Schwäbische Künstler

Christoph Martin Wieland

220px-Wielands_geburtshaus

220px-Wieland_Elternhaus

 

Christoph Martin Wieland verstarb am  20. Januar 1813 in Weimar.Und so ist es eigentlich folgerichtig, dass 2013 das “Wielandjahr” war und als solches in Biberach mit großem Programm begangen wurde.

Das Museum eröffnete den Gedenkreigen mit der großen Jubiläumsaustellung “Christoph Martin Wieland, der Voltaire der Deutschen”.  Das “ Theater ohne Namen” brachte ein Theaterstück zu Wieland.

Eine Abendführung “Nächtliche Annäherung an Wieland” auf den Spuren Wielands folgte den Spuren, die Wieland in Biberach hinterlassen hatte. Ganz zufällig kam für mich noch eine Führung

im Schloss Warthausen dazu, das ja auch sehr eng mit Wieland verbunden ist. Eine Fahrt nach Weimar und ein Besuch von Oßmannstedt rundete mein persönliches Wielandjahr ab.

Als ehemaliger Schüler des Wielandgymnasiums bietet es sich natürlich an, sich mit Wieland auch in einem Blog näher zu befassen. Hingewiesen sei auf die beiden Blogs Sophie La Roche und die Familie von Stadion,

die  mit dem Dichter verknüpft sind. Amüsiert hat mich bisher immer, dass der “große Sohn Biberachs” eigentlich gar nicht in Biberach, sondern in Oberholzheim(siehe oberes Bild, das Geburtshaus von

Christoph Martin Wieland in Oberholzheim) zur Welt kam. Ich hab das immer als Hilfskonstruktion gesehen. Oberholzheim war ein spitälisches Dorf, gehörte also Biberach. Bei meinen Recherchen zu Wieland habe ich allerdings

verblüfft festgestellt, dass “Wieland stets Biberach als seinen Geburtsort genannt hat” (in Johann Gottfried Gruber, C.M.Wielands Leben, Leipzig 1827, S.4). Und Wieland ist durchaus stolz auf seine Abstammung.

Im Neuen Teutschen Merkur in der Aprilausgabe von 1800 schreibt er “so findet sich, daß ich, Dank sey dem Himmel! von einer uralten, seit Kaiser Ruperts Zeiten im Gebiete meiner Vaterstadt angesessenen Bauernfamilie

abstamme..” S. 265 und auf der gleichen Seite schreibt er kurz vorher, “waren meine Voreltern seit zweyhundert Jahren bloße Bürger einer freyen Reichsstadt, die (wie ich) von der Feder Profession machten”

Die Familie Wieland war im Schwäbischen weit verbreitet, mit Wielands eigenen Worten eine alte Bauernfamilie. Die Sippen, denen Christoph Martin Wieland entstammten, übrigens auch die seiner Cousine Sophie Gutermann

waren seit der Reformation in Augsburg und Biberach beheimatet. Beide Städte sind etwa zur gleichen Zeit Reichstädte geworden. In Augsburg ist seit 1231 die Heranziehung zur Reichssteuer belegt. Seit 1241 wird Augsburg in den Reichsmatrikeln geführt.

Am 9.3.1276 verlieh Rudolf von Habsburg Augsburg das Stadtrecht und Biberach wurde 1281 zur freien Reichsstadt erhoben. Noch eine Gemeinsamkeit haben beide Städte, nämlich die Parität. Dies ist im Westfälischen Frieden in Artikel V § 3 festgehalten:

“ Die Städte Augsburg, Dinkelsbühl, Biberach und Ravensburg sollen ihre Güter, Rechte und Religionsübung {nach dem Stand} des besagten Jahres und Tages behalten; aber hinsichtlich der Ratsstellen und anderer öffentlicher Ämter soll unter den Anhängern beider

Religionen Gleichheit und gleiche Anzahl sein. “ Dies hatte durchaus eine Auswirkung auf das Lebensgefühl seiner Einwohner. Die Familien gehörten zur Oberschicht der Stadtrepubliken.

Beginnen wir die Ahnenreihe von Christoph Martin mit Georg Wieland. Er war Gastwirt in Biberach und Büchsenmeister der Bauernzunft gewesen. Er hatte auch das Wappen der Familie erworben. Sein 1588 geborener Sohn Sebastian war wie der Vater

Gastwirt auf dem Schwarzen Bären (Marktplatz 2) und war Senator in Biberach geworden. Er begründete auch die Familientradition, ein reichstädtisches Amt zu übernehmen. Aus seiner ersten Ehe mit Apollonia Spät (1590-1622) hatte er sieben Kinder.

Hans Ulrich Wieland, der aus dieser Ehe hervorging, wurde in Augsburg ansässig, daraus wuchs der Augsburger Familienzweig der Familie Wieland. Aus der zweiten Ehe mit Barbara Zoller entstammte Martin Wieland. Dieser studierte in Tübingen,

Straßburg und Basel die Rechte und promovierte zum Dr. utr.jur. Er schlug in Biberach die Ämterlaufbahn ein. Er wird als kräftiger Esser und starker Zecher überliefert und verkörperte wohl durchaus barockes Lebensgefühl. Er war dreimal verheiratet.

Seine erste Frau war Maria Walpurga Wern. Ihr Vater und Großvater waren jeweils Mitglieder des Inneren Rats der Reichsstadt. Das Ehepaar hatte sieben Söhne und fünf Töchter. Der dritte Sohn war Thomas Adam Wieland d.Ä., später Pfarrer in

Oberholzheim wie sein Sohn Thomas Adam d. J., der Vater von Christoph Martin. Dr. Martin Wieland war Geheimer Rat und Spitalpfleger in Biberach. Im Dezember 1674 wurde er zum evangelischen Bürgermeister gewählt. 1674 hatte er auch

das Haus in der Gymnasiumstraße 27 erworben und umgebaut. Die Portalumrandung und die Haustüre ist jetzt noch in Biberach zu bewundern.

abwielandhaus

Seine zweite Ehe mit Barbara Lay,der reichen Witwe des Biberacher Handelsmann Johann Jakob Altensteig währte nur kurz. Denn Barbara Lay war schon kränklich. Sie starb nur ein Vierteljahr nach der Eheschließung am 6.5.1669.

Sie war auch die Tochter eines reichen Ulmer Handelsmanns und hatte nach Dr. Wielands Worten “ein großes Vermögen hier eingebracht” Kurz nach dem Tode seiner zweiten Ehefrau heiratete Martin Wieland in Augsburg die Witwe seines Halbbruders,

Johann Ulrich,  Anna Maria Wieland. Er nahm sich auch der Kinder seines Halbbruders an.

Thomas Adam Wieland studierte Theologie in Tübingen. Seine Dissertation und Disputation mit dem Thema “Disputatio Theologica Contra Fatuum Ignem Purgatorii Papistarum” erfolgte 1676 in Tübingen und ist digitalisiert bei der UB Uni Heidelberg

abzurufen. In der Uracher Stiftspflege Münsingen / 1670-1806 ist 1689 die Bestellung von Thomas Adam Wieland als Pfarrer in Mundingen (heute Teilgemeinde von Ehingen)  vermerkt. 1693 tritt er die Pfarrerstelle in Oberholzheim an

und behält diese bis kurz vor seinem Tod 1729. Als 1680 in Biberach eine Predigerstelle neu besetzt wird konnte Dr. Martin Wieland seinem Sohn nicht zu dieser Stelle verhelfen.Es scheint aber auch, dass Thomas Adam sehr zufrieden war, mit

seiner Pfarrerstelle in Oberholzheim. So schreibt L.F. Ofterdinger in ”Christoph Martin Wielands Leben und Wirken in Schwaben und der Schweiz” auf Seite 3: ”Allein es gefiel ihm in dem freundlichen, von blumenreichen Gärten und Wiesen umgebenen Pfarrhause

so wohl,dass er alle Anerbietungen, in seine Vaterstadt  zu kommen, ausschlug; lieber “als kleiner Papst” in Oberholzheim hauste und sich mit dem von seinem Vater überkommenem  und von seiner Frau mitgebrachten Vermögen heitere Tage machte”.

Thomas Adam Wieland war mit Anna Maria Brigel verheiratet und hatte mit ihr 12 Kinder, von denen mehrere studierten. Dass die Söhne ihm doch auf der Tasche lagen, konnte ihn nicht verdrießen. Er nannte sie seine “Batzenschmelzer”. Zwei waren  in

Halle. Sie schrieben ihm nur, wenn sie neues Geld brauchten, was er ihnen aber immer anstandslos schickte.  Der ältere studierte  Theologie, der jüngere, er hieß Thomas Adam (1704-1772)wie der Vater, studierte Jura in Tübingen. Da starb der ältere und Thomas

Adam d.J. brach sein Jurastudium ab und begann in Halle ein Theologiestudium. Dort lehrte August Hermann Francke, der Begründer des Pietismus. Laut Jutta Heinz im Wieland-Handbuch war  Franckes Frau Anna Magdalena eine Verwandte der Wielands in

Biberach. Insofern bestanden also familiäre Verbindungen nach Halle. Thomas Adam d. J. war stark vom Pietismus geprägt. Francke weilte 1717 zu Besuch in Biberach. Er war vom evangelischen Rat eingeladen worden und er hielt am zweiten Adventssonntag eine

Predigt  in der Martinskirche. Thomas Adam hörte diese als Dreizehnjähriger und diese beeindruckte ihn so tief, dass er noch im Alter davon erzählte.

Der nächste Sohn Georg Christoph konnte nicht studieren. Er wurde Goldschmied und ist 1684 erstmals in Augsburg nachweisbar. Von ihm sind nur wenige Arbeiten überliefert. Diese weisen ihn aber als handwerklichen Könner und bedeutenden Künstler aus.

Erwähnt sei hier auch, dass es enge Familienverbindungenzwischen den Familien Wieland und Dinglinger gab. Johann Melchior Dinglinger war der bedeutendste Goldschmied und Juwelier des Barock und arbeitete zusammen mit seinem Bruder Georg Friedrich, der

Emailleur war,  am Dresdner Hof von August dem Starken.(siehe dazu Blog Die Goldschmiedefamilie Dinglinger)

Zurück zu Thomas Adam. Er  wurde am 5. April 1714 in Halle immatrikuliert. Francke war damals Prorektor. 1724 promovierte er in Halle. Seine Dissertation hatte das Thema “De Haeresiologia Secvli Post Christvm Natvm Primi Et Secvndi “. Er folgte seinem Vater auf der Pfarrerstelle in Oberholzheim nach. Kurz nach seiner Anstellung heiratete er Regina Katharina Kick, deren Vater Christoph Martin Wieland in dem oben erwähnten Artikel im Teutschen Merkur beschreibt. Johann Christian Kick habe sich “unter Eugen von

Savoyen und Prinz Ludwig von Baden vom gemeinen Soldaten bis zum Oberwachtmeister hinaufgearbeitet” aber von seinem martialischen Geist sehr  wenig auf seine Tochter und seinen Sohn fortgepflanzt” (s.o.). Sie war von pietistischer Frömmigkeit

geprägt. Sie war lebhaft,geistreich und elegant. Sie putze sich auch gerne, soweit das für eine Pfarrersfrau statthaft war.

Am 5. September 1733 kam Christoph Martin als zweites Kind der Familie zur Welt. Insgesamt hatte die Familie fünf Kinder (Johann Gottlieb,Justin Sebastian,Maria Justina Regina) wobei allerdings nur zwei das Erwachsenenalter erreichten, nämlich Christoph Martin

und Thomas Adam, der nach Vater und Großvater benannt war. Er kam am 13.12.1735 noch in Oberholzheim zur Welt. Der Taufschein von Christoph Martin belegt, dass die Familie Wieland gut in Biberach vernetzt war. Taufpaten waren der Spitalpfleger und

Geheime Rat in Biberach Johann Gottlieb Gaupp und Maria Christina Rauch Tochter des Biberacher Apothekers und Oberbaumeister Georg Ludwig Rauh. Diese war in zweiter Ehe mit Major Kick dem Vater Regina Katharina verheiratet und somit ihre Stiefmutter.

Über Georg Ludwig Rauh war die Familie Wieland auch mit der Familie Gutermann verwandt.Thomas Adam hatte das Angebot bekommen, Spitalprediger in Biberach zu werden und anders als sein Vater nahm er dieses Angebot sofort an. Die Familie

zog also 1736 nach Biberach in das Haus in der heutigen Waaghausstraße 3 (Bild siehe oben) Kurz nach dem Umzug erkrankte Christoph Martin an Blattern und zwar so schwer, dass man um sein Leben fürchten musste. Er selbst schrieb später dieser

Erkrankung in Kindertagen sein reizbares Nervensystem sowie eine Schwäche am linken Auge zu. Das Kind erholte sich und sein Vater begann, ihm Lateinunterricht zu erteilen. Da war der kleine Christoph Martin grade mal drei Jahre alt!

Er wechselte dann an die Biberacher Lateinschule, die er von 1739-1742 besuchte. Dort war Johann Jakob Doll Rektor. Er war klein und dick. Seine Frau war “ein kleines,dickes,unförmliches Weibchen, eine streng gebietende, leicht zu erzürnende Trutschel”,

wie Wieland sie beschreibt. Auf die Ehefrau seines Rektors brachte er lateinische Verse zu Papier “in genere adonico”. Da zeigte sich wohl auch schon Wielands satirisches Talent. Er nahm eine Juvenal-Stelle zum Motto: “Et levis erecta consurgit ad oscula

planta” (Leicht mit erhobener Sohle hebt sie sich auf zu seinem Kusse).Von seinem 7. bis 14. Lebensjahr hatte Wieland bereits viele Verse in deutsch und lateinisch geschrieben, die viele Schachteln füllten und die seine Mutter sorgfältig als

“Dichterwindeln” aufbewahrte. Als seine Mutter ihm stolz die Sammlung überreichte, als er von Erfurt zurückkam, verbrannte er sie aber einfach kurzerhand, so dass von seinen dichterischen Gehversuchen nichts übrig ist. Ein Gedicht des 13-Jährigen

ist per Zufall entdeckt worden. 1746 feierte Johann Jakob Gutermann sein 50-jähriges Jubiläum als Prediger. Er hatte in Tübingen und Wittenberg studiert und war dann Pfarrer in Zaberfeld geworden. Ab 1701 kam er als Siechenprediger wieder in seine Heimatstadt

Biberach. Wieland hatte zu diesem Jubiläum ein Preisgedicht auf Gutermann verfasst. Es ist im oben erwähnten “Christoph Martin Wielands Leben und Wirken in Schwaben und der Schweiz” auf Seite  22/23 abgedruckt.

Christoph Martin las mit 8 schon die vita des Nepos, wie er in einem Brief an an Leonhard Meister am 28. Dezember 1787 schreibt. Auch Rektor Doll scheint die liebe Not mit diesem begabten Schüler gehabt zu haben, und als Christoph Martin 13 war

las er Horaz und Virgil und kam damit besser zurecht als sein Lehrer. Mit 14 hatte er eine fundierte Ausbildung in Latein, Griechisch und Hebräisch.Aber auch in Mathematik, Logik und Geschichte war er gut ausgebildet. Fortschritte hatte er auch

in Zeichnen und der Musik gemachte. Der Vater hatte das Talent seines Sohnes früh erkannt und nach besten Kräften gefördert- eine Parallele übrigens zu seiner späteren Verlobten Sophie Gutermann, die ebenfalls hochbegabt war

und die auch  von ihrem Vater unterrichtet worden war.

Vor wir auf einen Blick auf seine weitere schulische Laufbahn werfen, einen Blick darauf, was der junge Wieland gelesen hat. Für seine frühen lateinischen Versuche hatte er ja durchaus Vorbilder wie z.B. Juvenal. An deutschen Schriftstellern befasste er sich schon

früh mit Johann Christoph Gottsched (1700-1766). Sein Lieblingsautor aber wurde der Hamburger Barthold Heinrich Brockes (1680-1747). Dessen wichtigstes Werk war eine Gedichtsammlung “Irdisches Vergnügen in Gott”, die zwischen 1721 und 1748 in 9 Bänden

erschien.Dieses Werk machte ihn schnell weit über Hamburg hinaus bekannt und er wurde mit seiner Dichtung das Vorbild der Naturlyrik von Haller bis Klopstock. Aber er wurde auch schnell kritisiert, so von Breitinger und Gottsched und schon zwei Jahrzehnte

nach seinem Tod konnte man ihm nicht mehr viel abgewinnen. Aber schon der junge Wieland wurde mit 10 Jahren von diesem Dichter stark beeindruckt und das hielt sein ganzes Leben an. Sein Vater hatte sämtliche Werke Brockes in seinem

Besitz, allerdings lange an einen Biberacher Patrizier ausgeliehen. Als er alle auf einmal zurückgab, wurde der junge Wieland mit Brockes bekannt, nachdem er bis dahin seine Sprache nur aus der Bibel und dem Gesangbuch kannte.

Noch 1797 schrieb er im Merkur (1.Stück 1797  S. 96,”Ich bewunderte oft und bewundere noch jetzt, die Gewandheit, den hartnäckigen Fleiß und die ungemeine Sprachfertigkeit, die dieser in der Geschichte unserer Literatur so merkwürdige Mann

in seinen Bruchstücken eines großen, aber nicht ganz zu Stande gekommenen physikalischen Stanzenwerkes bewiesen hat.” und er schreibt weiter zu seinen Naturschilderungen “steht ihm immer unsre ganze Sprache mit allen ihren damals

bekannten und von ihm selbst ansehnlich vermehrten Schätzen zu Gebot.” Ebenfalls stark beindruckt das philosophische Lexikon von Schneider, wie  Ofterdinger in seinem Buch auf Seite 24 schreibt. Allerdings habe ich leider nichts über dieses Lexikon

herausbekommen auch woher das Wielandzitat stammt geht aus dieser Stelle leider nicht hervor.

Mit 13 war Wieland intellektuell soweit entwickelt, dass das Biberacher Bildungsangebot die Fähigkeiten des jungen Christoph Martins nicht mehr ausreichend gefördert hätte. Für den Vater war wichtig, dass auch der religiöse Hintergrund

stimmte. Zwei Bildungsanstalten kamen in Betracht. In Halle hatte Francke eine Vorbereitungs-Anstalt für die Universität gestiftet. Und für Thomas Adam, selbst Francke-Schüler, war das natürlich zunächst erste Wahl. Aber etwa gleichzeitig machte

ein anderes Institut, nämlich Kloster Bergen bei Magdeburg, von sich reden.

Johann Adam Steinmetz war evangelischer Geistlicher und einer der bedeutendsten Schulmänner des 18. Jahrhunderts. Steinmetz war zunächst Prediger in Teschen. 1738 kam er als Abt nach Kloster Bergen.Sein Vorgänger Abt Breithaupt hatte dort eine Schule

eingerichtet, die zur zweiten Bildungsstätte des Pietismus wurde und unter Abt Steinmetz ihre volle Blüte erreichte.

220px-J_A_Steinmetz

Lehrer und vor allem die Rektoren wählte er mit größter Sorgfalt aus. Er machte häufige Klassenbesuche. In seiner Amtszeit erlebte die Schule einen enormen Zulauf und wurde zur gesuchten Bildungsstätte  angesehener Familien des Adels und des gehobenen Bürgertums.Jährlich wurden 30-50 Schüler aufgenommen und unter Abt Steinmetz absolvierten dort 930 junge Menschen ihre Schulausbildung. Neben Wieland gingen eine Reihe von Schülern aus Kloster Bergen ab, die später in Staat oder Kirche Karriere machten.

Erwähnt sei noch Johann Christoph Adelung, der nachdem er das Gymnasium in Klosterbergen absolviert hatte, in Halle Theologie studierte und später Bibliothekar der kurfürstlichen Bibliothek in Dresden wurde. Bekannt ist er vor allem für seine  grammatischen

und lexikographischen Schriften. Er hat aber auch historische, naturwissenschaftliche, pädagogische und journalistische Arbeiten veröffentlicht.

Für Wielands Besuch von Kloster Bergen sprach, dass das Leben dort nicht zu sehr von dem Leben unterscheiden würde, das er bisher geführt hatte. Auch bot Kloster Bergen die Möglichkeit, die schon in Biberach erworbenen Kenntnisse auszubauen.

In Bergen wurde großes Gewicht auf Cicero gelegt, und ebenso große Fortschritte machte er im Hebräischen. Noch in späteren Jahren las Wieland die Psalmen in hebräischer Sprache und er hatte sie immer als Taschenbuch auf seinen Spaziergängen dabei.

Die Abiturienten hielten nicht nur Abitursreden. Sie verfassten förmliche Abhandlungen und Disputationsschriften. Das hatte schon durchaus akademischen Charakter.Über Wielands Zeit in Kloster Bergen hatte Goethe später einmal gesagt,

Wieland habe dort in allen konzentrierten jugendlichen Zartgefühlen gewandelt und er habe dort zu höherer literarische Bildung den Grund gelegt. Wieland selbst fasst seine Zeit in Kloster Bergen in einem Brief an einem Brief an Leonhard Meister

Weimar am Dez.1787 so zusammen: “Mit 13 1/2 Jahren ward ich nach Kloster Bergen bey Magdeburg, eine damahls unter des bis zur Schwärmerei devoten Abts Steinmetz Aufsicht stehenden berühmten Schule geschickt. Ich blieb dort zwey Jahre, machte

starke Progressionen in litteris, schwärmte anfangs mit, kam aber bald wieder durch mein damahliges Lieblingsstudium, nähmlich durch eine poetische Manier in den metaphyischen Terris incogniti herum zu vagiren, ins freye und von einem System aufs andere.”

In Bergen kam Wieland auch mit Voltaire in Kontakt, obwohl der Freigeist im Kloster natürlich verboten war. Dort lernte er auch die Schriften des Schweizer Kritiker Johann Jacob Breitinger kennen. Und er las Albrecht von Hallers Gedichte. Seine Gedichtsammlung

“Versuch Schweizerischer Gedichte” war 1732 erschienen. Darin befand sich das von Haller auf 1729 datierte Gedicht “Die Alpen”. Es gab zu der Zeit keinen deutschen Dichter, der dieses Gedicht nicht kannte. Wichtig waren aber “Neue Beiträge zum Vergnügen

des Verstandes und Witzes”, da diese in Bremen erschienen meist nur Bremische Beiträge genannt. Im 4. Band waren die drei ersten Gesänge des Messias von Friedrich Gottlieb  Klopstock. Sie erregten sofort großes Aufsehen. Und auch Wieland wurde von

der Klopstockbegeisterung erfasst. “Als ich den Klopstock las, glaubte ich erst mich selbst zu verstehen.” (zitiert nach L.F. Ofterdinger S.31). Seine ersten Dichtungen zeigten auch, wie stark er von Klopstock beeinflusst worden war.

400px-Kloster_Berge_1780

An Ostern 1749 verließ Wieland Kloster Bergen, ohne einen Abschluss gemacht zu haben. Er ging weiter nach Erfurt und lebte dort für ein Jahr bei Johann Wilhelm Baumer, einem Verwandten der Familie Wieland. Baumer hatte in Halle und Jena Philosophie

und Theologie studiert. In Jena hatte er den Grad eines Magister der philosophischen Wissenschaften erhalten. Von 1742 – 1746 war er Pfarrer in Krautheim, heute Ortsteil von Volkach. Diese Stelle gab er aus gesundheitlichen Gründen auf und ging wieder nach

Halle. Dort promovierte er 1748 zum Doktor der Medizin. Danach unternahm er eine Gelehrtenreise und ließ sich dann als Arzt in Erfurt nieder. Zu der Zeit kam dann Wieland zu ihm. Baumer muss ein durchaus universal gebildeter Mann gewesen sein.

In Erfurt wurde er 1754 Professor der Physik und 1757 Professor der Medizin. 1764 wechselte er als Professor der Medizin nach Gießen und wurde dort zugleich Bergrat und Landphysikus. 1777 wurde er in Gießen ordentlicher Professor der Mineralogie und

der Chemie. Vor allem als Mineraloge hatte er sich einen Namen in der Wissenschaft gemacht. In Erfurt war er  zum geistigen Vater der 1754 gegründeten “Churfürstlich-Mayntzischen Gesellschaft oder Academie nützlicher Wissenschaften” geworden.

aus der die heutige Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt hervorgegangen ist. Bei Baumer studierte Wieland Philosophie.Er Wurde mit Wolff vertraut gemacht. Als Thomas Adam in Halle Theologie studierte, herrschte dort gerade der Streit zwischen Wolff und seinem aufklärerischen Rationalismus

und pietistischen Dozenten an der Universität. Diese setzten sich durch und Wolff musste sein Amt aufgeben. Wolff war Universalgelehrter, Jurist und Mathematiker. Er entwickelte sich zu einem der wichtigsten Philosophen der Aufklärung zwischen

Leibniz und Kant. Er war ein bedeutender Vertreter des Naturrechts. Er gilt als der eigentliche Begründer der Begriffsjurisprudenz. Ihre Grundlage ist die Anwendung logischer Methoden auf das Recht. Für die deutsche Philosophie schuf Wolff die terminologische

Grundlage. Für einen 16-Jährigen durchaus schwerverdauliche Kost, wie Wieland das selbst empfand oder wie er sich ausdrückte “schwere Seelenspeise”. Aber Baumer legte bei Wieland einen soliden Grund in der Philosophie.

Johann_Wilhelm_Baumer

Wichtig war für Wieland auch das Privatissimum, das er von Baumer über Don Quijote erhielt. Wieland sagt später darüber,dass Baumer ihn aus Quijote heraus Menschen-und Weltkenntnis gelehrt habe. Baumer stellte Don Quichotte und Sancho Pansa

als die Repräsentanten des Menschengeschlechts dar. Sicher war dieses Jahr bei dem umfassend Gebildeten für den jungen Wieland enorm wichtig, wenn gleich er einige Zeit brauchte, um das richtig einzuschätzen. In einem Brief an Friedrich Justus  Riedel

schreibt er am 10. August 1768 “weil ich das Glück oder Unglück hatte, das ganze Jahr 1749 unter seinen (Baumer) Augen zu leben, an seinem Tische zu hungern (denn vom Essen war nicht viel die Rede) und von seiner Philosophie eine so abscheuliche Menge

von Seelenblähungen zu bekommen…” Und als er in Erfurt Professor wird, liest er über den Don Quijote. In einem seiner Romane, der “Geschichte des Don Sylvio von Rosalva“ übernimmt er das Muster des Don Quijote.

Im Frühjahr 1750 kehrte Wieland nach Biberach zurück. Im Sommer kam es zu einer folgenreichen Begegnung. Der  Augsburger Arzt Georg Friedrich Gutermann schickte seine Tochter Sophie Marie zu seiner Cousine nach Biberach, nämlich

der Mutter von Christoph Martin. Er hatte gerade durchgesetzt, dass die Verlobung von Sophie mit Giovanni Ludovico Bianconi, der Leibarzt des Augsburger Fürstbischofs war, gelöst worden war. Der zukünftige Gatte war katholisch, Sophie aber evangelisch.

Die zukünftigen Töchter Sophies sollten evangelisch erzogen werden, darauf ging Bianconi aber nicht ein. Die Verlobung platzte. (Siehe Blog Sophie von La Roche). Das Verhalten ihres Vaters verletzte Sophie zutiefst. Sie fügte sich zwar, vergaß das ihrem Vater aber

nie. Dieser Aufenthalt in Biberach sollte Sophie helfen, ihren Geliebten zu vergessen, aber auch ihrem Vater aus den Augen zu kommen. Schließlich war das Verhältnis massiv gestört. Sophie war 19, Christoph Martin 17. Was aber nie und nimmer im Plan der Eltern

war, die beiden verliebten sich aufs heftigste. Zum Entsetzen beider Elternteile verlobten die beiden sich sogar. Am Morgen dieses Tages,es war der 23. August 1750, hörte Sophie zufällig den jungen Wieland Klavier spielen, was tiefen Eindruck auf sie gemacht

haben muss. In ihren “Schattenrissen abgeschiedener Stunden” erzählt sie auf Seite 44, wie sie Wieland am Abend ihrer Ankunft in Ossmannstedt Klavier spielen hört und erinnert sich an diese Szene in Biberach und das war ja immerhin 49 Jahre zuvor.  L.F.

Ofterdinger erzählt wie Sophie im weiteren Tagesverlauf eine Predigt von Thomas Adam Wieland über den Text “Gott ist die Liebe” hört. Die beiden jungen Leute unterhielten sich über diese Predigt. Sophie bat Christoph Martin, die von ihm vorgebrachten

Gedanken zu ordnen und auf zuschreiben. Das Ergebnis wurde 1752 in Halle in Druck gegeben: “Die Natur der Dinge in sechs Büchern”

Unbenannt

Thomas Adam sah das etwas pragmatischer. Der junge Christoph Martin  sollte erst mal einen Brotberuf erlernen. Die Mutter arbeitete aber gegen das junge Paar. Als Wieland erst in Tübingen war und später in Zürich, hielt sie Briefe

an Sophie zurück. Als Wieland in Zürich bei Bodmer weilte, schrieb seine Mutter am 10. Oktober 1753 an diesen “Sie mag ihr nicht ein Loch an dem Strumpf vernähen, sie reisst es lieber zusamen und wirfft es in einen Winkel. Wann mein Sohn das Mensch zu seiner

Frau bekomt, so ist er sein Lebtag ein armer Mann und Märtherer, er möchte so viel Einkommen haben als er wollte, so würde sie vorher allemal mehr verliederlichen, als er einzunehmen häte …“ Der Brief ist heute im Besitz der Zentralbibliothek Zürich.

Christoph Martin soll nun ein Studium beginnen. Er geht nach Tübingen. Der Vater hatte eigentlich gewünscht, dass Christoph Martin Theologie studiert. Da aber der Junge ja von nicht allzu kräftiger Gesundheit war, sprach das eigentlich gegen eine solche

Laufbahn. Also sollte er Jurisprudenz studieren, wie schon sein Großvater, der es ja zum evangelischen Bürgermeister in der Stadtrepublik gebracht hatte. Die Unterkunft war praktischerweise schon vorgegeben, nämlich das Hochmannium in Tübingen.

In der Tübinger Pfleghofstr. 13 hatte der 1528 in Biberach geborene Johann Hochmann und spätere Professor des kanonischen Rechts und Universitätsrektor ein Wohnheim gestiftet, in dem Studierende aus seiner Familie und der seiner Frau

dort freie Kost und Logis bekamen. Auch Wieland hatte durch Familienansprüche das Recht auf ein solches Stipendium, was mit ein Grund war, dass er in Tübingen studierte. Vorlesungen über Jurisprudenz besuchte er nur am Anfang. Da er aber bald

den Eindruck hatte, dass Vorlesungen ihm seine beste Zeit kosteten, ging er bald gar nicht mehr hin. Statt sich mit Rechtswissenschaften zu befassen, las er Pierre Bayle, einen französischen Schriftsteller und Philosophen, der zu den Zentralfiguren der

französischen Aufklärung zählt. Sein wichtigstes Werk ist das “Dictionnaire historique et critique” erstmals erschienen 1697. Leibniz stand ebenfalls auf seinem Leseplan, dann Lucrez und der Anti-Lucrez von Polinac.Das ist eine Widerlegung des Lucrez

in metrischen Versen, die von Voltaire gelobt wurde und auch von Goethe sehr geschätzt worden sein soll. Und er dichtete selbst. Die oben erwähnte Natur der Dinge schrieb er in nur drei Monaten. Das Manuskript schickte er an Professor Georg Friedrich Meyer

in Halle. Ich bin mir nicht ganz schlüssig, wie ich das bewerten soll –naiv oder frech. Meier war ordentlicher Professor der Philosophie in Halle und  lehrte dort Philosophie und Ästhetik. Meier hatte in dem poetologischen Streit, der in der Zeit zwischen Gottsched

und den Schweizern Breitinger und Bodmer die Intellektuellen im deutschen Sprachraum beschäftigte (s.u.),  Partei für die beiden Schweizer ergriffen. Seine sehr positive Stellungnahme “Beurteilung des Heldengedichts der Messias” von Klopstock trug wesentlich zu dessen Anerkennung und auch zur Begeisterung für

sein Werk beim Publikum bei. Dies war sicher auch der Grund, weshalb Wieland sein Manuskript gerade an Meier schickte. Wieland legte ein anonymes Begleitschreiben bei und Meier wusste tatsächlich nicht, wer der Verfasser dieses Lehrgedichts war.

Er hielt ihn  für einen Adligen aus dem Schwäbischen und wäre wahrscheinlich mehr als überrascht gewesen, wenn er gewusst hätte, dass das das Werk eines 17-Jährigen ist. Meier veröffentlichte das Werk und versah es zudem mit einem sehr positiven Vorwort.

Er schreibt darin, dass er das Werk anonym erhalten hat, ohne Unterschrift und Angabe des Ortes und dann wörtlich “Weil es uns Deutschen bis itzt an großen Original-Lehrgedichten fehlt, und mir dieses Gedicht gefallen hat: so habe ich kein Bedenken getragen,

dasselbe zum Druck zu befördern.” Seite 4 der Vorrede. Die gute Aufnahme seines Manuskripts spornte ihn an, weiter Neues zu schreiben. Man besang  damals gerne Helden der deutschen Urzeit. Und so fasste er den Plan, das Heldengedicht Hermann zu verfassen.

300px-Hochmannium

Auch dieses schickte er ein, diesmal an Bodmer in Zürich. Er bittet den “Hochedelgebornen und Hochgelehrten Hochzuverehrenden Herrn Professor”(Ausgewählte Briefe Von C.M.Wieland an verschiedene Freunde in den Jahren 1751-1810 geschrieben, Brief vom

4.8.1751 an Bodmer) das übersandte Gedicht, eben den Hermann, zu beurteilen.Bodmer nahm dieses Gedicht positiv auf, scheint aber einige Anmerkungen gemacht zu haben. In einem Antwortschreiben an Bodmer macht er nun Angaben zu sich “Ich bin eines

Predigers Sohn aus Biberach, ohnweit dem Federsee” (ausgewählte Briefe Seite 7). Am 20. Dezember 1751 schreibt er aus Tübingen, dass das Gedicht nur dazu gedient habe, seine Bekanntschaft zu machen und habe damit seine Bestimmung erreicht.Er gedenke

nicht,diese jugendliche Arbeit umzuarbeiten oder zu verbessern. In Tübingen entstehen insgesamt 6 Werke und zwar 1.“Die Natur der Dinge” ein Lehrgedicht in 6 Büchern, Halle 1751, 2. “Zwölf moralische Briefe” in Versen, Heilbronn 1752

3. “Anti-Ovid oder die Kunst zu lieben” Amsterdam (Heilbronn) 1752. Erzählungen, Tübingen 1752, 5. Der Frühling Tübingen 1752, 6.Lobgesang auf die Liebe Tübingen 1753.

Daneben verfasste er Oden, die er auch an Bodmer schickte.

Vom Briefwechsel an Sophie, damals noch Gutermann, aus seiner Verlobungszeit sind nur vier Briefe erhalten. Der erste, den es noch gibt, stammt vom 5. Juni 1572 – ein flammender Liebesbrief, darin angehängt die Ode, die er auch an Bodmer schickte.

Darin heißt es unter anderem: “Englische Sophie, mein Herz, mein Licht

Du bist selbst, ja Du bist selbst die Tugend;

Aus der Anmuth aufgeblühter Jugend

Reizt sie selbst in Dir ein klug Gesicht.

O wie strahlt aus Deinen Blicken

wo sich weiser Ernst mit Anmuth paart,

eine Seele von Seraph’scher Art,

Fähig mehr als Weise zu entzücken“  (Briefe an Sophie von La Roche von Christoph Martin Wieland, hsg von Franz Horn S.7).

Im Juni 1752 verließ Christoph Martin Tübingen und ging zurück zu seinen Eltern natürlich auch in der Hoffnung, dort mit Sophie zusammen zu kommen. Christoph Martin gab sein Studium auf, was natürlich nicht im Sinne des Vaters lag.

Er schlug ihm vor, in Göttingen Jurisprudenz zu studieren. Christoph Martin bemühte sich aber um eine Tutorenstelle in Braunschweig. Dort war der evangelische Theologe Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem als Berater Herzog Karl I. in Verwaltungsangelegenheiten

aber auch für das Kirchen-und Bildungswesen tätig. Er schlug dem Herzog eine neuartige Bildungseinrichtung vor, die eine vertiefte Kenntnis der schönen Wissenschaften und vor allem der griechischen und lateinischen Kultur vermitteln und so

einen leichteren Anschluss an das Universitätsstudium zu ermöglichen. 1745 wurde dann das Collegium Carolinum gegründet, aus dem später die Technische Universität Braunschweig hervorgegangen ist. Genau für diese Einrichtung bewarb sich Wieland.Allerdings, ein

junger  Student mit 19 Jahren, der gerade dabei war, sein Studium abzubrechen, hatte natürlich nicht die besten Karten. Im Sommer 1752 wurde er aber von Bodmer nach Zürich eingeladen. Wieland reiste am 15. Oktober in die Schweiz ab, zu einem

Aufenthalt der dann aber 8 Jahre dauern sollte.

Um diese Zeit bewegte eine spannende Auseinandersetzung das literarisch interessierte Deutschland. Auf der einen Seite stand Johann Christoph Gottsched (Bild links), auf der anderen Seite Johann Jakob Bodmer (Bild rechts) und Johann Jakob Breitinger.

220px-Johann_Christoph_Gottsched473px-Johann_Jacob_Bodmer

Gottsched studierte in Königsberg. Er erwarb dort den Magister Artium. Nachdem er aber von den brutalen Methoden preussischer Militärwerber gehört hatte ging er lieber nach Leipzig, das ihm in dieser Hinsicht sicher erschien.

Dort freundete er sich mit dem Historiker Johann Burckhardt Mencke an, der ihn  als Hauslehrer für seine Söhne engagierte. Über ihn fand er Aufnahme in die “Teutschübende Poetische Gesellschaft”. 1727 wurde er zum Senior gewählt.

Er wandelte sie um zur “Deutschen Gesellschaft”. Die Deutsche Gesellschaft sollte auf eine überregionale, von mundartlichen Färbungen und Fremdwörter gesäuberte deutsche überregionale Einheitssprache hinarbeiten. Der deutsche Sprachraum

war in dieser Zeit nicht nur konfessionell sondern auch sprachlich gespalten. In der protestantischen Mitte Deutschlands und im Norden hatte sich ein auf Martin Luther basierendes Früh-Neuhochdeutsch durchgesetzt. Im katholischen Süden

wurde die oberdeutsche Schriftsprache verwendet. So stand “Lutherdeutsch” gegen “Jesuitendeutsch”, beides bewusst abwertend verwendet. Dazu kam noch mit der reformierten Schweiz alemannisch als dritte Sprache dazu.

Gottsched stand zu der Zeit auf dem Höhepunkt seiner Popularität und Autorität. Er hatte mit “ Die vernünftigen Tadlerinnen” 1725 die erste Frauenzeitschrift herausgegeben. Seine Bekanntschaft und Zusammenarbeit mit Johann Neuber und

dessen Frau Friederike Caroline ließ ein regelgerechtes deutsches Nationaltheater entstehen und mit seinen “Beyträge zur critischen Historie der deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeitverschaffte ihm schnell überregionale Bekanntschaft.

Er war maßgebender Lehrbuchautor. Er war Theoretiker und Gesetzgeber. Er glaubte alle Bereiche der Kunst in erlernbare Regeln systematisieren zu können. Wie oben gezeigt wurde, hatte sich ja auch der junge Wieland mit Gottsched auseinandergesetzt.

Als Theaterreformer orientierte er sich vor allem am französischen Theater, was ihm dann Lessing entschieden vorhielt. “Niemand  sagen die Verfasser der Bibliothek, wird leugnen,dass die deutsche Schaubühne einen großen Theil ihre erste Verbesserung dem

Herrn Professor Gottsched zu danken habe. Ich bin dieser Niemand. Ich leugne es geradezu” (Lessing in “Briefe die neueste Litteratur betreffend, Berlin 1759, S. 97) und er fährt dann fort “ er wollte nicht sowohl unser altes Theater verbessern, als der Schöpfer eines

ganz neuen seyn. Und was für eines neuen? Eines Französierenden ohne zu untersuchen, ob dieses französisierende Theater der deutschen Denkungsart angemessen sey oder nicht” (ebd. S. 99). Und dann schreibt er weiter, dass wir mehr in den Geschmack

der Engländer einschlagen als der Franzosen”und weiter “ dass das Große, das Schreckliche, das Melancholische besser auf uns wirkt, als das Artige, das Zärtliche, das Verliebte” und das bedenkend würde geradewegs auf das englische Theater führen.

Die Übersetzung des Shakespeare hätte weit bessere Folgen für das deutsche Theater gehabt “ als dass man sie mit dem Corneille und Racine so bekannt gemacht hat” Und dies wurde fast durchgängig so von den Literaturgeschichten übernommen.

In Zürich war Bodmer als Professor für helvetische Geschichte und Politik am Gymnasium tätig. Dort arbeitete auch sein Freund als Professor für die hebräische und später für die griechische Sprache. In den Jahren 1732-1739 stand man in Briefwechsel und ging fast

freundschaftlich mit einander um. 1740 erschien Bodmers  “Critische Abhandlung vor dem Wunderbaren”, die als Verteidigung Miltons angekündigt war.Er plädierte darin für für eine erweiterte Geltung der Einbildungskraft, des Wunderbaren und der Phantasie.

Und es erschien Breitingers zweibändige “Critische Dichtkunst”. Da zeigte sich schon im Titel die Rivalität zu Gottscheds gleichnamigen Lehrbuch. Gottsched ging 1742 auf das Buch Breitingers ein. Er vermisste hilfreiche Regeln zur Abfassung von Gedichten.

Die Schweizer waren die ersten, die auf Shakespeare hinwiesen, der auf Gottsched sicher barbarisch wirkte. Aber seine Vormacht kam ins Wanken. Die Schweizer plädierten nun für eine Hinwendung zu den neueren englischen Dichtern statt der Geschmacksdiktaturdes französischen Klassizismus, die Entdeckung poetischen Neulandes statt der Bestätigung eines Kanons. Bodmer gewann immer mehr Freunde und Anhänger aus der deutschen Literaturszene. In Norddeutschland standen Brockes mit ihm Kontakt; aber auch Johann Ulrich von König, der aus Esslingen stammte, und über Hamburg-dort gründete er mit Brockes die Teutschübende Gesellschaft zur Pflege der deutschen Sprache und Literatur- und Leipzig nach Dresden, wo er Hofpoet am Hofe August des Starken wurde. In Dresden war er zunächst Förderer von Gottsched, überwarf sich aber mit ihm und stand dann in enger Verbindung mit Bodmer. Der in Durlach geborene Karl Friedrich Drollinger. Er war als Archivar der Markgrafen von Baden nach der

Einäscherung Durlachs tätig. In seiner Dichtung war er ein Vorläufer von Haller und stand ebenfalls auf Seite der Züricher. Auch Friedrich von Hagedorn gehörte zu diesem Kreis. Hagedorn seinerseits stand wieder mit Klopstock und Gleim in Verbindung,  aber

auch zu Lessing hatte er Kontakt. Bodmer gab an Hagedorn im Tausch in Zürich erschiene Werke weiter und erhielt dafür von Hagedorn englische Werke, vor allem Shakespeare, die in Hamburg leichter erhältlich waren.

Gleim, der Gründer des Halberstädter Dichterkreis, pflegte einen Briefwechsel mit Bodmer und schließlich bat der Züricher auch Professor Meier in Halle den Messias zu beurteilen. Diese Beurteilung hatte ja Wieland veranlasst, sein Erstwerk an

Meier zu schicken. Gottsched wurde schließlich zum Inbegriff lächerlich geistloser Pedanterie und Zeitgenossen sahen die Züricher als Sieger in dieser Auseinandersetzung.

1750 hatte Bodmer Klopstock nach Zürich eingeladen. Kurz zuvor waren  die ersten Teile des Messias in den Bremischen Beiträgen erschienen. Danach dichtete er seine ersten Oden, die vor allem bei den Gegnern von Gottscheds “vernünftiger” Poetik, also in

Zürich einen regelrechten Begeisterungssturm entfachten. Kontakte nach Zürich wurden geknüpft und das Resultat war die Einladung. Allerdings lag schon von Anfang an ein gewisses Missverständnis vor. Bodmer erhoffte sich Vervollkommnung seines eigenen

Gedichtes Noah. Und Bodmers Moral und Wertvorstellungen standen denen Klopstocks ziemlich diametral entgegen. Dazu kam sicher noch Eifersucht und Enttäuschung. Der junge Dichter zog nämlich die Gesellschaft von “Jünglingen” und “Mädchen” der seinigen vor. So etwas war für die zentrale Figur der Züricher Aufklärung sicher eine völlig neue Erfahrung. Auslösendes Moment für den Bruch war wohl die Fahrt auf dem Züricher See, zu der Klopstock “von einem halben duzend Galopins (französisch Schlingel, Spitzbube) entführt”

worden war, was dem sittenstrengen Züricher Mäzen Erklärung genug war, dass Klopstock mit seinem Messias nicht vorankam. Es kam zum Bruch und Klopstock reiste aus Zürich ab. Erleichtert wurde ihm das, da er vom dänischen König ein Jahresgehalt von

400 Reichstalern ausgesetzt bekommen hatte und die Reisekosten nach Kopenhagen. Nach diesen sehr ernüchternden Erlebnissen war man in Zürich natürlich vorsichtig geworden.Wieland hatte sich ja sozusagen in Zürich selbst beworben. Zum einen wird

ein Briefwechsel mit  dem Theologen Heinrich Schinz eingefädelt. Schinz stand auch mit Bodmer in sehr engem Briefkontakt. Zwischen Wieland und Schinz entwickelte sich bald sehr reger Briefverkehr. Das wurde noch ausgeweitet. Auch auf Anregung Bodmers

führten die die beiden Verlobten Sophie von Wieland und Barbara Meyer von Schinz ebenfalls einen Briefwechsel. Zudem wurden im Mai noch der Theologe Johann  Kaspar Hess, der Arzt Hans Caspar Hirzel und der Theologe Johann Georg Sulzer

nach Tübingen geschickt. Sie sollten Wieland besuchen und prüfen, ob dieser der Förderung durch Bodmer würdig sei. Man hatte über Martin Künzli auch noch Erkundigungen bei dem Professor der griechischen Sprache Johann Adam Osiander eingeholt.

