere Teil war nicht mehr zu betreten. Franz Leichtle kam bis zu seinem Tod fast jeden Tag in das Haus und sass dort und las Zeitung.

Schützenwoche 1962 Zugspitze Bauernschützen 1963

Zwei Bilder aus der Schützenwoche 1962 und 1963. Auf der linken Seite ist die Metzgerei Baumgärtner. Die zwei Häuser, die dort bei dem Fliegerangriff zerstört worden waren, sind in einem  Gebäude wieder aufgebaut worden. Oben am Haus war ein von Julius Schmid gefertigtes Scraffito angebracht: “Aus zweien ist nun eins geworden” Auf der rechten Seite ist das “Café Rau zur Sonne”.

Alt Biberach ca. 1952

Fanfarengruppe 1952

Diese beiden Bilder stammen aus dem Schützenfestumzug 1952. Da ist praktisch noch nichts aufgebaut, im Hintergrund sieht man aber schon ein Hüttle (linkes Bild). es gab in der Ulmertorstraße dann 5 solche Hüttle, in denen sich kleine Gechäfte befanden, nämlich das Papiergeschäft Lumpp, dessen Haus neben der Bäckerei auch ausgebombt war.  Auf dem Bild mit dem Fanfarenzug sieht man das Wohnhaus, in dem dann die Familie Glaubach gewohnt hat. Franz Glaubach betrieb ein kleines Lebensmittelgeschäft, das in einem Hüttle vor dem Wohnhaus (auf dem Bild noch nicht vorhanden) war. Der Pferdeführer ist Franz Kopf, der in der Ulmertorstraße 5 wohnte.

Glaubachhäusle Biedermaiergruppe

Auf diesen Bilder ist das “Glaubachhäusle gut zu sehen. Das Haus, das gerade verputzt wird ist die Viehhandlung Xeller, die am 12. April 1945 ebenfalls schwer beschädigt worden war.

Bauernschützen 12.7.1964

Diese Bild wurde 1964 und zeigt nochmal schön den baulichen Zustand der Ulmertorstraße.

Färber im UmzugIn diesem kleinen Hüttle betrieb die Firma Kalenberg einen kleinen Verkaufsraum.

Daneben befand sich das Haus der Familie Rach, indem im Erdgeschoss die Firma Helle war.

Fahnensonntag 1963

Ganz vorne an der Straße war noch ein kleines Obstgeschäft, das die Familie Grosser in einem Häusle betrieb. Diese Häusle machte als erstes Neubauten Platz.

Neben dem Haus der Firma Benk.

Frühjahr 58 Renate,Ute, Karlheinz Schmid und MartinAuch noch mal ein schöner Vergleich. In dem Bild vom Taubengässle oben  ist der Zaun auch zu sehen, aber das alte Haus der Familie Nothelfer, hier jetzt der Neubau im Hintergrund. Das kleineHäuschen wurde für das völlig zerstörte Gebäude von Julius Schmid errichtet, in dem dann die Waffelbäckerei Moser arbeitete.

Das Gebäude links war das Hintergebäude der Taube, in dem ein Gaststall, ein Schweinestall und Lagerräume untergebracht waren.

Stadtwache

Noch ein Blick vors Tor. Vor dem Tor befand sich die Baustoffirma Carl Thommel..

Der größte Teil dieses Areals war am 12. April 1945 ebenfalls beschädigt, bzw. zerstört worden.

31 Dez 2010

Der 12. April 1945 in Biberach

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Biberach blieb bis im April 1945 von Luftangriffen verschont, da es militärisch ohne große Bedeutung war. Es beherbergte keine kriegswichtige Industrie. Nach der Landung der Alliierten häuften sich allerdings die Tieffliegerangriffe. Mehrere Male wurde Züge beschossen, wobei einmal ein Lokführer getötet wurde, gelegentlich Passagiere verletzt wurden und Loks und Wagen beschädigt wurden. Der schwerste Zwischenfall ereignete sich am 2. April 1945. Da beschossen Tiefflieger einen Lazarettzug, wobei 14 Verwundete den Tod fanden.

Die Bevölkerung gewöhnte sich allmählich an den immer häufigeren Luftalarm.

Ein geregelter Unterricht aber war fast nicht mehr möglich. Man konnte die großen Bomberflotten beobachten, die bei den Angriffen auf Augsburg und München die Stadt überflogen. Dabei zählte man über 1300 Flugzeuge.

Gefürchtet waren  aber nach wie vor die Tiefflieger. Ich erinnere mich an eine Erzählung meiner Mutter, dass einmal ein Busfahrer des Linienbusses ins Illertal aus dem Bus stürzte, den Bus aber abschloss und die Passagiere darin sitzen ließ.

Diese standen Todesängste aus.

