Christoph Martin Wieland
Autor: Franz-Karl | Kategorie: Schwäbische Künstler
Christoph Martin Wieland verstarb am 20. Januar 1813 in Weimar.Und so ist es eigentlich folgerichtig, dass 2013 das “Wielandjahr” war und als solches in Biberach mit großem Programm begangen wurde.
Das Museum eröffnete den Gedenkreigen mit der großen Jubiläumsaustellung “Christoph Martin Wieland, der Voltaire der Deutschen”. Das “ Theater ohne Namen” brachte ein Theaterstück zu Wieland.
Eine Abendführung “Nächtliche Annäherung an Wieland” auf den Spuren Wielands folgte den Spuren, die Wieland in Biberach hinterlassen hatte. Ganz zufällig kam für mich noch eine Führung
im Schloss Warthausen dazu, das ja auch sehr eng mit Wieland verbunden ist. Eine Fahrt nach Weimar und ein Besuch von Oßmannstedt rundete mein persönliches Wielandjahr ab.
Als ehemaliger Schüler des Wielandgymnasiums bietet es sich natürlich an, sich mit Wieland auch in einem Blog näher zu befassen. Hingewiesen sei auf die beiden Blogs Sophie La Roche und die Familie von Stadion,
die mit dem Dichter verknüpft sind. Amüsiert hat mich bisher immer, dass der “große Sohn Biberachs” eigentlich gar nicht in Biberach, sondern in Oberholzheim(siehe oberes Bild, das Geburtshaus von
Christoph Martin Wieland in Oberholzheim) zur Welt kam. Ich hab das immer als Hilfskonstruktion gesehen. Oberholzheim war ein spitälisches Dorf, gehörte also Biberach. Bei meinen Recherchen zu Wieland habe ich allerdings
verblüfft festgestellt, dass “Wieland stets Biberach als seinen Geburtsort genannt hat” (in Johann Gottfried Gruber, C.M.Wielands Leben, Leipzig 1827, S.4). Und Wieland ist durchaus stolz auf seine Abstammung.
Im Neuen Teutschen Merkur in der Aprilausgabe von 1800 schreibt er “so findet sich, daß ich, Dank sey dem Himmel! von einer uralten, seit Kaiser Ruperts Zeiten im Gebiete meiner Vaterstadt angesessenen Bauernfamilie
abstamme..” S. 265 und auf der gleichen Seite schreibt er kurz vorher, “waren meine Voreltern seit zweyhundert Jahren bloße Bürger einer freyen Reichsstadt, die (wie ich) von der Feder Profession machten”
Die Familie Wieland war im Schwäbischen weit verbreitet, mit Wielands eigenen Worten eine alte Bauernfamilie. Die Sippen, denen Christoph Martin Wieland entstammten, übrigens auch die seiner Cousine Sophie Gutermann
waren seit der Reformation in Augsburg und Biberach beheimatet. Beide Städte sind etwa zur gleichen Zeit Reichstädte geworden. In Augsburg ist seit 1231 die Heranziehung zur Reichssteuer belegt. Seit 1241 wird Augsburg in den Reichsmatrikeln geführt.
Am 9.3.1276 verlieh Rudolf von Habsburg Augsburg das Stadtrecht und Biberach wurde 1281 zur freien Reichsstadt erhoben. Noch eine Gemeinsamkeit haben beide Städte, nämlich die Parität. Dies ist im Westfälischen Frieden in Artikel V § 3 festgehalten:
“ Die Städte Augsburg, Dinkelsbühl, Biberach und Ravensburg sollen ihre Güter, Rechte und Religionsübung {nach dem Stand} des besagten Jahres und Tages behalten; aber hinsichtlich der Ratsstellen und anderer öffentlicher Ämter soll unter den Anhängern beider
Religionen Gleichheit und gleiche Anzahl sein. “ Dies hatte durchaus eine Auswirkung auf das Lebensgefühl seiner Einwohner. Die Familien gehörten zur Oberschicht der Stadtrepubliken.