Dieser beurteilt Wieland als”ingenium praecox”,  weiß aber nur Gutes über Wieland zu berichten. Er sagt, der Jüngling stecke immer zu Hause und studiere. Dies schreibt Künzli in einem Brief an Bodmer am 14. April 1752 (in Thomas C. Starnes: Christoph Martin

Wieland- Leben und Werk, Sigmaringen 1987, Bd. 1-3  I,S.22). Wieland selbst hält sich mit vielen Briefen an Bodmer im Gespräch.Und er macht natürlich auch einige Angaben über sich, die Bodmer bestimmt gefallen “Ich bin ein großer Wassertrinker, und ein

geborener Feind des Bacchus”  ( Am 4. Februar 1752 an Bodmer in ausgewählte Briefe S. 30)Die Einladung erfolgt und Wieland schreibt am 8. Juni 1752 überglücklich an Bodmer zurück “Ich danke der Vorsehung mit innigster Rührung für ihre Freundschaft und ich

müsste sehr unglücklich seyn, wenn ich mich in der Hoffnung betröge, in etlichen Wochen mehr durch ihren Umgang gebessert werden, als es bisher in ganzen Jahren geschehen konnte” (ebd. S.83).

Die Abreise Wielands nach Zürich verzögerte sich noch ein bisschen, weil er unbedingt noch mit Sophie zusammen treffen wollte. Wieland hatte inzwischen schon einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Dass solch in der gesamten literarischen Welt

angesehenen Männer wie Bodmer und Breitinger einen Briefwechsel mit dem noch sehr jungen Mann unterhielten, dass sie ihn sogar nach Zürich einluden, versöhnte auch den Vater damit, dass er allmählich Abschied von den Vorstellungen nehmen musste,

die er vom beruflichen Werdegang seines Sohnes hatte.  Ofterdinger erzählt in seinem bereits öfter erwähnten Buch auf Seite 78 von dem Abschiedsfest, das er für seinen Sohn in Birkendorf gab. Am 15. Oktober reiste Christoph Martin ab und wurde

am 18.Oktober von Schinz in Schaffhausen abgeholt. Dann blieben sie für eine Woche in Wespersbühl bei Johann Christoph Billeter. Das war der Onkel der Braut von Schlinz. In seinem Tagebuch vermerkt Bodmer die Ankunft Wielands am 25. Oktober.

SetHeight360-bodmerhaus-stich

 

Als Wieland nach Zürich kam,   erlebte das literarische Leben in der Schweizer Stadt eine absolute Blütezeit und der Streit zwischen Zürich und Leipzig fand ja im ganzen literarisch interessierten deutschsprachigen Raum große Anteilnahme.

Die beiden Gelehrten Bodmer und Breitinger, hatten einen literarisch produktiv tätigen Kreis um sich gesammelt. Und man hatte ja auch die Szene beobachtet und interessante Talente nach Zürich geholt, eben erst Klopstock, dann Wieland.

Ewald von Kleist bemerkt zum Geistesleben Zürichs “Statt daß man indem großen Berlin kaum 3-4 Leute von Genie und Geschmack antrifft, trifft man in dem kleinen Zürich mehr als 20-30 derselben an.” (Kleist an Gleim in Sauer II, S 213)

Der junge Wieland wurde im Klopstockzimmer untergebracht. In einem ersten Brief an Sulzer schreibt Bodmer dazu ”Jetzt ist der Verf(asser) der Natur der Dinge in meinem Hause. Ich kann sowohl in Absicht auf den moralischen Charakter als auf die

Gelehrsamk (eit) ohne poetische Entzückung sagen: hier ist mehr als K (lopstock) ohne Vergleichung mehr. … Er ist fähig in der Kritik und der Poesie die größten Verrichtungen zu vollführen. …Er trinkt so wenig Wein als ich, raucht nicht Tabak und brauset und tanzt

nicht  ..” (Bodmer an Johann Georg Sulzer, 29. Oktober 1752, in Starnes I, S.33. Wieland ist gleich überaus produktiv. Er schrieb die “Ankündigung einer Dunciade für die Deutschen”. Er schickte sie anonym an Gleim, der sie in Halberstadt drucken ließ. Sie war eine

Antwort, auf die Schriften, die in der Auseinandersetzung zwischen Zürich und Leipzig kursierten, hier vor allem “Die ganze Ästhetik in einer Nuss, oder neologisches Wörterbuch” von Christoph Otto Freiherr von Schönaich, einem “geschworenen

Gottschedianer”, wie in Lessing einordnete. Gleim war darin auch angegangen worden und ließ dieses Werk mit Vergnügen drucken. Erst viel später gestand Wieland Gleim, dass er der Verfasser war. Im Neuen Teutschen Merkur schreibt er dann auch auf Seite 201

“ Ich erinnere mich noch zu gut, was für eine Gemüthstimmung und welche Beweggründe mich im Jahre 1752 zum Verfasser der Ankündigung einer Dunciade für die Teutschen machten, um nicht zu wissen, zu welchen Excessen die schwärmerische Verehrung

und Liebe eines wirklich oder vermeintlich großen Mannes einen sonst gutartigen und edeln, aber feurigen und unbesonnen Jüngling hinreißen kann”. (Neuer Teutscher Merkur 1. Band 1797). Außerdem schrieb er eine “Neue Vorrede zu Bodmers Syndflut”,

“Anmerkungen zu Bodmers Milton-Übersetzung” und die “Vorrede zu J.J. Bodmers Gedichten”. Bodmer hatte Wieland auch zu seinem einzigen biblischen Epos veranlasst, das 1753 erschien: “ Der gepryfte Abraham, ein Gedicht in vier Gesängen”.

Er wirkte an der Herausgabe der “Sammlung Züricherischen Streitschriften zur Verbesserung des deutschen Geschmacks wider die Gottsched’sche Schule” mit. Auch das “Schreiben von der Würde und Bestimmung eines schönen Geistes” kam heraus.

Das “Gebet eines Christen”, “Das Gebet eines Deisten” und “Die Briefe von Verstorbenen an die hinterlassenen Freunde” waren die letzten Schriften, die er sehr pietistisch angehaucht, verfasst hatte. Sowohl Nicolai, als auch Lessing verwiesen auf die

Hohlheit von Wielands Schreiberei- Nicolai schreibt  im siebten Brief “ Über den itzigen Zustand der schönen Wissenschaften in Deutschland” auf Seite 66 “ Die Muse des Herrn Wielands ist ein junges Mädgen, das auch die Betschwester spielen will,

und sich der alten Wittwe zu Gefallen in ein altväterisches Käppgen einhüllet, welches ihr doch gar nicht kleiden will” im Gegensatz zur Muse Bodmers, “eine betagte Matrone, die die Welt vergisst, weil die Welt sie vergessen hat, die beständig von der Kasteiung

des Fleisches redet, und auf die böse verderbte Welt und die verschlimmerten Zeiten schilt”. (ebda)Und Lessing  schreibt im 7. seiner “Briefe, die neueste Literatur betreffend” dass Wieland gerne aus dem Gedächtnis getilgt habe, dass er der Verfasser der Natur der

Dinge ist und dann ”So viel ist unwiedersprechlich,dass jenes Lehrgedicht und die Moralischen Briefe uns den Herrn Wieland auf einem ganz anderen Wege zeigen, als ihm hernach zu betreten beliebt hat (Seite 15) und weiter im 8. Brief

“Auch mir sind die Empfindungen des Christen das anstößigste gewesen. Er bringt dann Beispiele aus den Empfindungen und schreibt dazu ”Schön! – aber sind das Empfindungen? Sind Ausschweifungen der Einbildungskraft Empfindungen?

Wo diese so geschäftig sind, da ist bestimmt das Herz leer,  kalt (Seite 17). Er vergleicht dann Wieland mit Johann Wilhelm Petersen, “Stimmen aus Zion” und er bringt ebenfalls Beispiele und urteilt dann “Könnte ich nicht die  Verehrer des Herrn Wielands

(seine Anbeter; er hat dergleichen) mir erhabenere und pathetische Stellen in seinen ganzen Empfindungen zu zeigen ? Herr Wieland ist reich an Blühmchen, an poetischem Geschwätz; Petersen an starken Gedanken, an großen Gesinnungen; ohne Zwang,

ohne Schwulst” (Seite 18).

Am Anfang verkehrte Wieland nur mit ganz wenigen Leuten Bodmer, Breitinger, Hess und Schinz. Das war ganz im Sinne Bodmers. Er sah schließlich Klopstock verführt von den jungen Leuten, mit denen er Umgang hatte. Es kommen dann noch

der Züricher Stadthauptmann Hans Blarer von Wartensee dazu sowie der Ratsherr und spätere Züricher Bürgermeister Johann Conrad Heidegger. Aus dem Bodmer Umkreis kam dann der Arzt Laurenz Zellweger aus Trogen in den Freundeskreis,

der von Bodmer über Wieland brieflich informiert war. Auch Martin Künzli aus Winterhur wurde in den Freundeskreis einbezogen. Wieland lernte ihn im Frühjahr 1753 persönlich kennen. Künzli hatte bei Osiander in Tübingen Erkundigungen über Wieland

eingezogen.Ein weiterer Arzt aus dem Umfeld Bodmers, nämlich Johann Georg Zimmermann, gesellte sich zum Kreis um Wieland. Wichtig wurde schließlich auch Salomon Gessner. Dieser war nicht nur Maler und Dichter von Idyllen, er war auch Teilhaber des

Züricher Verlags Orell, Gessner, Füssli und Comp.und brachte über Jahre hinweg viele Werke von Wieland heraus. So erschien der Agathon bei OGF & Comp. oder die Shakespeare-Übersetzungen.

Wieland, nun im Hause Bodmer untergebracht, war nun der finanziellen Sorgen enthoben. Allerdings musste er  für Bodmer gegen Gottsched Partei ergreifen. Wie wir aber oben bei der Dunciade gesehen haben, bereitete ihm das keine Probleme.

Aber auch  für seine Dichtung waren Regeln vorgegeben, Tabus, die zu beachten waren. So erlaubte ihm Bodmer bei der Sujet-Wahl nur biblische Themen und für die Verswahl nur Hexameter. Diese poetische Bevormundung war doch eine Kreativitätsblockade.

Wieland hatte sich  Bodmer so angepasst, dass “die Sprache seiner Zürcher Dichtungen oft kaum von derjenigen seiner Freunde und Bewunderer zu unterscheiden ist” wie Martin Bircher feststellt. Ja es geschah sogar, dass einige seiner  anonym erschienen

Werke mit Bodmers verwechselt wurden. 1760 ließ Wieland alle seine “poetischen Werke, die seit 1751 einzeln und ohne Namen erschienen” waren in “3 Oktavbänden zusammen herausgeben, teils sie dem Publico in einer verbesserten korrekten Gestalt zu

zeigen, teils um zu verhindern, daß man mir nicht länger Sündfluten, Patriarchen und Parzivale zur Last legt,an denen ich keinen Anteil habe.” (Wieland in einem Brief an seinen späteren Verlege Phillipp Erasmus Reich, 30. März 1760 in BW 6.1,S.18)

Mit Bodmers und Breitingers Hilfe vertiefte  Wieland seine klassischen Studien. Bodmer hatte ja Homer übersetzt und er wurde für Wieland Vorbild als Übersetzer klassischer Schriftsteller. Aber er hat Wieland ja auch an die mittelalterliche Dichtung herangeführt,

wobei Bodmer nicht der Entdecker der Nibelungenhandschrift C war. Das war der Wundarzt Jacob Hermann Oberreit aus Arbon, mit dem Wieland später eng befreundet war. Als Milton-Übersetzer hat Bodmer Wieland auch auf englische Literatur

gebracht. Wie wir oben gesehen haben, hatte sich Bodmer über Hagedorn ja Shakespeares Werke kommen lassen.

Bodmer sorgte rührend für seinen Schützling. Er warb für ihn einen Freundes-und Verehrerkreis quer durch Deutschland. Er wies seinen Schüler Johann Georg Sulzer, der seit 1747 in Berlin tätig war und seit 1750 Mitglied der Königlichen

Akademie der Wissenschaften war, auf das junge Talent hin, dies schon gleich nachdem er den Hermann erhalten hatte. Er hielt ihn über Wielands Arbeiten auf dem Laufenden. Sulzer wiederum war mit Johann Wilhelm Ludwig Gleim befreundet.

Und er machte sich bei Gleim für Wieland stark. Bodmer selbst hatte Gleim Wieland als “den zweiten Klopstock” gepriesen. Er besorgte auch die Hymne mit einer Vorrede in Berlin zum Druck. (Fritz Budde in Wieland und Bodmer S. 30)

Wieland weilte nun schon ein Jahr bei Bodmer. Der Freundeskreis suchte für Wieland eine passende pädagogische Betätigung.

Von Bodmer angeregt entwarf Wieland den Plan einer Akademie zur Bildung des Verstandes und junger Leute zu entwerfen. Er schrieb da am 5. Juni 1753 auch Sophie davon. “ Die Sache selbst, die ich darin geschrieben habe, indeß verdient alle

Aufmerksamkeit, sonderlich das project des Herrn B…” (C.M. Wielands Briefe an Sophie von La Roche, herausgegeben von Franz Horn S 24/25). Genaueres über dieses Projekt erfährt in einem Brief an Müchler (abgedruckt in der Nr. 32 des Morgenblatt für gebildete

Stände vom 7. Februar 1814) Johann Georg Müchler war zu der Zeit Hauslehrer bei Herrn von Arnim auf Suckow. Und von dort hatte Wieland eine Angebot erhalten, als Lehrer an einem vom brandenburgischen Adel zu gründenden Erziehungsinstitut

mitzuwirken.. In diesem Brief lehnt er das Angebot ab und erzählt gleichzeitig von seinen Akademieplänen. “Ich habe mit einigen Freunden ein Projekt einer Akademie gemacht, welche ein Antipode der deutschen  Akademien und Gymnasien.

Pädagogien und wie sie heißen, seyn sollte. Die Wissenschaften, die darin gelehrt werden sollten, wären Philosophie, Geschichte und Mathematik, vor allen die Moral und Politik und die nöthigste Kunst, die Kenntnis der Menschen.”

Mit “einigen Freunden” ist mit Sicherheit Bodmer gemeint aber natürlich auch Künzli. Er war es, der kurz zuvor ja in Winterthur diesen Plan dort in Druck gegeben hat. (nach L.F. Ofterdinger S. 92). Zwar war der Plan ohne Namensnennung veröffentlicht  worden. Aber es war doch bald ruchbar geworden, dass er von Wieland stammte. Und so erhielt er vier Schüler, den Sohn des Amtmann Grebel,  einen Sohn des Zunftmeister Waser zwei Söhne des Kaufmanns Ott. So konnte er daran denken, bei Bodmer auszuziehen. Er wohnte zunächst bei Doktor Gessner, dem Schwager Bodmers. Vorher war aber etwas für Wieland unfassbares geschehen. Sophie hatte ihre Verlobung gelöst und Wieland mitgeteilt, dass sie Frank La Roche heiraten werde.

Es war ja schon oben gezeigt, dass Wielands Mutter alles andre als begeistert war mit Christoph Martins Wahl. Ludmilla Assing, die erste Biographin von Sophie (Siehe Blog Sophie von La Roche) bemerkt dazu in “Sophie von La Roche, die Freundin Wielands”

auf Seite 61 “Das Betragen von Wieland’s Mutter erreichte einen unerträglichen Grad der Gehässigkeit.” Sophie ging also zurück zu ihrem Vater nach Augsburg. Aber auch dort hatte sich die Situation total geändert. Sophies Vater hatte sich wieder verheiratet.

Das ohnehin schon schwierige Vater-Tochter Verhältnis wurde noch zusätzlich dadurch belastet, dass er seinen Stiefsohn bei seiner Wiederverheiratung als Erben eingesetzt hatte. Sophie stand nun auch unversorgt da. Sie war “schon” 23 und die gelöste

Verlobung mit Bianconi und die eigentlich wenig zukunftsträchtige Verbindung mit dem jungen Dichter, der wie Vater Gutermann meinte, nie  “Brodwissenschaft” studieren wollte, erhöhte ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt keineswegs.

Als sie auf Drängen ihres Vaters die Verlobung mit Bianconi gelöst hatte, wollte ihr Bräutigam Sophie zur Flucht überreden. Christoph Martin hätte diese Kraft und Entschlossenheit, die zu einem solchen Entschluss nötig gewesen wäre,

nicht aufgebracht und Sophie wusste das. Und Wieland saß ja auch völlig glücklich in Zürich und ahnte nicht, was sich in Biberach und Augsburg anbahnte. Sophie schrieb nun an ihre Stiefmutter in Augsburg und erklärte ihr, dass die Verbindung mit Wieland gelöst

sei und kündigte ihre Rückkehr nach Augsburg an. Zu dieser Zeit war Frank von La Roche, der kurmainzische Rat und Sohn des Grafen von Stadion in Augsburg. Er lernte die Familie Gutermann und damit auch Sophie kennen. Er warb um sie. Vater und Stiefmutter

setzten Sophie stark unter Druck und schließlich gab sie nach. Auch Frank La Roche war katholisch. Aber bei Georg Friedrich Gutermann spielte das diesmal keine Rolle mehr. Es gab auch keinen Ehevertrag wie bei Bianconi, der die Verbindung zum

Platzen brachte.  Man hat den Eindruck, dass der Vater einfach froh war, dass die Tochter aus dem Haus kam, zumal der künftige Gemahl ja auch keine schlechte Partie war. Für Sophie musste es eigentlich schon befremdlich sein, dass ihr Vater diesmal

seinen protestantischen Religionseifer nicht herauskehrte, obwohl sie ja mit Christoph Martin verlobt war und der ja protestantisch war.

Wieland erfuhr das alles erst im Dezember 1753 eben über den Brief, den Sophie an ihre Stiefmutter geschickt hatte. Diesen hatte die Stiefmutter an Wieland geschickt begleitet von der Mitteilung, dass Sophie Herrn von  La Roche ihre Hand geben würde.

Der junge Wieland ist natürlich aus seinen schönsten Träumen gerissen. Er zertritt Sophies Bild, lässt das Glas allerdings gleich am nächsten Tag wieder reparieren. Er fasst sich und schreibt am 12. Dezember 1753 an Sophie:

“Erlauben sie mir, meine Wertheste, Sie daran zu erinnern, dass wir uns tausendmal in dem Angesicht Gottes zugesagt haben, uns so lange zu lieben, als wir die Tugend lieben und wir meinten damals, dass das soviel sey, als ewig. Sollte diese Zusage

itzt ungültig seyn?” (C.M. Wielands Briefe an Sophie von La Roche, herausgegeben von Franz Horn  S. 25/26) 6 Wochen später, nämlich am 30. Januar 1754 schreibt er wieder an Sophie. Er rekapituliert sein Schreiben vom Dezember “Ich kam also dann

zu dem mir sehr angelegenen Punkt, daß ich nicht einsehen könne, daß die zärtliche Verbindung unserer Seelen, oder unserer Freundschaft um Ihrer Vermählung willen gebrochen werden müsse; indem eine herzliche, edle Freundschaft, welche zugleich

mit vielen unterhalten werden kann, sich mit der ehelichen Liebe zu Einem gar wohl verträgt, und ich Ursache habe zu glauben, daß ich Ihrer Freundschaft noch so würdig bin als vor einem Jahr” (ebda S. 29).  Am 19. März 1754 schreibt er

direkt an La Roche. Er bringt darin zum Ausdruck, dass er sich sehr freut, dass Sophie, “dieses außerordentliche werthe Geschöpf” an einen “so edelmüthigen und seinen Werth so gut empfinden Besitzer gekommen ist, wie Sie mein vortreffleicher Freund”

(ebda S 32.)Natürlich teilt er seinem väterlichen Freund Bodmer mit, dass die Beziehung nicht mehr besteht. Er schreibt ihm am 2. Juni 1754 von Winterthur aus. Er sieht das Aus nicht als Sophies Schuld, sondern “daß es ein Schicksal ist, das mich

des redlichsten und liebenswürdigsten Mädchen beraubt hat” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 1, Zürich 1815 S. 132)

Am 24. Juni 1754 verläßt er Bodmers Haus. In seinem Brief an Bodmer mit diesem Datum bringt er seine tiefste Dankbarkeit zum Ausdruck und sagt, dass er eigentlich noch weit mehr sagen wollte, dies aber “aus Furcht der geringsten Ähnlichkeit mit einem

Schmeichler” nicht tut und dann weiter “Sie haben die ganze Güte Ihres vortrefflichen Herzens über mich ausgebreitet; Sie waren väterlich für mich besorgt und nahmen den zärtlichsten  Antheil an meinen unglücklich scheinenden Begebnissen”

(er spielt dabei auf Sophie an) er bezieht in seinen Dank auch Bodmers Frau ein wie wohl er sagt “ich bin nicht im Stand mit Worten so viel als ich wünsche, alle zärtliche Dankbarkeit auszudrücken, die ich für die ausnehmende Güte der Frau Professorin

gegen mich in vollem Maße empfinde” (ebda S. 135 ff.)

Außer den schon erwähnten Werken schrieb Wieland während seines Aufenthalts bei Bodmer “Der Frühling” (im Mai des Jahres 1752 aufgesetzt und in Band 1 der Poetischen Schriften s.o. gedruckt.) Der Fryhling in Bodmerscher Schreibweise müsse

Klopstock in den Schatten stellen. Er schrieb an Zellweger “ein allerliebstes Werk, das bei Klopstock den Gedanken erwecken muss, es sei einer da, der ihm gleichkommen oder in gewissen Stücken übertreffen könne” am 17. Mai 1752.

Zurück zu Wielands Tätigkeit als Erzieher. Er nahm diese Tätigkeit sehr ernst und er hatte diesbezüglich schnell einen enormen Ruf in Zürich. So erzählt Georg Gessner in seiner Johann Kaspar  Lavaters Lebensbeschreibung, Winterthur 1802 Bd. 1

auf Seite 63 von der Zeit als Wieland nach Zürich kam, dass auch Lavater von dem Aufsehen erfuhr, das Wieland erregte. “Da erzählten sich die Knaben unter einander von dem Manne, der so viele Sprachen verstühnde, der mit dem blossen Blick

ein Zimmer ausmessen, und sagen  könnte wie viele Linsen d’rin Raum hätten. Der Mann nähme Schüler an aber nur vornehme und ausgesuchte Köpfe; er lehr’ in Einem Tag mehr als andere in Wochen u.s.w” . Natürlich erregte “dieses Gerede” über Wieland

auch Lavaters Interesse ohne dass er zu der Zeit zu näherer Bekanntschaft mit ihm kam.

Ab Juni 1754 lebte Wieland im Haus des Amtmann Grebels, dessen Sohn ja schon zu seinen Zöglingen zählte. Nach Ofterdinger wurde Wieland als höheres Wesen betrachtet und Frau von Grebel unterstützte ihn in allem.

Es war dies eine Zeit großer Veränderung in Wielands Leben. Er war von seinem väterlichen Mentor weg gezogen. Er war nun als Erzieher tätig und vor allem , er musste die Trennung von Sophie verarbeiten. In diesen Jahren von 1754 erschienen teils poetische, teils

philosophische Werke. Über die Kritik an diesem Werk von Nicolai und Lessing ist ja oben schon geschrieben worden.

Wieland studierte die Schriften der griechischen  Philosophen, um sich in der griechischen Sprache gründlich auszubilden. Auch englisch lernte er, was er schon in Tübingen am 26. März 1752 in einem Brief an Schinz angekündigt hatte. “ Ich werde

nächstens das Englische zu lernen anfangen. Ich brenne vor Begierde, Milton, Pope, Addison, Young, Thomson in ihrer Sprache zu lesen.” (Ausgewählte Briefe, S.55).

Sein neuer Wirkungsbereich war zeitaufwendig für Wieland. In einem Brief an Johann Georg Zimmermann vom  15. Dezember schildert er seinen Tagesablauf. Er steht morgens um  7 auf, braucht aber nach eigenem Bekunden etwa eine Stunde,

bis er in die Gänge kommt. “Um acht Uhr dejeunire ich und lese insgemein etwas dazu.” Von neun bis elf unterrichtet er und bis zwölf erledigt er kleinere Arbeiten. “Bis nachmittags um zwey pflege ich nichts zu arbeiten”. Dann folgt wieder Unterricht.

Danach muss er seinen Freundeskreis pflegen, das heißt er bekommt Besuche oder er macht Besuche. Auch seine Hausherren (“Hauspatrone”) bekommen Besuch und er muss der Höflichkeit halber dabei sein. Auch gesellschaftliche Pflichten fordern ihren Tribut.

“Ueberdem sind etwan ein halb  Dutzend Häuser,  wo ich um allerley Verbindungen willen von Zeit zu Zeit einen Besuch machen muss.” Er beklagt sich im weiteren, dass zu seinen Arbeiten nur ein paar Abende und “die Stunden der Nacht, die ich dem Schlaf zu

entwenden pflege”(Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 1, Zürich 1815 S. 230 ff.) Die wenige Freizeit, die ihm blieb, verbrachte er in Damengesellschaft. In seinem männlichen Bekanntenkreis stieß sein seraphischer Gedankenflug, auf dem er seit seiner

Trennung von Sophie war,  auf leise Ironie. Aber dankbare Zuhörerinnen fand er unter Damen reiferen Alters. Da war zum einen  eine ältere Verwandte im Hause Grebel,”welche schon längst mit dieser Welt abgeschlossen hatte und sich nur mit dem Jenseits

befasste”. (zitiert nach L.F. Ofterdinger  S. 106). Wieland sagte selbst “er lebte in  platonisirenden Morgenträumen” harmonierte gut mit “der Devotin”. Ihr zu Gefallen dichtete er die “Empfindungen eines Christen”, die auf so herbe  Kritik Lessings stießen. In

Weimar äußerte er sich später dazu: “Als mir später die Schuppen von den Augen fielen, ergrimmte ich besonders über diese heilige Prüderie und affectirte Züchtigkeit und die Marter, die mir damals jene tantalisirende Fromme, mit der ich unter Einem Dache

wohnte, angethan hatte, die Erfahrungen, die ich damals gemacht hatte, haben gewiß vorzüglich viel dazu beigetragen, daß ich zu meinen Gedichten dem Anschein nach so wollüstige und lockende Themen genommen und con amore (aber immer mit dem reinsten

sinne) ausgemalt habe.” (Historisches Taschenbuch, Band 10 von Wilhelm Maurenbrecher,Friedrich ¬von Raumer S. 398 Wieland über seine Geliebten). Wichtig war für Wieland aber vor allem Frau von Grebel-Lochmann. Ihr verstorbener Mann war ein Vetter

des Amtmann Grebel, bei dem er wohnte. Wieland selbst sagt über Frau Grebel “Meine feurigste Liebe in Zürich war zu einer Frau von Grebel,

einer jungfräulichen Witwe von 40 Jahren” ( Historisches Taschenbuch S. 399)und ab S. 401 “Nur hielt es sehr schwer, Sie unter vier Augen zu sprechen. Zu ihr zu gehen, wäre nach zürcher Wohlstandsgesetzen ein Staatsverbrechen gewesen.

Nun hatte sie einen Neffen und man kam überein, dass Wieland diesem ein Privatissimum in Philosophie erteilte. Dadurch erhielt Wieland das Recht, ihr Rechenschaft über die Fortschritte ihres Neffen zu geben. Dieser fungierte praktisch als Postillon

d’Amour. “Der Herr Vetter brachte nur immer ein zugesiegeltes Buch von seiner Tante und ich schickte ihr eines durch eben diesen Botschafter. Aber in diesen Büchern lagen immer gegenseitige zärtliche Briefchen. Bald kam es soweit, dass fast kein Tag,

ohne in einem Briefchen uns gegenseitig gestreichelt zu haben verfloß.” (Historisches Taschenbuch S. 402). Beiden war klar, dass ihre Beziehung keine Zukunft hatte. “Die Ungleichheit des Alters war das größte Hindernis (ebda.) Die Beziehung

dauerte 4 Jahre. Dann warb ein Züricher Witwer um sie. Frau Grebel machte Wieland “zum Vertrauten dieses Antrags” und er riet “selbst herzlich zu dieser neuen Verbindung” zumal Alter und Vermögen dafür sprach. Und Wieland konstatierte

“So endigte diese Liebe”. Natürlich hatte dem sittenstrengen Bodmer diese Frauenbekanntschaft missfallen. Aber Wieland verteidigte diesen Umgang. “Ich verdiene keine Vorwürfe wegen meines Umgangs mit Frauenzimmern. Es sind wenige,

und Personen von gutem Charakter und bekannten edlen Sitten, mit denen ich umgehe oder umgegangen bin.” (im Brief an Bodmer vom 22. November 1754 Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 1, Zürich 1815 S. 144). Bodmer war wohl

einfach eifersüchtig. Er fühlte sich zurückgesetzt und war eben nicht mehr einziger Vertrauter des Dichters. Auch befürchtete er, dass Wieland seine Zeit vergeude statt sich um Poesie und guten Geschmack zu kümmern. Zwar blieb der Verkehr immer noch rege.

Wieland kam jeden Sonntag auf Besuch zu  Bodmer oder traf ihn bei Breitinger. Er lieh sich nach wie vor Bücher bei Bodmer für sein Studium. Aber die Beziehung war doch brüchiger geworden. Über Frau von Grebel kam Wieland in vielerlei Gesellschaften und

sein Bekanntenkreis weitete sich. Er nahm Kontakt auf mit dem Fabeldichter Meyer von Knonau. Schon von Tübingen aus erkundigte sich Wieland bei Bodmer über Meyer von Knonau. Dass Wieland jetzt den Kontakt suchte, verwundert nicht. Wilhelm Scherer

arbeitet in der Zeitschrift für Deutsches Altertum in Heft 20 das Beziehungsgeflecht heraus. (S. 320 ff). Er bezieht sich auf Wielands Brief an Bodmer vom 29. Mai 1754, indem er mitteilt, dass er einen Brief “von der Frau Gr. G.” erhalten habe und gesagt bekommt,

dass er im Constanzer Haus Unterkommen erhalte. Und dann erläutert Scherer, dass Frau Amtmann Grebel die Frau des Amtmann Hans Georg Grebel im Constanzer Haus ist. Er wird Erzieher des Sohnes des Amtmann und Frau Grebel ist wie eine zweite Mutter zu

ihm. Sie ist die 1713 geborene Verena Meyer von Knonau, eine Schwester des Fabeldichters Johann Ludwig Meyer von Knonau, der ja auch mit Bodmer befreundet war. Der Dichter bewohnte das Schloss seiner Gerichtsherrschaft von Weiningen, wo dann Wieland

auch oft zu Gast war. Auch Salomon Gessner wollte Wieland schon lange kennen lernen. So lange er bei Bodmer wohnte, hielt er es allerdings für nicht opportun. Gessner hatte einen großen Ruf als Idyllendichter. In Frankreich wurde er fast  noch mehr bewundert

als in Deutschland. Sein Vater Konrad war Verleger. Salomon war seit 1761 Teilhaber des Verlagshauses Orell, Geßner & Cie bei dem ja auch Wielands frühe Werke erschienen. Schließlich gab es später familiäre Verbindungen, den Salomon Gessners Sohn Heinrich

heiratete 1795 Wielands Tochter Lotte. Die wichtigste Bekanntschaft die Wieland in dieser Zeit machte, war die mit Johann Georg Zimmermann, der zu der Zeit Stadtarzt in Brugg war.  Über Breitinger hatte Wieland von dem Arzt in Brugg gehört. Was er von ihm

hörte, ließ ihn auf Seelenverwandtschaft schließen. Der Brief vom 11. Mai 1756 ist der erste erhaltene Brief an Zimmermann. Da schreibt er “Es war mir ausnehmend erfreulich, von Ihnen eine Betätigung meiner eigenen Beobachtungen zu erhalten,dass wir220px-Johann_Georg_Zimmermann

in vielen Stücken mit einander sympathisieren. Wie kann ein Mann, dessen Empfindungen so zart und edel sind, anders als mit mir verwandt seyn.” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 1, Zürich 1815 S. 175 f.) Über Breitinger  hatte Wieland

auch von Zimmermann Gedicht “Die Zerstörung Lissabons” gehört, dass dieser über alle Maßen gelobt hatte. Wieland bot sich im Brief von 19. Mai 1756 an, “die Correktur des ersten Probebogens besorgen zu dürfen” (S. 178) Daraus entwickelte sich eine beständige

Korrespondenz. Sie schickten sich gegenseitig ihre Werke zu und kritisierten sie. Zimmermann hatte in Göttingen Medizin studiert, wo er Schüler seines Schweizer Landsmanns Albrecht von Haller war, der Mediziner, Botaniker und Wirtschaftspublizist

war. Aber auch als Dichter tat er sich hervor. Auf diesem Gedicht war sein Werk “Die Alpen” das wichtigste. Zimmermann schreibt immer wieder an Haller, gibt ihm Hinweise auf Wielands Werke und möchte auch Hallers Meinung zu Johanna Gray erfahren.

Hallers Urteil hat sicher Zimmermanns Einschätzung zu Wieland beeinflusst. Beide beeinflussten sich sehr positiv. Der Spott Zimmermanns brachte Wieland dazu, den “platonischen und seraphischen Mantel abzuwerfen” (Rudolf Ischer, Johann Georg Zimmermanns

Leben und Werke Bern 1893 S. 65). Natürlich erweiterte der Briefwechsel mit einem Arzt und Naturforscher Wielands Horizont beträchtlich.Auch andere Lektüre kam allmählich auf Wielands Leseplan. Er las jetzt Xenophon und Lucian, englische Schriftsteller,

Shaftesbury und vor allem Shakespeare. 1758 erscheint das Trauerspiel Lady Johanna Gray. Wieland verfasste es nach Nicolas Rowe. Lessing bemerkt in seinem 64. Literaturbrief, dass Wieland sich bei Rowe bedient habe. Aber im 63. Brief von 1759

schreibt er auch auf Seite 242 “Freuen sie sich mit mir! Herr Wieland hat die aetherischen Sphären verlassen und wandelt wieder unter den Menschenkindern”. Er schreibt dann weiter mit leicht ironischem Ton,

dass es in der Schweiz aufgeführt worden sei. Es wurde von der Ackermannschen Theatertruppe am 20. Juli 1758 in Winterthur uraufgeführt. Wieland war bei der Aufführung anwesend. Wieland hat mit diesem Werk erstmals in der deutschen

Literatur den Blankvers, übernommen,der damals auf der englischen Bühne üblich war. Gleichzeitig arbeitete er an einem Epos, nämlich “Cyrus”.Es war von Xenophon inspiriert. Cyrus war der persische Herrscher, der das jüdische Volk aus der

babylonischen Gefangenschaft entließ.Das Vorbild aber war Friedrich II. von Preußen, der im Kreise Bodmers als Streiter gegen den Katholizismus gefeiert wurde.Wieland hielt den Cyrus für sein erstes Hauptwerk. Es folgte das Trauerspiel Clementina von Poretta,

das er nach einer Erzählung von Samuel Richardson dramatisiert hatte. Es erschien 1760 in Zürich.

Inzwischen waren Wielands Zöglinge im Hause Gröbel so groß geworden, dass seine Aufgabe dort zu Ende ging. Er musste sich also nach einer neuen Existenzgrundlage umsehen. Vor einem akademischen Lehramt “grauete und ekelte es sich ihm” wie er sagt

Er denkt daran, nach Biberach zurück zu kehren dort seine angefangenen Werke, vor allem den Cyrus zu beenden und sich eventuell um eine Magistratsstelle zu bewerben, wenn sich die Gelegenheit ergibt oder anderswo als Literat zu leben und eine gelehrte

Zeitschrift zu redigieren. Ganz unverhofft bekam er aber ein Angebot für eine Hofmeisterstelle in Marseille. Zimmermann war 1752 nach Bern gekommen, um dort eine Praxis zu eröffnen. Er hatte ein Empfehlungsschreiben seines Lehrers an den Schultheißen

Sinner bekommen.Und das war auch der, der einen Erzieher für seinen Sohn suchte. Wieland schwankte zwischen Marseille und Bern. Er entschied sich aber für Bern. Sein doch schon längerer Aufenthalt in der Schweiz und die Freundschaft zu Zimmermann

haben wohl den Ausschlag gegeben.

Wieland kam 14. Juni 1759 in Bern an. Er war jetzt 26 und hatte auch in Bern einen guten Ruf und jeder wollte ihn kennen lernen. Friedrich Sinner, dessen Kinder der Dichter erziehen sollte, war Ratsherr in Bern und später amtierender Schultheiss.

Er hatte eine große Bibliothek, wie Wieland seinem Freund Zimmermann erzählt und auch eine bedeutende Gemälde-und Kupferstichsammlung. Über seine neue Aufgabe ist er aber nicht sehr glücklich. Am 25. Juni 1759 schreibt an seinen Freund:

“Die Knäblein * * sind so unwissend, ungeschickt, kindisch und ungelehrig, daß ich nie aufhören werde, mich und meine verlorene Zeit zu bedauern.” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S. 41) und am 4. Juli schreibt er ““:

“Wenn das Amt , alle vier Tage vier Stunden in den Elementen der Grammatik zu unterweisen, lange fortdauerte; so würde der Geist, der den Cyrus denken, und mit Shaftesbury Diderot und Rousseau wetteifern soll, gänzlich verlöschen oder

wenigstens zum Pygmäen werden.” (ebda S. 47) Wieland hatte rasch Freunde gewonnen so die Ratsherren Bonstetten, Fellenberg und Tscharner sowie Professor Stapfer aus der Berner Theologenfamilie Stapfer. Diese sahen, dass die neue Tätigkeit dem Dichter

Wieland nicht förderlich war. In diesem Sinne wirkten sie auch auf Herrn von Sinner ein. Das Verhältnis im Hause Sinner wurde schon im Juli freundschaftlich gelöst. Sie verschafften ihm dafür ein Kollegium in Philosophie. Er hielt vier jungen Patriziern mit

Vorkenntnissen täglich zwei Stunden Vorlesungen. Dafür erhielt er 200 Kronen. Seine Existenz war so gesichert und er behielt genug Zeit für sich, zu arbeiten. Wieland wurde gleich von Beginn an in der Berner Gesellschaft herumgereicht. Das war zwar

erfreulich aber eben auch mit sehr viel Ablenkung verbunden. Auch auf zwei Damen wird er hingewiesen und zwar die Freundinnen Marianne Fels und Julie Bondeli. Beide zeichneten sich durch Geist und Gelehrsamkeit aus. Marianne Fels zeigte nach Ofterdinger

allerdings einen so ausgeprägten Männerhass, dass sich daraus keine bleibende Beziehung entwickeln konnte,  anders Julie Bondeli. Allerdings war Wielands erster Eindruck nicht besonders gut. Über sie schreibt er an Zimmermann : “ Mademoiselle Bondeli

a parfaitement réussi à m’ennuyer pendant deux heures continues. C’est une fille éffroyable que cette Mademoiselle Bondeli (ebda. S 49 f.). Aber bei der ersten Begegnung wollte eben jeder einen möglichst günstigen Eindruck machen oder wie Ofterdinger

das schildert: “sie wollte durch ihre Gelehrsamkeit imponiren, was bei einem Manne wie Wieland lächerlich herauskam; er aber zeigte sich als ein berühmter Dichter ,“der alle Frauen durch die Superiorität seines Genies zwingen könne, ihn bon gré mal gré

zu lieben” (Ofterdinger S.130) Das änderte sich aber rasch. Wieland sagte später dazu “ Meine leidenschaftlichste Liebe war die Bernerin Julie Bondeli, die älteste Tochter eines Patriciers von sehr vornehmen Stamme und die witzigste und klügste ihres Geschlechts in der Schweiz. (in Historisches Taschenbuch 10 S. 403 f.) Wer war diese Frau, die Wieland sehr schnell völlig anders beurteilte? Julie Bondeli wurde im Dezember 1731 geboren. Die Kirchenbücher geben nur den Tauftag aber nicht den Geburtstag an.

Julie wurde am 1. Januar 1732 getauft. Sie war also ein Jahr älter als seine große Liebe Sophie. Sie war in ihrer geistigen Entwicklung ähnlich frühreif wie Sophie und auch Christoph Martin. Mit zehn hatte sie den katholischen und den protestantischen Katechismus

auswendig gelernt “ da sie in einem paritätischen Land lebte” (in Julie Bondeli: Die Freundin Rousseaus und Wielands von P. J. J. Schädelin Bern 1838 S.8) Ihre Jugend verbrachte sie auf dem FamiIiengut Buchsi in Köniz bei Bern. Dort wurde sie von Samuel Henzi

unterrichtet, ein außerordentlich gebildeter Mann, der auch Bodmer in seinem Streit mit Gottsched unterstützte. Henzi wurde 1749 als einer der Henzi-Verschwörer hingerichtet. Julies Vater musste Henzi als dieser in Burgdorf  war,  in seiner Eigenschaft als

Schultheiss von Burgdorf verhaften und nach Bern überführen, obwohl er auf sein sehr freundschaftliches Verhältnis zu Henzi hingewiesen hatte. Als ihr Vater Friedrich Landvogt in Burgdorf wurde, kam sie auch nach Burgdorf. Dort wurde sie von

Pfarrer Johann Rudolf Gruner unterrichtet. Er war Sammler und Chronist. In Burgdorf führte er ein Schulfest ein und begründete die Stadtbibliothek. In 386 Bänden trug er topografische, historische und genealogische Quellen zusammen u. a. die für die

Anfänge des Pietismus in Bern unentbehrlichen “Acta pietistica”. Mit 15 wollte Julie Philosophin werden. Sie entwickelte sich zu einer Intellektuellen. Sie stand in Austausch mit intellektuellen Männern und Frauen und galt in der europäischen Gelehrtenrepublik als

weibliches Genie. In Bern stand sie  in Verbindung mit Bernhard Tscharner, den wir oben schon im Freundeskreis von Wieland sahen, dann Johann Rudolf Tschiffeli, der Mitglied der Helvetischen Gesellschaft war, ein Kreis aufklärerisch gesinnter Schweizer

Persönlichkeiten, wo es auch wieder viele Querverbindungen zu Wieland gibt. Tschiffeli hatte 1759 die ökonomische Gesellschaft begründet. Dieser gehörte auch Nicolaus Anton Kirchberger an. Und auch er zählte zu Julie Bondelis Freundeskreis und war seinerseits

wieder eng mit Rousseau, aber auch mit Wieland befreundet. Mitbegründer der Ökonomischen Gesellschaft war auch Samuel Engel.  Er war Bibliothekar, Geograph und Ökonom und war auch in diesem erlesenen Kreis. Hier wurden historische, philosophische und

dichterische Arbeiten vorgelesen und besprochen. Julie beherrschte diesen Kreis. Tscharner schrieb an Zimmermann “Mademoiselle Bondeli ist ohne Widerspruch die Seele dieser liebenswürdigen Gesellschaft, welche Freundschaft und Übereinstimmung des

Geschmacks zusammenhält.” (Julie von Bondeli und ihr Freundeskreis von Eduard Bodemann Hannover 1874 S.10).Wieland entflammt für Julie, sie aber hält sich zurück, wie er Zimmermann am 24. Juli 1759 schreibt “Die Jungfer Bondeli ist eine prude par

principes, und will nichts von Liebe hören. Sie ist meine Freundin und ich soll ihr Freund seyn. So Sey es denn so” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S.59).

220px-JulieBondeli

Er schreibt an Zimmermann auch über die Schwierigkeiten die er sieht, eine Ehe mit Julie einzugehen.”Sie würde mich unaussprechlich glücklich machen.Aber ich sehe keine Möglichkeit.Ich müßte auf eine sehr anständige und vorteilhafte Weise etablirt sein,

wenn ich berechtiget seyn sollte, eine solche Prätension zu machen, und bisher ist kein solcher Anschein zu einem solchen Etablissement”(an Zimmermann ohne Datum Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S 109.)

Eine Zeit lang hoffte er, in Biberach eine Stelle zu erhalten. Wegen des damaligen Bürgermeisters ließ sich diese Hoffnung nicht realisieren. Wieland wollte auch auf Zuraten seiner Berner Freunde eine Buchhandlung in Zofingen zu erwerben, die dort zum Kauf

angeboten wurde. Eine Buchdruckerei sollte mit angelegt werden. Da wollte er eigene Werke sowie Sammlungen interessanter Stücke aus Philosophie, der schönen Literatur und Übersetzungen der schönsten Schriften des Altertums und Auslands verlegt werden.

Er dachte zum Beispiel an Xenophon und Shaftesbury. In einem Brief an Zimmermann erzählt er davon (1. Mai 1760).

Aber noch ehe der Kauf getätigt werden konnte, erfährt er von seinen Mutter, dass der Bürgermeister, der Wieland nicht wohl gesonnen war, verstorben sei. Sein Vater teilte ihm dann mit, dass er in Biberach zum Senator gewählt worden ist und zwar einstimmig

und wie der Vater erwähnt, “zur Freude aller evangelischen Bürger” (nach Gruber S.308). Beide Elternteile ermahnen ihn, die Stelle anzunehmen. Julie befand sich da gerade in Neufchatel. Die Abreise erfolgte so schnell, dass sich Wieland nicht einmal

verabschieden konnte. Nach seiner Aussage hatten sie sich aber vorher ewige Liebe geschworen und der Briefwechsel wurde fortgesetzt. (in Historisches Taschenbuch 10 S. 408). Der Briefwechsel kam aber sehr rasch zum Erliegen, wohl auch durch Wielands Schuld.