Am 12. April gab es gegen 9.30 wieder Luftalarm. Nur wenige hatten es eilig. Erst als die Sirene akute Luftgefahr ankündigte, begaben sich Bewohner in den Keller. Der Schutzraum für die Bewohner lag an der Steigstraße, also wenn man sich sehr beeilte, immerhin gut 10 Minuten Fußmarsch.

Einige Anwohner stellten sich gerade mal am Ulmertor unter.

Dann aber flogen sieben französische Maschinen die Stadt an und warfen so etwa 60 Bomben ab. Die Kirchturmuhr blieb um 10.16 stehen.

Das Gebiet um die Ulmertorstraße, die Bürgerturmstraße, der Obstmarkt, die Pfluggasse und die Bahnhofstrasse waren betroffen. Der Angriff dauerte etwa 10 Minuten. Danach waren 55 Tote und 5 Vermisste zu beklagen. 14 Menschen wurden verletzt. Die Feuerwehren konnten kaum zu den Bränden gelangen, da die Straßen aufgerissen und mit Trümmern übersät waren.  Die Schwerverletzten wurden sofort nach der Bergung ins Krankenhaus gebracht, die Toten wurden zunächst in St. Martin aufgebahrt. Die Identifizierung war oft sehr schwierig, manchmal konnte man die Toten nur an den Ringen, die sie getragen hatten erkennen.

37 Gebäude wurden zerstört, davon 10 durch Brand. 24 Häuser wurden schwer beschädigt. Einige wurden erst Jahre später wieder aufgebaut, so die ehemalige Weinhandlung Leichtle (Ulmertorstr.11) oder das Café Rau (Ulmertorstr.20 Sonne)Das Haus Kiekopf in der Bürgerturmstraße, das “Alte Arbeitsamt” war in den ersten Jahren nach dem Krieg ein abenteuerlicher Spielplatz für Kinder. Der Hof dahinter verwandelte sich bei Regen in einen See , auf dem man auf Brettern herumfahren konnte.

Die Anwohner der Ulmertorstraße, die sich in den Luftschutzkeller an der Steigstraße geflüchtet hatten, konnten diesen erst sehr spät wieder verlassen und als sie dann schließlich in ihre Häuser zurückkehren konnten, waren einige davon zerstört und darüber hinaus auch noch ausgeplündert.

Kein Wunder, dass sich dieser Tag  tief in das Gedächtnis eingegraben hatte.Zum 10-jährigen Jahrestag dieses für die Anwohner denkwürdigen Ereignisses gab es kein offizielles Gedenken. Frau Locher, die Schwester von Hans Braunger, der  bei dem Angriff ein Bein verlor und dessen haus zerstört worden war, übernahm die Initiative und gestaltete auf dem immer noch brachliegenden Gelände der Ulmertorst. 13 eine schlichte kleine Feier.

Die Zeitung von 1945, die “Donau-Bodenseezeitung” durfte keine Zeile über das Geschehen am 12. April berichten

27 Dez 2010

Gasthaus Taube

Geschichte des Hauses

Das Gasthaus Taube wird in der Preiserschen Bauchronik als

Badhaus Ende des 18. Jahrhunderts geführt.  Dann war es ein Gerberhaus,

was in der Architektur noch ganz deutlich zu sehen war. Über dem sehr hohen

Gastraum war ein kleiner Zwischenstock von knapp 1,5 m Höhe, in dem die Gerberfelle getrocknet wurden. Dieser Zwischenstock war über eine kleine Tür an der Hinterfront des Hauses zu begehen. In den letzten Tagen des 2.Weltkrieges,nämlich am 12.04.1945, erfolgte ein Luftangriff auf die Stadt

bei dem vor allem die Ulmertorstraße betroffen war. Dabei wurde auch die Ulmertorstraße 9,  die Taube und das Hintergebäude schwer beschädigt. Zunächst wurde es notdürftig repariert. Verloren gegangen war unter

anderem das Wirtshausschild (auf dem Photo gut zu sehen), nämlich ein Taubenpärchen.die Taube

In den frühen 50-igern wurde das Vordergebäude umfassend renoviert,

vor allem eine neue Hinterwand eingezogen und ein Zimmer mit Balkon versehen.

Das Gasthaus

Kurz nach der Jahrhundertwende wurde das Haus als “Gasthaus zur Taube” von Andreas Gnant ( geboren am 30.11. 1873 in Muttensweiler) und Pauline Gnant (geboren am30.05.1885 in Birkenhard) geführt. Ausgeschenkt wurde das Bier der Brauerei Warthausen. Andreas Gnant hatte noch Wirtsrecht in der Rose (auch in der Ulmertorstraße,

in der dann die Bäckerei Leichtle “Rosenbäck” war) und im Schwarzen Adler

(bei der Schranne, in dem Haus in dem später das Haushaltswarengeschäft Graf war).Damit das Wirtsrecht nicht verloren ging,musste das Gasthaus wenigstens einmal im Jahr geöffnet werden, was unter Andreas Gnant noch regelmässig geschah.in der Taube

Das Bild zeigt eine Blick in die Gaststube, ganz hinten Andreas Gnant, der Taubenwirt, links davor Josef Gnant,der die Wirschaft nach dem Krieg übernahm. Vor ihm Andreas Gnant, der 1945 in den letzten Kriegstagen gefallen ist.