Beginnen wir die Ahnenreihe von Christoph Martin mit Georg Wieland. Er war Gastwirt in Biberach und Büchsenmeister der Bauernzunft gewesen. Er hatte auch das Wappen der Familie erworben. Sein 1588 geborener Sohn Sebastian war wie der Vater
Gastwirt auf dem Schwarzen Bären (Marktplatz 2) und war Senator in Biberach geworden. Er begründete auch die Familientradition, ein reichstädtisches Amt zu übernehmen. Aus seiner ersten Ehe mit Apollonia Spät (1590-1622) hatte er sieben Kinder.
Hans Ulrich Wieland, der aus dieser Ehe hervorging, wurde in Augsburg ansässig, daraus wuchs der Augsburger Familienzweig der Familie Wieland. Aus der zweiten Ehe mit Barbara Zoller entstammte Martin Wieland. Dieser studierte in Tübingen,
Straßburg und Basel die Rechte und promovierte zum Dr. utr.jur. Er schlug in Biberach die Ämterlaufbahn ein. Er wird als kräftiger Esser und starker Zecher überliefert und verkörperte wohl durchaus barockes Lebensgefühl. Er war dreimal verheiratet.
Seine erste Frau war Maria Walpurga Wern. Ihr Vater und Großvater waren jeweils Mitglieder des Inneren Rats der Reichsstadt. Das Ehepaar hatte sieben Söhne und fünf Töchter. Der dritte Sohn war Thomas Adam Wieland d.Ä., später Pfarrer in
Oberholzheim wie sein Sohn Thomas Adam d. J., der Vater von Christoph Martin. Dr. Martin Wieland war Geheimer Rat und Spitalpfleger in Biberach. Im Dezember 1674 wurde er zum evangelischen Bürgermeister gewählt. 1674 hatte er auch
das Haus in der Gymnasiumstraße 27 erworben und umgebaut. Die Portalumrandung und die Haustüre ist jetzt noch in Biberach zu bewundern.
Seine zweite Ehe mit Barbara Lay,der reichen Witwe des Biberacher Handelsmann Johann Jakob Altensteig währte nur kurz. Denn Barbara Lay war schon kränklich. Sie starb nur ein Vierteljahr nach der Eheschließung am 6.5.1669.
Sie war auch die Tochter eines reichen Ulmer Handelsmanns und hatte nach Dr. Wielands Worten “ein großes Vermögen hier eingebracht” Kurz nach dem Tode seiner zweiten Ehefrau heiratete Martin Wieland in Augsburg die Witwe seines Halbbruders,
Johann Ulrich, Anna Maria Wieland. Er nahm sich auch der Kinder seines Halbbruders an.
Thomas Adam Wieland studierte Theologie in Tübingen. Seine Dissertation und Disputation mit dem Thema “Disputatio Theologica Contra Fatuum Ignem Purgatorii Papistarum” erfolgte 1676 in Tübingen und ist digitalisiert bei der UB Uni Heidelberg
abzurufen. In der Uracher Stiftspflege Münsingen / 1670-1806 ist 1689 die Bestellung von Thomas Adam Wieland als Pfarrer in Mundingen (heute Teilgemeinde von Ehingen) vermerkt. 1693 tritt er die Pfarrerstelle in Oberholzheim an
und behält diese bis kurz vor seinem Tod 1729. Als 1680 in Biberach eine Predigerstelle neu besetzt wird konnte Dr. Martin Wieland seinem Sohn nicht zu dieser Stelle verhelfen.Es scheint aber auch, dass Thomas Adam sehr zufrieden war, mit
seiner Pfarrerstelle in Oberholzheim. So schreibt L.F. Ofterdinger in ”Christoph Martin Wielands Leben und Wirken in Schwaben und der Schweiz” auf Seite 3: ”Allein es gefiel ihm in dem freundlichen, von blumenreichen Gärten und Wiesen umgebenen Pfarrhause
so wohl,dass er alle Anerbietungen, in seine Vaterstadt zu kommen, ausschlug; lieber “als kleiner Papst” in Oberholzheim hauste und sich mit dem von seinem Vater überkommenem und von seiner Frau mitgebrachten Vermögen heitere Tage machte”.