Allerdings bedeutete sein neues Arbeitsfeld sicherlich auch eine enorme Umstellung für ihn, so dass Briefwechsel-egal mit wem- auch zwangsläufig zunächst mal eher hinten anstand. Wieland schildert auf der gleichen Seite auch wie er nach Biberach kam.

“Ein Herr von Hiller, der Nächste nach dem Bürgermeister in Biberach ein roher Mann, der aber gewisse äußere Talente und männliche Schönheit hatte, bewarb sich um Cateau (die jüngere Schwester von Sophie La Roche). Sophie wünschte ihre jüngere Schwester in der Nachbarschaft in Biberach zu haben und beförderte diese Heirath. Dies war alles während meiner sechsjährigen Abwesenheit in der Schweiz vorgegangen. Die Frau von Hiller hatte eine Stieftochter und legte mit ihrem Manne den Plan an, mich aus der Schweiz nach Biberach zurückzuangeln und mit ihrer Tochter so zu verkuppeln, daß ich ihr Schwiegersohn und Anbeter zu gleicher Zeit würde. Darum erhielt ich die Stelle als Stadtsecretair in Biberach und mußte sie auf dringendes Bitten meiner Aeltern auch annehmen”. (ebda.S. 407 f.) Die Stelle eines Senators war zwar ehrenvoll und auch mit großem Einfluss versehen, eine Lebensgrundlage bot sie aber nicht. Doch wurde kurz nach Wielands Wahl die Stelle des Kanzleiverwalters frei und Wieland bewarb sich und erhielt die Stelle zum 27. Juli 1760. Das war nun mit erheblichen Vorteilen verbunden. So erhielt er eine   geräumige Amtswohnung direkt neben dem Rathaus (heute Kugler-Maurer, mit einer Gedenktafel versehen, die wegen des Umbaus des Hauses in den 50-iger Jahren so hoch  angebracht ist, dass man sie nur bemerkt, wenn man sie sucht), ein für die damalige Zeit gutes Einkommen. In einem Brief an Bodmer sagt er dazu am 1.10. 1760  “Unterdessen befinde ich mich im Besitz eines der bequemsten Häuser unserer Stadt, bey einer Besoldung von 1000 Gulden, und bey Geschäften, die, wenn nur einmal die jetzigen Troublen vorüber sind, mir sehr wenig Mühen machen werden” (ebda S. 148)(um 1700 hatte ein Gulden die Kaufkraft von zwischen 40 und 50 €) Laut Ofterdinger erfährt Wieland erst später während der Prozesse, wie er zur Stelle des Kanzleisekretärs gekommen ist. Und Wieland erwähnt in seiner Erinnerung nicht, dass seine Mutter in dieser Angelegenheit wohl im Verbund mit

Cateau von Hillern tatkräftig mitgemischt hat. Wieland erinnert sich, dass die jüngere Schwester, “als er mit Sophie umging” schon mit ihm kokettierte. Sie sah auch jetzt, als sie verheiratet war, immer noch gut aus. Aber ihre Ehe war nicht glücklich.

Ihr Mann betrank sich damals fast täglich. Wieland wurde nun zum Seelentröster. Sie wurde für ihn durch “ihre reizende Figur ebenso gut als durch ihr Unglück”  interessant und all das schrieb er “in der Aufrichtigkeit meines Herzens immer feuriger und

lobpreisender” an Julie.Sie sah das anders und wohl auch klarer. “und was sie nicht sah, “enthüllte ihr Marianne Fleiß” (Wieland in Historisches Tagebuch S. 408)An Zimmermann schreibt Julie am 4. August 1761”Eine Schwester der Madame Laroche ist die Schuld

seines ganzen Unglücks. Er wurde verliebt in sie, sobald er sie sah; nachdem er drei Wochen in Biberach  war, hielt er sie schon für ein Modell der Vollkommenheit und nannte sie eine zweite Panthea. Sie wusste ihn geschickt zu gewinnen und er hätte nicht

Wieland sein müssen, um ihr zu widerstehen.(zitiert nach Bodemann S.64 f). Und Wieland resümiert ernüchtert ”so endete unsere Liebe” (Historisches Tagebuch S. 409) Zwar brachte Zimmermann nochmals eine Versöhnung zustande. Aber seine

Anstellung als Stadtschreiber blieb zunächst  nur vorläufig und  das dauerte bis 1764. Ein katholische Ratsherr hatte einen Prozess angestrengt, bei dem es um die Gleichstellung der Kanzlei und des Syndikats ging. In einer Stadt, die streng auf Parität achtete, natürlich ein Politikum ersten Ranges. Während des Prozesses war seine Stellung unsicher und zudem musste er des öfteren auch Erfahrungen mit dem Wankelmut seiner Gönner und Freunde machen. Am  7. April 1762 klagt er Zimmermann sein Leid “Ach! mein liebster Zimmermann, wenn Sie wüßten, was ich hier ausstehe, und in was für einem Labyrinth von Verwirrung und verdrießlichen Händeln ich ohne Ausgang herum irre oder vielmehr herumgetrieben werde…Der verdammte Prozess unserer beyden Magistratsanteile über die Parification der Canzley und des Syndicats um  dessentwillen ich nun schon zwanzig Monathe lang wie eine Seele im Fegefeuer leide, ist nun dahin gediehen, daß es mich meine Stelle vermuthlich gänzlich kosten wird.” (ebda. S. 174)Ganz so schlimm kam es nicht, aber der Prozess zog sich noch zwei Jahre hin und ging wohl erst dann positiv für Wieland aus, als sich Graf von Stadion in Wien sehr energisch  eingesetzt hatte. (Ofterdinger S. 154)

Als Bürgermeister von Hillern 1765 ganz plötzlich verstarb, dachte Wieland eigentlich “durch diese unerwartete Auflösung des Knotens die schöne Witwe meine Frau werden würde” (Historisches Tagebuch S. 410) Allerdings erklärt ihm Sophie, die so Wieland

“nie mit der Eitelkeit ihrer Schwester zufrieden gewesen war”, dass Cateau “zu stolz sei von der Frau Bürgermeisterin zur Frau eines blossen Officials (dazu gehörte der Stadtschreiber) herabzusteigen. (ebda. S. 411)Im Rückblick meint er,dass bei einer

Heirat mit Julie Bondeli “wäre ich im ruhigen Selbstgenusse nie der Schriftsteller geworden, der ich bin” (Ebda. S. 412) und weiter “Ganz unglücklich wäre ich aber gewesen, wenn ich die Hiller zur Frau bekommen hätte. Sie war eine imposante

herrschsüchtige Frau, die in Weimar überall Unmut und Missvergnügen erregt hätte.”

1761 war Wieland Direktor der Evangelischen Komödiantengesellschaft geworden Diese Position war mit seinem Amt als Stadtschreiber verbunden. Im ersten Jahr seiner Theaterleitung lernte er auch die 19-jährige Christine Hogel kennen.  Am 22 .

November, dem  Fest  der Heiligen Cäcilie  wurde in Biberach immer ein großes Musikfest veranstaltet, das zwar vom katholischen Teil der Biberacher Bevölkerung ausging. Doch auch die evangelische Bevölkerung beteiligte sich rege. Es war

ein wirklich gemeinsames Fest. Zunächst wurde immer ein Konzert gegeben und zwar ein Teil instrumental und ein Teil vokal. Danach erfolgte ein Ball. Christine war als Solosängerin dabei. Die beiden verliebten sich. Allerdings bezweifelt Michael Zaremba

in “Christoph Martin Wieland,Aufklärer und Poet, Köln 2007” auf Seite 118 diese Datierung, da Obereit (der Entdecker der Handschrift C des Nibelungenlieds)  Bodmer über die neue Beziehung Wielands schon im September informiert hat.

Der anbahnenden Beziehung stellten sich gleich zwei Hindernisse in den Weg. Christines Eltern waren nicht wohlhabend. Der Vater war Säcklermeister  und katholischer Mesmer. Eine erzkatholische Familie der künftigen Braut und eine nicht weniger strenggläubige  protestantische Familie des Christoph Martin machte die Lage nicht einfacher. Dazu waren weitere konfessionelle Verwicklungen sozusagen auf höherer Ebene zu erwarten. Die Taufpaten Christines waren  Hieronymus Eberhard von Brandenburg und Maria Anna Christina von Settelin, beides einflußreiche katholische Patrizier. Christines Vater war Mitglied der vom katholischen Patriziats gegründeten Bruderschaft vom Heiligen Blut Christi, die die Biberacher Blutreiter beim Weingartner Blutritt

stellten. Wielands Vater wieder war der höchste evangelische Geistliche der Stadt. Wieland stellte nun Christine als Haushälterin bei sich ein. Das beflügelte natürlich in dem kleinen Städtchen den Klatsch. Der Dichter aber erlebte einen wahren Schaffensrausch.

An Zimmermann schreibt er am 20. Dezember 1762 “Es wundert sie billig, daß ich in den unbegreiflich tollen und ermüdenden Umständen des 1761 und 1762 Jahrs den Agathon schreiben konnte. Verwundern Sie sich weniger oder mehr, wenn ich

Ihnen sage, daß es eine kleine Zauberin war, die dieses Wunder wirkte. Ohne sie würde ich tausendmahl unter der Last der Verzweiflung erlegen, oder in Anstößen von Trübsinn, Unmuth und Wildheyt auf verderbliche Extremitäten gefallen seyn….

aber ich bitte Sie, lassen Sie mir meine Zauberin, ich will Ihnen dafür aber auch gewiß versprechen, daß ich nicht bey meiner Haushälterin schlafen will” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S. 203 f.)

Allerdings hat er sich nicht daran gehalten, denn Christine wurde schwanger.Aber eine Heirat war aus beruflichen, konfessionellen und gesellschaftlichen Gründen heikel. Der katholische Magistrat wollte keine Verbindung katholischer Mädchen mit

Männern anderer Konfession dulden. Die Protestanten, denen Wieland sein Amt verdankte, waren wegen des Skandals verärgert. Wieland hätte wohl nur in einem Prozess gegen beide Magistrate die Heirat erzwingen können und das hätte ihn wahrscheinlich

Amt und Bürgerrecht gekostet. Über Sophie bat er den Grafen von Stadion, ihm eine Dispens zu erwirken. Sophie brachte Christine erst mal bei den Englischen Fräulein in Augsburg unter. Durch eine Indiskretion war Christines Zustand  dort bekannt geworden

und sie konnte nicht länger bleiben. Wieland wollte sie durch einen Vertrauten abholen lassen, aber Christines Vater war ihm zuvorgekommen. Über Kloster Rot reisten sie zurück.Dort war ihr Bruder als Pater Sigismund im Kloster. Er vermittelte

Vater und Tochter beim Abt, das war Mauritius Moriz, eine Audienz. Wieland war wohl von seinem Vertrauten über die neue Situation informiert. Wieland eilte sofort nach Rot, doch Vater und Tochter waren schon auf dem Weg nach Biberach.

Aber Wieland erhielt nun seinerseits eine Audienz beim Abt. Dieser, ein  gebürtiger Biberacher,  war mit den verzwickten konfessionellen Verhältnissen  in der kleinen Reichsstadt vertraut.  Abt Mauritius  brachte Wieland großes Verständnis

entgegen und sah eigentlich keinen Hinderungsgrund für eine Ehe unter der Voraussetzung, dass Christoph Martin die Kinder in der katholischen Religion erziehen ließ, was ja auch alles andere als einfach gewesen wäre. Und dann wies er

darauf hin, dass dieses nicht seiner Kompetenz unterliege, sondern ausschließlich dem Dechanten in Biberach. Er habe auch schon Vater und Tochter geraten, sich ausschließlich an diesen zu wenden. Wieland  hatte nun auch eine

Unterredung mit dem Dechanten, die der Büchsenmacher Johann Daniel Dettenrieder vermittelte. Dieser war auch Amateurschauspieler. Er entwickelte unter Wieland sein Talent und machte zusammen mit seiner Frau Felicitas unter dem

Künstlernamen Abt eine große Karriere. Wieland machte noch einen zweiten Besuch beim Roter Abt. Da wurde er von dem Kenner der Biberacher Verhältnisse davon überzeugt, dass es das beste wäre, auf Christine zu verzichten. Wieland

sagte zu und hielt sich daran. Christine kam in Ulm nieder. Wieland hatte Sophie die Patenschaft angeboten. Die kleine Tochter wurde auf den Namen Cäcilia Christine Sophie getauft, starb aber bald nach der Geburt.

Wielands Mutter sah nun dringenden Handlungsbedarf, zumal es im “Wielandschen Prozess”, wie Ofterdinger das nennt, zu einem Vergleich gekommen war und damit Wielands finanzielle Situation gefestigt war.

Zudem war Christoph Martins Bruder gestorben, was ein weiterer Grund war, auf eine Ehe zu  drängen.  Er erzählt am 29. August 1764 Gessner vom glücklichen Ende des ihn sehr belastenden Prozesses und fährt dann fort:

“nun geht mir von den Bedürfnissen des menschlichen Lebens nichts ab, als ein Weib, und da ich durch den Tod meines Bruders die Ehre habe, der einzige von meiner Familie zu seyn, so werde ich von meinen lieben alten Eltern

über diesen Punkt so sehr in die Enge getrieben,daß ich bald genöthigt seyn werde, in die ganze Welt um ein Weib auszuschreiben.” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S. 252) Am  5. November 1765

schreibt er ebenfalls an Gessner: “…ich habe ein Weib genommen oder eigentlicher zu reden, ein Weibchen, denn es ist ein kleines, wiewol in meinen Augen ganz artiges, liebenswürdiges Geschöpf, das ich mir, ich weiß nicht recht wie,

von meinen Eltern und guten Freunden habe beilegen lassen. Es ist nun so, ich bin zufrieden; meine Mitbürger auch, denn diese können nicht wol leiden, wenn ihre Vorgesetzten unbeweibt sind.-“ (abgedruckt bei J.G. Gruber, C.M.Wielands

Leben, Leipzig 1827 S. 400)Anna Dorothea Hillenbrand wurde am 28.07. 1746 als Tochter des Augsburger Bankiers und Kaufmanns geboren. Zwar schreibt Zaremba, dass die neunzehnjährige Anna Dorothea  nicht mit Geld aber mit neun Geschwistern gesegnet

war. Zu den Armen Augsburgs hat sie aber sicher auch nicht gezählt. Ihr Vater war Patrizier und Ratsherr und zählte so zur Augsburger Führungsschicht und Peter Fassl sagt in seinem Buch Konfession, Wirtschaft und Politik, dass   die Augsburger Kaufleute Laire,

Hillenbrand und Obwexer, die führende Stellung im Textilgroßhandel innehatten und 1757 erhielten sie von Kaiser Franz den Adelstitel und im Wappenbrief steht: “Sie drey GebrüderDavid, Johann Balthasar und Johann Hillenbrand selbsten aber haben sich von

Jugend auf angewendet, in allen und jeden wohlanständigen Sitten, Tugenden und besonders in dem Wechsel- und Mercantil-Negotio sich wohl erfahren, tauglich und geschickt zu machen; in Betracht dessen auch herrn David Hillenbrand von dem Magistrat

mehrbenandterStadt Augsburg eine bürgerliche Stadt Hauptmanns-Stelle ertheilt worden, welche Er zu jedermanns Zufriedenheit, mit allem Ruhm und unermüdeten Eifer verwaltet, sofort nebst Seinen zweyen Brüder Johann Balthasar und Johann Hillenbrand

durch die Gnade Gottes, und mit Ihren unaussezlichen Fleiß es dahin gebracht, daß Sie sowohl in ganz Deutschland, als Italien, sonderlich aber in Toskana ein starkes Wechsel und ein gros Mercantil-Negotium treiben, und dabei in bester Reputation und Credit

stehen, auch andurch bey dem Publico sich vieles Lob erworben”  (abgedruckt in www.heinle.news.de) Am 21. Oktober 1765 fand die Heirat in der Biberacher Stadtkanzlei statt. Christoph Martins Vater vollzog die Trauung.

10_Kl305KSW

Gehen wir aber, nachdem wir wie im Historischen Tagebuch 10 ein Kapitel lautet “Wieland über seine Geliebten “ , Wielands Frauenbeziehungen betrachtet haben, wieder chronologisch vor. Ein wichtiges Ereignis gleich

zu Beginn von Wielands Biberacher Zeit war sicher der  Kontakt zu Friedrich Graf von Stadion in Schloss Warthausen. Am 11. Februar 1763 schreibt er an Zimmermann:” Biberach ist, ungeachtet verschiedner nicht geringer Vortheile,

die mir selbst gewiss sind, schlechterdings der Ort nicht, wo ich bleiben kann…” und dann weiter ” Hier gehen meine Talente für das Publikum verloren. Unter solchen Zerstreuungen, bey einem solchen Amte, ohne Bibliothek,

ohne Aufmunterungen, was kann ich da thun?” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S.209 f). Als er Cateau von Hillern diesbezüglich sein Leid klagte, erzählte sie ihm, wie geistreich das Leben auf

Warthausen sei. Ihre Schwester Sophie war ja Gesellschafterin am Hof des Grafen. Er hatte zwar in dem oben zitierten Brief vom 12. Dezember 1753 geschrieben “und uns ungeachtet wir uns, wie ich hoffe, in dieser Welt nimmer sehen werden”.

Aber das war ja in Anbetracht der geplatzten Verlobung. Er rang sich zu einem Brief an Sophie durch und erhielt postwendend Antwort. Er wurde aufs Schloß  gebeten und bald auch dem Grafen vorgestellt. Man wies ihm ein Zimmer zu

seiner Disposition an und bot ihm an, nach Belieben von der Stadionschen Bibliothek Gebrauch zu machen. Und nun hatte er alles, über dessen Fehlen er sich bei Zimmermann beklagt hatte, einen geistreichen Kreis zur Unterhaltung,

eine Bibliothek, die noch heute ein Schmuckstück ist (siehe blog Die Familie Stadion). In seiner Trauerrede auf Wieland, die Goethe in der Freimaurerloge Anna Amalia zu den drei Rosen am 18. Februar 1813 hielt sagt er zu Wielands Kontakt zu dem gräflichen

Hof in Warthausen : “ In diesem angesehenen, wöhleingerichteten Hause wehte ihn zuerst die Welt- und Hofluft an;”(Text nach Wernekke, Hugo: Goethe und die Königliche Kunst. Leipzig: Poeschel 1905)

Gervinus bemerkt  im 4. Band seiner “Geschichte der poetischen National-Literatur der Deutschen” im 4. Band Kapitel über Wieland (Seite 270-318) zur Bedeutung der Bekanntschaft mit Graf Stadion (ab Seite 273)”Hier nun lernte er eine

Bildungssphäre kennen, die ihm bisher ganz fremd, und die der grellste Gegensatz gegen jene andere war, an der er sich in Bodmers Haus übersättigt hatte. Der Graf imponirte ihm durch Rang, Weltkenntniß und Hofton weit mehr, als es

Bodmer mit Frömmigkeit gekonnt hatte; die geistreiche Unterhaltung erfahrener Männer, feiner Gesellschafter und einer gebildeten Dame sagte ihm ganz anders zu, als der einförmige Verkehr mit den Zürichern; jene verständige Richtung

gegen alle Phantasterei und Empfindsamkeit, alles Excentrische und allen Aberglauben…” Und Gervinus weißt auch auf die Bedeutung der Stadionschen Bibliothek für Wielands weitere geistige Entwicklung hin.

Wir haben oben gesehen, dass sich Wieland nun in einem wahren Schaffensrausch befand und er selbst das “auf die kleine Zauberin” zurückführt. Aber das völlig andere Umfeld, der geistige Austausch und die Möglichkeit, eine Bibliothek

zu benutzen – über diesen Mangel hatte er sich ja gegenüber Zimmermann beklagt- taten sicher ein übriges.

1764 erscheinen “Der Sieg der Natur über die Schwärmerey, oder die Abentheuer des Don Sylvio von Rosalva. Eine Geschichte worinn alles Wunderbare natürlich zugeht”. Wieland stand wegen seiner Affäre mit Bibi Hogel unter großem

finanziellen Druck. Laut Zaremba (s.o. S. 120) hatte er Kanzleigelder zu privaten Zwecken entnommen, die er schnellstens erstatten musste. An Gessner hatte er am 24.6. 1762 geschrieben: “Ich muß von itzt an bis nächster Ostern

wenigstens 40 bis 50 Louis haben oder ich bin unwiderbringl. verlohren. Ohne diesen harten Umstand würde ich nimmermehr ein Buch geschrieben haben wie Don Silvio ist…” (Wielands Briefwechsel Bd. 3 S. 197)Kaum hatte er den Brief abgeschickt,

bot ihm der Ulmer Verleger Bartholomäi 500 Gulden an. Daraufhin schrieb Wieland an Gessner, ihm binnen 14 Tagen 30 Louis zu schicken “so soll der Sylvio Ihnen seyn. Darauf ging Orell & Partner nicht ein. Darauf erschien das Buch in dem Ulmer Verlag. Den Don

Sylvio hatte Wieland auch noch Julie Bondeli geschickt . Gegenüber Zimmermann sagte sie darüber “Der erste Teil des Don Sylvio war noch ein unschuldiger und selbst geistreicher Scherz, der zweite erscheint mir nichts als eine indecente Platitüde; abgesehen von der lasciven Geschichte des Prinzen Biribinker ist das übrige kalt und langweilig…” (in Julie von Bondeli und ihr Freundeskreis von Eduard Bodemann S. 287). Ähnlich scheint sie das auch Wieland direkt mitgeteilt zu haben. Er war darüber wohl ziemlich verschnupft,

was wahrscheinlich auch dazu beigetragen hatte, dass der Briefwechsel zum Erliegen kam.

Der Don Sylvio erschien 1764. Ein Jahr darauf erschienen die Komischen Erzählungen jetzt wieder in Zürich. Er bringt damit die komischen Romantraditionen von Cervantes in die deutsche Literatur ein. Er war ja in Erfurt durch Baumer auf Don Quichote hingewiesen

worden. Nachdem Don Sylvio bringt er die Verserzählungen heraus. Aber das wichtigste und umfassendste Werk an dem er in dieser Zeit arbeitete, war die Übersetzung von Shakespeares Werken. 1759 hat Sulzer in einem Brief an Wieland hingewiesen,

dass man sich mit Shakespeare befassen sollte, als er ihm einen Teil des Werkes zurückschickte:” Wenn doch ein geschickter Kopf die Arbeit übernehmen würde, diese Schauspiele im Deutschen so zu analysiren, wie Père Brumoy mit dem griechischen Theater

gethan hat…und weiter “Ich glaube, dass ein solcher Übersetzer vielen Dank verdienen würde. Wie kommt es doch, dass unter so vielen engländischen Übersetzern sich noch keiner daran gemacht hat? Es ist wahr, dass ein wenig mehr, als etwas Englisch, Feder und

Dinte dazu erfordert wird.” (Briefe von Wolfang Dieterich Sulzer, weiland Stadtschreiber von Winterthur von W. D. Sulzer, Winterthur 1866, S.9). Wielands Aufenthalt bei Bodmer, der ja Milton übersetzt hatte und im Streit mit Gottsched auf den Vorbildcharakter

des englischen Dramas hingewiesen hatte, hatte seine Aufmerksamkeit auf Shakespeare gelenkt. Auch Julie Bondeli war große Shakespeare-Verehrerin. “Sie verkündete den Leuten die Wiedergeburt eine Shakespeares, der für die Welt schon fast zwei Jahrhunderte todt lag” (Julie von Bondeli und ihr Freundeskreis

von Eduard Bodemann Hannover 1874 S. 27). Im September 1761 bringt Wieland erstmals Shakespeare in deutsche Sprache auf die Bühne und zwar den Sturm. Als Direktor der Evangelischen Komödiantengesellschaft hatte er das Stück in seiner Übersetzung

vorgeschlagen. So wurde also im Komödienhaus ein Stück deutscher Theatergeschichte geschrieben. Die Aufführung war ein finanzieller Erfolg wie das “Einschreib-Buch der Comoedien” ausweist (Zaremba S. 112)

220px-Schlachtmetzig-Biberach

Es ist nicht zufällig,dass Wieland den Sturm auf die Bühne brachte. Der Sturm und der Sommernachtstraum waren die Lieblingsstücke “der Schweizer”, also dem Kreis um Bodmer.

Vor Wieland gab es nur zwei Einzelwerke Shakespeares auf Deutsch. Das war einmal Caspar Wilhelm von Borcks “Trauerspiel von dem Tode Julius Cäsar” aus dem Jahre 1741 und dann “Romeo und Julia”

von Simon Grynaeus, 1758 .

Zur Herbstmesse 1762 erschien dann der erste Band von Wielands  Shakespeare-Übersetzungen. Zwar stand ihm jetzt die Stadionsche Bibliothek zur Verfügung. Seine philologischen Hilfsmittel waren aber eher bescheiden. Die Ausgangsbasis

war die Edition von Pope und Warburton (London 1747). Diese ist allerdings recht freizügig mit Shakespeares Text umgegangen. Dann hatte er noch zwei Wörterbücher, nämlich ein “Dictionnaire Royal Francois-Anglais et Anglais-Francois”,

sowie eines zur Idiomatik Shakespeares. Das führte aber zu vielen neuen Wortschöpfungen, die auch heute noch geläufig sind, so Milch-Mädchen (milk-maid)Steckenpferd (hobby-horse). Aber auch Kriegserklärung, Weltliteratur oder das

politische Barometer gehen auf Wieland zurück. Zwar gab es vor Wieland schon drei Texte, die ins Deutsche übersetzt worden waren, aber erst seine Übersetzung, die von 1762-1766 in acht Bänden erschien und 22 von Shakespeares 38 Werken

umfasste, machte den englischen Dramatiker in Deutschland bekannt und löste eine regelrechte Shakespeare-Begeisterung aus. Lessing, Herder und Goethe entdeckten den Dichter nun als Naturgenie.

Auch für Verlag und Übersetzer hatte sich die Herausgabe gelohnt. Als die Edition 1766 abgeschlossen war, hatte Wieland etwa ein Jahresgehalt seiner beruflichen Tätigkeit erhalten.

Aber Wieland hatte diese Übersetzung auch als sehr anstrengend empfunden, wie er in einem Brief an Gessner am 24. Juni 1762 wissen lässt. “ Ich glaube nicht, daß irgendeine Art von gelehrter Arbeit der GaleerenSklaven-Arbeit ähnlicher

sey, als diese” (in Wielands Briefe 3)Da es dabei auch ums Honorar ging, war seine Klage wohl auch bewusst leidend formuliert.

Lessing war im 15. Stück seiner Hamburger Dramaturgie auf Wielands Shakespeare-Übersetzung eingegangen und hatte dazu bemerkt: “Wir haben eine Übersetzung vom Shakespeare. Sie ist noch kaum fertig geworden, und niemand bekümmert sich schon mehr

darum. Die Kunstrichter haben viel Böses davon gesagt. Ich hätte große Lust, sehr viel Gutes davon zu sagen. Nicht, um diesen gelehrten Männern zu widersprechen; nicht, um die Fehler zu verteidigen, die sie darin bemerkt haben: sondern, weil ich glaube, daß man

von diesen Fehlern kein solches Aufheben hätte machen sollen. Das Unternehmen war schwer; ein jeder anderer, als Herr Wieland, würde in der Eil noch öftrer verstoßen, und aus Unwissenheit oder Bequemlichkeit noch mehr überhüpft haben; aber was er

gut gemacht hat, wird schwerlich jemand besser machen. So wie er uns den Shakespeare geliefert hat, ist es noch immer ein Buch, das man unter uns nicht genug empfehlen kann. Wir haben an den Schönheiten, die es uns liefert, noch lange zu lernen, ehe uns die

Flecken, mit welchen es sie liefert, so beleidigen, daß wir notwendig eine bessere Übersetzung haben müßten”.

Wieland hat sich schon sehr früh mit Shakespeare beschäftigt. 1757 schrieb er “Die Theorie und Geschichte der Red-Kunst und Dicht-Kunst” Das war, als er Erzieher im Hause Groebel war. In seiner Theorie nimmt im Kapitel “Von den tragischen Poeten” nimmt

Shakespeare den größten Raum ein. Da heißt es “Vielleicht ist kein Scribent in der Welt, den man weniger aus Beschreibungen kann kennen lernen, als dieser dramatische Poet. Man findet weder unter den Alten noch Neuern jemand, mit dem er verglichen werden

könnte; er hat keinen seiner Vorgänger nachgeahmt, und es ist wahrscheinlich, dass er die Alten nur nicht gelesen hat. Niemals hat einer den Namen eines Originals mehr verdient als er. Die Natur war die einzige Quelle, woraus er schöpfte. Sein Genie war seine

einzige Muse und seine Poesie  war, wie Pope sagt, in der That Begeisterung. Der weite Umfang, die Stärke und die Delicatesse seines Genies sind fast unbegreiflich” (zitiert in Shakespeare- Rezeption, Die Diskussion um Shakespeare in Deutschlands,

hsg von Hansjürgen Blinn, Berlin 1982 S. 68)

Wielands Beschäftigung mit Shakespeare und deren Einfluss lässt sich auch in anderen Werken, die gleichzeitig mit den Übersetzungen entstanden, erkennen, wie Friedrich Gundolf in “Shakespeare und der Deutsche Geist” (Berlin 1920) zeigt.

Er sagt, dass im Don Sylvio von Rosalva Shakespeare “als seelische Substanz spürbar bis in die Tonfälle hinein” ist (S.179) Sachmotive, die Furcht des Pedrillo vor dem nächtlichen Wald (Sommernachtstraum), die Wahrsagung der Zigeunerin aus Pedrillos Hand

(Der Kaufmann von Venedig) aber auch die Requisiten wie nächtlich tanzende Feen oder Kobolde verweisen auf Shakespeare (ebda).

Den zweiten Paukenschlag (Heinz Wielandhandbuch, Stuttgart 2008) in seiner Biberacher Zeit ist die Geschichte des Agathon in Zürich 1766/67 in zwei Teilen erschienen. Schon 1762 hatte er “sub rosa” Teile an Salomon Gessner, Zimmermann,

Tscharner und Julie Bondeli geschickt. Und Julie Bondeli hatte Wieland auch auf Tristram Shandy von Laurence Sterne und dessen digressive Poetik aufmerksam gemacht. Hier konstituiert sich der Weg aus Abschweifungen. Sie scheinen so

etwas wie eine Haupthandlung zu verhindern um aus möglichst vielen Blickwinkeln zum Ziel zu führen. Sternes Erzähler (22. Kapitel 1. Buch)sagt, er setze zwei entgegengesetzte Bewegungen ins Spiel, die das Werk gleichzeitig abschweifend

und vorwärts schreitend gestalten. Wieland verarbeitet das sofort und so heißen Kapitel “Ein oder zwo Digressionen oder Eine kleine Abschweifung”.
Der Agathon ist der erste moderne deutschsprachige Roman. Er spielt im hellenistischen Zeitalter und ist eine Piraten und Entführungsgeschichte. Aber bald wird aus der Seeräubergeschichte ein philosophischer Dialogroman. Das Mittelmeer und der angrenzende

Lebensraum sind Kulisse für geistreiche Diskurse. Die Dialoge die der Titelheld mit dem Sophisten Hippias führt, gehören nach Zaremba (Ebda S. 116) in jedes gute Lehrbuch der Philosophiegeschichte.

Der Agathon begründete eine ganze Reihe von Bildungs-Erziehungs-und Entwicklungsromanen. Goethes Wilhelm Meister folgt der Struktur des Agathon, verändert sie aber auch und dieser wird dann zum entscheidenden Muster des

deutschen Bildungsroman. Der Agathon ist aber auch der Prototyp des “history-Romans”, der eigentlich von Henry Fielding, Die Geschichte des  Tom Jones eines Findlings (1749) geschaffen wurde.

Lessing, der ja Wielands Entwicklung immer beobachtete, schreibt im 69. Stück der Hamburgischen Dramaturgie “so kommen sie auch wohl einmal über den »Agathon« . Dieses ist das Werk, von welchem ich rede, von welchem ich es lieber nicht an dem

schicklichsten Orte, lieber hier als gar nicht, sagen will, wie sehr ich es bewundere: da ich mit der äußersten Befremdung wahrnehme, welches tiefe Stillschweigen unsere Kunstrichter darüber beobachten, oder in welchem kalten und gleichgültigen Tone sie davon

sprechen. Es ist der erste und einzige Roman für den denkenden Kopf, von klassischem Geschmacke. Roman? Wir wollen ihm diesen Titel nur geben, vielleicht, daß es einige Leser mehr dadurch bekömmt. Die wenigen, die es darüber verlieren möchte, an denen ist

ohnedem nichts gelegen.”

Das Verhältnis zum  Hause Stadion wurde allerdings eingetrübt. Zunächst ging es um eine rein private Angelegenheit. Graf Stadion besaß das Recht, das Pfalzgrafendiplom zu verleihen. Am 28. September 1765 verlieh er Wieland eine Bestallungsurkunde

zum comes palatinus. Er konnte nun bürgerliche Wappenbriefe ausstellen, Notare ernennen, auch unehelich Geborene legitimieren und er konnte “der Freyen Künste Magistros, Baccalaureos und Poetas laureatos” ernennen. Nur sich selbst,

das ging nicht, denn Selbstbegünstigung war hier untersagt. Wieland wähnte sich vorschnell im Besitz dieses Titels und er trug sich ohne Absprache mit dem Grafen im Adressbuch des Schwäbischen Kreises ein. Dies verärgerte den Grafen

so, dass er seinen Warthausener Verwalter  von La Roche anwies, den noch nicht rechtskräftigen Verwaltungsakt sofort zu annullieren. Wieland reagierte entsetzt und lamentierte. Auch Sophie wurde eingeschaltet. Graf Stadion beließ es bei der

internen Demütigung und erlaubte  Wieland nun die öffentliche Führung des Titels. Schwerer wog eine Auseinandersetzung zwischen Warthausen und der Stadt Biberach, in der sich La Roche als  Oberamtmann und Wieland als städtischer Kanzleidirektor

sozusagen von  Amts wegen gegenüber standen. Zunächst ging es um einen Handelsboykott um die Einkünfte der Biberacher Handwerksgilden zu sichern. Verschärft wurde der Streit wegen Meinungsverschiedenheiten wegen umstrittener

Gemarkungsrechte beim Holzeinschlag. Wieland verhielt sich in dieser Angelegenheit ziemlich ungeschickt. Mit nichtabgesprochenen Briefen verärgerte er Bürgermeister und Magistrat. In Warthausen zieh man ihn der Undankbarkeit und

erwog, den Pfalzgrafentitel abzuerkennen. Sophie versuchte zwar zu vermitteln, aber auch sie war verärgert und Wieland saß zwischen allen Stühlen. Der Graf aber zog sich nach Bönnigheim zurück. Wieland hatte nun keinen Zugang mehr

zur Warthausener Bibliothek und auch der Musenhof mit seiner intellektuellen Atmosphäre entfiel. In dieser Zeit mietete sich Wieland ein kleines Gartenhaus, ganz nah bei der Stadt gelegen.

220px-Wieland-Gartenhaus-BC

Es beherbergt heute das Wielandmuseum in Biberach. Er schreibt  “Nur ein kleines Tusculum geht mir noch ab, und bis ich erben werde (wozu vor den nächsten zwanzig Jahren wenig Hoffnung ist), sehe ich auch keine Möglichkeit eines zu bekommen.

In Ermangelung dessen habe ich ganz nahe an unserer Stadt, aber doch in einem etwas einsamen Orte, ein artiges  Gartenhaus gemiethet, wo ich die angenehmste Landaussicht von der Welt habe, und, so nahe es meinem Hause in der Stadt ist,

doch völlig auf dem Lande bin.” (Am 24. August 1768 an Riedel in  Auswahl denkwürdiger Briefe, Band 1von Christoph Martin Wieland S. 274)

In diesem Wielands Tusculum  vollendete er den 2. Teil des Agathon und hier begann er mit Idris und Zenide.

Auch dem Grafen von Stadion ging der geistreiche Umgang mit Wieland ab. In seinem letzten Lebensjahr kam der Graf  nach Warthausen zurück. Und dort versöhnte man sich auch wieder.  Auch hier trat Sophie als Vermittlerin auf.

Sein letztes Biberacher Werk war Musarion oder die Philosophie der Grazien. Es erschien 1768 und zwar erstmals  im Verlag Weidmann. Wieland hatte im Januar 1768 eine Korrespondenz mit Justus Riedel begonnen, der zu der Zeit Professor in

Erfurt war. Dieser knüpfte auch den Kontakt zu dem Leipziger Verleger Philipp Erasmus Reich. Es gab sicher einige Gründe zu der Trennung von Züricher Verlag Orell Gessner & Co. Zum einen hatte Wieland seine  Wünsche und Erwartungen

unverblümt zum Ausdruck gebracht, aber dem wurde nicht entsprochen. Das führte zu Mißstimmung. Aber er zweifelte auch an der Konkurrenzfähigkeit des Verlages. Er war zum Beispiel auch unzufrieden mit dem stockenden Absatz seines

Agathons, wie er 1771 aus Erfurt Gessner vorrechnete und darauf verwies, dass in 6 Jahren nur 1100 Exemplare verkauft worden. Reich habe in einem Drittel der Zeit doppelt so viel umgesetzt (Wieland an Gessner Erfurt 13.12. 1771)

Außerdem hatte ihm Reich ein weitaus höheres Honorar geboten. Nicht zuletzt sprachen auch die Rahmenbedingungen für Leipzig. In Zürich griff die Zensur viel stärker ein. In München, Wien und Zürich war der Agathon

verboten, in Leipzig nicht. Dem trug Wieland insoweit Rechnung, als er die Werke, die bis 1768 erschienen waren, in Zürich beließ, die neuen Werke aber bei Weidmann drucken ließ. Wielands neue Werke erschienen auch in neuer Ausstattung.

Adam Friedrich Oeser, Maler Bildhauer und Buchillustrator (Goethe zählte von 1765-1768 zu Oesers Schülern) zeichnete die Vignetten und Christian Gottlieb Geyser, auch ein Schüler Oesers stach die Kupfer und Vignetten. Verskunst und Ausstattung ergänzten sich

so ideal. In der zweiten Auflage ist das Dedikationsschreiben an “An Herrn Creyßsteuereinnehmer Weisse in Leipzig” abgedruckt. Die Datierung Warthausen den 15. März 1769 ist sicher auch als Dank an Warthausen zu sehen.

Wieland konnte eigentlich zufrieden sein. Seine Position in Biberach war gesichert. Sein literarischer Ruhm stieg. Und seine Frau hatte nach einer Fehlgeburt, die beide sehr belastet hatte, am 19. Oktober 1768 das erste Kind, die Tochter Sophie

Anna Katharina zur Welt gebracht. Aber Wieland hatte, schon vor der Briefwechsel mit Riedel begonnen hatte, über eine Professur in Erfurt nachgedacht. Der alte Graf von Stadion hatte Besuch aus Mainz, seinen früheren Sekretär  Franz Wilhelm von Loskant,

der jetzt für Kurmainz als Assessor am Reichskammergericht in Wetzlar war. Dann war zugegen der kurfürstliche mainzische Kämmerer Philipp Ernst Freiherr von Großschlag, der erste Minister des Mainzer Erzbischofs Joseph Emerich, dem Nachfolger vom

Dienstherrn des Grafen von Stadion. Beide waren erklärte Verehrer des Agathons. Graf von Stadion und La Roche fanden, dass Wieland gut nach Erfurt passen würde. Loskant machte dann in Warthausen gedeckt durch Minister  Großschlag den Vorschlag einer

Professur in Erfurt. Wieland war nicht abgeneigt. Er erklärte nach Ofterdinger (S.232) “daß, wenn er irgend in der Welt eine academische Stelle begleiten wollte, so wäre es in Erfurt.” Von Großschlag war für Wieland kein Unbekannter. Der Mainzer

Großhofmeister war aus  von Stadions Schule hervorgegangen.Vor allem La Roche hatte besten Kontakt zu von Großschlag. Laut Schulze-Maizier (Wieland in Erfurt, 1769-1722 S. 18) “galt La Roche bei Großschlag alles”.Bei den weiteren Unterhandlungen war

von La Roche ein hervorragender Ratgeber. Dank seiner langjährigen Tätigkeit in Mainz war er bestens mit den kurmainzischen Verhältnissen vertraut. Er verfügte ja aber auch über den notwendigen diplomatischen Verstand.

Im Gegenzug verschaffte ihm Wieland den Kontakt zu Salomon Gessner. Der Sohn Fritz kam zur Erziehung zu Wieland nach Erfurt. Die “Briefe über das Mönchswesen” erschienen dann ja auch in Zürich. Schnell hatte Wieland aber auch Bedenken.

Zum einen besorgte ihn der Abschied von seinem betagten Vater. Auch die Tatsache, dass er keinen akademischen Grad hatte, was von ihm ja eine Magisterpromotion erfordert hätte, machte ihm zu schaffen, zumal er ja Dank seines Pfalzgrafentitels

selbst Magister der freien Künste kreieren könne. Den Ausschlag gab ebenfalls nach Ofterdinger (S. 224) ein Reichsratsbeschluss, der Kanzleidirektoren eine hohe Verantwortlichkeit in finanziellen Angelegenheiten aufgebürdet hatte,

etwas, was Wieland verhasst war. Nachdem der Erfurter Senat auch Hindernisse wegen des fehlenden akademischen Grads aus dem Weg geräumt hatte, wurde Wieland im Februar 1769 zum ersten Professor der Philosophie ernannt. Verbunden

war das mit der Ernennung zum kurmainzischen Regierungsrat. Diese Stelle wurde mit 600 Talern dotiert. Gleichzeitig wurde ihm bedeutet, dass er keine Vorlesungen halten müsse, dass er über seine Zeit frei verfügen könne und dass man ihn vor allem

seines Namens wegen geholt habe. Dass Wieland gut zu verhandeln wusste, hatte er schon bei seinen Verhandlungen mit seinem Verlag gezeigt. Die 600 Reichstaler waren seine Bedingung gewesen. Aber er vergaß auch nicht die

Erstattung der Umzugskosten, die er pränumerando  “ in einem ehrlichen Wechselbrief à vue zu Augsburg” (Schulze-Maizier , S. 19) zu erhalten wünscht.

Die Universität Erfurt ist zwar die älteste in Deutschland. Ihr Gründungsbelegung stammt aus dem Jahr 1379. Heidelberg folgt dann erst mit 1385 und Köln mit 1388. Die große Zeit der Erfurter Universität war

im Humanismus. 1664 war Erfurt eine kurmainzische Landesuniversität geworden, deren Aufgabe hauptsächlich darin bestand, Beamte auszubilden. Die Universität sollte im Geist er Aufklärung nochmals neu belebt werden. Vor allem Karl Theodor von Dalberg

machte Erfurt wieder zu einem Zentrum von Kultur und Bildung. Er holte die großen Geister der Zeit an seine Statthalterei. Eine durchgreifende  Erneuerung gelang aber nicht und so verließ auch Wieland nach drei Jahren Erfurt schon wieder.

370px-StatthaltereiTafel3

Geradezu enthusiastisch begrüßte Riedel in der Erfurtischen gelehrten Zeitung , die er seit 1769 herausgab, in der Ausgabe vom 3. März im achtzehnten Stück “In dieser Zeitung habe ich noch keine so interessante und für alle, die sie lesen und nicht

lesen, so wichtige Nachricht ankündigen können, als folgende: Derjenige unsrer Teutschen Schriftsteller, mit dem wir am meisten gegen Ausländer trotzen können, dieses vaste Genie, wie es der selige Meinhard nennte, der Verfasser

der Natur der Dinge, der Sympathien, des Agathon, der komischen Erzählungen, des Don Silvio von Rosalva, der Musarion, des Idris- mit einem Worte Herr Wieland ist von Sr. Churfürstlichen Gnaden zum ersten Professor der Philosophie..

ernennt worden.” (in Christoph Martin Wieland Sämtliche Werke Bd. 50/51 Leipzig 182 S. 517)

Kurz vor Wielands Ernennung war Graf von Stadion am 28. Oktober 1768 in Warthausen gestorben. Zum Leichenzug war der gesamte oberschwäbische Adel zugegen. Die drei oberschwäbischen Prälaten von Ochsenhausen, Rot und Schussenried nahmen

die Aussegnungen vor und auch die Reichsstadt Biberach war mit einer Abordnung vertreten.

Wieland reichte nach seiner Ernennung zum Professor  seinen Amtsrücktritt ein, dem der evangelische Rat am 30. März 1769 entsprach. Das Bürgerrecht blieb dem nun doch schon recht berühmten Sohn erhalten. An Pfingsten verließ er Biberach.

Die einfachen Bürger waren mit dem Weggang Wielands unzufrieden. Am 31. Mai schreibt er an Riedel. In dem Brief regelt er zunächst Dinge für seinen bevorstehenden Umzug. Seinen Weggang vermerkt er so: “ Hier zu Lande

ist großer Lerm über mein Fortgehen, und zu Biberach glaubt das Volk, welches mich liebte, daß Gog und Magoz, als die Vorläufer des Antichrists, unmittelbar, sowie ich bey dem einen Thor ausziehe, bei dem gegenüberstehenden einziehen werde.

Unsäglich ist der Unwille, den die guten Leute über ihre Herren haben, weil man mich, wie sie meinen nicht gehen lassen sollte.” (Auswahl denkwürdiger Briefe S. 278)Und auf der vorherigen Seite schreibt er, “daß ich mein  ganzes

Domestique mitbringe. Ich kann nicht ohne eine schwäbische Köchin seyn.”