Die Familie hatte 5 Söhne und eine Tochter. Andreas Gnant war ziemlich früh sehr krank und starb schon am 22.06. 1936. Seine Frau Pauline führte dann die Wirtschaft allein und brachte sie auch über den Krieg. Allerdings fielen drei ihrer Söhne, darunter auch der, der eigentlich als zukünftiger Taubenwirt vorgesehen war.  Georg, der jüngste hatte die Beamtenlaufbahn eingeschlagen. Josef, der älteste hatte bei der Firma Engelmayer eine Lehre als Textilkaufmann absolviert und so musste er nach dem Krieg die Wirtschaft übernehmen.

Biberach war ja eine ländlich geprägte Stadt. Die Biberacher Lokale hatten alle eine feste Stammkundschaft aus den umliegenden Dörfern. Jedes Gasthaus hatte “seine” Dörfer. In der Taube waren das Bergerhausen, Maselheim und Laupertshausen. So war z.B. die Musikkapelle Bergerhausen immer am Schützenfest und um Weihnachten rum zu Gast in der Taube.

Das Angebot war bodenständig. Pauline, die Taubenwirtin, war bekannt für ihr “Saures Leberle”. Noch heute existiert ein handgeschriebenes Kochbuch von Pauline in der Familie.

Josef Gnant heiratete am 06. Februar Bernhardine, die aus Bechtenrot stammte.das Brautpaar

Josef übernahm nach dem Krieg eher ungern die Taube. Eigentlich war er mit Leib und Seele Kaufmann. Der Wirtsverein Biberach machte sich das zunutze und so war er langjähriger Kassier des Vereins. Die Kundschaft waren unter der Woche Leute, die in der näheren Umgebung arbeiteten und immer werktags in der Taube ihr Mittagessen einnahmen. Im Lokal hießen sie “Kostgänger”. Die Taube hatte 4 Fremdenzimmer, wobei eines an Dauergäste vermietet war, meistens Meisterschüler, die “Schlafgänger” genannt wurden. Dann gab es noch Leute, die regelmäßig zum Übernachten kamen, wie z.B. der “Endschuma”. Der verkaufte auf den Biberacher Jahrmärkten “Endschuhe”, so eine Art Hausschuhe und ein in den Nachkriegsjahren durchaus gesuchtes Produkt.

Taubengäste

Der Taubenwirt mit seinen Kindern

und ”Kostgängern”

Am Mittwoch war Markttag und damit immer Hochbetrieb. Bis Mitte der 50-iger kamen die Bauern noch mit ihren Fuhrwerken und im Hintergebäude befand sich der “Gaststall” betreut vom Hausknecht. Am Mittwoch arbeiteten immer die Schwägerin mit und Minna, die dann immer in der Küche war.

Nach dem Krieg war neben dem Bier der Most das wichtigste Getränk, das in der Taube ausgeschenkt wurde. Im Römerweg oberhalb der Ulmerstraße hatte man einen großen Mostkeller, in dem der Most vergoren und gelagert wurde. Zunächst wurden aber immer die Äpfel beim “Baschold” , das war ein Geschäft, in der Zwingergasse, in dem Obst  ausgepresst wurde. verarbeitet. Wein gab ’s von Rilling und von der Kapelle aus Kressbronn. Die beiden Weinvertreter Herr Sabisch für Rilling und Herr Repetz für die Kapelle waren regelmäßig in der Taube.

Alle 14 Tage war Hausschlachtung, was immer der Metzger Robert Schöllhorn vornahm. Als dieser das aus Altersgründen nicht mehr konnte, übernahm das dann Herr Fesseler aus Ellmannsweiler, das auch zu den “Taubendörfern” gehörte.

Das Angebot war bodenständig, Hausmannskost eben.Speisekarte 1Speisekarte 2

Im Herbst gab es immer Metzelsuppe und außerdem ein Kaffekränzchen.Beides waren sowas wie Festtage.

Josefs Gesundheitszustand verschlechterte sich anfang der 60-iger Jahre ziemlich, so dass er sich gezwungen sah, die Taube aufzugeben. Es wurde dann ein Laden daraus gemacht, vermietet an das Lebensmittelgeschäft Gaissmaier.

15 Dez 2010