Thomas Adam Wieland war mit Anna Maria Brigel verheiratet und hatte mit ihr 12 Kinder, von denen mehrere studierten. Dass die Söhne ihm doch auf der Tasche lagen, konnte ihn nicht verdrießen. Er nannte sie seine “Batzenschmelzer”. Zwei waren in
Halle. Sie schrieben ihm nur, wenn sie neues Geld brauchten, was er ihnen aber immer anstandslos schickte. Der ältere studierte Theologie, der jüngere, er hieß Thomas Adam (1704-1772)wie der Vater, studierte Jura in Tübingen. Da starb der ältere und Thomas
Adam d.J. brach sein Jurastudium ab und begann in Halle ein Theologiestudium. Dort lehrte August Hermann Francke, der Begründer des Pietismus. Laut Jutta Heinz im Wieland-Handbuch war Franckes Frau Anna Magdalena eine Verwandte der Wielands in
Biberach. Insofern bestanden also familiäre Verbindungen nach Halle. Thomas Adam d. J. war stark vom Pietismus geprägt. Francke weilte 1717 zu Besuch in Biberach. Er war vom evangelischen Rat eingeladen worden und er hielt am zweiten Adventssonntag eine
Predigt in der Martinskirche. Thomas Adam hörte diese als Dreizehnjähriger und diese beeindruckte ihn so tief, dass er noch im Alter davon erzählte.
Der nächste Sohn Georg Christoph konnte nicht studieren. Er wurde Goldschmied und ist 1684 erstmals in Augsburg nachweisbar. Von ihm sind nur wenige Arbeiten überliefert. Diese weisen ihn aber als handwerklichen Könner und bedeutenden Künstler aus.
Erwähnt sei hier auch, dass es enge Familienverbindungenzwischen den Familien Wieland und Dinglinger gab. Johann Melchior Dinglinger war der bedeutendste Goldschmied und Juwelier des Barock und arbeitete zusammen mit seinem Bruder Georg Friedrich, der
Emailleur war, am Dresdner Hof von August dem Starken.(siehe dazu Blog Die Goldschmiedefamilie Dinglinger)
Zurück zu Thomas Adam. Er wurde am 5. April 1714 in Halle immatrikuliert. Francke war damals Prorektor. 1724 promovierte er in Halle. Seine Dissertation hatte das Thema “De Haeresiologia Secvli Post Christvm Natvm Primi Et Secvndi “. Er folgte seinem Vater auf der Pfarrerstelle in Oberholzheim nach. Kurz nach seiner Anstellung heiratete er Regina Katharina Kick, deren Vater Christoph Martin Wieland in dem oben erwähnten Artikel im Teutschen Merkur beschreibt. Johann Christian Kick habe sich “unter Eugen von
Savoyen und Prinz Ludwig von Baden vom gemeinen Soldaten bis zum Oberwachtmeister hinaufgearbeitet” aber von seinem martialischen Geist sehr wenig auf seine Tochter und seinen Sohn fortgepflanzt” (s.o.). Sie war von pietistischer Frömmigkeit
geprägt. Sie war lebhaft,geistreich und elegant. Sie putze sich auch gerne, soweit das für eine Pfarrersfrau statthaft war.
Am 5. September 1733 kam Christoph Martin als zweites Kind der Familie zur Welt. Insgesamt hatte die Familie fünf Kinder (Johann Gottlieb,Justin Sebastian,Maria Justina Regina) wobei allerdings nur zwei das Erwachsenenalter erreichten, nämlich Christoph Martin
und Thomas Adam, der nach Vater und Großvater benannt war. Er kam am 13.12.1735 noch in Oberholzheim zur Welt. Der Taufschein von Christoph Martin belegt, dass die Familie Wieland gut in Biberach vernetzt war. Taufpaten waren der Spitalpfleger und
Geheime Rat in Biberach Johann Gottlieb Gaupp und Maria Christina Rauch Tochter des Biberacher Apothekers und Oberbaumeister Georg Ludwig Rauh. Diese war in zweiter Ehe mit Major Kick dem Vater Regina Katharina verheiratet und somit ihre Stiefmutter.