Obwohl ihm bei der Anstellung bedeutet wurde, dass er mehr als Aushängeschild dienen sollte, entwarf er für die Universität ehrgeizige Lehrpläne, wobei er von der Kenntnis Schweizer Schul-und Unterrichtspläne profitierte.

Wieland war Gründungsmitglied der 1754 gegründeten Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. Er arbeitete an der Erfurtischen gelehrten Zeitung mit.

Seine Lehrtätigkeit begann er am 3. Juli 1769 mit Vorträgen über  die” Philosophie der Geschichte, oder über Iselins Geschichte der Menschheit” Er las außerdem  “Über griechische, lateinische,englische und französische Schriftsteller” “Gelehrte Geschichte:

griechische Dichter, Redner und Geschichtsschreiber”, “Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften nach einem eigenen Grundrisse”,. Es gab “Geschichtskunde, was“Geschichte von Karl dem Großen bis zum Westfälischen Frieden” umfasste.

Die Berufung neuer Lehrkräfte lag nicht in der Verantwortung der Universität sondern war, wie ja auch bei Wieland ein hoheitlicher Akt des Landesherrn. Der Lehrkörper galt als überaltert und sehr konservativ und zog Studenten nicht unbedingt an.

Den Studentenschwund konnte auch Wieland nicht stoppen. Um Wielands Freund, Friedrich Justus Riedel, der in Erfurt einen Lehrstuhl für Ästhetische Wissenschaften innehatte, gab es eine Gruppe freigeistig orientierter Professoren

wie die protestantischen Theologen Carl Friedrich Bahrdt und Johann Christian Lossius, der ab 1770 einen Lehrstuhl für Philosophie in Erfurt hatte und ab 1772 zusätzlich für Theologie. Johann Georg Meusel lehrte in Erfurt Geschichte.

Johann Christian Schmid war dort seit 1769 außerordentlicher Professor der Rechtswissenschaften. Auch Johann Friedrich Herel, Altphilologe gehörte zu diesem Kreis. Als Anführer der konservativen Gruppe galt Andreas Nunn, Professor für

Medizin und Philosophie. Er war auch der Hauptgegner der Berufung Wielands zum Professor. In seinen Briefen an Sophie La Roche berichtet Wieland schreibt er ihr von gegen ihn und Riedel gerichteten Kabalen. Aber  Der Kurfürst habe seine Gegner mit

einem “schrecklichen” Dekret belegt. Er selbst und Riedel seien aber zu Beisitzern des akademischen Senats und der kurfürstlichen akademischen Kommission ernannt worden.Was böses Blut verursacht hatte und was man ihnen zum Vorwurf

machte, war, dass Wieland und Barth ihre akademischen Grade nicht auf reellem Wege erlangt hätten. Natürlich war auch die Berufung eines Verfassers komödiantisch-lasziver Schriften nicht die Traumvorstellung der katholisch-orthodoxen Fraktion

des Erfurter Lehrkörpers. Nunn und andere Professoren mussten 1769 die Universität verlassen. Allerdings trat damit keine Ruhe ein, die Relegierten denunzierten nun. Pater Jordan, vorher Professor in Erfurt,  war vor seiner Relegation einer der

übelsten Verleumder, wenn es darum ging, die freigeistigen Professoren zu bekämpfen. Nach seiner Entlassung wandte er sich sogar direkt an den Kaiser, um Bahrdt, Meusel, Riedel und Wieland als Gotteslästerer zu denunzieren.

Der Vorwurf der Gotteslästerung galt zu der Zeit als schwere Straftat, die entsprechend bestraft werden konnte.

Gleich nach seinem Amtsantritt hatte er sich auch damit ganz konkret zu befassen. Ein Student Joseph Schwarz und Schüler Wielands war anonym wegen Gotteslästerung denunziert worden  und zu Kerkerhaft verurteilt worden. Wieland konnte den Studenten aber

frei bekommen, ihm eine Hofmeisterstelle bei von Laroche in Ehrenbreitstein als Erzieher der Kinder von Laroche verschaffen. Als allerdings Kurfürst Emmerich am 11. Juni 1774 verstarb, wurde versucht, das Rad zurückzudrehen. Auch Nunn und Jordan bekamen ihre Stellen in Erfurt wieder. Josef Schwarz, mittlerweile Lehrer am Emmerizianischen Gymnasium in Mainz wurde wie zwei seiner Kollegen verhaftet und er kam sogar zu einem Inquisitionsprozess gegen sie. (Siehe dazu Bernd Seuffert,

Wielands Erfurter Schüler vor der Inquisition, Euphorion 3 S. 376-389 und 722-) Der Nachfolger Emmerichs Carl Friedrich erwies sich bald als noch freisinniger als sein Vorgänger. Schwarz erhielt eine Anstellung am Lehenshof in Mainz.

Es kamen noch weitere Probleme im unmittelbaren Umfeld Wielands vor, die ihm sein Arbeit an der Universität nicht erleichterte. Eine Schrift des Theologen Bahrdt war als ketzerisch verleumdet worden und er musste die Universität verlassen.

Sein Freund Riedel hatte Gelder aus der Universitätskasse entnommen und konnte diese nicht zurückzahlen. Schuldhaft und Universitätsverweis waren die Folge.

Dies und der ständige Widerstand  der katholisch-orthodoxen Fraktion an der Universität dürften ihn zum dem Stoßseufzer veranlasst haben, “ daß  man leichter einen Mohren weiß waschen, als die Erfurter Universität empor

bringen könnte”

Wie auch in Biberach reagierte Wieland auf diese misslichen äußeren Umständen mit starker literarischer Produktivität. Parallel zum ersten Vorlesungssemester erschien  Sokrates Maimonemos oder die Dialogen des Sokrates von Sinope,

eine philosophische Erzählung. Zur gleichen Zeit beendete er den zweiten Teil des Versepos Der neue Amadis, der schon in Biberach begonnen wurde. Er knüpft an das populäre Genre der Ritterromane an. Es ist eine Verserzählung und Wieland erklärt

im “Vorbericht zur gegenwärtigen  Ausgabe” (das ist die Wiederveröffentlichung des Neuen Amadis in der Werksausgabe von 1794 ff.) welches Versmaß er verwendet hat und warum er es verwendet hat. Das zeigt dass  eine wohlbedachte

Komposition zugrunde liegt. Dabei kommt es so leicht und locker daher und erweckt den Eindruck von locker aus dem Ärmel geschüttelten Zeilen. Es gezeugt auch wie die Grazien Wielands Affinität zum Rokoko.

Es folgte 1772 Der goldene Spiegel oder die Könige von Seschian. Es war das Hauptwerk seiner Erfurter Zeit. Der Goldene Spiegel ironisiert die Tradition des Fürstenspiegels. Es ist sein “Staatsroman”. Er illustriert Wielands anthropologische Skepsis.

Ein vollkommener  Staat im ewigen Frieden ist unter Menschen nicht denkbar. Versucht mans trotzdem muss das zur Katastrophe führen.

Wieland unternahm mit jedem seiner Werke etwas Neues. Keines folgte einer Tradition, die in der deutschen Literatur schon vorhanden war. Darin liegt auch seine Bedeutung. Er hatte an der Entwicklung der deutschen Literatur im

18. Jahrhundert sowohl literarisch als auch publizistisch einen maßgeblichen Einfluß. Er ist nach Heinz (Wielandhandbuch Stuttgart 2008). Er ist für Epik und Vers das, was Klopstock für die Lyrik und Lessing für das Drama bedeutete.

Am 11. Mai 1770 wurde seine zweite Tochter Maria Carolina Friederica geboren. Kurz nach der Geburt reiste er, zeitlebens reiseunlustig, nach Leipzig um dort seinen Verleger Philipp Erasmus Reich persönlich kennen zu lernen.

Er kam da auch mit Personen in Kontakt, die an der Herstellung seiner Oktavbände beteiligt waren. Auf Adam Friedrich Oeser wurde bei der Musarion schon hingewiesen. Er war Leipziger Akademiedirektor und kursächsischer Hofmaler.

Oesers Schüler Friedrich Heinrich Füger fertigte eine Porträtminiatur Wielands an.

200w_A112Wieland

Ein Jahr später am 7. Mai 1771 begann er mit Fritz von La Roche eine 35 tägige Reise in die Rheingegend. Grund der Reise war, dass Fritz aus der Wielandschen Obhut wieder zu seinen Eltern nach Ehrenbreitstein zurückkehren sollte.

Allerdings waren die Bemühungen für die Bildung von Fritz nicht besonders erfolgreich. In seinem Brief an Sophie La Roche vom April 1770 schreibt ihr Wieland, dass Fritz nicht viel mehr gelernt habe, als er vor 10 Monaten wusste

“aber freylich hat er von der Gelegenheit, bey mir zu , wenig profitirt” und vorher hatte er festgestellt “ da es aber unmöglich ist, einen jungen Menschen mit Gewalt gelehrt zu machen” aber er macht Ihr trotzdem Hoffnung.

“Erwarten Sie von dem guten Naturell des jungen Menschen viel Gutes und ich hoffe, sie werden sich nicht betrogen finden.”(Neue Briefe Christoph Martin Wielands, vornehmlich an Sophie von La Roche, Stuttgart 1894 S.192 f.)

Man besuchte Gießen, Frankfurt, Wetzlar, Darmstadt, Koblenz, Mainz und Düsseldorf. Für Wieland war es die Gelegenheit,

wichtige Leute aus dem Mainzer Hofstaat persönlich zu treffen. In Mainz besuchte er Carl von Dalberg kurz nach dessen Ernennung zum Statthalter in Erfurt. Das hochkarätigste Treffen für Wieland war drei Tage später am 30. Mai

1771 eine Audienz beim Mainzer Kurfürsten Emmerich Joseph in Höchst. Bei dieser Gelegenheit besichtigte man auch die Gemäldesammlung vom Grafen von Stadion. Sechs Tage verbrachte Wieland bei seinem wichtigsten Gönner und Förderer,

dem Großhofmeister von Groschlag in Dieburg. Das persönlich bedeutendste Treffen war für Wieland sicher das Wiedersehen mit Sophie von La Roche am 13. Mai 1771 in Ehrenbreitstein (siehe dazu auch Blog: Sophie von La Roche).

In seiner Erfurter Zeit ergab sich ein intensiver Briefwechsel zwischen Erfurt und Halberstadt. Im brandenburgischen Fürstenturm war damals Johann Wilhelm Ludwig Gleim Sekretär des Halberstädter Domkapitels. Gleim unterhielt Korrespondenz mit allen

literarischen Größen seiner Zeit. Er hatte auch den Halberstädter Dichterkreis begründet, einem Bund junger Literaten. Zu Gleims Protégés gehörte auch Johann Georg Jacobi, der in Halberstadt ebenso anakreontische Dichtungen verfasste, wie

sein Gönner Gleim. Jacobi hatte Wieland brieflich die Freundschaft angetragen,was dieser freudig annahm. Dem schloss sich noch der jüngere Bruder Johann Georgs an, der Dichter Friedrich Heinrich Jacobi. Man bildete einen literarischen Zirkel,

man las gegenseitig  Manuskripte. Man tauschte sich aus. Gleim und die Brüder Jacobi befassten sich mit Wielands jüngsten Werken. Bei dieser Reise nun lernten sich die vier endlich persönlich kennen.

Am 11. Juni 1770 kehrt Wieland von seiner Reise zurück. Am Tag zuvor wurde seine dritte Tochter Regina Dorothea geboren.

Der Dichterbund kam kurz nach der Rückkehr in eine heftige Krise, die fast sein Ende bedeutet hatte. Wieland hatte nun mal nicht den Gleichmut, den er in seinen Werken propagierte. Auch bei Fritz hatte er ja eingestehen

müssen, dass er mit seiner Geduld überfordert war. Eine Schrift, die der anakreontische Dichter Johann Benjamin Michaelis verfasst hatte, hatte Wieland sehr bissig rezensiert. “Pastor Amor” hatte in Wielands Augen die Ehre

von Gleim und Georg Jacobi verletzt. Die beiden reagierten jedoch gelassen. Sie bekundeten sogar Verständnis. Das wiederum konnte Wieland nicht verstehen. Der Streit eskalierte. Und als Jacobi auch noch Sophie um Vermittlung

bat, reagierte Wieland noch verbohrter. Der “Grazienbund” war ratlos und verstummte.

Als Wieland in Ehrenbreitstein war, ging auch die Veröffentlichung von Sophie von La Roches “Fräulein Sternheim” voran. Wieland hatte sich ja für die Veröffentlichung stark gemacht.

”Allerdings beste Freundin, verdient Ihre Sternheim gedruckt zu werden; und sie verdient es nicht nur; nach meiner vollen Überzeugung erweisen sie Ihrem Geschlecht

einen wirklichen Dienst dadurch. Sie soll und muß gedruckt werden, und ich werde Ihr Pflegevater seyn” (zitiert nach MDZ Reader Bayrische Staatsbibliothek digital, Briefe an Sophie von La Roche, S.125)

“Die Geschichte des Fräulein von Sternheim” erschien dann 1771 in Wielands Leipziger Verlag. Er selbst fungierte als Herausgeber. Wieland ist ja der Schöpfer des modernen deutschen Romans. Doch als “Pflegevater”

verantwortete er auch den ersten deutschen Erfolgsroman, der von einer Frau geschrieben wurde. Er hatte den Kontakt zum Verleger hergestellt.  Ohne Datum schreibt er 1770 an Sophie von La Roche “ Reich soll sie

in einer nicht üppig gezierten aber simpel schönen Ausgabe verlegen..” (C.M. Wielands Briefe an Sophie von La Roche, herausgegeben von Franz Horn S. 125)Und auch sonst steht er ihr hilfreich zur Seite “ Bekümmern Sie

sich nicht um Correction, ich will das Nöthige schon besorgen…Sie machen der Welt und besonders Ihrem Geschlechte ein Geschenk mit einem Originalbuche, das in seinem Wert unschätzbar ist.” (Brief vom 24. November 1770

ebd. S 141). Wieland schreibt das Vorwort und tritt als Herausgeber auf.

Wielands Goldener Spiegel war durchaus auch mit der Absicht verbunden, nach Wien zu kommen. Er hoffte, in die Nähe von Joseph II. berufen zu werden. Sein Roman war aber in unmittelbarer Nachbarschaft sehr aufmerksam zur Kenntnis genommen,

nämlich in Weimar. Im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach war die Herzogin Anna Amalia (1739-1807) seit dem 28. Mai 1758 verwitwet und hatte zwei Söhne, Carl August beim Tod seines Vaters 14 und Konstantin 13.

Sie war von ihrem Mann Herzog Ernst August II. Konstantin testamentarisch mit der vormundschaftlichen Landesadministration betraut worden. 1762 setzte sie den Grafen Johann Eustach von Schlitz genannt Görtz ein. Die Beziehung war aber beständig von

Misstrauen geprägt. Sie befürchtete, dass Görtz ihr ihre Söhne entfremden wolle. 1772 holte sie Wieland in die Gruppe der Prinzenerzieher und hoffte wohl auch, in ihm einen Verbündeten gegen Görtz zu finden.

220px-1739_Anna_Amalia

Im März 1772 war Wieland erstmals für einige Tage in Weimar. Wieland wurde mit großen Ehren bedacht. Er war täglich an der fürstlichen Mahlzeit dabei. Man veranstaltete einen Maskenball für ihn

mit einer Aufführung tänzerischer Szenen aus dem Neuen Amadis. Der Geehrte bedankte sich mit einem ausführlichen Brief an die Fürstin und fügte einen Erziehungsplan für den Erbprinzen bei. Die Antwort der Herzogin

kam eine Woche später. Wieland sandte einen weiteren Brief an Anna Amalia. Darin erläuterte Wieland der Herzogin seine erzieherischen Pläne. Man empfand gegenseitige Sympathien, aber Wieland blieb abwartend.

Als Wieland im April wieder nach Weimar reiste, wurde man in Erfurt hellhörig. Es gab aber auch Debatten im höfischen Staatsrat wegen der Prinzenerziehung. Es herrschte durchaus Skepsis, ob ein “Bürgerlicher” für das Hofleben

geeignet sei. Und auch um Honorarfragen ging es. Aber schließlich setzten sich die Befürworter einer Anstellung Wielands durch, wohl auch weil sowohl die Herzogin als auch der Erbprinz  zeigten, dass sie Wieland als Erzieher wollten.

Dann erhielt Wieland das Angebot einer Anstellung als Hofrat. Das war naturgemäß befristet, denn am 3. September 1775 wurde der Erbprinz volljährig und so lange sollte die Unterweisung dauern. Geboten waren 1000 Taler Gehalt und

600 Taler Rente bis ans Lebensende. Ein Problem stellte sich allerdings für Wieland, nämlich wie er “von guter Art von Erfurt loskommen könne”. Nachdem die Universitätsreform in Erfurt nicht sehr erfolgreich verlaufen war, hatten viele Professoren

Erfurt wieder verlassen. Und natürlich wollte Wieland seinen Förderer, den kurmainzischen Großhofmeister von Groschlag, nicht vor den Kopf stoßen. Er hatte ja einigen Anteil am glücklichen Ende des “Wielandschen Prozesses “, er hatte bei seiner

Berufung zum Professor mitgewirkt, er hatte ihm das Privileg der Postfreiheit verschafft und auch versucht, nicht autorisierte Nachdrucke zu verhindern. Wieland stand also durchaus in der Pflicht.

Nun hatte sich Görtz an Groschlag gewandt, die Herzogin Anna Amalia an den Kurfürsten. “Sie wage zwar viel durch diese Bitte, da sie wisse, wie sehr der Churfürst auf Wieland hinsichtlich der Aufnahme der Erfurter Universität rechne,

werde aber die Gewährung dieser Bitte als einen zuverlässigen Beweis von der Wirklichkeit und Fortdauer der freundschaftlichen Gewogenheit des Churfürsten betrachten.” (zitiert bei Heinrich Döring Christoph Martin Wieland ein biographisches Denkmal,

Sangerhausen 1840 S. 213) Am 25. Juli 1772 bat Wieland den Kurfürsten Emmerich schriftlich um seinen Rücktritt und am 4. September 1772 bestätigte ihm der Weimarer Hof seinen Eintritt in “Obervormundschaftliche Dienste.”

Am 17. September 1772 kam er schließlich in Weimar an.Vorher hatte er in zähen Verhandlungen noch seine Ernennung zum Hofrat auf Lebenszeit durchgesetzt, die Erstattung seiner Umzugskosten und das Ursprungsangebot noch erhöhen

können. Kurz nach seiner Übersiedlung starb sein Vater Thomas Adam am 26. Dezember 1772 in Biberach. Seine Mutter holte er kurz danach nach Weimar.

In seinem Brief an Sophie La Roche vom 7. August 1772 erläutert er seinen Beweggrund, der ihn zum Wechsel nach Weimar veranlasste und auch in seinem Entlassgesuch an Kurfürst Emmerich bringt er dies als Hauptgrund vor.

“dass die wenige Verbesserung des Einkommens  der Beweggrund nicht gewesen ist, der mich vermögen konnte, einen Entschluß zu fassen, wobei ich in mehr als einer Betrachtung so viel risquiere. …Aber da wider mein ehemaliges Vermuthen,

und ohne, daß ich den kleinsten Schritt gethan  hätte, sie Sache zu befördern, der Antrag an mich kam, den Verstand und das Herz eines jungen Fürsten ausbilden zu helfen, der in wenigen Jahren regieren soll, so konnt’ ich unmöglich anders,

als denken, dies sey eine Gelegenheit, mehr Gutes zu bewirken, als ich in meinem ganzen bisherigen Leben zu thun im Stande gewesen bin.” (C.M. Wielands Briefe an Sophie von La Roche, herausgegeben von Franz Horn S.  162 f.)

Und an Kurfürst Emmerich  schreibt er  zunächst, dass eine “schuldige ehrfurchtsvolle Zurückhaltung gegenüber dem Kurfürsten, ihm verbiete, alle Beweggründe darzulegen. “ Nur dies sei mir erlaubt zu sagen, daß in der Verlegenheit, worin mein

Gemüth durch diesen völlig unerwarteten Antrag (das Angebot der Herzogin, den Erbprinzen zu erziehen) gesetzt ward, nichts als die völligste Überzeugung meines Gewissens, daß ich die Gelegenheit durch Theilnahme an der Erziehung und Bildung

eines hoffnungsvollen und mit seltenen Fähigkeiten begabten jungen Fürsten einen vorzüglichen Nutzen zu stiften, ohne Verletzung meiner wesentlichen Pflichten gegen Gott und Vaterland, nicht von mir abweisen könne…”

(zitiert bei Heinrich Döring S.215).

Wieland war noch in Weimar gebeten worden, literarisch zum Geburtstag der Herzogin am 24. Oktober 1772 beizutragen. Er brachte den Text zum Singspiel Aurora mit, das von Anton Schweitzer vertont wurde und zum Geburtstag der

Herzogin seine Uraufführung erlebte. Ein knappes halbes Jahr später folgte die Oper Alceste, der Text wieder von Wieland und die Musik von Anton Schweitzer . Sie wurde am 28. Mai 1773 am Hoftheater von Weimar erstmals

aufgeführt.Sie machte ihren Komponisten,der schon seit seinem Singspiel “Die Dorfgala” kein Unbekannter mehr war, berühmt. Alceste wurde allein in Weimar 25 mal aufgeführt, danach in Dresden, Leipzig, Mannheim, Frankfurt/M., München, Berlin,

Hamburg aber auch in Danzig und Prag.Sie war in dieser Zeit dann die meistgespielte Oper auf deutschen Bühnen. Sie gilt als Meilenstein auf dem Weg zu einer deutschen Oper. Nach Döring hatte Christoph Willibald Gluck Wieland schriftlich

aufgefordert,ihm ebenfalls eine ähnliche Oper zu schreiben (S. 225)

In einem Brief an Gluck vom 13. Juli 1776 schreibt er:“Ich habe Augenblicke, wo ich eifrig wünschte, ein lyrisches Werk hervorbringen zu können, das werth wäre,von Gluck Leben und Unsterblichkeit zu empfangen. Zuweilen ist mir aber auch, ich könnt es. Aber dies ist nur ein vorübergehendes Gefühl,nicht Stimme des Genius.” (In Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode, 1815, S. 261).

Wichtigste Projekt aber wurde der Teutsche Merkur. Eine Zeitschrift war das publikumswirksamste Medium der Zeit und auch dafür hatte Wieland schon Erfurt aus die ersten Impulse gegeben. Vorbild war der seit 1762 in Paris erscheinende

“Mercure de France”, ein literarisch-politisches Journal. In einem Brief an Riedel vom 17. September erläutert er seine Pläne genauer. “Ich bin entschlossen, eine Art von Journal zu entrepreniren, welches quo ad formam einige Ähnlichkeit mit

dem Mercure de France haben soll. Prosaische Original-Aufsätze,Litterarische Nachrichten,  Recensionen und Revisionen unrichtiger Urtheile über interessante Schriften, sollen die Hauptartikel davon ausmachen” (Auswahl denkwürdiger Briefe S.302)

00000004

Es sollte auch eine Bühne für junge Schriftsteller werden, wie Wieland in seiner Vorrede zur ersten Ausgabe sagte. “ Die Unternehmer wünschen also Beyträge zu erhalten, und laden dazu nicht nur die Schriftsteller ein, welche bereits im Besitz der

allgemeinen Hochachtung sind: Sie sind gar nicht ungeneigt, auch für angehende Schriftsteller einen Schauplatz zu eröfnen, wo sie sich dem Publico zeigen können, und es würde ihnen sehr angenehm seyn, wenn sie durch diese Unternehmung Gelegenheit

erhielten, ein hier und da noch schlummerndes Genie aufzuwecken, oder ein vielleicht unentschlossenes in die ihm angemeßne Laufbahn einzuleiten.” Weiter später bittet der Herausgeber, die Erwartungshaltung nicht zu hoch werden

zu lassen.”Alles was ich noch hinzuzufügen habe, ist eine Erklärung an einige meiner Freunde, welche mir zu erkennen gegeben haben, dass sie Meisterstücke, und was für den Herausgeber noch fürchterlicher ist, lauter Meisterstücke vom Merkur erwarteten.”…

und weiter “Dem sey aber wie es wolle, ich meines Orts verlange von keinem Verfasser, so wenig als von irgend einem Künstler ein vollkommenes, ein untadeliges Werk.” (Vorrede zum Teutschen Merkur 1. Bd. 1773, ab S. IV).

Friedrich Heinrich Jaobi hatte Wieland wohl auf diese Idee gebracht. Einiges  hemmte das Projekt. Da war einmal die zu knapp bemessene Planungs-und Vorbereitungsphase, was am Anfang einen chronischen Mangel an Textbeiträgen bewirkte.

Wieland hatte sich ein enormes Arbeitspensum aufgebürdet. Die Korrespondenz war kaum zu bewältigen. Probleme mit den Papierlieferanten, säumige Abonnementzahlungen oder die unzuverlässige Auslieferung der Bände waren zu bewältigen.

Ein Netz von Kollekteuren in möglichst vielen Teilen des deutschen Reiches musste aufgebaut werden, die als Werber von Abonnenten, Inkassostellen, Distributoren und Ansprechpartner fungierten. Der Leiter der Weimarer Schauspieltruppe Abel Seyler

war Wielands erster Assistent und da er beruflich viel unterwegs war, auch einer der ersten Kollekteure. Zu ihnen kamen später Gleim und Goethe dazu. Aber 1774  sind schon 121 Kollekteure belegt, unter anderem sein alter Freund

Zimmermann, der mittlerweile in Hannover war, aber auch das Kayersl. Real Zeitungs-und Intelligenz Comptoir in Wien. Um die Attraktivität seines Merkurs zu steigern, suchte er Immanuel Kant, Lessing,  Garve, Herder oder Möser zu gewinnen.

De Letztgenanten waren aber zu stark mit eigenen literarischen Arbeiten beschäftigt, als dass sie ihm dauerhafte Mitarbeit zu sichern hätten können. Kant konnte als Ersatz einen ostpreussischen Buchhändler vermitteln

Trotzdem hatte der Teutsche Merkur zum Start 2500 Abonnennten. Dafür sorgte natürlich der prominente Name des Herausgebers und die populäre überkonfessionelle Konzeption des neuen Journals. Das hatte er ja auch in seinem

oben zitierten Brief an Riedel herausgestellt. “Ein Hauptgesetz soll seyn, alles was irgend einer in Deutschland recipirten Religion anstößig seyn könnte, zu vermeiden; denn mein Merkur soll in den katholische Staaten ebenso gangbar werden,

als in den protestantischen.” (S.303). Um die Kundschaft an sich zu binden, versprach Wieland die Erstveröffentlichung sämtlicher seiner neuen Werke im Merkur. Zudem brachte er eine Fortsetzungsästhetik. An besonders interessanten

Stellen wurde unterbrochen und der Leser auf die nächste Lieferung vertröstet, also praktisch  modernes Literaturmarketing vorweggenommen. Er hatte erkannt, dass man die Leute auf den nächsten Band begierig machen musste.

Er hatte die Konkurrenzunternehmen im Blick. Das waren damals “Die Allgemeine deutsche Bibliothek” von Friedrich Nicolai herausgegeben. Das war eine damals maßgebliche Rezensionszeitschrift, die vierteljährlich erschien.

Wie oben gezeigt wurde Wieland in seinen Anfängen als Autor von Nicolai kritisch begleitet. Die Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste“ , die Christian Felix Weiße von 1759 von Nicolai übernommen hatte

und bis 1765 weiterführte. Ab 1765 erschien sie dann als “Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste” 1776 hatte Boie  “Das Deutsche Museum” gegründet.

Die ersten Ausgabe des Merkur startete mit “Flüchtige poetischen Stücke”, Gedichte und Übersetzungen der Brüder Jacobi. Es gab zwei ausführliche Beiträge von Wieland über das Singspiel Alceste. Wieland hatte seinen Merkur in den ersten Ausgaben

auch als Forum für die Weimarer Theaterverhältnisse genutzt.Auch in den Folgeheften kamen die meisten Beiträge von den Brüdern Jacobi und Wieland selbst. Auch Gottfried August Bürger lieferte einige Beiträge.

Als es gelang den damals 26 Jahre alten  Friedrich Justin Bertuch anzuwerben, entlastete das Wieland ganz enorm. Trotz bescheidener Bezahlung war das ein Geschäftspartner wie ihn Wieland sich besser nicht hätte wünschen können.

Bertuchs weitere Laufbahn zeigt, welch universales Talent sich um den Merkur kümmerte. Als der Hofmeister Görtz entlassen worden war, wurde er Geheimsekretär und Schatzmeister des jungen Herzogs Carl August. Er war von Anfang an in den

220px-Bertuch

in den Kreis um Carl August eingebunden,in dem  Goethe die zentrale Figur war. Bertuch war Schriftsteller und Übersetzer. Die Bekanntschaft mit Wieland hatte er als sein glühender Verehrer selbst geschlossen, als dieser noch Professor in Weimar war.

Er legte dem großen Dichter seine ersten dichterischen Versuche vor. Wieland war vom Enthusiasmus des jungen Mannes gerührt. Er wurde sein väterlicher Freund und ermunterte ihn zu weiterem kreativen Schaffen.

Als Bartuch nun für den Merkur tätig wurde, wechselte auf seinen Rat hin der Druckort des Journals von Rudolstadt nach Weimar. Der Vertrieb wurde an den Weimarer Carl Ludolph Hoffmann vergeben. Damit war eine professionelle

verlagsbuchhändlerische Betreuung  gesichert. Im November 1774 starb Wielands Sohn Carl Friedrich im Alter von nur sieben Wochen. Wieland, der seine Kinder liebte, litt darunter sehr. In dieser Phase schwerer seelischer

Belastung übernahm Bertuch die Druckaufsicht,  Textrevision und die ständig wachsende Korrespondenz. Ab 1775 war der statt der bisherigen quartalsweisen Erscheinung eine monatliche Publikation sichergestellt.

Auf der politischen Bühne änderte sich einiges. Hofmeister Görtz war von Herzogin Anna Amalia entlassen worden. Er hatte, auch von Wieland kritisch beobachte,  bei seinem Zögling ständig gegen Anna Amalia intrigiert.

Auch Bertuch sah diese Intrigen mit wachsender Enttäuschung. Görtz sah durch die Toleranzpolitik der Herzogin die Privilegien des Adels bedroht und arbeitete auf eine vorzeitige Regierungsübernahme von Carl August hin.

Er wurde zwar ihn Ehren entlassen, bekam als wirklich Geheimer Rat ein lebenslanges Jahresgehalt von 1500 Talern. Die Landstände bewilligten zudem ein Geschenk von 20 000 Talern. Auf die Fürsprache Wielands wurde Bertuch

am 4. September 1775, das war ein Tag nach der Inthronisation Carl August zu dessen Privatsekretär und Schatullier ernannt. Das führte allerdings dazu, dass Bertuch im Sommer 1776 als Geschäftsführer ausschied. Nun musste Wieland sich

wieder allein um “das mercurialische Fabrikwesen” kümmern, wie er das in seinem Brief an Gleim vom 3. September 1776 nannte.

Im 5. Band 1774 des Teutschen Merkurs  wurde mit dem Abdruck der “Abderiten, eine sehr wahrscheinliche Geschichte begonnen” . Die Fortsetzung folgte in Band 6 und 7. Im ersten Vierteljahr 1779 folgte der Prozess um des Esels

Schatten. Im 3. Vierteljahr 1780 folgte mit den “Fröschen der Latona” der 5. und letzte Teil. Er war Wielands komödiantischter Roman und gilt als Meisterwerk satirischer Prosa. In den ersten beiden Büchern wird Anekdote an Anekdote gereiht.

Die Handlung spielt in Abdera. Abdera ist historisch belegt ebenso wie Demokrit. Er führt Gespräche mit seinen Landsleuten und ist der einzige vernünftige Mann in Abdera. Es war Wieland aber sicher nicht um eine historische Schilderung zu tun.

Abdera ist einfach Kulisse. Und wie er im “Schlüssel zur Abderitengeschichte sagt: “und wiewohl man schon längst nicht mehr sagen kann: siehe hie ist Abdera oder da ist Abdera: so ist doch in Europa, Asia, Africa und America, soweit diese große Erdviertel policiert

sind, keine Stadt, kein Marktflecken, Dorf noch Dörfchen, wo nicht einige Glieder dieser unsichtbaren Genossenschaft anzutreffen sein sollten.” Natürlich hat Wieland auf seinen Stationen in Zürich, Erfurt und Weimar und vor allem in

seiner Zeit als Biberacher Stadtschreiber Anregungen für seine Abderiten genug gefunden. Aber Abdera ist eben nicht Biberach oder Weimar sondern hat durchaus Modellcharakter.

In den nächsten drei Bänden behandelt jeder Band ein einziges Thema. Der 3. Band wurde im 4. Vierteljahr veröffentlicht und handelte vom abderitischen Theater. Es geht um die Intrigen, die vor, während und nach der Aufführung stattfinden und sicher

hat Wieland da auch seine Erfahrungen verarbeitet, die er in Mannheim gemacht hatte, als dort eine Oper von ihm aufgeführt werden sollte. Im 1. Vierteljahr 1779 erscheint der Prozess um des Esels Schaden. Wieland schildert hier, wie zwei

sture Rechthaber in einem simplen Prozess fast die ganze Stadt ruinieren. Am Schluss wird der völlig unbeteiligte Esel dem Mob geopfert. Den Schluss bildet der 5. Band, der von der Verehrung der Stadtpatronin und Göttin Latona. Er wird

im 3. Vierteljahr 1780 veröffentlicht. Zu ihrer Verehrung sollen überall Froschteiche angelegt werden. Die Stadt versumpft buchstäblich. Die letzten vernünftig gebliebenen Abderiten können sich gegen das Gezänk, der sich theologisch befehdenden

Parteien nicht durchsetzen. Die Gegend ist für immer unbewohnbar geworden und die Abderiten müssen ihre Stadt verlassen.

Die Abderiten sind in einer Zeit geschrieben, in der das Bürgertum eine hohe Blüte erreicht hatte. Seine Ideale Leistung und Bildung begannen sich gegenüber dem Geburtsadel durchzusetzen. Das Buch ist eine brillante Analyse kleinbürgerlicher Lebenspraxis.

Es erweist sich auch“als die unbestechliche Entzauberung eines Systems zu dem Egoismus hinter dem Anschein von Dienstfertigkeit und Amtsanmaßung bei mangelnder Sachautorität ebenso gehören wie der Mißbrauch staatlicher Einrichtungen und

eine raffinierte >Kunst< ungebührlicher Einflußnahme” (Wolfram Mauser Konzepte aufgeklärter Lebensführung Würzburg 200 S. 175).

In den Erscheinungszeitraum der ersten beiden Abderitenbände fällt auch “Das Leben und die Meinungen des Herrn Magisters Sebaldus Nothanker” (1773-1776)von Friedrich Nicolai und Goethes “Leiden des jungen Werther” (1774).

Alle drei fanden in ganz unterschiedlichen Leserkreisen weite Verbreitung.

Wieland zeigt in seinen Abderiten die Anfälligkeit einer Gesellschaft für das Destruktive in ihr. Wieland zeigt die vielfältigen Formen des Sichanpassens und Einordnen, aber auch des Betrugs, Vertrauensbruchs und des zynischen Machtkalküls.

Hilfsbereitschaft, Wohlwollen und Loyalität werden nur vorgetäuscht. Dahinter versteckt sich aber Nepotismus, Eigennutz, Selbstgefälligkeit und Gewissenlosigkeit. Schon eine pessimistische Weltsicht in dem Buch, das kurz vor der französischen

Revolution geschrieben wird. Was empfiehlt der Aufklärer Wieland dagegen? Der Einzelne unterwirft sich aus Einsicht einem Regulativ. Ein gegenseitiges Einander-auf die Finger schauen, was letztlich stärker ist als die schärfste Kontrolle der

Obrigkeit. Man soll die Welt nicht nur vor den Torheiten der anderen schützen sondern auch vor den eigenen.

In dem Dorf Weende nahe bei  Göttingen hatten sich am 12. September 1772 Johann Heinrich Voß. Ludwig Christoph Heinrich Hölty, Johann Martin Miller, Gottlieb Dietrich von Miller, Johann Friedrich Hahn und Johann Thomas Ludwig Wehrs

versammelt und gründeten dort den “Hainbund”. Sie studierten alle in Göttingen und hatten sich zum Teil durch ihre literarischen Beiträge in dem von Heinrich Christian gegründeten Göttinger Musenalmanach kennengelernt.

Der Name “Hainbund” geht auf Klopstocks Ode “Der Hügel und der Hain” zurück. Friedrich Gottfried Klopstock war so etwas wie der Übervater ihres Bundes. er hatte ihnen Namen und Programm gegeben. Aber sie hatten auch ihre Hassfigur,

nämlich Christoph Martin Wieland. Er galt ihnen als “Sittenverderber”. Das zeigte sich beider Feier die zu Klopstocks Geburtstag stattfand. “

Seinen [Friedrich Gottlieb Klopstocks; P. P.] Geburtstag feierten wir herrlich. Gleich nach Mittag kamen wir auf Hahns Stube, die die größte ist (es regnete den Tag) zusammen. Eine lange Tafel war gedeckt, und mit Blumen geschmückt. Oben stand ein

Lehnstuhl ledig, für Klopstock, mit Rosen und Levkojen bestreut, und auf ihm Klopstocks sämtliche Werke. Unter dem Stuhl lag Wielands Idris zerrissen. Jetzt las Cramer aus den Triumphgesängen, und Hahn etliche sich auf Deutschland beziehende

Oden von Klopstocks vor. Und darauf tranken wir Kaffee; die Fidibus waren aus Wielands Schriften gemacht. Boie, der nicht rauchte, mußte doch auch einen anzünden, und auf den zerrissenen Idris stampfen

meine Hervorhebung; P. P.] (zit. nach: Der Göttinger Hain. Herausgegeben von Alfred Kelletat. Stuttgart 1967, S. 359). Wieland selbst hat diesen Vorfall gar nicht mitbekommen.

Kurz danach wurde aber der literarische Vorbehalt gegen Wieland, den es ja auch gab, öffentlich ausgetragen und zwar durch Goethes Farce “Götter, Helden und Wieland”, die laut Goethe “während eines Sonntags … bei einer

Flasche Burgunder “ verfasst worden war (Goethe Aus meinem Leben, Dichtung und Wahrheit, Tübingen 1814, S.500). Auf der gleichen Seite sagte er “dass  dies einer von  Lenzen ersten Schritten gewesen, wodurch er mir zu schaden

und beym Publikum in üblen Ruf mich zu setzen die Absicht hatte.” Goethe  kritisiert vor allem, dass Wieland in der Alceste “Helden und Halbgötter nach moderner Art nach moderner Art gebildet” und weiter “Allein in den Briefen,

die er über die gedachte Oper  in den Merkur einrückte, schien er uns diese Behandlungsart allzu parteyisch hervorzuheben und sich an den trefflichen Alten und ihrem höhen Stil unverantwortlich zu versündigen, indem er die derbe gesunde Natur,

die jenen Productionen zum Grunde liegt, keineswegs anerkennen wollte.” (ebd. s. 499). Das ist Goethes Version zum Entstehungsgrund seiner Farce. Viele Biographen sehen aber auch eine Verärgerung Goethes über eine Rezension seines Götz von Berlichingen

als Ursache an. Wielands Schatten in der Nachtmütze wird an einen Nebenarm des Styx versetzt und begegnet dort den mythischen Opfern seiner Phantasie. Merkur fühlt sich verletzt durch die ungefragte Verwendung seines Namens für

ein Journal. Euripides, der antike Dichter Alceste-Dichter beklagt die Mittelmäßigkeit des vermeintlich epigonalen Stückes. Dann erscheint auch noch Herckules, der seine wahren Handlungsmotive ebenfalls verkannt  sieht. Und er

fasst zusammen. “Ich weiß genug. Hättest du nicht zu lang unter der Knechtschaft deiner Sittenlehre geseufzt, es hätte noch was aus dir werden können”

Wieland reagiert souverän. Er rezensierte das gegen ihn gerichtete Werk im Teutschen   Merkur vom Juni 1774 positiv. “Der Herr D. Göthe,  Verfasser dieses Werkleins, nachdem er uns in seinem Götz von Berlichingen gezeigt hat,

daß er Shakespear seyn könnte, wenn er wollte, hat uns in dieser heroischen-komischen-farcicalischen Pasquinade gewiesen, daß er, wenn er wolle, auch Aristophanes seyn  könne. Denn so wie es ihm in  diesem kritischen Wrexekek

Koax Koax beliebt hat, mit Wieland und Wielands Alceste sein Spiel zu treiben, so trieb es ehedem Aristophanes mit dem nehmlichen Euripides, welchen Herr Göthe hier, mit der ihm eigenen Laune, dem Verfasser des Singspiels Alceste auf

den Kopf treten läßt. Wir empfehlen diese kleine Schrift allen Liebhabern der pasquinischen Manier als ein Meisterstück von Persiflage und sophistischem Witze, der sich aus allen möglichen Standpunkten sorgfältig denjenigen auswählt,

aus dem ihm der Gegenstand schief vorkommen muß, und sich dann recht herzlich darüber lustig macht, daß das Ding so schief ist.” (Seite 351 f.).

Die Farce hat in der damals sehr literarisch interessierten Gesellschaft natürlich schon für Aufsehen gesorgt. Heinse, der ja auch zum Sturm und Drang tendierte zeigte sich in einem

Brief an Gleim (Düsseldorf, 13. Oktober 1774) geradezu begeistert. “er (Goethe)reißt alle mit sich fort, und seine Götter, Helden Wieland- ein Werk von herkulischer Stärke, wenn man’s recht, und Zeile vor Zeile durchdenkt

und durchfühlt…” (Wilhelm Körte, Briefe deutscher Gelehrten, Zürich 1806, S. 201). In den meisten Literaturzeitungen wurde der Angriff Goethes auf Wieland eher negativ betrachtet.

Christian Daniel Schubart, der ja auch eine Neigung zum Sturm und Drang hatte, schrieb in seiner Deutschen Chronik im 19. Stück auf Seite 150/51 “Hier liegt eine Posse* vor mir, die mich fast zu tod ärgert-Götter Helden und Wieland betittelt.

Nicht als wenn diese Posse schlecht geschrieben wäre; nein! ein Meisterstück ist sie, und niemand kann so dialogisiren, als der Verfasser des Göz von Berlichingen. Nur der Angrif auf unseren Wieland, dem wir in aller Absicht so

viel zu danken haben, mißfällt mir” und dann fährt er fort, dass Klopstock und Bodmer ja auch solchen Angriffen ausgesetzt waren und weiter “und itzt auch Wieland!-Nicht von einem Kleingeiste, sondern von einem Manne von Genie.

Wenn Liliputier mit ihren Nadelpfeilchen auf einander schießen, so lacht man. Wenn aber Brobdingrags ihre Riesenfäuste heben, dann zittert man vor Gefahr-Und Gefahr ists für unsre Literatur, wenn sich die besten Köpfe entzweyen,

und ihr Feuer, das sie in unsterblichen Werken verschwenden sollten, in Zank und Schmähschriften weglodern lassen.” Auch Nicolai hat sich natürlich in der Allgemeinen Deutschen Bibliothek zu Wort gemeldet.

“Was würde Herr G. sagen, wenn jemand unter dem Namen: Zigeuner, Lumpengesindel und  Göthe ein Pasquill auf seinen Götz von Berlichingen machte, und führte ihn darinn auf als einen einfältigen Tropf, wie er in diesem stücke Herrn Wieland aufführt.

… Die Art, wie Hr. Wieland sich in seinem Merkur, über dieses plumpe Pasquill, (und keinen andren Namen verdient es) erklärt hat, macht ihm wahre Ehre.” (Allgemeinen Deutschen Bibliothek , Bd 26, 1775 S. 206). Wielands souveräne Reaktion

und die Rezensionen zeigten Goethe, dass er übers Ziel hinaus geschossen war und das sich die Stimmung gegen ihn wandte. Diese Reaktion ermöglichte auch, dass sich kurz nachdem die Schmähschrift solche Wellen schlug, sich doch eine tiefe Freundschaft

zwischen den beiden entwickeln konnte.

Zu der Zeit als die literarische Auseinandersetzung stattfand, wurde Weimar von einem Unglück heimgesucht. Am 6. Mai 1774 brannte das Weimarer Schloss ab, das bis auf die Außenmauern zerstört wurde. Bis auf ein paar Bücher, die er verlor, kam Wieland mit

dem Schrecken davon. Allerdings zog der gesamte Hofstaat ins Barockschloss Belvedere um. Auch Wieland wohnte dort bis Ende September 1774. Das Theater musste seinen Betrieb einstellen und die Schauspielergesellschaft wurde entlassen.

Der Brand hatte die Bühne unbespielbar gemacht und man musste mit Provisorien arbeiten. Bis dahin konnte jeder Weimarer Bürger dreimal die Woche das Theater unentgeltlich besuchen.

Für Wieland bedeutete der Brand mit Ausnahme der  Rosamunde, die in Mannheim aufgeführt werden sollte, zunächst den Abschied von der Theaterbühne. Später hatte er nochmals antike Dramen von Aristophanes und Euripides übertragen.

Kurz vor Carl August die Regierung antrat, reiste Wieland nach Halberstadt zu Gleim. Der Besuch wurde genauestens vorbereitet, denn Wieland hasste Überraschungen oder mit seinen Worten “ich liebe  die Überraschungen nicht;

sie taugen für alle sehr empfindlichen Leute nichts, Voraus zu genießen ist ein zu süßes Vorrecht der Menschheit, um sich dessen selbst zu begeben” Brief an Gleim vom 17. März 1775(Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 3, Zürich 1815 S.206).

Damit meinte er vor allem das Angebot Gleims, ihm bis Blankenburg entgegenzukommen

Am 10. März reiste die Gesellschaft schließlich los. Christoph Martin mit seiner Frau Anna Dorothea, der siebenjährigen Tochter Sophie Catharina Susanne und seinem Merkur-Mitarbeiter Friedrich Bertuch. Ursprünglich terminiert war der 4. Mai.

Aber der Merkur hatte nochmals aufgehalten. “und warum dieß? Alles bloß um  dieses gebenedeyten Merkurs, den wir, ich und Bertuch, schlechterdings vom Halse haben müssen, um mit ganz heiterm, ruhigem, sorgenfreyem Geiste zu unserm Gleim ziehen

und acht ganzer seliger Elisiumstage bei ihm zu leben.” (ebda. S. 212). Das  Monatstück May” musste noch gedruckt, geheftet und zum Versand gebracht werden. Man besuchte ihn in seinem Haus, direkt am Dom gelegen

da5b6392a5

und konnte dort sicher seinen “Freundschaftstempel” bewundern. Das Gleimhaus ist heute “Kultureller Gedächtnisort mit besonderer nationaler Bedeutung”. Natürlich ist dort ein Bild von Gleim vertreten, aber auch Wieland, direkt neben Sophie von La Roche,aber auch Lavater, Bodmer und auch Klopstock und Bertuch. Wieland blieb 12 Tage in Halberstadt. Am 28. Mai schreibt er an Gleim und berichtet, dass er und seine Frau “unsern langen zwölftägigen Wonnetraum von Gleim und Geminde, von Freundschaft und Seligkeit,

von Halladat und saphischen Liedern, von Spiegelbergen und Nonnenparadiesen…”(Ebda S. 218). Anna Louisa Karsch, die “preussische Sappho” (Gleim) war zugegen und man las ihre Gedichte. Im zitierten Brief kündigt Wieland an “An das Wunderweib, unsre Karschin schreibe ich noch diese Woche (ebda. S. 224). Sie ist übrigens im  Freundschaftstempel auch vertreten und zwar an prominenter Stelle.. Man hatte wohl auch darüber diskutiert zusammen zu wohnen. “Das Projekt zusammen zu ziehen, ist wie ich sehe unser beyder Lieblingsprojekt geworden” (Brief vom 3. Juni 1775, ebd. S. 226)

Am 3. September 1775 wurde Carl August öffentlich in sein Amt eingeführt. Wieland hatte dazu eine “Cantate auf den neunzehnten Geburtstag und Regierungs-Antritt des Herzogs von Sachsen-Weimar und Eisenach” verfasst. Bei der Amtseinführung wurde sie

aufgeführt. Im 3. Band 1775 des Teutschen Merkur wurde sie auch veröffentlicht. (S. 193-195). Nach seiner Regierungsübernahme erhöhte der junge Herrscher die Wieland vertraglich zugesicherte Rente von 600 Reichstalern auf 1000

unter der Bedingung, dass Wieland in Weimar blieb. Laut Ofterdinger gab dies den Ausschlag, das Wieland nicht nach Oberschwaben zurückzog. Er zitiert Wieland mit der Aussage vom 20. Januar 1799 “Wäre dieß nicht gewesen,

so wäre ich aus dem belobten Weimar in mein liebes Schwabenland zurückgezogen”. (S. 236)

Carl August hatte 1774 mit seinem Erzieher dem Grafen Johann Eustach von Schlitz genannt Görtz eine Bildungsreise unternommen. Auch Ludwig von Knebel war dabei, der ja auch als Erzieher am Hofe von Weimar angestellt war. Die Reise  führte über

Frankfurt, Mainz, Karlsruhe und Straßburg nach Paris. In Frankfurt hatte man einen Zwischenhalt eingelegt, da der Prinz Johann Wolfgang von Goethe kennenlernte wollte. Knebel machte sie miteinander bekannt. Goethe schildert das in

“Dichtung und Wahrheit” so: “Ich eilte nunmehr mit demselben zu den jungen Fürsten, die mich sehr frei und freundlich empfingen, so wie auch der Führer des Erbprinzen, Graf Görtz, mich nicht ungern zu sehen schien.” (1773 3,15)Er reiste, wie abgesprochen der

Reisegesellschaft nach Mainz nach “Ich gelangte also in sehr kalter Jahreszeit zur bestimmten Stunde nach Mainz, und wurde von den jungen Herrschaften und ihren Begleitern, der Einladung gemäß, gar freundlich aufgenommen. Der in Frankfurt geführten Gespräche erinnerte man sich, die begonnenen wurden fortgesetzt, und als von der neuesten deutschen Literatur und von ihren Kühnheiten die Rede war, fügte es sich ganz natürlich, daß auch jenes famose Stück, »Götter, Helden und Wieland«, zur Sprache kam; wobei ich gleich anfangs mit Vergnügen bemerkte, daß man die Sache heiter und lustig betrachtete. Wie es aber mit dieser Posse, welche so großes Aufsehn erregt, eigentlich zugegangen, war ich zu erzählen veranlaßt, und so konnte ich nicht umhin, vor allen Dingen einzugestehn, daß wir, als wahrhaft oberrheinische Gesellen, sowohl der Neigung als Abneigung keine Grenzen kannten. (ebda).Auf seiner ersten Schweizreise traf Goethe Herzog Carl August nochmals in  Karlsruhe,

der dort Luise von Hessen-Darmstadt heiratete. Auch Goethe wurde von dem jungen Paar empfangen. “Meine Gespräche mit beiden hohen Personen waren die gemütlichsten, und sie schlossen sich, bei der Abschiedsaudienz, wiederholt mit der Versicherung: es würde ihnen beiderseits angenehm sein, mich bald in Weimar zu sehn.” (ebda 1775 4,18) Er leistete dieser Einladung Folge und kam am 7. November 1775 in Weimar an.

Wieland war sofort total begeistert und schrieb das auch an seine Freunde. An Friedrich Heinrich Jacobi schreib er am 10. November 1775:
“Dienstags, den 7. d. M., morgens um fünf Uhr, ist Goethe in Weimar angelangt. O bester Bruder, was soll ich Dir sagen? Wie ganz der Mensch beim ersten Anblick nach meinem Herzen war! Wie verliebt ich in ihn wurde, da ich am nämlichen Tage an der Seite des herrlichen Jünglings zu Tische saß!
Alles, was ich Ihnen (nach mehr als einer Krisis, die in mir diese Tage über vorging) jetzt von der Sache sagen kann, ist dies: Seit dem heutigen Morgen ist meine Seele so voll von Goethe, wie ein Tautropfe von der Morgensonne. “ (zitiert in “Literaturbrevier”)

und an Zimmermann am 8.Januar 1776: ”Was Gott zusammengefügt hat,soll  der Mensch nicht scheiden. Göthe, Lavater, Herder, warum sollten sie nicht auch meine Freunde seyn? Seit ich diese Kleeblatt kenne, sind sie meine Heiligen. Ich lebe nun

9 Wochen mit Göthen, und lebe seit unserer Seelen-Vereinigung so unvermerkt und ohne allen effort nach und nach zu Stande gekommen ganz in ihm. Er ist in allen Betrachtungen und von allen Seiten das größte, beste und herrlichste menschliche Wesen,

das Gott geschaffen hat.” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S. 246). An Meusel, Historiker, der ja auch im Merkur mitarbeitete hatte er im November geschrieben “Göthe, den wir seit neun Tagen hier besitzen, ist das größte

Genie, und der beste liebenswerthe Mensch, den ich kenne. (ebda. S. 245 f.) An Gleim schreibt er im September 1776. Goethe und Gleim “konnten” ja nicht miteinander und Goethe ist in Gleims Freundschaftstempel nicht

vertreten. “Sie mein liebster haben ja noch einen Pik gegen diesen edlen herrlichen jungen Mann, den ich schon lange wie meinen Augapfel liebe. Sie brauchten ihn aber nur etliche Tage in der Nähe zu sehn, so würde er ihnen fast so lieb

werden, als mir. In diesen zehn Monaten, die ich mit ihm gelebt habe, ist – ein einziges Mißverständnis ausgenommen, das aber nicht länger als eine Stunde dauerte- (und auch dieß begegnete schon vor mehr als sechs Monaten)

kein Augenblick gewesen wo Göthe und ich nicht in der reinsten Harmonie gelebt hätten.” …und weiter “ Alles in meinem Hause, Mutter Weib und Kinder lieben ihn” (ebda S. 261 f.)

Die Zuneigung war aber durchaus gegenseitig. Zahlreiche Tagebucheinträge Goethes berichten von Besuchen im Hause Wieland. Er war dort oft beim Essen aber auch bei Freunden, zum Beispiel der Familie Keller in  Stedten, die aus Tübingen

stammte.

1776 kaufte Wieland einen Garten vor der Stadt. Da er nun Eigentümer einer städtischen Liegenschaft war, Stadtbürger werden. Das Bürgerbuch der Stadt Weimar vermerkt dazu: “den 16 Mart. 1776 der Churf(ür)stl(ich) Mayntzi(sche)

und F(ürstlich)und Sächs(ische)HofRath H(err)Christoph Martin Wieland haben dato das Bürgerrecht conferirt erhalten.” (Stadtarchiv Weimar HA I-37-4 S.Die Eintragung kostete ihn 10 Meißner Gulden, das entspricht etwa 87,50 Reichstaler.

Das wären nach heutiger Währung etwa 1750 €. Dazu kam noch ein Feuereimer für einen Meißner Gulden, also etwa 175 €. Der Kaufpreis für Grundstück und Gebäude betrug 1250 Reichstaler. Zwischen  1622 und 1775 entsprach ein Reichstaler

zwischen 17 und 22 €. Das heißt  der Garten kam Wieland auf etwa 25.000 € zu stehen. Laut Zaremba ( S. 189)bedeutete dies aber nur etwa die Hälfte des Marktpreises. Wieland musste dazu aber 1000 Taler seines Kapitals bei der Stadtkasse

Biberach zurückfordern. Der Betrag an die Stadtkasse Weimar wurde auf einmal beglichen, was zu der Zeit nicht selbstverständlich war.

Natürlich erzählt er auch seinen Freunden von seiner Neuerwerbung. Am 8. Mai 1776 schreibt er an Gleim ”Habe einen Garten gekauft, der mir großen Spaß macht, aber auch einen guten Theil meiner Existenz wegstielt, bis ich ihn einigermaßen so

umgestaltet habe, daß man gerne darin seyn kann. Wollen wir uns mehr als einmal darin wohl seyn lassen. wiewohl er gegen euer Sanssouci nur ein Maulwurfshäufchen ist.” (ebda. S 255) Auch Sophie von La Roche erzählt er im September 1777,

in einem großen Haus vor der Stadt wohnt “und ein paar hundert Schritte davon liegt ein größerer Garten, den ich vor anderthalb Jahren gekauft habe, und worin ich dieser schönen herbstlichen Tage froh werde, die die Natur uns noch ganz unvermuthet schenkt.”

(zitiert bei Döring S. 260)

Am 21. März 1776 bekommt die Familie Wieland wieder Zuwachs, ein Mädchen. Es wird auf den Namen Charlotte Wilhelmine getauft und Pate soll Gleim werden. “Wir haben uns bester Freund und Bruder, des Rechts bedient, das Sie

uns vor einem Jahr gegeben haben, und Sie, wiewohl abwesend, aber uns im Geiste gegenwärtig, zum Pathen des holden kleinen Geschöpfs ernannt, in Hoffnung, daß es Ihnen angenehm seyn würde, diese geistliche Paternität

mit unserm Göthe zu teilen” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 3, Zürich 1815 S. 252)

index

Im Oktober 1776 kam auch Johann Gottfried Herder in Weimar an.Goethe hatte Herder 1771 in Straßburg kennen und schätzen gelernt. 1776 wird er von Herzog Carl August nach Weimar berufen. Goethe hatte ihn beim Herzog empfohlen und durchgesetzt.Wieland hatte durchaus die Bedeutung erkannt, die die Berufung für Weimar hatte. An Gleim schreibt er: “Denkt doch was Karl August aus Weimar macht! und machen wird!” (zitiert nach Gottfried Gruber Sämmtliche Werke: Wielands Leben nebst seinem Portrait,

Band 52 S.171) An Gleim schreibt er am 4. Oktober 1776 “Bestes Bruderherz! Der Mann Gottes, mit seinem lieben Engel an der Seite, ist Dienstag Abends glücklich bey uns angekommen.- Bey’m ersten flog ihm meine Seele entgegen.”

(Ausgewählte Briefe  S. 263). Die Antrittspredigt von Herder in Weimar muss ein richtiges Ereignis gewesen. Die Bewohner Weimars waren gegen ihn voreingenommen. Seine Frau schreibt darüber  “Denn man hatte unter anderem das Gerücht verbreitet:

Er könne nicht predigen!” (In Erinnerungen  aus dem Leben Joh. Gottfrieds von Herder, Bd. 2 Tübingen 1820 von Caroline von Herder S.5)und Wieland schreibt begeistert über diese Predigt “Er predigt, so wie noch niemand gepredigt hat,so wahr, so simpel,

so faßlich, und doch alles so tief gedacht, so rein gefühlt, so schwer an Inhalt!” (zitiert bei Sämmtliche Werke: Wielands Leben nebst seinem Portrait, Band 52 von Christoph Martin Wieland,Johann Gottfried Gruber. S. 172)Aber er fühlt sich Herder irgendwie unterlegen, wie er in demselben Brief schreibt:”Meine ganze Seele ist voll von dem herrlichen Manne. Aber er ist mir zu groß, zu herrlich; (Seite 171) und weiter auf der schon oben zitierten Seite “Ich selbst fühle, wie wenig ich ihm seyn kann. Fühlen,

einsehen, durchschauen, was er ist, und ihn lieben, mehr als ihn noch ein Sterblicher geliebt hat, das kann ich.” Zwischen den beiden Familien entwickelte sich praktisch vom ersten Tag an eine herzliche Freundschaft, wie auch Caroline von Herder in dem oben zitierten Werk weiterfährt: “Wielands zarte, gutmüthige Seele schloß sich an Herder an, er ehrte und liebte ihn hoch, und unsere Familien verbanden sich immer herzlicher. Wenn auch in Wielands und Herders Freundschaft zuweilen Mißverständnisse und

Mißklänge kamen, so löseten sie sich doch immer wieder. Sie achteten und ehrten Jeder des Andern eigenthümlichen Genius und Werth ohne Neid, obwohl sie über  viele Dinge sehr verschieden dachten, und eigentlich doch nie innig sympathisirten,

hervorragend gute Naturen erkennen auch bey jedem Wechsel, daß sie in einer höhern geistigen Classe zusammengehören.Wieland erzeigte bey vielen Anlässen, wo wir seyne Freundschaft ansprachen, thätige Dienste unter anderem durch Darlehn:

Denn die Einrichtung an diesem neuen Ort, ohne eigenes Vermögen, erschwerte uns die ersten Jahre recht peinlich”

Im Gegenzug lieferte Herder Beiträge für den Teutschen Merkur.1776 Vom Zweiten Vierteljahr an war er in den nächsten 4 Ausgaben vertreten und dann nochmal im 4. Vierteljahr 77. Er schrieb Fabeln aber auch Studien über Hutten, Kopernikus oder Savanarola.

Die Beziehung zu Herder war sicher nie einfach. Herder war oft krank. Das förderte seine Neigung zur Hypochondrie. Auch trug er manchmal seinen intellektuellen Dünkel recht offen zur Schau. Aber nicht nur Wieland, auch Goethe hatte mit Herder

Schwierigkeiten.

Der Komponist der Alceste, Anton Schweitzer, war nach dem Weimarer Theaterbrand mit der Seilerschen Truppe nach Gotha gekommen. Dort erhielt er eine Anstellung zum Musikdirektor des Hoftheaters. Von Mannheim erhielt er eine

Auftragskomposition für eine Oper. Und Wieland sollte nun das Libretto für die Oper Rosamunde schreiben. Franz Karl von Hompesch, kurpfälzischer Finanzminister hatte die Oper in Auftrag gegeben. Allerdings stand seine  Rosamunde unter keinem guten Stern.

Schon Goethe und Jacobi hatten die erste Fassung kritisiert. An Jacobi schreibt er “Ich habe nun Göthens Meinung zu der Sache (gemeint ist die Oper Rosamunde) und sie stimmt völlig zu der Deinigen. er hat mir alles sehr begreiflich gemacht.

Seiner Meinung nach liegt das Hauptgebrechen am Sujet selbst. Das proton pseudos liegt aber nach ihm darin, daß ich das Ding anstatt mit dramatischem, mit epischem Sinn gefaßt habe.” (zitiert in Goethe: Begegnungen und Gespraeche: 1777-1785

herausgegeben von Ernst Grumach,Renate Grumach S. 16)Er ist auch bei der Mannheimer Kurfürstin Elisabeth Auguste angeeckt. In seiner Alceste lobte Wieland die Ehe, in der Rosamunde wird die Ehebrecherin mit Heirat und Krönung belohnt,

während die rechtmäßige Gattin das Nachsehen hat.Wieland hatte auch keine glückliche Hand bei der Stoffwahl, wie er später sagte. Er war nach langem Suchen in Addisons (“meines  Lieblings”)Spectatorn auf die Rosamunde gestoßen.

Addison hatte 1707 ein Libretto für eine Oper Rosemond geschrieben. Und dann fährt er fort “Freilich wußte ich unhöfischer Tropf nicht, daß der Kurfürst auch so viele Rosamunden hatte und mit ihren Kindern das Land bevölkerte”…

und weiter als er nach Mannheim reiste  “Dort hatte man sich über meine Wahl des Themas außerordentlich gewundert und Beziehungen hineingelegt, die mir nicht im Traume eingefallen waren. Die Kurfürstin war erstaunlich darüber ungehalten.”

(zitiert bei Literarische Zustände und Zeitgenossen: in Schilderungen aus Karl August Böttigers Nachlass, Band 1, Leipzig 1838 S.229) Mitten in die Probenarbeiten platzte die Nachricht vom Tode des bayrischen Kurfürsten Max III. Joseph.

Der Kurpfälzer Kurfürst Karl Theodor musste unverzüglich nach München. Staatstrauer auch in der Kurpfalz wurde angeordnet. Der Kurfürst befahl, dass die Proben fortgesetzt wurden “und blos vor Wieland das Stück bei verschlossenen Thüren

aufgeführt werden sollte.” (ebda.)Am 22. September 1776 hatten Karl Theodor und Max III. Joseph ihre Erbverbrüderung erneuert, die Bayern und Pfalz als unteilbaren Gesamtbesitz behandelte. Dass die Erbfolge so schnell eintreten sollte, war nicht abzusehen.

Als nun Bayern an die Pfalz fallen sollte, machte Österreich einen Anspruch auf Niederbayern und die Oberpfalz gelten. Das löste den Bayerischen Erbfolgekrieg aus. An Theaterstücke oder Opern war so natürlich nicht zu denken. Die Oper wurde nie aufgeführt.

Für Wieland war das alles zwar ziemlich chaotisch, aber es gab trotzdem auch positive Aspekte. Auf der Anreise  nach Mannheim war vier Tage Gast bei Goethes Eltern in Frankfurt. Er war für Goethes Vater ein geduldiger  Zuhörer (Böttiger S.216).

Außerdem zeigte dieser die Jugendwerke Goethes in “einem prächtig eingebunden Manuscript” In Darmstadt hatte  er wieder persönlichen Kontakt zu Merck, der ja ein eifriger Mitarbeiter des Merkur war.Außerdem lernte er Wolfgang Amadeus Mozart

persönlich kennen, der zu der Zeit in Mannheim weilte. Wieland war in Mannheim mit großer Begeisterung aufgenommen worden, aber Mozart ließ sich davon nicht irritieren. Am 27. Dezember gibt er seinem Vater eine kurze Beschreibung

von dem Ereignis. “Nun bin ich mit Hrn. Wieland auch bekannt; er kennt mich aber noch nicht so, wie ich ihn, denn er hat noch nichts von mir gehört. Ich hätte ihn mir nicht so vorgestellt wie ich ihn gefunden. Er kommt mir im Reden ein wenig

gezwungen vor; eine ziemlich kindische Stimme, ein beständiges Gläselgucken, eine gewisse gelehrte Grobheit und doch zuweilen eine dumme Herablassung. Mich wundert aber nicht, daß er (wenn auch zu Weimar oder sonst nicht) sich hier zu betragen geruhet,

denn die Leute sehen ihn hier an, wie wenn er vom Himmel herabgefahren wäre. Man genirt sich ordentlich wegen ihm, man redet nichts, man ist still, giebt auf jedes Wort acht, das er spricht;- nur schade, daß die Leute so oft in der Erwartung seyn müssen,

denn er hat einen Defect in der Zunge, vermöge er ganz sachte redet und nicht sechs Worte sagen kann ohne einzuhalten. Sonst ist er, wie wir ihn alle kennen, ein vortrefflicher Kopf. Das Gesicht ist von Herzen häßlich, mit Blattern angefüllt, und  eine

ziemlich lange Nase, die Statur wird seyn, beyläufig etwas größer als der Papa” (zitiert bei Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam 1931, S. 87-88.) Und im Januar schreibt

Mozart an seinen Vater “Der Herr Wieland ist, nachdem er mich nun 2 mal gehört hat, ganz bezaubert. Er sagte das letztemal nach allen möglichen Lobsprüchen zu mir; es ist ein rechtes Glück für mich, daß ich Sie hier angetroffen habe, und drückte mich bey der Hand. Heut ist die Rosamund im Theater probiert worden. Sie ist – – – – gut, aber sonst nichts; denn wenn sie schlecht wäre, so könnte man sie ja nicht aufführen? – –”

Wenn man diese Schilderung Mozarts liest, muss man Wielands Leistung als Erzieher umso mehr bewundern. Er hatte ja seit seiner Züricher Zeit junge Leute um sich. So ein Sprachfehler erleichterte seine Aufgabe sicher nicht, wird aber nie als Handicap erwähnt.

Wieland hat dann auch in Weimar die Beisterung der Herzogin für Mozarts Musik geweckt.

Goethe hat dann als Theaterdirektor in Weimar für häufige Aufführungen von Mozarts Werken gesorgt. Im Schlosspark von Tieffurt steht das erste Denkmal, das Mozart außerhalb von Österreich gewidmet wurde. Das war

immerhin schon 1799, also nur 8 Jahre nach seinem Tod am 5. Dezember 1791.

Am 24. Januar 1778 war Wieland endlich wieder zurück in Weimar. Am 26. Oktober 1778 wurde der Sohn Ludwig Friedrich August geboren.Er studierte später in Jena, war Bibliothekar bei Fürst Esterhazy in Wien, war auch als Dichter und Herausgeber tätig.

So gab er auch die Auswahl denkwürdiger Briefe heraus, aus der hier ja auch öfters zitiert wird.

Wieland lebte nun seine Neigung zum ländlichen Leben aus. Allerdings wurde die ländliche Idylle etwas getrübt wegen der Gesundheit. Seine Frau und seine Kinder hatten oft Scharlach. Wieland selbst war sehr wetterfühlig und wurde oft von starken Infekten heimgesucht. Vor allem aber machte ihm Der Teutsche Merkur zu schaffen. Die Auflagenzahl ging zurück. Am 28. September 1782 legte Bertuch Wieland einen “Entwurf über den Merkur” vor. Zwei Strategien wurden dabei vorgeschlagen, einmal

inhaltliche Erneuerung und zum andern Stabilisierung der Vertriebswege und Erschließung neuer Wege. In einer Sozietät sollte Wieland 2 und Bertuch 1 Drittel des Gewinnes erhalten. Der Vertrag wurde am 6. Oktober 1782 unterzeichnet.

Ab 1783 wurde der “Teutsche Merkur” als “eine gemeinschafftliche merkantilistische Entreprise” betrieben und war “gemeinschafftliches Eigenthum von Wieland und Bertuch. Der Merkur erfuhr wieder Auftrieb.Bertuch schied 1786

zugunsten von  Karl Leonhard Reinhold (1758-1825)aus dem Vertrag aus. Leonhard war erst Novize im Jesuitenorden, bis dieser im September 1773 in Österreich aufgehoben wurde. Über Leipzig kam er nach Weimar, wurde von Wieland freundlich aufgenommen

und rasch Mitarbeiter beim Merkur. Am 18. Mai 1785 heirate er Wielands erste Tochter Sophie.

Kurz zuvor, am 27. Mai 1783, hatte der Dichter nochmals Familienzuwachs erhalten und zwar eine Tochter. “Sie ist, einer ewig theuren Abgeschiedenen Julie genannt worden”, wie er am 1. April Sophie von La Roche mitteilt.

(Briefe an Sophie von La Roche, nebst einem Schreiben von Gellert und Lavater …

von Christoph Martin Wieland,Franz Horn S. 241)

In der Zeit von 1773 bis 1775 hatte Wieland folgende Werke verfasst: Stilpon oder über dieWahl eines Oberzunftmeisters von Megara. Eine Unterredung1774); Das Urtheil des Midas. Ein komisches
Singspiel in einem Aufzug (1775); Geschichte des Philosophen Danischmende (1775); Unterredungen zwischenW** und dem Pfarrer zu *** (1775); Titanomachia oderas neue Heldenbuch (1775).Es folgten Gandalin oder Liebe um Liebe (1776)

Das Winter und Sommermärchen (1776) Pervonte (1778) Der Vogelsang (1778) wichtigste Werk aus dieser Zeit war aber der Oberon, sein vorletztes Versepos. Es erschien 1780 erstmals noch ohne Nennung des Namens des Dichters, dann   1783-1784

zunächst im Merkur, und 1784 als Separatdruck. Es ist ein Ritterroman.  Ritter Hüon hat aus Versehen den Sohn seines Herrn erschlagen. Er geht aus einer Art Gottesurteil unversehrt hervor und kann nun von Karl dem Großen zur Sühne eine fast übermenschliche

Aufgabe aufgebürdet. Er soll nach Bagdad reisen, dort den Palast des Sultans aufsuchen und bei einem Festbankett denjenigen köpfen, der zur Linken des Sultans sitzt. Danach soll er die Tochter des Sultans dreimal küssen und sich mit ihr verloben.

Dann soll er von seinem Schwiegervater in spe vier Backenzähne erbitten, dazu eine Handvoll seiner grauen Backenhaare. Nur wenn er damit an den Hof Karls zurückkehre, sei ihm verziehen. Der Naturgeist Oberon hilft dem Helden bei diesem

aberwitzigen Unterfangen. Die Barthaare des Sultans und seine Backenzähne und auch die Tochter des Sultans, die schöne Rezia, rücken in erreichbare Nähe. Es zeigt Anklänge an den Sommernachtstraum von Shakespeare, den er ja auch übersetzt hatte,

bei Wieland “Ein St. Johannis Nachts Traum” Er überarbeitete sein Werk insgesamt sieben Mal. Es hatte auch Einfluß aus Goethes Faust II, Die Zauberflöte und Weber verarbeitete den Stoff in seiner Oper Oberon 1826.

Die politischen Schriften Wielands, die in diesen Jahren im Merkur erschienen waren, befassten sich hauptsächlich mit “Aufklärung”. Diese erscheinen später gesammelt als Vermischte Aufsätze. Im 2. Vierteljahresheft 1789 wird

“Ein paar Goldkörner aus Maculatur oder Sechs Antworten auf Sechs Fragen” veröffentlicht. Die Fragen sind “1. Was ist Aufklärung 2. über welche Gegenstände kann und muss sie sich verbreiten 3. wo sind ihre Grenzen

4. Durch welche mittel wird sie befördert 5. Wer ist berechtigt, die Menschheit aufzuklären 6. An welchen Folgen erkennt man ihre Wahrheit” Frage 1 beantwortet er so “ Das weiß jedermann, der vermittelst eines Paars sehender Augen erkennen gelernt hat,
worin der Unterschied zwischen Hell und Dunkel, Licht und Finsternis besteht. Im Dunkeln sieht man entweder gar nichts oder wenigstens nicht so klar, daß man die Gegenstände recht
erkennen und voneinander unterscheiden kann: sobald Licht gebracht wird, klären sich die Sachen auf, werden sichtbar und können voneinander unterschieden werden – doch wird dazu
zweierlei notwendig erfodert: 1) daß Licht genug vorhanden sei, und 2) daß diejenige, welche dabei sehen sollen weder blind noch gelbsüchtig seien, noch durch irgendeine andere Ursache
verhindert werden, sehen zu können oder sehen zu wollen. (S.97). Die zweite Frage beantwortet er, dass für ehrliche Leute im dunkeln nichts zu tun bleibt (“ein löbliches und gemeinnütziges Geschäft ausgenommen”) als zu schlafen.

und weiter führt er aus “Das Licht des Geistes, wovon hier die Rede ist, ist die Erkenntnis des Wahren und Falschen, des Guten und Bösen. Hoffentlich wird jedermann zugeben,
daß es ohne diese Erkenntnis ebenso unmöglich ist, die Geschäfte des Geistes recht zu treiben,als es ohne materielles Licht möglich ist, materielle Geschäfte recht zu tun. Die Aufklärung, d. i.
so viel Erkenntnis, als nötig ist, um das Wahre und Falsche immer und überall unterscheiden zukönnen, muß sich also über alle Gegenstände ohne Ausnahme ausbreiten, worüber sie sich ausbreiten
kann, d. i. über alles dem äußern und innern Auge sichtbare. “ (S.98) Die dritte Frage beantwortet er so: “Wo, bei allem möglichen Lichte, nichts mehr zu sehen ist.” Zu Frage 4 meint er

“Das unfehlbarste Mittel zu machen, daß es heller wird, ist, das Licht zu vermehren, die dunkelnKörper, die ihm den Durchgang verwehren, soviel möglich, wegzuschaffen und besonders alle
finstern Winkel und Höhlen sorgfältig zu beleuchten, in welcher das Nro. 2. erwähnte lichtscheue Völkchen sein Wesen treibt.” und weiter “Es gibt kein anderes Mittel, die Masse der Irrtümer und schädlichen Täuschungen, die den menschlichen
Verstand verfinstert, zu vermindern als dieses, und es kann kein anderes geben.” (S.101) Und auch 5 beantwortet er einfach “daß jedermann –
von Sokrates oder Kant bis zum obskursten aller übernatürlich erleuchteten Schneider und Schuster,ohne Ausnahme, berechtigt ist, die Menschheit aufzuklaren, wie er kann, sobald ihn sein
guter oder böser Geist dazu treibt. “ (S.103)und als Fazit die Antwort auf Frage 6 “Wenn es im ganzen heller wird; wenn die Anzahl der denkenden, forschenden, lichtbegierigen
Leute überhaupt, und besonders in der Klasse von Menschen, die bei der Nichtaufklärung am meisten zu gewinnen hat, immer größer, die Masse der Vorurteile und Wahnbegriffe
zusehends immer kleiner wird;” (S. 104) Damit fasst er eigentlich den Inhalt seiner späten Werke zusammen.

Am 27. Juli 1787 ist Schiller erstmals in Weimar und lernt dort Wieland und Herder kennen. Schon  in Weimar meldete er sich bei Wieland brieflich an:

“Mein schönster Wunsch ist endlich erfüllt, ich bin dem Augenblike nahe, Sie, vortrefflichster Mann, von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Vorgestern traf ich hier ein, aber die Betäubung meines Kopfes von einigen schlaflosen Nächten untersagte mir diesen Genuß biß heute. Nicht gern wollt ich eine Freude nur halb empfinden, die ich mir schon so lange aufgespart hatte. Lassen Sie mich durch den Überbringer erfahren, zu welcher Stunde dieses Nachmittags ich Ihnen nicht ungelegen komme. Wenn ich mir noch eine Bitte an Sie erlauben dürfte, so wär es diese, daß Sie mir diese Stunde allein schenken möchten, weil ich nicht weiß, ob ich in Ihrer nähern Gegenwart für einen Dritten Sinn haben würde. Alsdann werde ich Sie auch bitten, mich in den Kreis Ihrer liebenswürdigen Familie einzuführen.

Nicht wenig verlegen würde ich seyn, mich jetzt Demjenigen zu nähern, von dessen guter Meinung und Liebe die besten Freuden meines zukünftigen Lebens, wie ich mir oft träume, abhängen sollen, vielleicht würde mich diese Furcht für mich selbst um den reinen Genuß Ihrer Gegenwart bringen, wenn ich nicht hoffte, daß Ihre Güte mich jeder Aufmerksamkeit auf mich selbst überheben werde.F. Schiller (Schillers Briefe im Friedrich Schiller Archiv 23.Juli 1787)

Am 27. Juli stellte Wieland Schiller auch Herzogin Anna Amalia vor. Über seinen Eindruck, den er dort hinterlassen hat, wie er in seinen Erinnerungen schreibt. “Deshalb zweifelte ich daran, der Herzoginmutter überhaupt gefallen zu haben.”

(homepage zu Schiller Erinnerungen von Gisela Seidel). Am 30. Juli nahm Wieland ihn den “Club der Bürgerlichen” mit. Dieser stand nicht nur dem Adel, sondern auch Bürgerlichen offen. Man spielte dort Karten oder Billard.

Aktuelle Journale  auch aus dem Ausland lagen aus. In den folgenden Wochen  vertiefte Schiller seine Kontakte zu wichtigen Hofleuten wie Voigt oder Einsiedel. Im November denkt er daran, eine Beziehung zu Wielands zweiter Tochter

Maria Carolina Friederike einzugehen, wie er seinem Freund Körner am 19. November 1787 mitteilt. “Ich glaube wirklich, Wieland kennt mich noch wenig genug, um mir seinen Liebling, seine zweite Tochter nicht abzuschlagen, selbst jezt nicht, da ich nichts habe. Das Mädchen kenne ich nicht, gar nicht, aber siehst Du, ich würde sie ihm heute abfordern, abfordern, wenn ich glaubte, daß ich sie verdiente” (Friedrich Schiller @Wissen-im-Netz.info Schillers Briefwechsel mit Körner) Aberschon im Dezember schrieb er:

“Es ist möglich, daß ein interessanteres Mädchen mir aufgehoben seyn kann, aber das Schicksal läßt es mich vielleicht in sechs oder acht Jahren finden. (ebd.) Das interessante Mädchen, das ihn  jetzt lockte war Charlotte von Lengenfeld, seine spätere Frau.

Die Affäre war also beendet, ehe sie überhaupt begonnen hatte.

220px-Oer-Weimarer_Musenhof

 

Bei Schillers Räubern schloß  Wieland sich Goethes Meinung an. Goethe hat einen so großen Greuel als ich an der seltsamen Hirnwut, die man itzt am Neckarstrom für Genie zu halten pflegt.”  Aber er gewann ihn für die Mitarbeit am Merkur.

So erschienen im 1. Vierteljahr 1788 “Der Abfall der vereinigten Niederlande von Spanien” im 3.und 4. Vierteljahr 1788 “Briefe über Don Karlos” sowie 4 1789 “Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?”

 

Im 4. Vierteljahr 1788 schreibt Wieland im Merkur “Das Geheimnis des Kosmopolitenordens” (S. 121-143) Darin plädiert er dafür, gewaltfrei  “gegen unerträgliche Mißbräuche der höchsten Gewalt, gegen politischen und religiösen Despotismus, gegen

erweislich ungerechte und unvernünftige Gesetze “ usw. (S. 124). Gewaltsame Veränderungen fährt er fort “alle tumultuarischen Wirkungen der Leidenschaften… wenn sie am Ende auch viel Gutes hervorbringen, zerstören auch zu gleicher Zeit so viel Gutes,

und richten, indem sie großen Uebeln steuern wollen, selbst so großes Uebel an, daß nur ein Gott fähig ist, zu entscheiden, ob das Gute oder Böse, das auf diese Weise gewirkt wird, das Uebergewicht habe.” (S.127) Es gibt schreibt er

weiter , nur eine Regierungsform, gegen die nichts einzuwenden ist, die Regierungsform der Vernunft. Da sah er den gegenwärtigen Zustand Europas noch auf gutem Weg.Als die Revolution dann 1789 ausbricht, veröffentlicht er im 3. Vierteljahr 1789 den Artikel “Ueber die Rechtmäßigkeit des Gebrauchs, welchendie Französische Nation dermalen von ihrer Aufklärung und Stärke macht” (S. 225-262) Hier diskutieren zwei Personen, Walter und Adelstan. Die beiden repräsentieren fiktive Positionen,wobei kein der beiden

Dialogpartner mit Wieland identisch ist. Walter sieht die Aktionen der Nationalversammlung als notwendige Reaktion auf eine politische Krise des Ancien Régime, die durch Missbräuche und eine schlechte Verwaltung der Staatseinkünfte verursacht worden sei.

Adelstan akzeptiert die Einberufung, findet aber, daß die weitergehenden Forderungen wie Verfassungsänderung und der politischen Gleichstellung des Dritten Standes dazu geführt hätten, dass die Ereignisse den Charakter eines Volksaufstandes angenommen

hätten . In der nächsten Ausgabe erscheint “Kosmopolitische Adresse an die französische Nationalversammlung von  Eleutherius Philoceltes” (S. 24-60). Es ist eine direkte Reaktion auf die am 4. August 1789 beschlossene Abschaffung der Adelsprivilegien und

die Auflösung des französischen Feudalsystems. Diese Schrift wird oft als eine beginnende Ablehnung der Revolution interpretiert (Sengle, Bäppler) Die Göttergespräche, die von 1789 bis 1793 im Merkur erschienen, lassen die Entwicklung von Wielands

Verhältnis zur Französischen Revolution nachvollziehen.

Am 3. Dezember 1787 stirbt Wielands langjähriger Verleger Erasmus Reich. Die Rechtsverhältnisse ändern sich. Marie Louise Weidmann war Erbin und der  Verlag nannte sich wieder “Weidmannsche Buchhandlung”. Nun trat Wieland mit dem jungen Leipziger Buchhändler Göschen in Leipzig in Verbindung. Wieland hatte im Jahre 1786 den noch sehr jungen Göschen kennengelernt. Er hatte sich in Leipzig etabliert und besuchte auch Wieland. Er sagte ihm, dass so lange Reich lebe, er nur dort verlegen

lasse. Sie kamen trotzdem ins Gespräch. Wieland erkannte, dass er keinen alltäglichen Buchhändler vor sich hatte, sondern einen begabten jungen Mann. Er wollte sein Geschäft führen, so wie es sich Wieland auch bei seinen Plänen vorstellte, als

er sich mit dem Gedanken trug, einen Verlag zu führen. Da kam seine Gattin herein und hatte ein paar Fragen. Wieland konnte auf solche Störungen äußerst ungnädig reagieren. Er nahm die Milde und heitere Gelassenheit , mit der Frau Wieland reagierte,

erstaunt zur Kenntnis und er sagte: “Herr Hofrath, welch einen Engel von Weibe haben sie!” und Wieland darauf “Junger Mann, sie sind fähig, den Werth dieses Weibes zu erkennen; damit haben Sie auch auch mein Herz gewonnen. Hier meine Hand!

Ist Reich gestorben, so wird kein anderer mein Verleger als Sie” (J.G. Gruber, C.M. Wielands Leben, Leipzig 1827, 7. Buch S. 13) Ob so geschehen oder eine schöne Anekdote von Wielands erstem Biographen, Göschen wurde auf jeden Fall der Verleger Wielands.

Kurz nach Reichs Tod schickte Wieland das Manuskript des Peregrinus Proteus an Göschen.Die Zusammenarbeit war auch nicht so anekdotenhaft. 1786 ging der “Haupt-und Meßdebit” an Göschen über.

248_goeschen_georg

Der Meßdebit, das war die finanzielle Abrechnung während der Leipziger Buchmesse. Aber es ging bei diesem Debit auch um Verhandlungen mit Verlegern und Buchhändlern zwecks Akquirierung weiterer Abonnenten für die Zeitschrift.

Der Vertrag zwischen Wieland, Bertuch und Göschen wurde am 24./25. Oktober 1785 unterzeichnet. Sein Peregrinus Proteus erschien 1791 bei Göschen. Auch die Göttergespräche erscheinen dort. Um seinen Autor an sich zu binden und nicht unbedingt

wirtschaftlicher Vernunft entsprechend schlägt Göschen  Wieland eine Gesamtausgabe  seiner Werke vor.Er plante eine vierfache Ausgabe in vier Preisstufen. Eine sollte preislich so gestaltet sein, dass “ jeder Kaufmannsdiener, jeder

unbemittelte Student, jeder Landpfarrer, jeder mäßig besoldete Offizier”  (Der Verlag Walter de Gruyter, 1749-1999 herausgegeben von Anne-Katrin Ziesak,Hans-Robert Cram,Kurt-Georg Cram, Berlin 1999 S.66) Wielands Werke kaufen

können sollte. Dann gab es noch die Prachtausgabe, eine “sogenannte Fürstenausgabe”. Sie sollte 250 Taler kosten. Damit diese nicht mit Billigangeboten unterboten werden konnte, wurde modernste Drucktechnik eingesetzt.

Für die teuerste Ausgabe hatte er eigens in Basel Velinpapier von der Mühle des Verlegers und Buchhändlers Johann Christoph Imhof-Burckhardt  gekauft. Velinpapier ist handgefertigtes Papier, gleichmäßig strukturiert und glatt und galt seinerzeit

als Besonderheit. Die Prunkausgabe wurde durch Subskriptionen vorfinanziert. Zu den Subskribenten zählte der Weimarer Herzog Karl August und seine Mutter Anna Amalia bis hin zu denen der Könige von England und Neapel, Prinz Ferdinand von Preußen, des Kurfürsten zu Köln und diverser anderer Fürsten, Grafen und Herzöge aus Deutschland und Österreich. Dazu kommen zahlreiche Bibliotheken und Privatleute aus ganz Europa – Basel, Bern, Zürich, Triest, Amsterdam, Haarlem, Kopenhagen, Prag, Warschau, Lemberg, Riga, Reval, St. Petersburg, London, Lissabon. Es war eine europäische Sache und verdeutlicht den Stellenwert, den Wieland damals in der gebildeten Welt hatte. Ganz besonders hat ihn gefreut,dass auch der Rat seiner Vaterstadt Biberach subskribiert hatte. Dies

schreibt er an Göschen : “Meine Biberacher haben mir eine so unverhoffte Freude gemacht, daß ich nicht umhin kann, Ihnen eine Copie des Raths-Conclusi hiermit zu communicieren; womit sie mit einer bonne grace, die diesen wackern biedersinnigen

Schwaben eben so viel Ehre macht als ihrem Mitbürger, beschlossen haben, im Namen der Reichsstadt Biberach auf ein Exemplar der Quartausgabe meiner Werke zu pränumerieren. Seit langer Zeit hat mir nichts einen so frohen Tag gemacht,

als dieser Beweis der Achtung und Zuneigung meiner Compratioten” (zitiert bei Heinrich Döring S. 301 f.) Goethe und Schiller spotteten in ihren Xenien über dieses Verfahren.

“284. Göschen an die deutschen Dichter.

Ist nur erst Wieland heraus, so kommt’s an euch übrigen alle,
Und nach der Lokation! Habt nur einstweilen Geduld!”

Der Anfang lief allerdings nicht reibungslos, denn die Weidmannsche Buchhandlung hatte noch 17 Werke Wielands in Verlag. Und die Buchhandlung

war nicht geneigt, ihre Rechte an den Werken aufzugeben. Es folgte ein Prozess, bei dem es auch darum ging, ob ein Autor berechtigt sei, über sein geistiges Eigentum ein zweites Mal verfügen zu können. Göschen bekam schließlich Recht.

Die Vorschüsse auf das Projekt ermöglichten es Wieland, sich seinen Traum zu erfüllen und ein eigenes Haus zu erwerben. Er verließ sein Domizil, das Mietshaus vor dem Frauentor und verkaufte seinen Garten. Am Markt Nr. 18 kaufte er

ein dreistöckiges Gebäude zwischen Elephant und Erbprinz gelegen. Optimal war es allerdings auch nicht. Schweinequieken und Pferdegetrappel waren deutlich zu hören. Und wie Zeitzeugen berichten vervollständigten “Enten und Hahnengeschrei

das thierische Konzert” (Nach Zaremba S.207) Wieland war aber sehr lärmempfindlich.

Im Jahr 1791 war Karl August Böttiger auf Betreiben Herders nach Weimar gekommen und wurde Direktor des Gymnasiums und Oberkonsistorialrat für Schulangelegenheit. Der umfassend gebildete Mann wurde bald

auch mit Wieland bekannt, mit dem ihm dann eine lebenslange Freundschaft verband. Etwa ab 1794 gab er in Wielands Namen den Neuen Teutschen Merkur heraus. Nun hatte Wieland, was den Merkur anging, mal wieder den Rücken

frei und er konnte einer Einladung Göschens nach Leipzig Folge leisten. Am 30. Juli 1794 fuhr er zusammen mit seiner Frau, begleitet von seinem Diener nach Leipzig. Göschen verstand es, Auftritte zu inszenieren und die durchaus vorhandene Eitelkeit

seines Autors zu kitzeln. Göschen hatte in seiner Sommerwohnung  einen großen Garten von einem Kanal durchzogen. Auf einer Insel hatte Göschen in einem transparenten Tempel eine Büste Wielands aufstellen lassen.Als Wieland dort ankam, überreichten ihm zwei  in  griechische Kostüme gekleidete Knaben dem überraschten Dichter den ersten Band der Prachtausgabe. Wieland war, wie Döring berichtet, zu Tränen gerührt. (S.305) Die Reise ging weiter nach Dresden. Dort wurde die

Gemäldegalerie besucht. Er ließ sich von Hofmaler Anton Graf porträtieren. Der aus der Schweiz stammende Künstler war seit 1766 kurfürstlich sächsischer Hofmaler. Es gibt kaum einen Großen seiner Zeit, den er nicht gemalt hat.

Auf Schloss Pillnitz erhielt er eine Audienz vom sächsischen Kurfürsten Friedrich August III. In Seifersdorf besuchte er die Tina von Brühl, sie im 18. Jahrhundert eine Seltenheit Landschaftsarchitektin war. Ihr wichtigestes Werk

ist der Englische Garten im Seifersdorfer Tal. Ihr Sohn Carl hatte von Goethe, Herder und Wieland Unterricht erhalten. Als wieland wieder in Weimar zurück war, schrieb er überschwänglich an Göschen: “Ihnen, lieber Göschen,

verdanken wir so viele Herz und Sinn vergnügende Tage, Stunden und Augenblicke, daß sie auch in der Erinnerung noch lange Heiterkeit und Frohsinn und herzerhebende Gefühle über unser Leben verbreiten werden. (bei Döring S. 305)

Ein Jahr vorher war Wielands 5. Tochter Charlotte Wilhelmine mit der der Familie Baggesen nach Bern gereist. Baggesen wird auch der “dänische Wieland” genannt. Er war mit Sophie von Haller, der Enkelin von Albrecht von Haller verheiratet.

Seit 1790 war er dem Kreis um Wieland in Weimar, und Schiller in Jena  verbunden. Auf dieser Reise lernte Charlotte Wilhelmine Heinrich Gessner, den Sohn des inzwischen verstorbenen Salomon Gessners kennen. Es wurde  ein Bund fürs Leben.

Im Auftrag von Gessner bat Baggesen Wieland  um die Hand seiner Tochter. Am 18. 1795 fand auf Schloss Belvedere die Hochzeit statt. Herder traute das Paar. An Göschen schrieb er am 17. April 1795: “Mein Glaube an die Vorsehung ist

durch die höchst unerwartete Begebenheit, die dem Aufenthalt meiner guten Tochter Charlotte in der Schweiz gleichsam die Krone aufgesetzt hat, außerordentlich gestärkt worden.-Wenn je eine Ehe im Himmel geschlossen worden ist,

so ist es gewiß diese, die sich aus eine beinahe wunderbare Art, und wieder doch so natürlich durch die entschiedenste Sympathie der Herzen, Gemüthsart, Neigungen, Sitten-zwischen dem Sohne Salomo Geßners, meines liebsten und einzigen Jugendfreundes

und einer Tochter seines Freundes Wielands geschlossen hat” (bei Döring S. 310 f.) Das junge Paar sollte im Folgejahr in Zürich besucht werden. Herzogin Anna Amalia stellte zu diesem Unternehmen einen bequemen Reisewagen zur Verfügung.

Mit Frau und drei Kinder starte Wieland am 23. Mai 1796. In Ulm wollte Wieland einen Abstecher nach Warthausen und Biberach machen. Dort bahnte sich aber das an, was dann später als die 1. Schlacht bei Biberach in die

Geschichtsbücher eingegangen ist. Ganz Oberschwaben war voll mit  Truppen des Erzherzog Karl. Außerdem wurden die Wege durch die Condéschen Freischärler, das war die französische Emigrantentruppe unsicher gemacht.Wieland verzichtete

deshalb darauf, Schloss Warthausen und seine Heimatstadt wieder zu sehen. Man reiste über Kempten und Lindau nach Zürich. In der Schweiz unternahm Wieland “Exkursionen und  Land-und See-Parthien” (Zaremba S. 212).

Mit seinen Schwiegersöhnen Gessner und Reinhold besprach er auch ein neues Projekt “Das Attische Museum”. Es widmete sich der Antike. Im Neuen Teutschen Merkur im 1. Band kündigt er es an. (S 339-341) “Ich nenne dieses Museum

attisch, weil es größtentheils aus Übersetzungen auserlesener Werke der vorzüglichsten attischen Schriftsteller, hauptsächlich der Redner Isokrates, Lysias, Demosthenes, Aeschines, der Filosofen der  sokratischen Schule, Xenofon und Platon,

und der Dichter Aschylos, Sofokles, Euripides und Aristofanes bestehen wird.” Damit ist das Programm skizziert und es sollte sich an einen kleinen Leserkreis von Kennern griechischer Geistesgrößen richten. Das Journal erschien in 4 Bänden von 1796

bis 1803 im Verlag Gessner in Zürich und Luzern und wurde später von den Mitherausgebern Hottinger und Jacobs in Leipzig fortgesetzt. In dieser Zeit  lag der Schwerpunkt von Wielands literarischer Tätigkeit auf der Bearbeitung seiner Werke für die Göschen-Ausgabe und Übersetzertätigkeit.

Sein Aufenthalt in der Schweiz hat ihn auch wieder von den Vorzügen des Landlebens träumen lassen. Er wäre gerne “wie Horaz durch’s Leben weggeschlichen und der nichts mehr haßte, als Stadt-Hof-und Welt (Döring S.325)

1797 ergab sich die Möglichkeit das Gut Ossmanstedt nahe bei Weimar zu erwerben. Zwischen 1762 und 1775 hatte es Herzogin Anna Amalia als Sommersitz genutzt. Ab 1777 übernahm es ein Pächter.

220px-Wielandgut_Oßmannstedt_-_Gutshaus_mit_Delphinenbrunnen_02

Wieland kaufte das gut für 22.000 Taler von der Gemeinde Oßmannstedt, zahlbar in drei Raten gemäß Kaufvertrag vom 15. März 1797.(Zaremba S. 217)Kaufmännisch gesehen war das nicht die klügste Entscheidung. Göschen hatte schon

vor dem Kauf finanzielle Bedenken angemeldet. Wieland wollte sein Weimarer Haus verkaufen und erhoffte sich ein Darlehen von 14.000 Taler durch Vermittlung von Göschen (Döring S. 328) Göschens Spielraum war durch seinen Umzug

von Leipzig nach Grimma ebenfalls eingeschränkt und er konnte hypothekenfrei nur 3000 Taler beisteuern.

Ungeachtet der wirtschaftlichen Problem beendete Wieland in Osmannstedt den Agathodämon. Er revidierte die Texte seiner Tübinger und Schweizer Jahre für die Supplementbände seiner Werkausgabe. Für das Attische Museum übersetzte er

weitere Texte. Neben den finanziellen Sorgen trafen ihn in den Folgejahren rasch auch persönliche Schicksalsschläge. Am 29.  April 1798 starb Wielands achte Tochter Wilhelmine Friederike mit 15 Jahren an Auszehrung.

Man hatte zwar versucht, ihn auf den Tod vorzubereiten. aber er war trotzdem tief getroffen. An Göschen schrieb er “Sie war eines der reinsten und liebenswürdigsten Geschöpfe; mein Herz hing vorzüglich an ihr, und ich versprach mir von

ihrer ungemeinen Anhänglichkeit an mich viel Trost und Freude für meine künftigen Jahre.-Sie ist nun in einer bessern Welt, und ich werde ihr folgen. In diesem Gedanken allein ist heilender Balsam für eine solche Wunde.”

(zitiert in Wissen – Erzählen – Tradition: Wielands Spätwerk herausgegeben von Walter Erhart,Lothar Laak S. 368)

Im Juli 1799 besuchte Sophie la Roche zusammen mit ihrer Enkelin Sophie Brentano in seinem “Osmantinum”. Sie  schildert diesen Besuch in “Schattenrisse abgeschiedener Stunden in Offenbach,Weimar und Schönebeck” Ihre Schilderungen

des Parks zeigen den Park fast so, wie man ihn heute erleben kann. Mit seiner in jungen Jahren heiß angebeteten “göttlichen Sophie” kam Wieland jetzt nicht mehr besonders gut klar. Er fand ihre oft langatmige Sentimentalität oft einfach ermüdend ,

so wie ja auch die Weimarer Gesellschaft erhebliche Vorbehalte gegen Sophie Laroche hatte. Anders dagegen ihre Enkelin Sophie von Brentano. Die junge Sophie eroberte mit ihrem Liebreiz, den sie ausstrahlte, sehr schnell die Jugendliebe ihrer Mutter und empfand ihn als väterlichen Freund. Wieland bewunderte den klaren Verstand des Mädchens. Er tauschte sich mit Sophie über seinen Aristipp aus, an dem er gerade arbeitete. Der Aufenthalt der beiden Frauen dauerte einen Monat.

Aber ein Jahr später kam Sophie von Brentano allein nach Ossmannstedt zurück. Ab 25. Juli 1800 war Sophie wieder auf dem Wielandgut. Wielands Sekretär Christoph Abraham Lütkemüller schreibt dazu: “Wieland liebte Sophie Brentano

zugleich als seine Tochter und Freundin, und sie wirkte auf seinen Aristipp als eine Muse und Grazie” (ebd. S. 368) und an Karl August Böttiger schreibt er “Wenn die liebenswürdige Sofie Brentano nicht wäre, so weiß ich nicht, was aus meinem

allmählich verglühenden Lämpchen werden könnte“ (ebd. S. 369) Aber Sophie wird Anfang September von einer Nervenkrankheit befallen und stirbt 16 Tage später am 19. September 1800. Sie ist nur 24 Jahre alt geworden. Aber Wieland hatte

noch einen weiteren Todesfall zu verkraften, den seiner Ehefrau Anna Dorothea. Sie starb am 8. November 1801 nach 36-jähriger Ehe. Sie ist nach außen kaum in Erscheinung getreten, war aber immer Halt und Stütze für ihn.

An Göschen schrieb er am 31. Dezember 1801 “Mit mir geht es wie es kann leidlich wenigstens; leidlich wenigstens.Ich arbeite viel; aber es ist, als ob mit die Schwungfedern gestutzt wären. Sonst arbeitete ich mit Freude, mit

Munterkeit, jetzt mühsam, entgeistert, schwerfällig”(Döring S.373)Wohl tat ihm in dieser Zeit die mitfühlende Anteilnahme der Fürstin Anna Amalia

Die wirtschaftliche Situation aber sicher auch diese Todesfälle bringen Wieland dazu, dass er Ossmannstedt 1803 aufgibt und wieder nach Weimar zurückkehrt.  Er verkaufte das Gut an den Hamburger Hofrat Kühn für 30.000 Taler.

Nur “der Garten soll, so lange es nur immer möglich sein wird, bei meiner Familie bleiben, und dies umso mehr, da er das Grab meiner Geliebten, und dereinst auch das meinige, neben ihr, in sich schließt.” (Döring S.380)

Das war zwar eine Wunschvorstellung, doch der neue Besitzer achtetet das Grabmal.

Als Wieland 1796 gerade bei seinem Besuch in der Schweiz war, kam der junge Jean Paul zum ersten Mal nach Weimar, traf ihn aber leider nicht an, da Wieland ja in Zürich weilte. Aber am 25. August 1798 lernten die beiden sich persönlich

kennen und zwar in Osmannstedt. Sie hatten große Erwartungen an diese Begegnung geknüpft und wurden nicht enttäuscht. Sie fanden so rasch einen gemeinsamen Nenner, dass Wieland dem 30 Jahre jüngeren Dichter spontan vorschlug,

zu ihm nach Osmannstedt zu ziehen. Nach reiflicher Überlegung kam Jean Paul aber zu dem Schluss, dass das wohl doch nicht so gut sei. Er meinte, dass zwei Dichter wohl nicht ewig zusammen passen würden. Außerdem war Jean Paul Junggeselle,

Junge Frauen aber gab es auf dem Wielandgut nicht, wohl aber ein Dutzend Kinder.Man traf sich nun in Weimar. Wieland Herder und Jean Paul sahen eine Aufführung der Zauberflöte. Auch mit Schiller und Goethe traf Jean Paul

zusammen auch hier in Begleitung Wielands. Das letzte Mal trafen sich Jean Paul und Wieland am im Juli 1802. Jean Paul erlebte Wieland als trüben Witwer und ziemlich gealtert. Jean Paul hat dieser Anblick zu schaffen gemacht.

Im Folgejahr verkaufte Wieland sein Gut. Danach sahen sich Jean Paul und Wieland nicht mehr.

In Ossmannstedt war Heinrich von Kleist im Januar 1803 vierzehn Wochen zu Gast. Er hatte Wieland über dessen Sohn Ludwig kennengelernt und war von ihm nach Osmannstedt eingeladen worden, nachdem er erfahren hatte, dass er in Weimar sehr schlecht untergebracht war. Er arbeitet an einem Stück und nach dem Wieland einige Teile davon zu hören bekommen hatte, ermutigte er ihn auf jeden Fall daran weiter zu arbeiten.

Auch der aus Schwäbisch Hall stammende Nordist Friedrich David Gräter war für einige Zeit Gast in Osmannstedt. Auch Friedrich Gottfried Seume (Spaziergang nach Syrakus), der im Auftrag Göschens den  Aristipp redigierte, war dort. Nie in Osmannstedt

war dagegen Schiller.

Aistipp und einige seiner Zeitgenossen sowie die politische Schrift Gespräche unter vier Augen  waren die wichtigsten Werke seiner Osmannstedter Zeit

Am 11. Mai 1801 erließ der Rat der Helvetischen Republik folgendes Dekret: “ Dem Hofrath Christoph Martin Wieland in Weimar ist das helvetische Bürgerrecht ertheilt.” (Tageblatt der Gesetze und Dekrete der gesetzgebenden Räthe der helvetischen

Republik Band 5) Das hatte für Wieland zwar keine praktischen Auswirkungen, war aber eine Auszeichnung der Republik, die ja praktisch unter Napoleons Patronat stand. Sie diente aber auch dazu “dem Vaterland wahrhaft ausgezeichnete Bürger

zu verschaffen” wie der Schweizer Historiker und Politiker Johann Anton von Tillier schreibt. (Geschichte der helvetischen Republik, von ihrer Gründung im Frühjahr 1798 bis zu ihrer Auflösung 1803, Band 2, Bern 1843 S. 354)

Nach Weimar zurückgekehrt, bezog er ganz in der Nähe der Nähe des Wittumspalais mit Blick auf das  Schauspielhaus er eine Wohnung. Während des Sommers weilte die Fürstin in Tieffurt und dort erhielt Wieland sogar einen Ehrenplatz

in der herzoglichen Loge. Am 18. Dezember 1803 hatte er sich allerdings wieder mit dem Tod auseinanderzusetzen. Johann Gottfried Herder verstarb. An Sophie von Laroche schrieb er: “Er war mein bester und gewissermaßen

einziger Freund in Weimar-ich habe sehr viel an ihm verloren.” (Döring S. 384) Die Hochzeit des Erbprinzen Carl Friedrich mit der russischen Zarentochter Maria Palowna fand am 3. August 1804 in St. Petersburg statt. Natürlich wurde in Weimar auch nochmals gefeiert und zwar im November. Das Paar traf am 9. November in Weimar ein. Schiller hatte auf Bitten Goethes “Die Huldigung der Künste” verfasst. Es wurde am  12. November als Vorspiel des Theaterabends am Hoftheater von Weimar uraufgeführt.

Aber nur ein paar Monate  später war auch Schiller tot. Er verstarb am 9. Mai 1805. Nicht nur im eher privaten Bereich gab es einiges zu ertragen.
Im Oktober 1806 fand die Schlacht von Jena und Auerstedt statt. Weimar war von diesem Ereignis stark betroffen. Es musste 60000 plündernde französische Soldaten beherbergen und verköstigen. Zwar war auch bei Wieland Einquartierung.

Und die Franzosen ließen sich seinen Wein schmecken, aber er erhielt eine Leibwache und im Namen Murats wurde ihm der unmittelbare kaiserliche Schutz zugesichert. Anna Amalia hatte Tiefurt verlassen müssen und

Maria Pawlowna musste in dieser Zeit im Ausland ein Asyl suchen. Am 10. April 1807 verstarb Herzogin Anna Amalia. Die Todesnachricht verarbeitete er, wie er das meist tat, wenn vieles von außen auf ihn einstürmte. Er arbeitete hart

und diszipliniert. Er übersetzte Ciceros Briefe. Fürst Carl August bot ihm Belvedere als Sommeraufenthalt an. Dort las er viel, meist griechische oder römische Schriftsteller. Seine philosophische Grundhaltung gab ihm einen ruhigen Gleichmut, so daß er

trotz der Schicksalsschläge seinen Lebensabend gelassen verbringen konnte. Aber das Abschiednehmen ging weiter. Am 18. Februar starb seine Jugendliebe Sophie Laroche. An die Fürstin von Neuwied schrieb er: “Ich hielt nichts für sicherer,

als daß sie mich um viele Jahre überleben würde. Aber es scheint mein Schicksal, daß ich alles überleben soll, was ich am meisten und innigsten liebe. Bald habe ich außer meinen größtentheils weit von mir entfernten  Kindern,nichts

mehr zu verlieren…..(und weiter über Sophie)Aber die Welt kann zufrieden sein, eine so außerordentliche Frau- die von ihrer Kindheit an für diese Welt viel zu gut war” (Döring S. 394)Doch es gab immer wieder auch schöne

Momente. Sein 76. Geburtstag wurde am 8. September 1808 auf Schloß Belvedere groß begangen. Nur einen Monat später war in Erfurt der Fürstenkongress vom 27. September bis 14. Oktober. Zar Alexander I und Napoleon waren zugegen.

In Weimar wird täglich Theater gespielt. Napoleon hat die besten Schauspieler aus Paris mitgebracht. Aber auch Carl August will mit der kulturellen Bedeutung Weimars glänzen. Er hat dafür Goethe und Wieland nach Erfurt  bestellt,

damit sie dem Korsen vorgestellt. werden. Goethe trifft Napoleon erstmals am 2. Oktober in Weimar und zeigt sich als Kenner Werthers. Am 13. Oktober wird ein Hofwagen zu Wieland geschickt. Er hat vor dem Kaiser zu erscheinen.

index

Wieland erscheint so wie man ihn gerade vorfindet, ungepudert, sein schwarzes Samtkäppchen auf dem Kopf in einfachen Tuchstiefeln.

Wie schon auf Goethe machte der Kaiser der Franzosen auch auf Wieland einen mächtigen Eindruck. “In meinem Leben habe ich keinen einfachern, ruhigern, sanftern Menschensohn gesehen. Keine Spur, daß der Mann, der mit mir sprach, ein

großer Monarch zu sein, sich bewußt war. Er unterhielt sich mit mir wie ein alter Bekannter

s e i n e s Gleichen und (was noch keinem andern meines Gleichen widerfahren war) an anderthalb Stunden in Einem fort und ganz allein,

zu großem Erstaunen aller Anwesenden.” (Döring S. 396). Man unterhielt sich über Cäsar, d.h. der Kaiser deklamierte meist oder wie Wieland sagt, Napoleon nahm “die frais de la conversation” fast allein auf sich. Nachdem

das ja ziemlich lange gegangen war, konnte Wieland kaum mehr stehen konnte, bat er, “was kein anderer Deutscher oder Franzose sich unterstanden hätte” darum entlassen zu werden mit dem Hinweis, dass er sich nicht stark genug

fühle, das Stehen länger auszuhalten-und wurde in Gnaden entlassen.

Zwei Tage später werden Goethe und Wieland nach Erfurt geladen um den Kaiser “frühstücken zu sehen” Auch das wird bei Döring (und Gruber) ausführlich geschildert. Wieder zurück in Weimar wurde Wieland der Orden der Ehrenlegion verliehen.

Goethe erhielt seinen am 14. Oktober. Von Zar Alexander wurde beiden dann noch der St.Annen-Orden verliehen, wozu Gruber bemerkt:”Sonderbar genug, daß es zwei Kaiser des Auslands waren, und nicht ein teutscher Kaiser oder König,

die auf solche Weise sein Verdienst ehrten” (C.M. Wielands sämmtliche Werke. Herausg. von J.G. Gruber, 9. Band S. 428)Auch daß Wieland zwar Mitglied des Französischen Nationalinstituts war aber außer der Antiquarischen Gesellschaft

keiner deutschen Akademie angehörte. Wieland hatte zu seinem Orden allerdings gemeint, daß ihm eine mäßige Pension lieber gewesen wäre.

Im Jahre 1809 trat er noch in die Freimaurerloge Anna Amalia ein. Bertuch hatte zu der Zeit den Logenvorsitz inne. Und auch sein Schwiegersohn Reinhold war Logenmitglied. Das und auch die Tatsache, dass es doch sehr ein sam um den Dichter geworden war, dürften ihn zu diesem Schritt veranlasst haben

Allmählich plagten ihn auch körperliche Gebrechen. Im Herbst 1809 hatte er ein solches Augenleiden, daß er mehrere Wochen nicht lesen und schreiben konnte. Auch sonst war er recht schwach geworden. Er konnte kaum mehr stehen und seine Hand war fast unbrauchbar.So nach 1810 ging es ihm aber wieder besser. Allerdings leistete er sich nur noch kleine Ausflüge nach Jena oder beschränkte sich auf Spazierfahrten. Bei einer solchen kippte der Wagen

und er brach sich das Schlüsselbein. Schlimm fand er, das Übel seiner “Celebrität”. Man kann sich nicht mal den kleinen Finger brechen, geschweige denn das Schlüsselbein, ohne daß es sogleich in den öffentlichen Blättern verkündet wird.

Glücklicher Wieland, dem Fernsehen und Internet erspart blieben!

In der Nacht vom 10. auf den Januar 1813 erlitt er einen Schlaganfall.Dazu kam heftiges Fieber. Es konnte zwar kurzfristig gesenkt werden, stieg aber 10 Tage später wieder stark an. In der Nacht vom 20. Januar entschlief er.

Er wurde in Weimar aufgebahrt. Die Logenbrüder  geleiteten ihn am 25. Januar  1813 zu seiner letzten Ruhestätte. Goethe ließ sich von seinem Sohn vertreten. Am 18. Februar fand das Totengedenken in der Loge Anna Amalia statt.

Goethe hielt dabei die Rede “Zu brüderlichen Andenkens Wielands” Er zeichnete Wielands Lebensweg nach. Zu Wielands Wirkung sagte er: “Die Wirkungen Wielands auf das Publikum waren ununterbrochen und dauernd. Er hat sein
Zeitalter sich zugebildet, dem Geschmack seiner Jahresgenossen sowie ihrem Urteil eine entschiedene Richtung gegeben, dergestalt, daß seine Verdienste schon genugsam erkannt geschätzt, ja geschildert sind. Er spricht vor allem vom Einfluß

Shaftesbury auf Wieland. Zur seiner Übersetzertätigkeit vermerkt er”Niemand hat vielleicht so innig empfunden, welch verwickeltes Geschäft eine Übersetzung sei,als er. Wie tief war er überzeugt, daß nicht das Wort, sondern der Sinn belebe.

Über seine Biberacher Kanzleitätigkeit sagt er: “Und so war auch Wieland, als Kanzleiverweser einer der kleinsten Reichsstädte, in dem Fall, Patriot und im besseren
Sinne Demagog zu sein, wie er denn einmal über einen solchen Gegenstand die zeitige Ungnade des benachbarten Grafen Stadion, seines Gönners, lieber auf sich zu ziehen als unpatriotisch
nachzugeben die Entschließung faßte.” Auch seine Tätigkeit beim Merklur und die Bedeutung dieses Journals spricht er an”Was den Wert und die Würde des Teutschen Merkurs viele Jahre hindurch erhielt, war die dem
Herausgeber desselben angeborene Liberalität. Wieland war nicht zum Parteihaupt geschaffen; wer die Mäßigung als Hauptmaxime anerkennt, darf sich keiner Einseitigkeit schuldig machen. “

(Goethes Rede Text nach Wernekke, Hugo: Goethe und die Königliche Kunst. Leipzig: Poeschel 1905)

Wieland wurde an der Seite seiner Gemahlin und Sophie Brantanos bestattet. Die Inschrift hatte er schon 1806 entworfen : “Lieb’ und Freundschaft umschlang die verwandten Seelen im Leben; Und ihr Sterbliches deckt dieser gemeinsame Stein.”

WielandgrabOssmann2

Nachtrag Artikel aus der Schwäbischen Zeitung vom 11.9.09 2014 Lokalausgabe Biberach

Wieland erhält seinen Platz in der Stadtgeschichte

Am Freitag eröffnet die komplett neu gestaltete stadtgeschichtliche Abteilung im Museum Biberach

Vor der neuen Wieland-Vitrine: Kerstin Buchwald (l.), Geschäftsführerin der Wieland-Stiftung, und Museumsleiter Frank Brunecker.
Vor der neuen Wieland-Vitrine: Kerstin Buchwald (l.), Geschäftsführerin der Wieland-Stiftung, und Museumsleiter Frank Brunecker.

Gerd Mägerle
Biberach gem Der Dichter Christoph Martin Wieland wird am Freitagabend Teil der Biberacher Stadtgeschichte. Er erhält nämlich endlich eine eigene Vitrine in der stadtgeschichtlichen Abteilung des Museums Biberach. Diese wurde in den vergangenen Wochen komplett neu gestaltet.

 

„Wir sind total glücklich, dass Wieland jetzt im Museum seinen Platz hat“, sagt Museumsleiter Frank Brunecker. In einer Vitrine lassen sich bekannte Zitate des Dichters entdecken, Gemälde von Wieland und seiner Verlobten Sophie von La Roche schmücken die Rückwand. Hinter Glas ist eine prachtvolle Wieland-Gesamtausgabe in 42 Bänden zu sehen. Diese erwarb die Stadt Biberach 1794 und machte sie später König Wilhelm I. von Württemberg zum Hochzeitsgeschenk. In den 1920er-Jahren kam sie wieder zurück nach Biberach und war seither im Wielandarchiv gelagert.

 

 

„Die Schwierigkeit besteht darin, Wieland in einer Vitrine mit zwei Quadratmetern Grundfläche darzustellen“, sagt Kerstin Buchwald, Geschäftsführerin der Wieland-Stiftung. So kann die Vitrine für alle Besucher des Museums auch nur ein Appetithäppchen sein, die paar Schritte an die Saudengasse hinüber zu gehen, um dort das Wieland-Museum zu besuchen. Einen Hinweis darauf gibt es ebenfalls in der Vitrine.

 

 

Wieland findet seinen Platz in einer völlig neu gestalteten Stadtgeschichte-Abteilung im Erdgeschoss des Museums. Wer es betritt, sieht jetzt an der Wand ein riesiges Luftbild von Biberach prangt, das der Biberacher Motorschirmpilot Armin Appel im März fotografiert hat und auf dem jedes Haus zu erkennen ist.

 

 

Eine von Anja Heinzel gestaltete, türkisfarbene Bibertapete leitet den Besucher entlang der einzelnen Vitrinen, die alle neu gestaltet wurden. „Diese Tapete ist quasi unser Mantel der Geschichte“, sagt Brunecker.

 

 

In den einzelnen Vitrinen sind Epochen der Stadtgeschichte in Collagen verschiedener Objekte anschaulich dargestellt. So sieht man beispielsweise ein Faksimile einer prächtigen Urkunde von 1488, mit der Kaiser Friedrich III. der Stadt ihr heutiges Wappen verlieh.

 

 

Als weiterer Teil der Umgestaltung der Stadtgeschichte-Abteilung werden im kommenden Jahr noch Vitrinen folgen, die sich mit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschäftigen. „Denn diese Zeit ist bislang noch gar nicht gewürdigt“, sagt Brunecker.

 

 

Die Eröffnung beginnt um 18.30 Uhr, der Eintritt ist frei. Ab 20 Uhr gibt es im Foyer eine Rokoko-Tafel mit Kulinarischem aus dieser Zeit. Der Dramatische Verein spielt dazu

Zur Eröffnung kommt Wieland höchstselbst

Museum Biberach präsentiert umgestaltete Stadtgeschichte-Abteilung mit neuer Wieland-Vitrine

  • Erlebbare Literaturgeschichte: ein Blick in die neue Wieland-Vitrine im Museum Biberach.
    Erlebbare Literaturgeschichte: ein Blick in die neue Wieland-Vitrine im Museum Biberach.

    Günter Vogel
  • Wieland (Volker Angenbauer; v. r.) persönlich eröffnete mit Frank Brunecker, Dr. Jörg Riedlbauer und Kerstin Buchwald die neuges
    Wieland (Volker Angenbauer; v. r.) persönlich eröffnete mit Frank Brunecker, Dr. Jörg Riedlbauer und Kerstin Buchwald die neugestaltete Abteilung.

    Günter Vogel
1 von 2
Biberach sz Mit einer Feierstunde ist am Freitagabend die neugestaltete Abteilung Stadtgeschichte des Museums Biberach eröffnet worden. Kernstück der Umgestaltung ist die neue Vitrine für Christoph Martin Wieland, Dichtergenie und bedeutendster Kopf Biberachs.

 

Klaus Pfalzer (Violine) und Sabina Mark (Flöte) hatten den Abend mit einem Duo von Mozart eröffnet, und Kulturdezernent Jörg Riedlbauer leitete seinen Vortrag mit einem Bonmot ein: „Was Anna Amalia in Weimar nicht geschafft hat, haben wir in Biberach fertig gebracht, nämlich Mozart und Wieland künstlerisch zusammenzubringen.“

 

 

Riedlbauer ging auf die in Teilen bereits vorgenommene und die noch anzupackende Modernisierung des Museums ein, die in einem „überschaubaren Kostenrahmen“ erfolgen soll. Einzelne Maßnahmen bislang waren unter anderen die Neugestaltung des Lese- und Medienbereichs in der Abteilung Naturkunde und eine moderne Veranstaltungs- und Beschallungstechnik im Foyer.

 

 

Der Kulturdezernent hob die Ausstellungseinheit zu Wieland hervor, lobte die lebendig-kreative Weise der Neugestaltung: „Literatur zu visualisieren gehört zum Schwierigsten, was es an kulturellen Vermittlungsaufgaben gibt.“ Ein neues Farbkonzept für die stadtgeschichtliche Abteilung und das Foyer wurde von Anja Heinzel und Sebastian Schröter geschaffen. Dazu gehören die elegante und anmutige Biber-Tapete, und das neue Alpenpanorama, fotografiert von Armin Appel und bearbeitet von Simon Gallus, hängt raumbeherrschend im Foyer.

 

 

Die stadtgeschichtlichen Darstellungen enden derzeit etwa bei 1945. Das heutige Biberach wird folgen. „Damit“, so Museumsdirektor Frank Brunecker, „wird dann die Präsentation unserer Stadt komplett sein.“

 

 

Die Geschäftsführerin der Wieland-Stiftung, Kerstin Buchwald, wandte sich dann Wieland zu: „Wieland war ein Dichter von Weltrang, der bereits zu Lebzeiten in 13 Sprachen übersetzt wurde, zu seiner Zeit der meist gelesene deutsche Schriftsteller.“

 

Zitate schweben im Raum

 

Sie erläuterte den Zweck der Vitrine mit ihren kostbaren Exponaten und den ausgewählten kurzen und präzisen Zitaten, die wie ein Mobile den Luftraum der Vitrine dominieren. „Es war das Ziel, Wieland als größten Sohn der Stadt und Bestandteil der Stadtgeschichte zu positionieren, seine Bedeutung zu unterstreichen.“ Buchwald: „Da es uns wichtig war, spielerisch einen Fokus zu setzen, steht die Vitrine unter dem Wieland-Zitat, das Sie alle kennen: Die Herren dieser Art blendt oft zu vieles Licht, sie sehn den Wald vor lauter Bäumen nicht.“

 

 

Wielands Verlobte Sophie Gutermann, spätere La Roche, fehlt nicht in der Vitrine. Ihr Gemälde hängt ebenbürtig neben dem Bild des Dichters. Kerstin Buchwald schließt mit Wieland: „damit das Ganze seine gehörige Wirkung tue, muss es aus einem gewissen Standpunkt betrachtet werden.“

 

 

Darsteller des Dramatischen Vereins spielten ein kurze zum Anlass passende Szene, die Edeltraud Garlin geschrieben hatte, und Wieland höchstpersönlich (Volker Angenbauer) durchschnitt das rote Band, das die Besucher vom Raum mit der Vitrine noch getrennt hatte. Eine Rokokotafel mit Pasteten und Wein rundete die Feier ab.

Theaterszenen.

 

19 Jul 2014

Sophie von La Roche

90px-Portrait_Sophie_von_La_Roche

Das letzte Werk von Sophie La Roche erschien 1806 in Halle. “Melusines Sommerabende”. Der Herausgeber war Christoph Martin Wieland und damit schließt sich der Kreis. Schließlich hatte er auch ihr erstes Werk “Die Geschichte des

Fräulein von Sternheim” herausgegeben, dass Sophie praktisch über Nacht bekannt gemacht hatte. Auf Wielands Wunsch wurde dem letzten Werk Sophies Autobiographie voran gestellt. Und so will ich Sophies letztes Werk an den

Anfang setzen, weil es das möglich macht, die Erzählung von Sophies Leben praktisch von ihr selbst zu kommentieren.Zitiert wird aus der 1806 im Verlag der N.Societäts-Buch-und Kunsthandlung in Halle erschienenen Ausgabe.

Auch Wieland weist darauf hin, dass er der Herausgeber von Sophies erstem und letzten Werk ist: “Eine Verkettung von kleinen Umständen, oder wie mir zu glauben angenehmer ist,  die unsichtbare, diese Umstände leitende Hand

des Genius einer mehr als sechs und fünfzigjährigen Freundschaft zwischen der Verfasserin der Sommer-Abende und dem Herausgeber hat es so gefügt, daß eben derselbe der vor fünf und dreißig Jahren den ersten Abdruck des Geistes

und Herzens seiner Freundin in die Welt einführte, nun auch derjenige ist, der das Vergnügen hat, dieses letzte Werkchen, womit sie als Schriftstellerin ihren Lauf zu beschließen gedenkt, Ihren gleich mit Ihr gestimmten und in Ihren

Schriften Sie selbst liebenden Freundinnen und Freunden darzubringen.” (S.4,5)

Am 6. Dezember 1730 wurde Marie Sophie Gutermann von Gutershofen in Kaufbeuren geboren. Ihr Vater Georg Friedrich Gutermann war Arzt in Kaufbeuren und stammte aus Biberach an der Riss.

Er hatte in Tübingen, Leiden und Straßburg Medizin studiert.

Ihre Mutter Regina Barbara stammte aus Memmingen. Georg Friedrich war der Stiefbruder von Georg Rauh. Und dieser wieder war der Vater von Regina Catharina Kück,

der Mutter von Christoph Martin Wieland. Diese Verwandtschaft war ja mit der Grund, dass Sophie in die Familie von Christoph Martin Wieland kam.

Sophie war das älteste von 13 Kindern der Familie Gutermann.Ihr einziger Bruder Jacob Immanuel wird erst 14 Jahre nach ihr geboren. Außer Sophie überleben nur zwei Schwestern und der Bruder die Babyjahre.

Die Familie kommt von Kaufbeuren über Lindau nach Augsburg. Der Vater unterrichtet Sophie selbst, möchte sogar so etwas wie ein Wunderkind aus ihr machen. Schon mit drei Jahren konnte das Mädchen lesen.

Mit fünf hatte Sophie die Bibel durch.

Dazu Sophie selbst “Nachher machte mich mein Vater mich früh die Bücher lieben, da er mich oft, ehe ich volle zwei Jahre alt war, in seine Bibliothek trug, wo er mich mit den schönen Verzierungen der Einbände und

Titelblätter zu belustigen suchte, und es damit auch so weit brachte, dass ich mit 3 Jahren vollkommen lesen konnte..” (Seite IX,V) und weiter “ Mein Vater, ein ansehnlicher, hübscher, aber auch sehr heftiger, dabei frommer Mann,

benutzte meine Lesekunst nur in der Bibel, welche ich ( wie er mir in der Folge sagte) in dem Alter von fünf Jahren zum ersten Mal ausgelesen hatte.” (S. V)

Auch Astronomie und Französisch lernt sie beim Vater. Sie erhält Klavierunterricht. Natürlich wird sie auch in Kochen und allen Hausfrauenpflichten unterrichtet.

oder wie Sophie weiter berichtet “Doch wurde ich daneben auch die beste Tänzerin, lernte französisch, zeichnen und Blumen malen, sticken, Clavier spielen und Küche und Haushaltung besorgen.” (S VII)

Geschichtsunterricht bekam sie von Johann Jakob Brucker. Er war Leiter der Lateinschule in Kaufbeuren und kam 1744 wieder nach Augsburg zurück. In seinem  „Bilder-sal heutiges Tages lebender und durch Gelahrheit berühmter Schrifft-steller […]“.

stellte Brucker auch die Verdienste von vier Wissenschaftlerinnen vor, was zu einer Zeit, in der immer noch mit größtem Misstrauen betrachtet wurde, wenn Frauen gelehrte Studien betrieben eine sehr fortschrittliche Einstellung war.

Als Sophie allerdings ihren Vater bat, bei Brucker Latein lernen zu dürfen, lehnte der Vater rundweg ab. Das war nichts für Mädchen. Diese “männliche” Ausbildung schmälerte nur die Chancen auf dem Heiratsmarkt. Und die Töchter gut an den

Mann zu bringen, das war damals vorrangige Aufgabe der Väter aus guter Gesellschaft. Davon konnte ihn auch der Pädagoge und Freund Brucker nicht abbringen.

Mit 9 Jahren war Sophie zu den Großeltern nach Biberach geschickt worden. Der Großvater Hans Adam Gutermann war dort Ratsherr und Spitalpfleger Er wohnte dort am Marktplatz 8.

als Sophie drei Jahre später nach Augsburg zurückkehrte, war Georg Friedrich Gutermann inzwischen in den Adelsstand erhoben worden. Er nannte sich nun Gutermann von Gutershofen.

Auch wurde er Dekan des Collegium Medicum. Das ist so etwas wie die erste medizinische Ständevertretung in Deutschland und ist erstmals 1567 in Augsburg belegt.

Sein Haus und damit auch die Atmosphäre, in der Sophie aufwuchs, kann man als gutbürgerlich bezeichnen. Mitglieder des Augsburger Bildungsbürgertums zählten zum Freundeskreis.

Johann Jakob Brucker wurde schon erwähnt, der selbst Mitglied in vielen wissenschaftlichen Gesellschaften war. Georg Friedrich Gutermann gehörte der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Augsburgs an.

Dort war auch Jakob Wilhelm Benedikt von Langenmantel Mitglied, der auch Stadtpfleger, also Bürgermeister von Augsburg war. Auch bei der Leopoldina wird Dr. Gutermann seit 1731 als Mitglied geführt.

Zum Freundeskreis zählte auch Johann Adolf von Amman,der in Augsburg Ungeldherr war, modern ausgedrückt ist das sowas wie Stadtkämmerer. Aus dem Freundeskreis Bruckers wird für uns dann

Giovanni Lodovico Bianconi  interessant. Sophie kam also schon ab ihrer frühesten Kindheit mit Angehörigen des Bildungsbürgertums in Kontakt. Sie hatte eine umfassende Ausbildung, dank ihres Vaters

nicht zuletzt auch in Naturwissenschaften. Auch das spiegelt sich in der Autobiographie wieder. Sophie erzählt von den Gelehrtentreffs, die dienstags stattfanden.

Mit 15 wurde sie, wie es in der Reichsstadt üblich war, in die Augsburger Gesellschaft eingeführt. Bald fand sie auch an einem Bewerber Gefallen. Es war eben dieser

Giovanni Lodovico Bianconi . Er war 17 Jahre älter als Sophie, stammte aus Bologna und war wie Sophies Vater selbst auch Arzt und zwar Leibarzt des Fürstbischofs von Augsburg Joseph Ignaz Philipp von Hessen-Darmstadt.

Er  war neben seiner Tätigkeit als Arzt auch Antiquar. Er blieb nicht allzu lange in Augsburg. Er ging dann an den sächsischen Hof weiter und war da auch beim Aufbau der Gemäldegalerie beteiligt. Dabei spielte er auch beim Ankauf der

sixtinischen Madonna eine Rolle. Er kam dann schließlich als Gesandter Friedrich August II. nach Italien zurück. Sophies Mutter fand durchaus Gefallen an dem Bewerber. Sie unterstütze auch die Verlobung, die 1747 stattfand.

imagesCAYRXGZ5

Im folgenden Jahr stirbt die Mutter noch keine vierzig Jahre alt, damals ein durchaus übliches Frauenschicksal, erschöpft von vielen Schwangerschaften. Zwar reisen Vater und Schwiegersohn gemeinsam nach Bologna.

Auch scheint die Familie durchaus zu gefallen. Sophie wurde in dieser Zeit wieder nach Biberach geschickt.

Originalton Sophie: “Mein Vater reiste mit Bianconi ein ganzes Jahr nach Italien, um die Familie selbst kennen zu lernen, in welche ich gleich nach ihrer Zurückkunft treten sollte. Wir Kinder wurden zu seinen Aeltern

nach Biberach geschickt, wo ich diese freundliche Stadt, ihre guthmütigen Bewohnern und einfache ländliche Schönheit, mehr als das prächtige Augsburg und seine Kunstgärten, lieb gewann…” (S. XI) und weiter: “Man arbeitete

an den Artikeln des Ehevertrages. Meine Religionsfreiheit wurde in Dresden, wo Bianconi Leibarzt des Königs geworden war, versichert. Er wollte aber alle Kinder katholisch- mein Vater hingegen die Mädchen lutherisch haben,

und dies umso eifriger, als er nach seiner physischen Kenntnis glaubte, da ich in vollblühender Gesundheit erst 19 Jahre, Bianconi hingegen 35 Jahre Jahre zählte, und viel gelebt habe,- mehr Kinder von meinem Geschlechte

bekommen, als von dem seinen, also die lutherische Kirche mehr Seelen gewinnen. “ (S. XII).

Aber auf diese Bedingung  ging Bianconi nicht ein. Der Verlobte versuchte Sophie zur Flucht zu überreden.

Das wollte sie aber nicht,”weil ich meinen Vater nicht betrüben, nicht ohne seinen Segen aus seinem Hause wolle” (S. XII,XIII.) Nun zwang der Vater sie, die Verlobung zu lösen. “ Ich musste meinem Vater alle seine Briefe, Verse, schöne

Alt-Arien,mit meinen sehr pünktlich ausgearbeiteten geometrischen und mathematischen Übungen, in sein Cabinet bringen, musste alles zerreißen und in einem kleinen Windofen verbrennen, Bianconis Porträt…musste ich mit der Schere

in tausend Stücke zerschneiden..” (S XIII) Auch den Ring muss sie zerbrechen. “Die Ausdrücke meines Vaters dabei will ich nicht wiederholen” Sie fügt sich ohne Auflehnung, verzeiht ihrem Vater das aber zeitlebens nie.

Und sie schwört sich,”So soll auch Niemand mehr jemals meine Stimme, mein Clavierspiel, die italiänische Sprache… oder irgend etwas, so er mich lehrte, von mir hören, oder nur in mir vermuthen- Ich habe Wort gehalten.”(SXV.)

Dazu merkt Wieland als Herausgeber an, dass er aus eigener Erfahrung bezeugen kann, dass sie es streng und buchstäblich gehalten hat. Der Vater, nun auf der Suche nach einer neuen Frau, schickt Sophie wieder nach Biberach, diesmal zur Familie seiner Cousine

Regina Katharina und Thomas Adam Wieland, den Eltern von Christoph Martin. Sophie soll ihren Geliebten vergessen aber auch dem Vater aus den Augen kommen, zu dem das Verhältnis ja massiv gestört war.

In Biberach begegnen sich Christoph Martin Wieland und Sophie. Sophie ist 19, Christoph Martin 17. Die beiden empfindsamen Seelen verlieben sich zum Entsetzen der beiden Familien heftigst.

Im August 1750 verloben sie sich sogar. Der Überlieferung nach soll das an der Wielandlinde geschehen sein. Eine Gedenktafel an der Linde erinnert daran, pikanterweise mit einem falschen Datum. Dort  wird Wielands Sterbejahr mit

1818 angegeben. Da war er aber schon fünf Jahre tot. Der Vater Wieland hatte wohl gehofft, dass sich Wielands Verliebtheit legt. Wielands Mutter agiert mit Kräften gegen die Verbindung. Sophie muss nach Augsburg

zurück. Die Mutter hält Sophies Briefe an den Verlobten zurück. Wieland nimmt im Oktober 1750 in Tübingen sein Jurastudium auf, gibt es aber bald wieder auf.

imagesCA0L6O9Z

Sophie löste die Verlobung.Die Verlobung mit Wieland liest sich bei Sophie viel undramatischer als ihre erste Beziehung: “Wielands vorzügliche Freundschaft für mich machte für mich das Beste und schönste der Alten

und Neuen bekannt; ich verehrte und liebte ihn dankbar, war auf seine Kenntnisse stolz, weil ich sie mein ganzes Leben zu theilen hoffte, denn ich sollte mit ihm verbunden werden. Mißverständnisse aus den edelsten

Beweggründen trennten uns.” (XVI) Wieland war mit der Charakteristik “Freundschaft” wohl nicht ganz zufrieden, den im  Text merkt er an “ Was für eine Art von Freundschaft es war, können unsere Leser

oder Leserinnen, wenn sie Lust haben, aus einem vor vielen Jahren an Psyche gerichtete Gedichte, die erste Liebe betitelt, ersehen. W.”

Georg Michael La Roche,  wohl der illegitime Sohn des Grafen Anton Friedrich von Stadion, hält um Sophies Hand an. Sophies Vater hatte bei seiner Wiederverheiratung

seinen Stiefsohn als Erben ein. Sophie brauchte also jemanden der sie versorgte. Außerdem war sie inzwischen 23, höchste Zeit also unter die Haube zu kommen zumal zwei geplatzte Verlobungen die Chancen auf

dem Heiratsmarkt nicht gerade verbesserten. Zwar war auch La Roche katholisch, aber der Vater leistete nun keinen Widerstand mehr. Sophie stellte gleich zu Anfang die Verhältnisse klar. Sie erklärte ihrem Mann, dass

sie ihn nicht liebe, aber schätze und dass sie Bianconi und Wieland nicht vergessen könne. In der Tat besteht die Verbindung zwischen Wieland und Sophie das ganze Leben.

Wieland war auf die Lösung der Verlobung zunächst tief betroffen. Am 20. März 1754 schreibt er an Sophie. Darin vermutet er, dass wohl Briefe von ihm zurückgehalten worden waren, womit er ja nicht Unrecht

hatte. Er sagt, dass er Verständnis für Sophies Entscheidung habe. Er drückt aber die Hoffnung aus,” dass Sie meinen Vorschlag von Fortsetzung unser innerlichen und geistigen Verbindung, und wo es seyn kann

auch unseres Briefwechsels annehmen werden”. Beides geschah ja. Er lässt sich auch Herrn La Roche empfehlen und ihm versichern, “ dass ich gegen denjenigen, den Sie als Gemahl lieben, nicht anders als eine besondere Hochachtung tragen kann”.

Nach der Eheschließung schreibt er am 19. März 1754 an La Roche selbst. Dabei drückt er die Hoffnung aus, dass La Roche Sophie glücklich machen wird.

Sophie erkennt die Vorzüge, die für sie in der Ehe mit La Roche liegen.”Durch meine Verbindung mit La Roche ward ich in dem gräfl. Stadionschen Hause mit dem Werthe der glänzenden Vorzüge des Adels bekannt,

die ich täglich in allem vor mir hatte und da mein Mann neben Churmainzischen Kabinettsgeschäften auch die Oberdirektion aller großen Besitzungen der Stadionschen in Schwaben,  Böhmen und Wirtenberg hatte…” (S.XVIII)

Das junge Paar zieht nach Mainz. Dort arbeitet La Roche für den Grafen von Stadion. Er wurde von dem kurmainzischen Oberhofmeister mit der Abfassung von Depeschen betraut, keine schlechte Vorbereitung für seine spätere

Tätigkeit am kurtrierischen Hof.

Unbenannt

In Mainz bildet sie sich zunächst weiter. Sie liest Voltaire und Diderot. Graf von Stadion hatte ja auf seiner Kavalierstour Voltaire persönlich kennengelernt und Wieland las Voltaire ja auch. Er wird ja immer wieder als deutscher Voltaire

bezeichnet. Sie kümmerte sich um die französische Korrespondenz ihres Mannes. Sie lernte aber auch englisch. So konnte sie dem Grafen die neuesten Nachrichten gleich übersetzen. In Mainz werden drei ihrer Kinder

geboren, Maximiliane 1756, Fritz 1757 und Luise 1759. Graf von Stadion zog sich 1761 aus der kurmainzischen Politik zurück und übersiedelte auf sein Schloss in Warthausen. Die Familie La Roche ging von Mainz mit nach Warthausen.

Frank La Roche verwaltete die gräflichen Güter. Ihre Warthausener Zeit wird Sophie später als ihre glücklichste Zeit bezeichnen. Wieland war 1760 wieder nach Biberach zurückgekehrt und dort erst Senator, dann aber Kanzleiverwalter geworden.

Sophies Schwester Katharina hatte 1753 den Biberacher Kanzleiverwalter und späteren Bürgermeister Johannes von Hillern geheiratet. Nicht zuletzt ihrem Einfluss hatte es Wieland zu verdanken, dass er nach Biberach gerufen wurde und dort dann

zum Kanzleiverwalter gewählt wurde.  Am Warthausener Hof traf sich ein kleiner aufgeklärter Zirkel zu geistvollen Gesprächen. Die Runde wurde später als Warthauser Musenhof bezeichnet. Wieland war oft zu Gast, aber auch Sebastian Sailer,

der wortgewaltige Prediger aus dem nahen  Prämonstratenser Kloster Obermarchtal, Maria Maximiliana von Stadion, die Tochter des Grafen und später die letzte Fürstäbtissin vom Damenstift Buchau und der Warthauser Pfarrer

Ignaz Valentin Heggelin. Der Warthauser Hof war sicher ein Vorbild für Sophies späteren Kreis in ihrem Haus in Ehrenbreitstein. Und sie nutze die Bibliothek “und versäumte auch sonst keine Gelegenheit,in der prächtigen Bibliothek

des Grafen Stadion etwas Nützliches oder Schönes bemerken konnte” (S. XVIII,XIX)

Als Graf  Anton Heinrich Friedrich verstarb am 26. Oktober 1768 in Warthausen verstarb, zog die Familie von La Roche nach Bönnigheim,wo die Familie von Stadion auch ein Schloss hatte. Frank La Roche war mit Conrad von Stadion,dem Sohn

des verstorbenen Grafen nicht klar gekommen und er war auf eine Oberamtmannstelle in Bönnigheim abgeschoben worden. Nachdem er vorher praktisch die rechte Hand des Grafen war, empfand er das natürlich als Abstieg. Aber schon in Warthausen

hatte er den  Freiherrn Franz Eustach von Hornstein kennengelernt. Seine Besitzungen lagen  in der Nähe von Warthausen. Von Hornstein war Mitglied der Domkapitel von August und Freising. In Trier war Clemens Wenzeslaus von Sachsen 1768 Erzbischof

und Kurfürst von Trier geworden. Von 1763 bis 1768 war er Fürstbischof von Freising. 1768 war er auch Bischof von Augsburg geworden. Bei den Bischofswahlen in Freising und Augsburg hatte er von Hornstein kennengelernt.

Hornstein schlug Clemens Wenzeslaus vor, La Roche als Wirklichen Geheimen Rat in die Regierung aufzunehmen. La Roche lernte Clemens Wenzeslaus Anfang 1771 auf einer Reise nach Augsburg persönlich kennen. Er entschied sich endgültig für das Trierer

Angebot und zog Ende März nach Ehrenbreitstein

Auch für Sophie war Bönnigheim mehr als gewöhnungsbedürftig. Der geistreiche Zirkel fehlte ihr. Neue Freunde fand sie kaum. Nur Johann Jakob Brechter (1734-1772), Pfarrer im drei Stunden entfernten Schwaigern bei Heilbronn war ihr Vertrauter.

Er hatte pädagogische Schriften verfasst, zum Beispiel “Briefe über den Aemil des Herrn Rousseau”. Schon in Warthausen war ihre Kinder auf Empfehlung des Grafen Stadion zur Erziehung weggeben. Und da er ja eigentlich der Großvater war, hatte er sicher ein

gewichtiges Wort mit zu reden. Maximiliane und Luise wurden in Straßburg in einem Kloster erzogen, Fritz in Erfurt wo Wieland dank der Protektion durch Graf von Stadion mittlerweile Professor war. In Warthausen hatte Sophie zum Zeitvertreib zu

schreiben begonnen. Pfarrer Brechter ermunterte sie nun weiter zu schreiben, um ihres Kummers Herr zu werden. Nicht nur für Sophie war Brechter wichtig. Er hat auch zusammen mit ihrem Mann die “Briefe über das Mönchswesen” geschrieben,

die 1771 anonym erschienen.

Wieland macht sich ebenfalls stark für Sophies Roman. 1770 schreibt er ihr ohne Datum”Allerdings beste Freundin, verdient Ihre Sternheim gedruckt zu werden; und sie verdient es nicht nur; nach meiner vollen Überzeugung erweisen sie Ihrem Geschlecht

einen wirklichen Dienst dadurch. Sie soll und muß gedruckt werden, und ich werde Ihr Pflegevater seyn” (zitiert nach MDZ Reader Bayrische Staatsbibliothek digital, Briefe an Sophie von La Roche, S.125) Er gibt dann noch einige Details, wie die Ausgabe aussehen

soll.

“Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim – von einer Freundin derselben aus Original-Papieren und anderen zuverlässigen Quellen gezogen” , so lautete der  Originaltitel des Werkes, das in zwei Teilen erscheint, der erste Teil im Juni 1771, der zweite im

September/Oktober. Herausgeber ist Christoph Martin Wieland. Zwar war es anonym erschienen, enthielt aber doch so viele Hinweise auf die Autorin, dass deren Name bald bekannt war. Sophie wurde schlagartig berühmt und “zur ersten deutschen Dichterin”.

Es war eine glückhafte Wendung für die Familie La Roche. Frank La Roche machte rasch Karriere. Er hatte ein gutes persönliches Verhältnis zum Trierer Erzbischof. 1773 erhielt er den Rang eines Wirklichen Geheimen Staatsrat. 1774 wurde er Regierungskanzler

und zusammen mit Hornstein und Christoph Philipp Freiherr von Hohenfeld gehörte er zu den entscheidenden Ratgebern des Kurfürsten. Sophie nun berühmte Schriftstellerin konnte in Ehrenbreitstein einen literarischen Salon

06_12_0_3

unterhalten. Goethe beschreibt ein solches Treffen im 13. Buch von Dichtung und Wahrheit  “Sie war die wunderbarste Frau, und ich wüßte ihr keine andre zu vergleichen. Schlank und zart gebaut, eher groß als klein, hatte sie bis in ihre höheren Jahre eine gewisse

Eleganz der Gestalt sowohl als des Betragens zu erhalten gewußt, die zwischen dem Benehmen einer Edeldame und einer würdigen bürgerlichen Frau gar anmutig schwebte. Im Anzuge war sie sich mehrere Jahre gleich geblieben. Ein nettes Flügelhäubchen stand

dem kleinen Kopfe und dem feinen Gesichte gar wohl, und die braune oder graue Kleidung gab ihrer Gegenwart Ruhe und Würde. Sie sprach gut und wußte dem, was sie sagte, durch Empfindung immer Bedeutung zu geben.”

Sie empfängt bedeutende Künstler und Literaten. Johann Bernhard Basedow (1724-1790) war da. Er war 1771 nach Dessau berufen worden und wollte dort das Philanthropinum gründen eine „Pflanzschule der Menschheit“, in der Kinder verschiedener Herkunft im

Sinne des aufklärungspädagogischen Gedankenguts (standesgemäß) erzogen werden sollten. Er hatte 1774  er mit Goethe und Lavater eine Lahnreise unternommen und war möglicherweise bei dieser Gelegenheit bei Sophie in Ehrenbreitstein gewesen zumal

auch Lavater zu Sophies Gästen zählte. Lavater war Pfarrer Philosoph und Schriftsteller aus der Schweiz.Lavater besuchte Collegium Carolinum in Zürich, wo u.a. Johann Jakob Bodmer sein Lehrer war. Wieland weilte ja ab 1752 auf Einladung Bodmers

in der Schweiz.Also auch hier gab es Querverbindungen. Auch die Gebrüder Jacobi verkehrten in Sophies Salon. Johann Georg gab 1731 mit Wieland den Teutschen Merkur heraus. Sein Bruder Friedrich Heinrich war hauptsächlich als Philosoph tätig.

Er arbeitete ab 1804 zusammen mit Schelling an der Bayrischen Akademie der Wissenschaften. Auch Johann Jakob Wilhelm Heinse war bei Treffen dabei. Er kam auf Fürsprache von Wieland in den Dichterkreis um Gleim.

Modern gesprochen könnte man sagen, dass der Salon von Sophie La Roche wie ein Netzwerk wirkte. In diesen Ehrenbreitsteiner Tagen – Goethe war gerade 22 Jahre alt, wurde er durchaus als Hochzeitskandidat für Maximiliane, Sophies

älteste Tochter gehandelt. Er wurde zwar nicht Maximilianes Gemahl, aber die schwarzen Augen Lottes im Werther gehen auf Maximiliane zurück.

Wieland kam 1771 nach Ehrenbreitstein und besuchte Sophie. Friedrich Heinrich Jacobi war bei der Begegnung dabei und hatte sie geschildert:”Wieland – Wieland – O ja, Sie sind es, Sie sind noch immer mein lieber Wieland!‹ – Wieland, von dieser rührenden

Stimme geweckt, richtete sich etwas in die Höhe; blickte in die weinenden Augen seiner Freundin, und ließ dann sein Gesicht auf ihren Arm zurücksinken. Keiner von den Umstehenden konnte sich der Tränen enthalten”

Bevor wir in Sophies Leben weiterfahren, werfen wir einen Blick auf den Roman, der so viel Furore machte:

 

Das Fräulein Sternheim

Buch Frl. Sternheim

Wieland war ja der Herausgeber von Sophie von La Roches “Das Fräulein Sternheim” oder “geistiger Ziehvater” wie er in seinem Brief an Sophie geschrieben hatte. Das war nur folgerichtig, denn im 18. Jahrhundert hatten Frauen weder das Recht,

noch die Möglichkeit ohne einen  männlichen Mentor irgendetwas zu veröffentlichen. Und auch die Form des Briefromans bot sich, denn der Brief stellte eine gebilligte Form sprachlicher Aktivität der Frau dar. Hier bewegte sich eine Frau auf

vertrautem Terrain. Sophie hatte mit ihrem Roman ja durchaus eine pädagogische Absicht, nämlich die Erziehung des weiblichen Geschlechts.

Der Roman ist in zwei Teile gegliedert. Ihm wird der Herausgeberbericht Wielands vorangestellt. Er gibt darin vor, die Herausgabe sei ohne Wissen der Autorin geschehen.Er erwähnt mit Richardson und Fielding Vorgänger. Das Fräulein Sternheim

lehnte sich ja durchaus an Richardsons Pamela an, die auch für Goethes Werther Vorbild war. Er preist die Vorzüge aber auch Schwächen des Romans und nimmt so möglicherweise aufkommende Kritik schon vorweg.

Die Geschichte beginnt mit Sophies Vorgeschichte, Sophies Eltern. Ihr Vater war ein englische Offizier, ihre Mutter eine englische Baronesse, die nicht standesgemäß geheiratet hatte, denn Sternheim war erst später aufgrund

seiner persönlichen Verdienste geadelt worden. Sophie wird nach christlichen Werten erzogen. Als das Mädchen neun ist, stirbt ihre Mutter. Nun ist hauptsächlich der Vater für ihre Erziehung verantwortlich. Sie durchläuft den für Mädchen typischen

Bildungsgang, wird aber auch anhand von Rechnungsbüchern ihrer Mutter zum Beispiel mit der Leitung eines Guts vertraut gemacht. Als Sophie 19 ist, stirbt auch ihr Vater und sie muss zu ihrem Onkel und ihrer Tante. Die Gräfin Löbau

war die Schwester ihrer Mutter. Die Gräfin hatte damals die Heirat ihrer Schwester mit einem Bürgerlichen schwer missbilligt. Nun aber bringen die beiden Sophie am Hofe unter. Sie versuchen sie zur Mätresse des Fürsten zu machen,

weil sie sich daraus persönliche Vorteile versprechen.Den weiteren Verlauf erfahren wir aus Briefen der Akteure. Da ist einmal Sophie selbst, dann zwei englische Adlige, Lord Seymour und Lord Derby. Die tugendhafte Sophie verabscheut die Umgangsformen des

Hofs. Lord Seymour erscheint in Sophies Briefen als tugendhaft. Bei einem Hoffest bestätigt sich scheinbar das Liebesverhältnis zum Fürsten. Sie wird öffentlich verleumdet. Lord Derby bietet Sophie als Ausweg eine heimliche Ehe an.

In einem Brief an seinen Freund in Paris legt er diesem seine niederträchtigen Pläne dar. Er inszeniert eine Trauung, bei der sein Diener als Pfarrer verkleidet, die Trauung vornimmt. Damit endet der erste Teil.

Lord Derby hatte Sophie verlassen, aber ihr vorher noch seine gemeine Tat enthüllt.

Sophie lebt nun in ihrer neuen selbstgewählten Identität als Madame Leiden. Sie war zu ihrer Freundin Emilia, an die alle Briefe Sophies gerichtet sind gezogen. Mittlerweile war sie völlig verarmt, da sie in ihrer Gutmütigkeit

für drei Jahre alle Einkünfte ihres Gutes an die Gräfin Löbau abgetreten hat. Sie verkauft ihre Brillanten mit Bildnissen ihrer Eltern. Sie lebte von den Zinsen. Sie tut aber weiter Gutes und unterrichtet arme Mädchen an einer Gesindeschule von

Madam Hill. Auf einer Badereise in Spaa lernt sie Lady Summers kennen. Sie folgt dieser als Gesellschafterin nach England. Als Gutsnachbar lebt dort Lord Rich, der sich in Sophie verliebt. Sophie ist zurückhaltend aber nicht abweisend.

Doch Sophies Leiden sind noch nicht zu Ende. Denn der Schurke Derby tritt wieder auf den Plan. Zufällig hatte er eine Nichte von Lady Summers geheiratet. Er fürchtet entlarvt zu werden und lässt Sophie deshalb entführen. Er bringt sie bei einer armen Familie in

Schottland unter. Sie ist von der Außenwelt abgeschnitten und kann deshalb keine Briefe mehr schreiben. Aber ihre Gedanken hält sie in einem Tagebuch fest.Nun kommt eine neue Gattungsvariante zum Tragen. Nicht mehr Briefe sondern

Tagebucheinträge werden nun wiedergegeben. Daraus erfahren wir, dass sie eine erneute Werbung von Lord Derby zurückgewiesen hat. Der Diener misshandelt Sophie schwer. Sie ist dem Tode nahe. Der mitleidige Wärter bringt die Schwerverletzte auf

ein nahegelegenes Schloss einer Gräfin. Derby aber meldet er den Tod Sophies. Lord Seymour, der inzwischen von der Intrige und Verleumdung erfahren hatte und Lord Rich, der wie sich herausstellt der ältere Bruder von Lord Seymour ist,

machen sich auf den Weg nach Schottland, um das Grab der toten Sophie aufzusuchen. Sie ist aber nicht tot, sondern lebt im Haus der Gräfin. Lord Rich verzichtet edel und großmütig zugunsten seines Bruders auf die Hand Sophies. Ihre

Tugend wird mit ihrer zukünftigen Rolle als Gattin und Mutter belohnt.

Auf Richardsons Pamela wurde schon hingewiesen. Auch Das Leben der Schwedische Gräfin von G… (1747-48) von Christian Fürchtegott Gellert oder La Nouvelle Héloïse (1761) von Jean-Jacques Rousseau waren Vorgänger.

Bei allen drei war die verführte Unschuld  Leitmotiv des Briefromans. Aber Sophie von Sternheim findet sich nicht passiv mit ihrem Schicksal ab. “Im Gegensatz zu ihren Zeitgenossinen überwindet Sophie von Sternheim ihr

Unglück durch soziale Aktivität und Wohltätigkeit. Ihr aktives und selbstbewußtes Handeln unterscheidet sie hauptsächlich von anderen empfindsamen Heldinnen und prägt sie als individualisierter Charakter innerhalb der

festgelegten Weiblichkeitsschablonen.” (Dolors Sabaté Schöne Seele, denkender Körper: Das Weiblichkeitsbild in Sophie Geschichte des Fräuleins von Sternheim Revista  de Filología Alemana 2000 8,S.138)

Gleich im Erscheinungsjahr mussten drei Auflagen gedruckt werden. Fünf weitere folgten in den nächsten 15 Jahren. Und es gab Übersetzungen ins Französische, Englische, Holländische und Russische.

Sophie von La Roche hatte begeisterte Leser. Aber auch die Literaturkritik äußerte sich sofort positiv. Goethe verfasste in den “Frankfurter Gelehrten Anzeigen” eine Rezension. Darin schrieb er, dass sich viele “ungebetene Beurtheiler”

eingefunden hätten, der “Mann von der großen Welt, dessen ganze Seele aus Verstand gebaut ist”, dann “ der Schönkünstler” “der Kritiker” und schließlich “der fromme Eiferer” und dann fährt er fort: “allein alle die Herren irren sich,

wenn sie glauben, sie beurteilen ein Buch- es ist eine Menschenseele; und wir wissen nicht, ob diese vor das Forum der großen Welt, des Aesthetikers, des Zeloten und des Kritikers gehört.” (Goethes Werke, Vollständige Ausgabe letzter Hand, Bd.33 S. 51).

Auch Herder äußert sich in einem Brief an Johann Heinrich Merck, dem Herausgeber der “Frankfurter Gelehrten Anzeigen”begeistert. Allerdings kommt Wieland hier ziemlich schlecht weg. Herder hebt sie ab gegenüber Richardsons Clarissa und sagt:

“ sie ist für mich einzig und weit mehr als Clarisse mit all ihren herausgewundenen Thränen. Dies ist auch etwas, was ihr ewigen Werth geben wird- nur Wielands Noten sind abscheulich.- Ich weiß nicht, ob der elendste Commentator je  so

zuwider dem Sinne seines Autors glossirt als dieser: Sternheim, ein Engel vom Himmel, der uns Glauben an die Tugend durch sich selbst predigt, und Er, ich mags nicht sagen!” Herder in Briefe an Johann Heinrich Merck von Goethe, Herder, Wieland und andern

S.29. Gegen Ende des Jahrhunderts ließ die Begeisterung für das Fräulein Sternheim nach, bis er allmählich in Vergessenheit geriet. Heute sieht die moderne feministisch geprägte Literaturwissenschaft in Sophie von La Roche mehr als die Verlobte Wielands und die

Freundin des jungen Goethes oder die Großmutter der Romantiker Bettina und Clemens von Brentano.

Sophie sagt selbst dazu: “Mein erster Versuch, die Geschichte des Fräulein von Sternheim, ist die Frucht des größten Unmuts, welchen ich damals empfinden konnte. Ich trennte mich ungern von meinen beiden Töchtern, welche durch Zwang der Umstände

in Straßburg bei St. Barbara erzogen wurden, und ich sprach öfters davon in einem Tone voll Trauer mit meinem zu früh verstorbenen Freund Brechter, Prediger in Schwaigern bei Heilbronn, einem an Verstand und Herzen so vortrefflichen Manne,

welcher das Urbild aller Pfarrherren war, die so oft in meinen Erzählungen vorkommen, so wie seine Frau das Modell von meiner Emilie in meiner Sternheim ist.” (S. XXIV,XXV). er sagt ihr,dass es nicht gut sei, dass dieser Kummer an ihr nagt

und er empfiehlt ihr: “Wissen Sie was: Bringen Sie alles, was Sie mir von Zeit zu Zeit zu Ihrer Erleichterung mündlich sagen, so wie Ihre Ideen sich folgen, genau zu Papier…. üben zugleich Ihren Geist und erfüllen Ihre durch Abwesenheit Ihrer Töchter

einsame Stunden”.(S. XXVI) und weiter ”-Doch ich wollte nun einmal ein papiernes Mädchen erziehen, weil ich meine eigenen nicht mehr hatte und da half mir meine Einbildungskraft aus der Verlegenheit und schuf den Plan zu Sophiens

Geschichte. – Ihre Aeltern erhielten den Charakter der meinigen;” (S. XXVII)

Zurück nach Ehrenbreitstein. Die Familie von La Roche war ganz oben angekommen.  Frank von La Roche war kurtrierischer Kanzler, Sophie geachtete und gesuchte Schriftstellerin. 1776 wurde Frank von La Roche in den Reichsadel

erhoben- aufgrund seiner eigenen Tüchtigkeit und nicht aufgrund der Geburt, obwohl sein Vater ja dem Adel angehört hatte, aber La Roche eben nicht als legitimen Sohn anerkannt hatte. Allerdings folgte kurz danach ein

tiefer Sturz. 1780 wurden die beiden Minister Hornstein und Hohenfeld gestürzt. Kurz darauf folgte ihnen La Roche nach. Inzwischen war heraus gekommen, der Verfasser  der “Briefe über das Mönchswesen” war. Das war willkommener Anlass, ihn

vollends zu diskreditieren. Baron von Hohenfeld war nach Speyer in sein Haus gezogen und hatte auch die Familie La Roche nach Speyer geholt. Dort verbrachte die Familie sechs Jahre.

HohenfeldscheHaus%20klein

Die Familie stürzte nicht ins finanzielle Elend, wie das manches Mal so durchklingt. Frank La hatte immer noch die einträgliche Stelle eines Zollschreibers inne, die er bis an sein Lebensende behielt. Auch bezog er zeitlebens eine Pension.

Was für ihn sicherlich wesentlich problematischer war, die Verdammung zur Untätigkeit. Das hatte ihm in seiner Zeit in Bönnigheim am meisten zu schaffen gemacht, und er war ja gewohnt, zu arbeiten und zu gestalten.

Das hatte er schon in den Diensten des Grafen von Stadion in Mainz und Warthausen bewiesen und erst recht natürlich als kurtrierischer Konferenzminister. Was sicherlich auch ein Problem war, Sophie war ja schon erfolgreiche

Schriftstellerin aber Frank von La Roche wollte nicht, dass seine Frau einer Verdienstarbeit nachging. Aber Sophie schrieb eifrig und erfolgreich weiter.

Wenden wir uns noch kurz den Kindern der Familie von La Roche zu.  In Renate Feyls Roman die “Profanen Stunden des Glücks” wird sehr schön geschildert, wie Sophie bemüht war, ihre Töchter vor allem wirtschaftlich

abgesichert unter die Haube zu bringen. Und obwohl sie ja selbst auf ihrem Lebensweg mit ihren Verlobungen durchaus einschlägige Erfahrungen gemacht hatte, war es wohl so, dass ihre Vorstellungen, was gut für die Töchter ist,

den Ausschlag gaben. Maximiliane heiratete 1774 den reichen Witwer und Kaufmann Peter Anton Brentano. Aus seiner Ehe mit Paula Maria Josefa Walpurga Brentano-Gnosso hatte er 6 Kinder als die Frau 1770 verstarb.

220px-Maximiliane_von_La_Roche

Der Ehe mit Maximiliane entsprossen 12 Kinder, von denen 4 erwähnt sein sollen. Der älteste Georg wurde 1775 geboren. Er führte zusammen mit seinem Halbbruder Franz das Handelshaus Brentano, das sich ab 1830 auf das Bankgeschäft konzentrierte. Er schuf in

Frankfurt-Rödelheim einen großen Landschaftspark. 1776 wurde Sophie geboren. Sie starb sehr jung 1880 als sie zu Wieland in Ossmannstedt zu Besuch war und ist dort bestattet. Clemens folgte 1778. Sein Taufpate war noch der Trierer

Kurfürst. Clemens wurde zum Schriftsteller der Romantik. Bekanntestes Werk ist die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn zusammen mit Achim von Arnim. Bettina, das 7. Kind Maximilianes lernte in Frankfurt den literarischen Arbeitskollegen

von Clemens kennen. Sie heirateten 1811 und waren bis zum Tode Achims 1831 verheiratet.

Maximiliane starb kurz nach der Geburt ihres 12. Kindes 1793. Maximilian hatte zwar dank der Heirat mit einem sehr reichen Mann einen gewissen Lebensstandard erreicht, aber ihren künstlerischen Ambitionen hatte sie entsagen müssen.

Goethe wunderte sich etwas über Sophie, die ihre älteste Tochter nach Frankfurt verheiratet hatte,” … und konnte sich nicht recht in den Zustand finden, den sie doch selbst ausgewählt hatte. Anstatt sich darin behaglich zu fühlen, oder zu irgend einer Veränderung

Anlaß zu geben, erging sie sich in Klagen, so daß man wirklich denken mußte, ihre Tochter sei unglücklich, ob man gleich, da ihr nichts abging und ihr Gemahl ihr nichts verwehrte, nicht wohl einsah, worin das Unglück eigentlich bestünde “ (Dichtung und Wahrheit

13. Buch). aber er konnte es auch nachempfinden “weil sie sich auch in ihre neue Umgebung nicht zu finden wußte und, obwohl mit Glücksgütern gesegnet, aus dem heiteren Thal-Ehrenbreitstein und einer fröhlichen Jugend in ein düster gelegenes Handelshaus

versetzt, sich schon als Mutter von einigen Stiefkindern benehmen sollte.” (Goethe imselben Absatz).

Luise Sophies zweite Tochter, war 1779 an den kurtrierischen Hofrat Joseph Christian von Möhn verheiratet worden. Im Bekanntenkreis der Familie La Roche stieß das auf blankes Unverständnis vor allem Goethes Mutter ließ sich darüber recht scharfzüngig aus.

So schrieb sie an an Herzogin Anna Amalia in Weimar: “Theureste Fürstin ! Könte Docter Wolf den Tochtermann sehen, den die Verfasserin der Sternheim Ihrer zweyten Tochter Louise aufhengen will; so würde Er nach seiner sonst löblichen Gewohnheit mit den

Zähnen knirschen, und gantz Gottloß fluchen. Gestern stellte Sie mir das Ungeheuer vor – Großer Gott ! ! ! Wenn mich der zur Königin der Erden / : Americka mit eingeschloßen : / machen wolte; so – ja so – gebe ich Ihm einen Korb – Er sieht aus – wie der Teufel in

der 7 ten Bitte in Luthers kleinem Catesichmus [!]– ist so dumm wie ein Heu Pferd – und zu allem seinem seinem[!] Unglück ist Er Hoffrath – Wann ich von all dem Zeug was begreife; so will ich zur Auster werden. Eine Frau wie die la Roche von einem gewiß nicht

gemeinem Verstand, von zimlichen Glücksgütern, von Ansehn, Rang u.s.w. die es recht drauf anfängt Ihre Töchter unglücklich zu machen – und doch Sternheime und Frauenzimmer Briefe schreibt – mit einem Wort, mein Kopf ist wie in einer Mühle. Verzeihen Ihro

Durchlaucht, daß ich Ihnen so was vor erzähle, ich habe aber eben das Awentheuer vor Augen – und die Thränen der guten Louise kan ich nicht ausstehn.” (Catharina Elisabeth Goethe, Brief an Anna Amalia Herzogin von Sachsen-Weimar und Eisenach, Frankfurt am

Main, 11. April 1779, zit. nach: Leis u. a. 1996, S. 95 f.) Allerdings war der Hofrat Alkoholiker was sich erst später herausstellte. Er musste aus seiner Stellung am Revisionsgericht in Koblenz ausscheiden. Louise trennte sich von ihrem Mann und zog 1789 zu ihrer

Mutter nach Offenbach. Auch ihre Ehe war nicht glücklich.

Der älteste Sohn Fritz, er war wohl das Ebenbild seines Vaters, wurde zu Wieland nach Erfurt zur Erziehung gegeben. Wieland war inzwischen dort Professor. Fritz wurde dann Kavallerieoffizier in französischen Diensten. Er nahm 1780 am amerikanischen

Unabhängigkeitskrieg teil. Dort zeichnete sich aus nahm aber seinen Abschied. Er diente dann in den Gardes francaises. Bei einem Urlaub, den er mit einem Kameraden, einem holländischen Edelmann in Holland machte, lernte er eine junge Witwe kennen. Sie

heirateten bald. Sophie und ihre Schwiegertochter Elsy  de l’Espinasse verstanden sich bestens. Die Frau von Fritz war sehr vermögend. So könnte er einen Teil der dritten Schweizreise von Sophie finanzieren. Fritz und Elsy wanderten nach Amerika aus. Allerdings

verschleuderte Fritz in Amerika fast das ganze Vermögen seiner Frau. Die Ehe zerbrach. Sophie litt stark darunter, dass er seine Frau in eine solche Lage gebracht hatte. Sie schrieb an Elsy: ”Sie und Ihre Kinder in einer so grausamen Lage, durch meinen Sohn ! O

meine Elsy ! Nichts kann ausdrücken, was ich durch Ihre Situation und meine Machtlosigkeit leide” Sophie von La Roche, Brief an Elsy von La Roche, Offenbach am Main, 17. Oktober 1797, zit. nach Maurer , S. 365. Fritz kehrte späte nach Europa zurück gilt aber als seit

1814 in Russland verschollen.

116_franz2116_georg-karl2

Sophies zweiter Sohn Carl Georg war in preussische Staatsdienste getreten . 1786 arbeitete er als Bergrat im Salzbergbau in Schönenbeck bei Magdeburg. Später zog er mit seiner Familie dort verstarb er 1839 als Oberbergrat.

Sophies jüngster Sohn Franz wurde 1768 geboren. Er war ihr Lieblingssohn und er war das einzige Kind, das sie selbst gestillt hatte. Er kam 1784 nach Colmar. Dort hatte Gottlieb Konrad Pfeffel seine „École militaire“  gegründet,

eine Erziehungsanstalt für protestantische Knaben. Die Zöglinge waren meist aus dem Adel und kamen aus Frankreich, der Schweiz und Deutschland. Aus ihr gingen hohe Militärs, Verwaltungsbeamte und Diplomaten der Revolutions- und Direktorialzeit

hervor. Im Gegenzug nahm Sophie die fünfzehnjährige Tochter Pfeffels, Peggi, zu sich nachhause, um sie bei sich auszubilden. Die Erziehungsziele orientierten sich an Rousseau. Nach seiner Zeit in Colmar studierte Franz Forstwirtschaft

in Marburg. 1791 hatte er eine Stelle als Forstbeamter am Hof zu Hessen-Darmstadt erhalten, aber kurz nachdem er seinen Dienst angetreten hatte, verstarb er an einer Darmentzündung im alter von nur 23 Jahren. Sophie war tief betrübt und hat diesen Schicksals-

schlag nie verwunden. Das war der zweite schwere Schicksalsschlag, den sie zu ertragen hatte. Die Familie war 1786 von Speyer nach Offenbach übergesiedelt. Kurz vor der Übersiedlung hatte Frank von La Roche einen Schlaganfall erlitten. Von den Folgen erholte

er sich langsam. doch dann erlitt er kurz hintereinander mehrere Schlaganfälle. Sophie pflegte ihren Mann nun fast zwei Jahre. Er verstarb am 23.11.1788 und wurde auf dem katholischen Friedhof in Bürgel bestattet und nur drei Jahre später wurde

Franz neben seinem Vater beerdigt.

Gehen wir zurück nach Speyer, nachdem wir uns mit Sophies Familie beschäftigt haben. In Speyer begann  Sophie mit der Herausgabe der Zeitschrift: „Pomona für Teutschlands Töchter“ “An meine Leserinnen. Das Jahrbuch der

Denkwürdigkeiten für das schöne Geschlecht-zeigen meinen Leserinnen, was teutsche Männer uns nützlich und gefällig achten. Pomona — wird Ihnen sagen,was ich als Frau dafür halte-“ so schrieb Sophie im Vorwort des ersten Heftes ihrer

Zeitschrift. Sie schreibt dann weiter “Gelehrsamkeit,meine Liebe! Sollten sie nicht darinn finden, einmal, weil ich selbst keine besitze,…” (1.Heft Seite 13) Wir wissen ja, dass Sophie eine umfassende Ausbildung erfahren hatte. Aber es war ja nicht schicklich

für eine Frau, mit ihrer Bildung zu prahlen. Auch der Name wurde genannt und erklärt: “Mein Büchelgen soll Pomona heißen—diese ist die Göttin des Herbsts. Ich bin in dem Herbst meines Lebens, und der Entwurf dazu entstand in dem Herbst—“

(S.14/15) Sie erschien von Januar 1783 bis Dezember 1784 als Monatsschrift. Die Hefte hatten einen Umfang von ca. 100 Seiten und hatten sofort eine enorme Resonanz, was sicher damit zusammenhängt, dass Sophie von La Roche eine der

bekanntesten Autorinnen ihrer Zeit war.Pomona hatte sofort eine große Anzahl von Abonnenten. Die Liste der  ist lang: Rund siebenhundert Namen sind verzeichnet, nicht nur Frauen, auch Männer. Leser aus dem Bürgertum wie aus den aufgeklärten Kreisen des

Adels bestellen ihre Monatszeitschrift, die bekannteste Abonnentin ist sicherlich die russische Zarin Katharina die Große, sie abonnierte gleich 500 Exemplare. Billig ist sie nicht.4 Gulden und 30 Kreuzer Reichsgeld soll sie kosten. Das ist der Lohn eines

Kochs für drei Monate oder es deckte die Miete für ein bescheidenes Zimmer für zwei Monate.Einige Artikel erscheinen durchgängig, zum Beispiel “Die Briefe an Lina” und die “Moralischen Erzählungen”. Das zweite,vierte, sechste und achte Heft des Jahrgangs 1783

ist jeweils einem bestimmten Land gewidmet, nämlich Frankreich, England, Italien und Deutschland. Das hatte Sophie aber schon im ersten Heft angekündigt. Das Konzept von Pomona ist durchaus modern, Betrachtungen über weibliche Erziehung,

Haushaltsführung aber auch Reiseberichte. Auch über Literatur, Kunst und Musik wurde berichtet. Einen breiten Raum nahmen die Leserzuschriften ein, die ausführlich beantwortet wurden. Auch die direkte Ansprache des Lesers, bzw. der Leserin

ist ja durchaus in heutigen Zeitschriften noch üblich. Nach nur zwei Jahren stellte Sophie La Roche die Zeitung wieder ein. Warum ist nicht ganz klar. Es war aber sicherlich sehr arbeitsaufwendig, zumal die Herausgeberin die meisten

Beiträge selbst verfasste. Was ihr möglicherweise zu schaffen machte, waren die vielen Raubkopien, die den wirtschaftlichen Erfolg doch schmälerte. Aber sie konnte die Ausbildung ihrer beiden Söhne finanzieren, was ihren Mann alles andere als begeisterte.

In Speyer starte Sophie auch ihre 3. Karriere. Sie war mittlerweile über 50 Jahre alt und startete von Speyer aus auf ihre Reisen in die Schweiz, die Niederlande, Frankreich und England und sie berichtete darüber. So wurde sie zur ersten Reiseschriftstellerin

Deutschlands. Ihre Art zu schreiben unterschied sich durchaus von den gängigen spröden Reisebeschreibungen ihrer Zeitgenossen. Sie war ja versierte Autorin, die die literarischen Techniken beherrschte. Schon bei der Pomona hatte sie ihr journalistisches

Talent bewiesen und auch bei ihre Reiseberichten zeigte sie, dass sie offensichtlich wusste, was ihr Publikum gern liest.Sie schreibt oft regelrecht mitreissende Reportagen.

Zu ihren Reisen bemerkt Sophie: “Meine Reisen sind reine treue Erzählung dessen, was ich bei dem entzückenden Genusse des Anblicks von tausend Schönheiten der Natur und Beobachtung guter Menschen, Arbeiten und Handlungen,

dacht und empfand;” (S. XXXVIII)

1787 und  erschienen “Tagebuch einer Reise durch die Schweitz” und Journal einer Reise durch Frankreich und 1788 Tagebuch einer Reise durch Holland und England und schließlich 1793 Erinnerungen aus meiner dritten Schweizerreise.

Als Sophie aus England zurückkehrte war ihr Mann nach Offenbach umgesiedelt. Mit Hilfe seines Schwiegersohns Peter Anton Brentano hatte die Familie ein Haus in Offenbach erworben, das Sophie später liebevoll “Grillenhütte” nannte.

183_grillenhuette1-2

Frank La Roche war der Aufenthalt in Offenbach wohl empfohlen worden und wahrscheinlich wollte er auch der Familie seiner Tochter näher sein. Über die Schicksalsschläge, die Sophie zu Beginn ihrer Offenbacher Zeit trafen wurde oben schon

berichtet.

1784 bricht Sophie auf die immer wieder verschobene Reise in die Schweiz auf. Auch ihr Sohn Franz ist dabei. Als Verfasserin der Sternheim und dann Herausgeberin der Pomona hatte Sophie ja auch eine Berühmtheit erlangt und wen sie auf ihren Reisen traf,

das liest sich fast wie ein “who’s who” der damaligen Zeit.

Die Reise führte über Schaffhausen nach  Zürich und dann nach Bern.In Zürich traf sie Horace Bénédict de Saussure, der 1787 die erste wissenschaftliche Besteigung des Mont Blanc unternahm. Sie lernte Johann Heinrich Füssli kennen, den

schweizerisch-englischen Maler und Publizisten; Johann Georg Schulthess, den Schweizer Theologen, der schon mit Wieland befreundet war dann Leonhard Usteri , der Professor für hebräische Sprachen war. Nächste Stationen waren dann Luzern, Lausanne und

Genf.In Lausanne war Guillaume-Thomas François Raynal zugegen. Er war einer der meistgelesenen französischen Autoren der Spätaufklärung.Seine “Geschichtezweier Indien” war in Frankreich vom Parlament verboten worden und sogar vom Henker auf dem

Scheiterhaufen verbrannt. Da er in Frankreich bedroht worden war und er sich dort nicht mehr sicher fühlte, hielt er sich zu derzeit in  der Schweiz auf. Sein Landsmann Louis-Sébastien Mercier war mit dabei. Er hatte einen utopischen Roman geschrieben “2440”,

aber auch Theaterstücke oder das “Tableau de Paris”, eine Stadtbeschreibung von Paris.

In Lausanne traf sie auch auf den Schweizer  Arzt Simon  Auguste André David Tissot und Edward Gibbon, den englischen Historiker der Aufklärung. Sein wichtigstes Werk war eine Geschichte Roms. Bei einem Spaziergang in Lausanne traf  Sophie Mademoiselle

Necker, die spätere Madame de Stael.

In Genf besuchte Sophie verschiedene Malerinnen, die damals Berühmtheiten waren. Von Genf aus besuchte Sophie Fernay  “um die Überreste des Wohnsitzes von Voltaire zu sehen” ( Tagebuch einer Reise durch die Schweitz S. 233) Sophie hatte Voltaire in Mainz

gelesen und oben wurde ja schon ausgeführt, dass Graf von Stadion Voltaire auf seiner Kavalierstour kennengelernt hat und auch Wieland Voltaire gelesen hatte. Sophie scheint dagegen kritische Distanz gehalten zu haben. Das zeigt auch schön in der Schilderung

von Voltaires Garten. Da schreibt sie “In dem Garten, in welchen man von dem artigen Saal komt, ist eben so viel Unkraut wie in seinen Schriften, und die schönsten Anlagen in dem fruchtbarsten Boden.” (ebd. S. 239)

Ganz anders dagegen die Schilderung von Vevey, das sie kurz später besuchte besucht.Denn das ist die Stadt, die Rousseau nun wörtlich “welche dieser außerordentliche Mann zum Schauplaz alle der hinreißenden Auftritte wählte, welche in dieser Geschichte

(Nouvelle Heloise) vorkommen.” (ebd. S.313). Touristischer Höhepunkt ihrer ersten Schweizreise war ein Abstecher nach Chamonix und von dort unternahm sie einen Ausflug ins Mont Blanc Massiv. Wie ihr  von ihren savojardischen Reiseführer die

ältesten “sagten, dass ich die erste teutsche Frau sey, welche sie zu Chamoni und bey dem Eis gesehen”. (ebd. S 262)Sie war auf dem Montanvert und hatte von dort beste Sicht auf den Mont Blanc, kam zum Arveron, durchlebte ein heftiges Gewitter

und beschreibt dies sehr anschaulich. Zurück gings dann von Lausanne aus wieder über Murten nach Bern, wo sie den gesamten Bekanntenkreis von Wieland nochmals sah. Den Abschluss ihrer Reise bildete Basel. Dort besuchte sie Jakob Sarasin, der ähnlich wie sie

selbst ein dichtes Netz von Bekanntschaften und Freundschaften mit vielen Vertretern der Aufklärung und des Sturm und Drang pflegte. Auch Sophie gehörte zu diesem Netz.

166_franz-zeichnung2

Ihre erste Schweizer Reise hatte nicht mehr den großen publizistischen Erfolg wie Pomona, ganz zu schweigen von dem Fräulein Sternheim. Sie schreibt noch wie vor zwanzig Jahren. An den Veränderungen der aufkommenden Klassik nimmt sie nicht teil oder lehnt

sie ab. Man schätzt nun eine neue Natürlichkeit. Manche empfinden ihre Prosa aber auch ihre Lebensform als maniriert oder gekünstelt so wie Goethe zum Beispiel in einem Brief an Schiller “Es ist schrecklich was eine bloße Manier durch Zeit und Jahre immer

leerer und unerträglicher wird”  (Frankfurt am 12.und 14.8 1797). Auch die Weimarer Herzogin Amalia empfand das so und sprach von “Fühlen à la Roche” (Briefe an und von  Johann Heinrich Merck, Aus den Handschriften hsg. von Karl Wagner, Darmstadt 1838,

S.164) Aber sie kann sich ihre Auslandsaufenthalte über den Verkauf der verkauften Journale zum Teil selbst finanzieren. Ihre Erlebnisse vermarktet sie geschickt. Sie reiste allein als Begleitung wohlhabender Freunde,die Reisen mitfinanzierten und ihr

darüber hinaus Schutz boten. Nach ihrer ersten Schweizer reiste sie mit Elise von Bethmann nach Frankreich. Über Straßburg, wo sie wieder ihren Sohn zusammen mit Pfeffel trifft, geht es nach Paris. Dort erlebte sie einen Auftritt Ludwigs XV. anlässlich

der Geburt eines Prinzen. Etwas später erlebte sie auch den Einzug Marie Antoinettes in Paris und dabei sah sie auch den Kontrast zum König. Bei Ludwig jubelte das Volk. Bei Marie Antoinette schwieg es.

Rousseaus Grab besuchte Sophie auch und wie schon in ihrer Schweizer Reise zeigt sie ihre große Verehrung für Rousseau. “Ich nahm Gras und Blümgen mit, welche zu seinem Haupt aufgewachsen waren; möge es eben so leicht werden, das Gute aus seinen

Schriften zu sammeln.”(Journal einer Reise durch Frankreich, S.223) Sie besuchten Nordfrankreich, kamen nach Bordeaux, wo der Vater ihrer Reisebegleiterin Elise Konsul war. Sie besuchte das Schloss Brede und war dort in der Bibliothek von

Montesquieu. (ebd. S. 289) Sie war in Orléans und in Blois. Die Reise dauerte von März bis Juli. Dass Sophie se sich leisten konnte über Monate von der Familie abwesend zu sein, zeugt ebenso wie ihre Schriftstellerei von ihrer Selbstständigkeit und Unabhängigkeit.

Schon im nächsten Jahr reiste sie mit der Freiin von Erthal nach Holland und von dort weiter nach England. Diesmal startete sie in Bingen. Dort traf sie ihren Sohn Karl. Als sie dann an Lahnstein vorbeikam, weckte das natürlich zwiespältige Gefühle.

“-Obschon Lahnstein, und die die Thürme von der Vestung zu Coblenz tausend schlummernde, unangenehme Ideen weckten, welche durch den Anblick des neuen churfürstlichen Pallastes an dem Ufer des Rheins doppelt lebhhaft wurden…”

(Tagebuch einer Reise durch Holland und England, Offenbach 2. Auflage 1791, S.30)Die Reise ging über Nimwegen, Amsterdam. In Leiden besuchte sie das Grab von Voerhave, der an der dortigen Universität der Lehrer von Sophies Vater war.

“Ich gieng, als Tochter eines verdienstvollen Vaters und Verehrers von Voerhave, wirklich mit Andacht dahin,..” (ebd. S.148) Weiter ging es nach Harwich. Als sie nach einer stürmischen Überfahrt, bei der so mancher seekrank geworden war,bei

Harwich die englische Küste sah empfand sie tiefe Freude oder wie sie selbst schreibt “Schon der Gedanke: Du siehst England (im Text gesperrt gedruckt) machte mich mit Freud beben.. denn ich bekenne Bücher und Reisen (gesperrt) waren immer

für mich die einzige Glückseligkeit dieses Lebens. Besonders England…-war immer ein Punkt, nach welchem meine ganze Seele begierig war; (ebd. S. 183). In London hatte ihr Herr Hurter, der Agent des Markgrafen von Baden und alter Freund von Frank von Laroche

das Quartier besorgt. Er “ nahm sie dann auch in die Kost” (S.203) und begleitete sie an “merkwürdige Orte”so in eine Fabrik für mathematische und physikalische Instrumente. Die Abende wurden meist mit Theaterstücken verbracht. In London traf sie bald

versehen mit einem Empfehlungsschreiben von Sarasin den Grafen Cagliostro, einen Alchimisten, Wunderheiler und Hochstapler, der durch Europa reist und viele Bewunderer hatte. Aufgrund der Empfehlungsbriefe “konnte (sie sich) also seine Bekanntschaft

versprechen, nach welcher, ich bekenne es, ich sehr neugierig war, indem das Leben, die Handlungen, die Freunde und das Schicksal diesen Mann merkwürdig gemacht haben.” (ebd. S. 283). Sie staunt über die breiten Straßen Londons und die vielen Menschen, die

abends noch unterwegs sind. “Man trift bis 11 Uhr Nachts immer so viele Menschen auf dieser Straße an, wie in Frankfurt während der Messe; “(ebd. S. 293). Sie trifft auch Madame La Fitte. Sie hatte das Fräulein von Sternheim ins Englische übersetzt, aber auch

Lavaters Physionomik. außerdem hatte sie eigene Schriften verfasst. Über Madame La Fitte lernt sie auch andere Persönlichkeiten der englischen Gesellschaft kennen, so Madame Fielding, die Oberhofmeisterin der königlichen Prinzessinnen war.Stark beeindruckt

hatte sie Warren Hastings, der von 1773 bis 1785 Generalgouverneur von Ostindien war. Höhepunkt ihrer Englandreise war sicher der Empfang durch die englische Königin Charlotte von England, die aus dem Haus Mecklenburg-Strelitz stammte. Ihr Mann

Georg wurde als Georg III. englischer König und war der dritte englische König, der aus dem Haus Hannover stammte, aber der erste, der in England geboren wurde. Die ganze Königsfamilie sprach deutsch mit Sophie. Die Königin machte ihre Komplimente:

“Sie sagte mir gütevoll ihre Zufriedenheit, mich persönlich zu kennen, und dass sie Gutes von mir und meiner Feder denke.-“ (ebd. S. 394) Auch an Sophies Gatten wurde erinnert. “ Es wurde sehr gnädig nach eurem Vater gefragt; ich sagte unter anderem, Er

würde sich über das Glück freuen, so ich hätte, Ihro Majestät die Königin zu sehen..” (ebd. S. 394) Nach einem Aufenthalt von über einem Monat in London kehrte sie nach Deutschland zurück. In Calais trennte sie sich von ihrem Sohn.

Über Brüssel und Köln reiste sie nach Hause  Carl fuhr nach Paris weiter. Nach dem England “abgehakt” war, war noch ein Herzenswunsch offen: Italien und warum das nicht verknüpfen und Wieland wieder sehen? Sie schrieb am 30. Mai 1788 an ihn

“Warum geht alle Welt nach Italien und warum Sie nicht… machen Sie die Reise dahin mit mir-auf einen Winter” (zitiert nach Ludmilla Assing, Sophie von La Roche,die Freundin Wielands,Berlin 1859 S.290 f). Darauf ging Wieland nicht ein.

Dann starb Frank La Roche. Einerseits aufrichtig von Sophie betrauert. In Ihrem Nachlass fand man einen Schattenriss von ihr, auf den ihr Mann  eigenhändig geschrieben hatte: ”Sophia von La Roche, geborene von Gutermann zu Gutershofen

sophie

geboren den 6. Dezember 1731, vermählt mit mir den 27. Dezember 1753. schön von Gestalt, edlen Anstandes, glänzend an Tugend und Wissenschaften, die beste Gattin und Mutter, die wärmste Freundin, die gutthätigste Menschenseele, mit

ausgebildetem männliche Verstand, dabei anspruchslos und bescheiden. Geschrieben und gezeichnet 1775 den 28. Juli.” (zitiert nach Assing, S. 294)

Sie analysiert ihre neue Situation und erkennt auch die Chancen , die in diesem Schicksalsschlag lagen. “Doch das beste, was auch den Verändrungen,welche unter Lebenden vorgehen, und der, welche der Tod hervorbringen wird, entstehen kann,

ist meine Freiheit, nach meinem Charakter zu leben, in der Tat nach ihm zu leben, wie bisher nur mit meiner Feder geschehen konnte” in einem Brief an Gräfin Elise zu Solms-Laubach, ihre wichtigste Briefpartnerin ihrer Offenbach Zeit vom 9.9. 1788

(Maurer, Lebensbild in Briefen S. 311) Und zwei Monate später schreibt sie ebenfalls an diesselbe Empfängerin, dass sie entschlossen ist, “ die teuer erkaufte Freiheit zu edlem Genuß meiner übrigen Tage (ebd. s. 312).

Die geplante Italienreise wird in Angriff genommen. In Begleitung ihres Sohnes Fritz und dessen Gemahlin Elsy reisen sie. Die Reise geht aber nur bis nach Genf. Dort lässt sie Sohn und Schwiegertochter allein reisen. Sie sorgt sich um ihren Lieblingssohn,

zwar unbegründet, aber sie bricht die Reise ab und kehrt nach Offenbach zurück. 1790 unternimmt sie wegen ihrer Gesundheit eine Kur in Driburg und Pyrmont. Aber 1791 stirbt ihr Lieblingssohn ganz plötzlich mit nur 23 Jahren.

Da war die Katastrophe ihres Lebens, die sie trotz ihrer Tatkraft und optimistischen Weltsicht nie verwand. Wolfgang Adam bemerkt dazu: “Es ist nicht übertrieben,wenn man die letzten beiden Lebensdezennien als Trauerjahre um den geliebten Sohn

bezeichnet” (in Die Schweizer Reisen der Sophie von La Roche im Sammelband Helvetien und Deutschland: kulturelle Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland 1770-1830, S.51)

Frau von Steinberg, eine ihr “innig ergebene” Frau (Assing S. 302) forderte sie auf, sie auf einer Reise nach Lausanne zu begleiten, um sie etwas zu zerstreuen. Auch ihre Töchter redeten ihr zu, auf diesen Vorschlag einzugehen. Das war sicher sehr

gut gemeint, aber wahrscheinlich nicht sehr hilfreich. Schon die erste Seite drückt nur Schmerz aus “Erinnerungen aus meiner dritten Schweizer Reise. Meinem verwundeten Herzen zur Linderung. Vielleicht auch mancher trauernden Seele zum Trost geschrieben.

Von Sophie Wittwe von La Roche. und im Vorwort schreibt sie: “Meine geliebten Töchter, Brentano und Möhn, wünschten, dass ich diese Reise mit der Frau von Steinberg machen möchte. Es däuchte meine übrigen Kinder, eine Art heilenden Balsams, für

mein durch den frühen Tod meines schätzbaren Sohnes Franz Wilhelm zu seyn.  Schönheit und Größe der Natur solten mich trösten und stärken, Freunde mich zerstreuen: aber liebe Kinder! so war es nicht..” (S.1) Alles erinnerte sie an ihren geliebten Sohn.

Aber sie wollte ihre Mitreisenden nicht mit ihrer Trauer belästigen, zumal Frau von Steinberg ihren Sohn zu einem Arzt bringen  wollte. Und diese Pflichtübung half ihr auch selbst weiter. In Paris hatte Ludwig XVI. gerade den Eid auf die neue Verfassung

abgelegt. Das wurde auch in Straßburg mit einem großen Fest gefeiert gerade als Sophie mit ihrer Reisegruppe in Straßburg ankam. Obwohl ihr nicht der Sinn nach Feiern stand ging sie mit Freunden mit. Auf dem Weg nach Basel begegnete sie vielen

Kutschen mit vornehmen Emigranten aus Frankreich, die es angesichts der unsicheren Lage vorzogen Frankreich zu verlassen. In Basel traf sie Jakob Sarasin wieder, dessen Frau mittlerweile auch gestorben war. Wo sie auch war, war natürlich Frankreich das

Thema. 1792 verließen sie ihr Reiseziel Lausanne wieder, um nach Deutschland zurück zu kehren.

Im November 1793 starb dann auch noch ihre Tochter Maximiliane. Sophie nahm ihre Enkelinnen Bettina, Loulon und Meline zu sich. Auch den Sohn ihrer Freundin Elise von Bethmann nahm sie bei sich auf. Luises Mann war inzwischen auch verstorben.

Sie wohnte inzwischen auch wieder bei der Mutter in Offenbach.

Im öffentlichen Bereich aber war, wir haben es schon bei der dritten Schweizreise gesehen, Frankreich das beherrschende Thema. Die Revolution in Frankreich erschreckte Sophie. Sie war im Verlauf dann auch ganz persönlich betroffen.

Ab 1793 bis Oktober 1794 eroberte das revolutionäre Frankreich die linksrheinischen Gebiete, die  Napoleon 1801 annektierte. Infolge der Besetzung entfiel Sophies Anspruch auf Witwenversorgung. Jetzt war das Einkommen aus der Schriftstellerei

wirklich die einzige Verdienstmöglichkeit für die Familie. Und Sophie schrieb unermüdlich weiter.Auch unmittelbare Kriegsfolgen waren zu ertragen. Im Zuge des 1. Koalitionskrieg, in dem Österreich, Preussen und einige kleinere deutsche Staaten

gegen das revolutionäre Frankreich vorgingen, hatte Österreich die Rheinflotille aufgebaut. Deren Kanonenboote sollten  Rhein, Mosel und Main  zwischen Mannheim, Frankfurt und Koblenz beherrschen. Im Mai 1796 legte die Flotte bei Offenbach an

und es gab zahlreiche Einquariertungen. Im Juli belagerten die Franzosen Frankfurt. Kaufleute schickten ihre Waren fort. Wertgegenstände wollte man verbergen. Goethe rief seine Mutter zu sich nach Weimar. Sie blieb aber in Frankfurt.

Als die Franzosen dann Frankfurt beschossen, flüchtete Goethes Mutter zu Sophie nach Offenbach. Nach ein paar Tagen war die Gefahr vorüber und sie konnte nach Frankfurt zurückkehren.

Die Zeiten waren sehr unsicher geworden und erst 1799 konnte sich Sophie wieder auf Reisen begeben: Wieland hatte 1797 sein Gut in Oßmannstedt erworben und Sophie eingeladen, ihn zu besuchen. Ihr Sohn Karl, der bei Magdeburg lebte hatte sie schon

vorher zu sich eingeladen. Und so ließ sich das gut verbinden. Sie wurde von ihrer ältesten Enkelin Sophie Brentano begleitet. Ihre Erlebnisse hielt sie fest in “Schattenrisse abgeschiedener Stunden in Offenbach,Weimar und Schönebeck im Jahre

1799” (Leipzig 1800)Im Mai schreibt sie “und jede Minute nähert mich dem Tage, an welchem ich die schönste Reise antreten werde, um einen schätzbaren Sohn und seine Familie zu besuchen, und Wieland (im Text gesperrt), den edelsten

Wielandgut1

Freund meiner Jugend, in dem Cirkel einer Kinder, an der Seite seiner würdigen Frau… (S.6/7) Die Abfahrt hatte sich wegen einer schweren Erkrankung Luises verzögert, aber am 11. Juli konnte die Reise begonnen werden. Am 15. Juli

traf sie glücklich in Oßmannstedt ein. Wie jeden Abend beschloss Wieland seinen Tagesablauf mit einem Klavierspiel und Sophie erinnerte sich, dass sie ihn schon vor 49 Jahren in Biberach belauscht hatte. Sophie beschreibt dann

das Landgut- durchaus so, wie man es noch heute vorfindet. Vor allem imponiert ihr die Lindenallee, die auch heute noch ein Schmuckstück des Gutes ist.Sie beschreibt Wielands Bibliothek “ in Wielands Büchersammlung findet man von jedem Gelehrten alter und

neuer Zeit auch das vollkommenste Werk schöner Kenntnisihres Geistes” (S.49). Ein paar Tage später war sie mit Wieland zu Gast bei Herzogin Anna Amalia in Tieffurth. Auch Goethe war zugegen. Sie war im englischen Garten von Tieffurth unterwegs. Goethe

besuchte Wieland auch in Oßmannstedt. Das Gespräch zwischen Goethe und Wieland beeindruckte sie sehr, auch weil es ganz einfach, ohne Starallüren vonstatten ging. “mir war äußerst schätzbar, ihn (Goethe) und Wieland wie zwey Verbündete Genies, ohne

Prunk und Erwartung,mit dem vertraulichen D u der großen Alten sprechen zu hören..” (S. 58). Der Gegenbesuch fand bald im Hause Goethes in Weimar statt (Am Frauenplan).

Sophie fühlt sich in “eine römische Villa” (S.61) versetzt, bewundert das an der Tür angebrachte

Salve! noch heute auf Fussabstreifer gedrucktes und viel verkauftes Souvenir im Goethehaus. Abends waren sie zu einer Feier im Park von Weimar geladen. Dort traf sie auch Herder. Der besuchte sie auch mit seiner Frau in Oßmannstedt. Dort lernt sie auch

Jean Paul Richter kennen. Danach folgten einige Tage der Ruhe. Zufällig war Sophie auch zugegen, als Wieland “als Landmann dieser Gemeine aufgenommen wurde” (S. 87). Dann ging dieser, wenn man den “Schattenriesen” glauben darf, so wohltuende

Aufenthalt für Sophie zu Sende. Ihr Sohn kam, um sie abzuholen, weil sie ihn ja in Schönebeck besuchen sollte. Die Rückreise führte nochmals über Weimar. Dort verbrachte sie nochmals einige Tage bei Wieland. Über Jena ging es dann nach Offenbach

zurück. In Jena stieß Clemens von Brentano zur kleinen Reisegruppe. Er studierte in Jena. Von  da ab unternahm Sophie keine Reisen mehr.

Die Weimarer Gesellschaft reagierte anders als Sophie begeisterte Schilderung vermuten ließe. Dass Sophie als nicht mehr in galt, wurde schon oben angeführt. Kurz vor ihrem Aufenthalt in Weimar sagt Goethe in einem Brief an Schiller  (24.7.1799)

“sie gehört zu den nivellierenden Naturen sie hebt das Gemeine herauf und zieht das Vorzügliche herunter und richtet das Ganze alsdenn mit ihrer Sauce, zu beliebigem Genuss an. Übrigens möchte man sagen dass ihre Unterhaltung interessante Stellen hat.”

(Schillers Werke. Nationalausgabe 38.I.Briefwechsel. Briefe an Schiller 1.11. 1798-31.12.1800 Hrsg. von Liselotte Blumenthal. Weimar 1975. S. 126).

Sophie von Brentano kam mit der Jugendliebe ihrer Großmutter bestens klar. Dagegen hatte Wieland mit seiner ehemaligen Verlobten doch Probleme. Ihre langatmige Sentimentalität fand er einfach nur ermüdend. Das erinnert an das oben von Goethe an

Schiller zitierte Urteil. Ganz anders die Enkelin. Sie strahlte einen Liebreiz aus, der bald Wielands Herz eroberte. und sie empfand Wieland als väterlichen Freund, dem sie sich anvertrauen konnte. Beide  verband eine zärtliche Neigung. Daraus erwuchs tiefes

Vertrauen, was zu langen Unterhaltungen führte. Wieland arbeitete damals an seinem Aristipp, was oft Gesprächsgegenstand war. Wieland bewunderte Sophie von Brentanos klaren Verstand, der ihr nach seiner Meinung einen so großen Vorzug

vor den meisten ihres Geschlechts gegeben habe. Der erste Aufenthalt dauerte ja nur 4 Wochen. Sophie und der Dichter blieben aber in Briefkontakt. Und im Juli 1800 kehrte Sophie von Brentano allein nach Oßmannstedt zurück. Es folgten wenige

idyllische Tage. Wielands Sekretär Samuel Christoph Abraham Lütkemüller schreibt dazu in seinen Erinnerungen “Wieland liebte Sophie Brentano zugleich als seine Tochter und Freundin, und sie wirkte auf seinen Aristipp als eine Muse und Grazie”

(zitiert nach Thomas C. Starnes in Wissen, Erzählen, Tradition, Wielands Spätwerk, Berlin 2010, S. 369) Und Wieland schrieb an seinen Freund Karl August Böttiger: “Wenn die liebenswürdige Sofie Brentano nicht wäre, so weiß ich nicht,

was aus meinem allmählich verglühenden Lämpchen werden könnte.” (ebd.S.369). Schon einen Monat später wurde Sophie von einem heftigen Nervenleiden ergriffen, an dem sie in 16 Tagen am 19. September 1800 auf Gut Oßmannstedt verstarb.

Sie wurde im Park direkt an der Ilm bestattet. Nur ein Jahr später starb Wielands Frau. Sie wurde neben Sophie begraben und auch Wieland fand dort seine letzte Ruhestätte. Auf dem Grab steht ein Obelisk, der die Inschrift trägt:

“Liebe und Freundschaft umschlang die verwandten Seelen im Leben, und ihr Sterbliches deckt dieser gemeinsame Stein”

Auf ein Werk soll noch eingegangen werden. Das eine ist “Mein Schreibetisch”, das in zwei Bänden 1799 erschien. Darin beschreibt sie in einer Art “Listenpoesie” alle ihre Gegenstände an ihrem Arbeitsplatz, alle Bücher ihrer Bibliothek.

Das wird verbunden mit Stationen ihres Lebens und Personen, die ihr wichtig waren. Und sie erklärt eingangs warum ihr dieser Schreibtisch so wertvoll ist. “Denken Sie dabey, dass neben diesen schätzbaren Eigenschaften auf dem wirklich etwas plumpen Tisch,

der für mein Herz sehr hohe Wert liegt, aus Holz von der gräflich stadionschen Waldung, der in meinem Vaterland liegenden Herrschaft Warthausen, verfertigt zu seyn, welches ich allen Cedern des Libanon, den Indischen Rosen-Atlas-Sandel-

Eben-und Mahagonnyholz vorziehe,” … und kurz danach weiter ” Der große weise Graf von Stadion und mein guter Mann hatten auch so viel Achtung für meine, zu diesem Tische, gefaßte Liebe, daß er 1754 mit nach Maynz kam, so wie 1760 mich wieder

nach Warthausen, 1770 nach Coblenz, 1786 nach Heimbach und 1796 nach Bönnigheim, begleitete (Mein Schreibetisch,erstes Bändchen, Leipzig 1799, S. 9/10)Sie schreibt dann weiter, dass sie an diesem Tisch seit 45 Jahre Briefe ihrer Freunde gelesen

hat, diese beantwortet hat, dass sie an diesem Tisch Englisch gelernt hat. Sie erzählt, dass sich Wieland an diesen Tisch gelehnt hat, wenn er nach Warthausen gekommen ist und dort Fragmente seiner Werke vorlas. (S.12) Sie beschreibt die Aussicht von

Schloss Warthausen. Sie erzählt dass sie sich oft in der Bibliothek aufhielt, wo sie “so oft einen der größten Staatsmänner Deutschlands, mit einem unserer größten Dichter (Wieland) über alle Gegenstände der alten und neuen Welt sprechen hörte…”

(S. 16). Dazu sei angemerkt, dass die Wände der Stadionschen Bibliothek (siehe dazu auch Blog Die Familie Stadion) mit verschieden Hölzern aus den Stadionschen Wäldern getäfelt ist, ohne Nägel, ein Zeugnis hoher handwerklicher Tischlerkunst.

Sophie bemerkt dann, dass dies in einer Zeit war, “in welcher Wielands Genius seine Fittiche ganz entfaltete” (S. 16)Und sie führt den “Agathon” an, der damals entstand und dass die Erstausgabe des Musarion in Warthausen datiert war.

Dann erwähnt sie selbst ein kleines schmales Brettchen anbrachte und zählt auf, welche Bücher darauf stehen. Sie beschreibt Bilder, die zu sehen sind, Tischbeins Eigenporträt, dass dieser selbst ihrem Mann zum Andenken gegeben hatte, weil dieser

den Maler mit dem Grafen von Stadion bekannt gemacht hatte, der ihm dann als Mäzen seine Ausbildung ermöglichte und so erst seinen beruflichen Aufstieg ermöglichte.Auch Skizzen ihres Sohnes Franz sind darunter. Erinnerungen an ihre

Reisen werden wachgerufen.

Sophies letztes Werk  “Melusines Sommerabende” begleitete uns den ganzen Blog über.

Etwas anstrengend fand ich die Lektüre von Das Fräulein Sternheim. Es ist so wohl vom Stil als vom Thema her im Jahre 2013 schwer verdaulich und eher zeithistorisch interessant. Nach wie vor lesenswert obwohl oder gerade

weil mehr als 200 Jahre dazwischen liegen durchaus fesselnd, sind die Reisebeschreibungen von Sophie von La Roche. sie sind kulturhistorisch noch gar nicht ausgewertet, aber sicherlich eine sehr gute Quelle zu den damals besuchten

Reisezielen. Ich habe das auch so für Weimar und Oßmennstedt empfunden. Im Oktober dieses Jahres war ich dort und habe die Lektüre der “Schattenrisse” als durchaus aktuell erlebt. Das Wielandgut ist

in Sophies Beschreibung  fast unverändert zu erkennen und fast schmunzelnd habe ich den Besuch bei Goethe gelesen.

sophie-von-la-roche-173120131807-img

09 Dez 2013

Hans Multscher

 

9d07196a715c4240

Die Familie Multscher ist erstmals 1304 in Reichenhofen nachgewiesen. Sie gehörte zu den Königsfreien auf der Leutkircher Heide, d.h. sie waren nur dem König steuerpflichtig und ansonsten keinem Herrn untertan. Von 1405-1437 ist die Familie als Inhaber der Waibelhub bei Reichenhofen nachgewiesen. Hans Multscher ist um 1400 in Reichenhofen geboren. Über seine Jugend und Ausbildung ist nichts bekannt. Wahrscheinlich hat er im Allgäu eine Lehre gemacht. Danach begab er sich auf Gesellenfahrt in die Niederlande, Nordfrankreich und Burgund. Dabei hat er die aktuellsten Strömungen der französischen und niederländischen Bildhauerkunst kennengelernt. Möglicherweise hatte er dort auch bei Claus Sluter, einem Mitbegründer der burgundischen Kunstschule in Dijon gearbeitet. Eine Zeitlang hielt er sich auch in Paris auf. Nach seinen Meisterzeichen zu schließen hat er die Meisterwürde in Aachen erworben. Um 1424/25 kam er nach Ulm. Nach einer Wartezeit hat er 1427 in Ulm das Bürgerrecht erhalten. In diesem Jahr heiratete er auch die Ulmer Bürgerstochter Adelheid Kitzin. Die Werkstatt und Familie Kitzin ist in Ulm seit 1370 nachweisbar. Bei seiner Eheschließung besaß er in Ulm bereits ein Haus und dazu noch verschiedene Grundstücke.

8195f87e09c06132Der Ulmer Rat war an einer Ausweitung der Produktion und an der Steigerung des Fernhandels interessiert. Er stellte Hans Multscher vom Zunftzwang frei und da er die Freirechte der Leutkircher Heide besaß, musste er in Ulm zeitlebens keine städtischen Steuern bezahlen. Die Stadt bestellte ihn zum amtlich vereidigten Sachverständigen, zum “geschworenen Werckmann” Bald erhielt er vom Rat und Patriziat der Stadt anspruchsvolle Aufträge, was einen geregelten Werkstattbetrieb voraussetzte. Bald nach Erlangung des Bürgerrechts waren in Multschers Werkstatt mehrere Gesellen aus artverwandten Berufen beschäftigt. Auch sein Bruder Heinrich war wohl in der Werkstatt tätig. 1427-1430 gestaltete er ein Prunkfenster für das Ulmer Rathaus, dessen Figuren deutlich an Sluters König David in Dijon oder an den Propheten des Andre Beauneveu in der Ste. Chapelle in Bourges erinnern. Sein Schmerzensmann am Ulmer Münster zeigt, wie gut er den Realismus der Monumentalskulptur in Burgund studiert hat.

220px-Ulm-Muenster-SchmerzensMann-061104

1430 liefert er den Bozzetto in München, eine skizzenhafte Plastik für einen von dem Herzog Ludwig dem Gebarteten von Bayern-Ingolstadt in Auftrag gegebenes Hochgrab, das jedoch nicht ausgeführt wurde. Der Herzog bestand auf einer Ausführung in Rotmarmor. Der Künstler jedoch dachte eher an einen Bronzeguß, nicht zuletzt wegen der feinen Modellierung ähnlich der für Georg Truchsess von Waldburg ausgeführten Grabplatte. Bis 1433 erfolgte die Planung und der Einbau eines Retabels in die Stirnwand des südlichen Seitenschiffs des Ulmer Münsters. Bestellt hatte den Altar Konrad Karg, einer der einflußreichsten und dem reichsten Ulmer Patrizier seiner Zeit. Es hat allerdings den Bildersturm in Ulm von 1531 nur schwer beschädigt überstanden. Karg war unter anderem Finanzier des Bayernherzogs Ludwig dem Gebarteteten. Multscher hatte das Retabel wohl selbst entworfen und ausgeführt. Er griff dabei auf Anregungen zurück, die er in den Niederlanden und Frankreich erhalten hatte, z.B. das Motiv der Halbfiguren, die in den “Kapellenschrein” hineinsehen.

In seinem Wurzacher Altar von 1437 in Berlin zeigt sich sein Realismus in betonter Hässlichkeit. Er trat dabei als Meister an der Spitze seiner Werkstatt auf, der einen

wahrscheinlich vertraglich festgelegten Teil der Skulpturen und Malarbeiten selbst ausführte. Die erhaltene lebensgroße Hauptfigur der Mutter Gottes ist heute in der Pfarrkirche von Landsberg am Lech. Die Flügel wurden in acht Einzeltafeln zersägt und sind heute in Berlin.

b761ae2a5302ee34Multschers Ruf hatte sich mittlerweile weit in Deutschland verbreitet. Von 1456-1459 schuf er die Sterzinger Retabel in dem kleinen Südtiroler Städtchen, das  reich wurde durch Silberbergbau, der um 1400 in den Tälern um Sterzing begann. Es war ein wichtiger Knotenpunkt für den Nord-Südhandel und man konnte sich renommierte Künstler leisten. An der Sterzinger Retabel waren bis zu 16 Gesellen beschäftigt. Zu sehen sind die Altartafeln heute im Sterzinger Multscher-Museum.

Multscher führte den Werkstattbetrieb zu einem Großunternehmen durch, was dann auch die Syrlins, Hans Schüchlin, Friedrich Herlin, Jörg Töber und Nikolaus Weckmann machten. Er ist der bedeutendste Bildhauer in Deutschland in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Er wurde Wegbereiter für Jörg Syrlin, Gregor und Michel Erhart, Veit Stoss, Adam Krafft und Tilmann Riemenschneider.

Weiter Werke  von ihm sind die Stehende Mutter Gottes mit Kind um 1430, die Thronende Mutter Gottes 1435-1437 beide im Bayrischen Nationalmuseum in München, Die Heilige Barbara und Katharina 1435-1440 im Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart, die Heilige Barbara und Magdalena 1450-1455 aus Heiligkreuztal, heute im Dominikanermuseum in Rottweil

erhmagdamDie Grabmalsfigur der Gräfin Mechthild von Württemberg-Urach 1450-55 heute in der Stiftskirche in Tübingen, Der Heilige Johannes der Täufer 1456-1458 im Bayerischen Nationalmuseum in München, Die Bihlafinger Madonna um 1460 im Städtischen Museum in Ulm, Christus als Schmerzensmann um 1460 im Hessischen Landesmuseum in Kassel und Die Heilige Magdalena um 1456-1457 im Liebighaus in Frankfurt.

Hans Multscher starb 1467 in Ulm. An erinnert ein Sgraffitto an einem Haus beim Friedhof in Reichenhofen, der Name des Leutkircher Gymnasiums, eine Hans Multscher Schule in Ulm sowie Straßennamen in verschieden Orten Baden-Württembergs.

maria

25 Jun 2011

Die Goldschmiedefamilie Dinglinger

 

wappen_farbe

                       Familie und Ausbildung

Der Messerschmied Hans Dinglinger ist um 1560 in Tuttlingen geboren. Er erwirbt das Bürgerrecht in  Biberach und heiratet 1595 Barbara Zell. Sie haben einen Sohn, Melchior. Dieser ist 1604 in Biberach geboren. Er wird wie der Vater Messerschmied. 1626 heiratet er in Biberach Maria Wern. Ihr Sohn Conrad Dinglinger wird 1634 geboren. Auch er wird Messerschmied. 1662 heiratet er in Biberach Anna Margarethe, die Tochter des Goldschmieds Georg Friedrich Schopper. Sie bekommen 6 Kinder. Johann Melchior Dinglinger wird am 26. Dezember 1664 in Biberach an der Riss geboren. Dann folgt ein Jahr später Anna Barbara.Ein halbes Jahr später, am 17. März 1666 kommt Georg Friedrich auf die Welt. Dann wird Anna Maria geboren und  1668 Georg Christoph. Das letzte Kind der Familie ist Anna Catharina, die 1669 geboren wird. Johann Melchior erlernte in Ulm das Goldschmiedehandwerk. Von 1684-1691 war Dinglinger in Augsburg, der damaligen Hochburg des Goldschmiedehandwerks. 1692 kam er als Geselle nach Dresden und 1693 wurde er in die Goldschmiedeinnung aufgenommen. Er scheint nicht unvermögend gewesen zu sein. Über Dinglingers Jugend und künstlerischen Werdegang ist wenig bekannt. Man kann aber annehmen, dass ihm Ulm und vor allem  Augsburg einige Anregungen gegeben haben. Auf Reisen, besonders in Frankreich, vervollständigte er seine Bildung. Auf seinen Reisen machte er wohl auch die Bekanntschaft mit August dem Starken. 1698 wurde er zum Hofjuwelier August des Starken ernannt. In dritter Ehe war er mit Anna Elisabeth Eben, der Schwester des bedeutendsten Goldschmieds in Riga Johann Georg Eben verheiratet. In Riga ist dieser hauptsächlich für die Schwarzhäupter Gesellschaft tätig, einer Vereinigung von Kaufgesellen, wie es sie vergleichbar auch in anderen Hansestädten des Ostseeraums gegeben hat.  Eben stammte ebenfalls aus Biberach und war während der Augsburger Zeit Dinglingers mit ihm zusammen. Johann Melchiors dritte Ehefrau war übrigens die Cousine von Georg Friedrichs erster Ehefrau Catharina Barbara. 1721 heiratete Johann Melchior die zu dem Zeitpunkt 25-jährige  Sophie Anna Gutermann, Tochter des Goldschmieds Georg Friedrich Gutermann und Angehörigen des Inneren Rats aus Biberach. Mit ihr hatte er noch 5 Kinder, drei Buben und zwei Mädchen, die aber alle schon im Kleinkindesalter verstarben. Aus seinen vorhergehenden Ehen hatte Johann Melchior bereits 11 Kinder im Alter von einem bis 26 Jahren. Sie wird als blühendes Geschöpf mit blonden Haaren beschrieben und zu ihren Talenten soll eine nicht zu verachtende Kochkunst gezählt haben. Susanne starb nach nur 5 – jähriger Ehe im Alter von 31 Jahren am 10.12.1726 in Dresden. Sie starb wie alle Ehefrauen Dinglingers im Kindbett.

170px-Antoine_Pesne_004 antoine-pesne-portraet-der-maria-susanne-dinglinger-geb.-gutermann-07387

Die beiden Brüder Georg Friedrich und Georg Christoph  folgten Johann Melchior 1693 nach Dresden. Georg Christoph war ebenfalls Goldschmied und Georg Friedrich war Emaillemaler. Über seine Ausbildung gibt es verschiedene Hinweise, einmal Ulm, wahrscheinlicher aber ist Augsburg. Im Biberacher Kirchenbuch wird er als Kunstmaler geführt. Die drei Brüder wohnten zusammen in Dresden in einem Haus am Neumarkt. Georg Friedrich behielt seinen Wohnsitz aber in Biberach. Dort heiratete er am 16.5. 1695  Catharina Barbara Gutermann, die Tochter des Ratsherrn und Zuckerbäckers Johann Jacob Gutermann. Mit ihr hatte er 15 Kinder, von denen aber 11 früh starben. Catharina Barbara starb 38-jährig bei der Geburt ihres 15. Kindes im Jahre 1713. Sie wurde zusammen mit ihrem totgeborenen Kind in Dresden beerdigt. Er heiratete am 6.7. 1716 nochmals und zwar Maria Felicitas Wieland, geboren am 23.9.1693, die Tochter des Geheimen Rats, Spital-Syndikus und Stadtpfleger Martin Wieland. Er war der Großonkel des Dichters Christoph Martin Wielands. Maria Felicitas brachte noch zwei gesunde Kinder zur Welt.

Von Georg Christoph ist wenig bekannt. Er war Goldschmied und folgte Johann Melchior 1693 nach Dresden. Der Jüngste hatte sich auf Juwelen spezialisiert.

Georg Friedrich 1_03 Catharina Barbara Gutermann_01

                                Die Häuser Dinglingers

Zunächst wohnten die drei Brüder ja am Neumarkt. Mit fortschreitendem künstlerischen Erfolg stellte sich natürlich auch der wirtschaftliche Erfolg ein. Um 1700 ließ Johann Melchior in der Frauenstraße 9 ein Wohnhaus errichten. Es galt schnell als Sehenswürdigkeit in Dresden. Es hatte ein Dachterasse mit Wasserspielen, einem Observatorium und eine Windmessanlage. Als der russische Zar Peter der Große in Dresden weilte, besuchte er Johann Melchior Dinglinger und wohnte dort.

Dinglingerhaus_02 brunnen-gewandhaus

Im Sieben-Jährigen Krieg wurde Johann Melchiors Haus beschossen aber wieder hergestellt. Endgültig zerstört wurde es bei der Dresdner Bombennacht am 12. Februar 1945. Erhalten geblieben ist nur der Dinglinger Brunnen, der nach 1718

an der an der Schmalseite des Hofes errichtet war. Er wurde wieder zusammengesetzt und steht heute am Gewandhaus. Erhalten hat sich das Gartenhaus von Johann Melchior in Loschwitz in der Schevenenstraße.

loschwdinglingers

Ursprünglich war das ein ehemaliges Winzerhaus, das schon seit 1692 im Besitz Johann Melchiors war.   Er hatte dort auch seinen eigenen Weinberg. Den Sommer verbrachte er in seinem  Winzerhaus. Um 1710 baute er es um. Dem älteren Wohntrakt hatte er einen  barocken Flügel angehängt. Im Obergeschoss befand sich ein Festsaal, dem einzigen seiner Art, der in Sachsen noch erhalten ist. Neben dem Wohnhaus legte er einen barocken Garten an mit Wegen, Treppen und Ruheplätzen. Erhalten geblieben ist ein kleiner Brunnen in der Mitte des Platzes und ein kleiner Pavillon, der sich zu der wohl ältesten Kegelbahn Sachsens öffnet.

An der Decke des Festsaals war eine Windrose, auf der die Himmelsrichtungen exakt verzeichnet sind. Auf dem Dach befindet sich eine Wetterfahne, die mit einer  Wetteruhr im Saal verbunden ist. Dort konnte man genau ablesen, woher der Wind wehte, ein weiterer Beleg für Dinglingers Hobby, Astronomie und Wetterkunde.

Die Apparatur wurde von Dinglinger selbst entworfen und von Zar Peter dem Großen gebührend bewundert, der auch in Dinglingers Landhaus zu Gast war.

Wenn man in Dresden vom Dinglingerhaus sprach, war damit eigentlich das Haus

Georg Christophs gemeint. 1712 wurde es von Matthäus Pöppelmann, dem Architekten des Zwingers und des Taschenbergpalais errichtet. Es war am Jüdenhof und 1716 erwarb es Georg Christoph. Es war eines der wertvollsten

Dinglingerhaus_01 Dinglinger_03

barocken Dresdner Bürgerhäuser. Es war ein fünfachsiges Eckhaus mit drei Vollgeschossen. Die Fassade war reich geschmückt.

1711 konnte Catharina Barbara Dinglinger ein Haus in der Pirnaischen Gasse erwerben. 1718 kaufte Johann Melchior in der Frauengasse das neben seinem Haus stehende Gebäude. Er stellte es Johann Friedrich und dessen Familie zur Verfügung. In diesem Haus machte der Emaillemaler technische Versuche an immer großformatigen Emaillebildern.

Verbleibt noch an das Dinglingerhaus in Biberach zu erinnern. Wie man aus den Lebensläufen ersieht, hatten zu mindestens Johann Melchior und Georg Friedrich den Kontakt nach Biberach nie abreissen lassen. Beide Ehefrauen Georg Friedrichs, aber auch die dritte und vierte Ehefrau Johann Melchiors stammten aus Biberach. Es ist nicht klar, auf welchen der drei Brüder das Haus am Holzmarkt in Biberach zurückgeht, aber es ist durchaus wahrscheinlich, dass sich Johann Melchior in Biberach ein Absteigequartier bauen lassen hat. Heute befindet dich die Allmann’sche Apotheke in dem Haus.

dinglingerhausbiberach

                Die Werke der Brüder Dinglinger

1701 entsteht eines der wenigen nachweisbaren frühen Großwerke Dinglingers

Dinglinger-blumenkorb  Der Blumenkorb, ein “von Gold mit schönen geschmelzten Blumen, Fliegen und mit vielen Diamanten gemachter künstlicher Korb”, wie ihn Johann Melchior beschreibt. Er war als Geschenk für August den Starken gedacht, um ihn für den Ankauf eines goldenen Kaffeezeugs gnädig zu stimmen. Johann Melchior schuf Werke öfters auf eigene Rechnung, die dem sächsischen Kurfürsten gezeigt wurden und die er dann kaufte. Prinz Ernst Heinrich von Sachsen hatte mit seinen beiden Söhne Gold und Silberschmiedearbeiten aus seinem Privatvermögen 1945 im Wald bei Moritzburg vor der heranrückenden Roten Armee vergraben. 1996 wurden bei einem Schatzfund Teile der Sammlung entdeckt. Das Prunkstück, eben der Blumenkorb, wurde 1999 bei Sothebys für 199.000 Pfund versteigert. Der Biberacher Mäzen Bruno Frey erwarb das Stück und stellte es dem Museum Biberach als Dauerleihgabe zur  Verfügung.

Die anderen Werke Dinglingers sind alle im Neuen Grünen Gewölbe im Dinglingersaal zu sehen

120px-Pretiosen_Coffe_Zeug01b ks_gruenesgew_kaffeekanne 112px-Pretiosen_Coffe_Zeug_Detail

Das Goldene Kaffezeug wurde 1701 vollendet. Die verwendeten Materialien sind Gold, Silber, Email und Elfenbein. Rund 5600 Diamanten sind verwendet worden.

Es ist der Inbegriff eines prunkvollen Kaffegeschirrs, so wertvoll, dass daraus wohl nie Kaffe getrunken worden ist. Es kostete 50.000 Taler, der Gegenwert eines Schlosses! Johann Melchior vermerkte dazu ”Nachdem Sr. Königl. Majt. obige spezifierte Stücke alle besehen und allergnädigst beliebten zu behalten, haben höchst gedacht Sr. Königl. Majt. selbige insgesamt auf das genaueste und bedungen und behandelt vor: 50.000 Thlr. corrent.”

Es sah aus wie feinstes chinesisches Porzellan, war über und über mit asiatischen Malereien bedeckt und huldigte außerdem dem “Türkentrank”. Johann Melchior hatte auf die richtige Karte gesetzt.

Für dieselbe Summe hätte man damals aber auch 17 Wohnhäuser in bester Innenstadtlage bekommen.

Um 1705 entsteht “Das Bad der Diana”, eine Zierschale aus Chalzedon in goldener Fassung, 38 cm hoch und reich mit Perlen, Diamanten und Emailbildern,silbernen und stählernen Ornamenten mit Geräten und Tieren besetzt. Der Schaft besteht aus einem emaillierten Hirschkopf, dessen goldenes Geweih unterstützt durch einen Baumstamm die Schale trägt, sowie zwei emaillierten Hunden, die Fleischstücke verschlingen. Das bezieht sich auf die Sage der Diana, die einen Jäger in einen Hirsch verwandelt und der von seinen eigenen Hunden zerrissen wird.

ks_gruenesgew_diana

Zwischen 1701 und 1708 entsteht das berühmteste Werk der Brüder Dinglinger Der Hofstaat zu Delhi am Geburtstag des Großmoguls Aureng –Zeb. Es besteht aus 132 vergoldeten und emaillierten Figuren. Es ist verziert mit 5223 Diamanten, 189 Rubinen, 175 Smaragden, 53 Perlen und einem Saphir. Die drei Brüder arbeiteten mit 12 Gehilfen sieben Jahre an dem Werk. Auch das war keine Auftragsarbeit sondern die Dinglingers schufen das Werk erst mal auf eigenes Risiko und Rechnung. Der Hofstaat war ein Kabinettstück großer enzyklopädischer Gelehrsamkeit aus der Spätzeit des Kunstkammergedankens.800px-Hofstaat_zu_Delhi_am_Geburtstag_des_Großmoguls03 Es misst 142 x 114 cm und ist 58 cm hoch. Aureng –Zeb war ein Zeitgenosse August des Starken und lebte von 1658-1707. Er regierte das Reich der Großmoguln und beherrschte den ganzen indischen Subkontinent. Die Dinglingers schafften den Hofstaat aus Illustrationen von Reisebüchern aber auch mit chinesischen, ägyptischen und antiken Motiven. Im Februar 1709 liess Dinglinger in der Frauengasse anspannen. Ein Fuhrwerk mit extrem weicher Polsterung und bester Federung sollte die wenigen 100 Meter zur Residenz zurücklegen um das Geburtstagsgeschenk, das sich Kurfürst August selbst zu machen gedachte, heil an den Hof zu bringen. Die szenische Miniatur zeigt den luxuriösen Geburtstagsempfang des indischen Großmoguls in einem barocken Traum von

120px-Hofstaat_zu_Delhi_am_Geburtstag_des_Großmoguls06 hofstaat

Orient. Majestätisch unter einem Baldachin thronend beobachtet Aureng-Zeb wie im Vordergrund sein stattliches Körpergewicht mit Schätzen aufgewogen wird.

Das Kunstwerk kostete 58.485 Reichstaler. Das entspricht einem Jahressold von 1000 Beamten. Die Exponate des Grünen Gewölbes wurden 1942 auf die Festung Königstein ausgelagert und entgingen so der Zerstörung im Feuersturm 1945.

120px-Hofstaat_zu_Delhi_am_Geburtstag_des_Großmoguls02

Auf Schloss Friedenstein in Thüringen gibt es noch einen Elefanten von Dinglinger.

aus dem Jahre 1710. Er ist seit 1728 in der Gothaer Kunstkammer nachweisbar.

Er ist mit Smaragden besetzt aus gegossenem Silber, teilweise vergoldet. Er wurde in derselben Form gegossen wie die Elefanten aus dem Hofstaat zu Delhi. Im Gegensatz zu den Elefanten im Grünen Gewölbe ist der Gothaer Elefant nicht emailliert. So kommt aber die detailgetreue Modellierung des Tieres sowie die feine Ziselierung der Satteldecken bestens zur Geltung.

200w_18

Laut einer Anmerkung im Inventar schenkte Magadalena Augusta das kostbare Stück Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1676-1732) zum Geburtstag.

Aus der Spätzeit Johann Melchiors stammt der Mohr mit Smaragdstufe, nämlich 1724. Dinglinger schuf ihn zusammen mit dem in Salzburg ausgebildeten Bildhauer Balthasar Permoser (1651-1732). Er ist ca. 64 cm hoch, besteht aus lackiertem Birnbaumholz, das reich mit Smaragden, Rubinen, Saphiren, Topasen, Granaten, Almandinen und Schildpatt besetzt ist. Der Mohr stellt wohl einen Indianer da, was am indianischen Körperschmuck zu erkennen ist. Smaragdstufe bezeichnet die Erdplatte, in der die Smaragde noch fest stecken.

170px-Mohr_mit_Smaragdstufe_Grünes_Gewölbe_Dresden Zwei Söhne Johann Melchiors arbeiteten in seiner Werkstatt. Sie erreichten aber beide nicht die Bedeutung des Vaters.

Georg Friedrich starb schon mit 24.12. 1720 in Dresden. Aus seiner ersten Ehe ging Georg Friedrich hervor, der in Hannover Architekt und Festungsbaumeister war, sowie eine Enkelin Sophie Friederike, die 1791 in Dresden starb und Miniaturmalerin war. Aus der 2. Ehe stammte der 1720 geborene Sebastian Heinrich, der später Juwelier in London wurde.

Johann Melchior starb am 6.3. 1731 in Dresden und Georg Christoph schließlich starb 1748.

06 Jun 2011