Über Georg Ludwig Rauh war die Familie Wieland auch mit der Familie Gutermann verwandt.Thomas Adam hatte das Angebot bekommen, Spitalprediger in Biberach zu werden und anders als sein Vater nahm er dieses Angebot sofort an. Die Familie
zog also 1736 nach Biberach in das Haus in der heutigen Waaghausstraße 3 (Bild siehe oben) Kurz nach dem Umzug erkrankte Christoph Martin an Blattern und zwar so schwer, dass man um sein Leben fürchten musste. Er selbst schrieb später dieser
Erkrankung in Kindertagen sein reizbares Nervensystem sowie eine Schwäche am linken Auge zu. Das Kind erholte sich und sein Vater begann, ihm Lateinunterricht zu erteilen. Da war der kleine Christoph Martin grade mal drei Jahre alt!
Er wechselte dann an die Biberacher Lateinschule, die er von 1739-1742 besuchte. Dort war Johann Jakob Doll Rektor. Er war klein und dick. Seine Frau war “ein kleines,dickes,unförmliches Weibchen, eine streng gebietende, leicht zu erzürnende Trutschel”,
wie Wieland sie beschreibt. Auf die Ehefrau seines Rektors brachte er lateinische Verse zu Papier “in genere adonico”. Da zeigte sich wohl auch schon Wielands satirisches Talent. Er nahm eine Juvenal-Stelle zum Motto: “Et levis erecta consurgit ad oscula
planta” (Leicht mit erhobener Sohle hebt sie sich auf zu seinem Kusse).Von seinem 7. bis 14. Lebensjahr hatte Wieland bereits viele Verse in deutsch und lateinisch geschrieben, die viele Schachteln füllten und die seine Mutter sorgfältig als
“Dichterwindeln” aufbewahrte. Als seine Mutter ihm stolz die Sammlung überreichte, als er von Erfurt zurückkam, verbrannte er sie aber einfach kurzerhand, so dass von seinen dichterischen Gehversuchen nichts übrig ist. Ein Gedicht des 13-Jährigen
ist per Zufall entdeckt worden. 1746 feierte Johann Jakob Gutermann sein 50-jähriges Jubiläum als Prediger. Er hatte in Tübingen und Wittenberg studiert und war dann Pfarrer in Zaberfeld geworden. Ab 1701 kam er als Siechenprediger wieder in seine Heimatstadt
Biberach. Wieland hatte zu diesem Jubiläum ein Preisgedicht auf Gutermann verfasst. Es ist im oben erwähnten “Christoph Martin Wielands Leben und Wirken in Schwaben und der Schweiz” auf Seite 22/23 abgedruckt.
Christoph Martin las mit 8 schon die vita des Nepos, wie er in einem Brief an an Leonhard Meister am 28. Dezember 1787 schreibt. Auch Rektor Doll scheint die liebe Not mit diesem begabten Schüler gehabt zu haben, und als Christoph Martin 13 war
las er Horaz und Virgil und kam damit besser zurecht als sein Lehrer. Mit 14 hatte er eine fundierte Ausbildung in Latein, Griechisch und Hebräisch.Aber auch in Mathematik, Logik und Geschichte war er gut ausgebildet. Fortschritte hatte er auch
in Zeichnen und der Musik gemachte. Der Vater hatte das Talent seines Sohnes früh erkannt und nach besten Kräften gefördert- eine Parallele übrigens zu seiner späteren Verlobten Sophie Gutermann, die ebenfalls hochbegabt war
und die auch von ihrem Vater unterrichtet worden war.
Vor wir auf einen Blick auf seine weitere schulische Laufbahn werfen, einen Blick darauf, was der junge Wieland gelesen hat. Für seine frühen lateinischen Versuche hatte er ja durchaus Vorbilder wie z.B. Juvenal. An deutschen Schriftstellern befasste er sich schon
früh mit Johann Christoph Gottsched (1700-1766). Sein Lieblingsautor aber wurde der Hamburger Barthold Heinrich Brockes (1680-1747). Dessen wichtigstes Werk war eine Gedichtsammlung “Irdisches Vergnügen in Gott”, die zwischen 1721 und 1748 in 9 Bänden
erschien.Dieses Werk machte ihn schnell weit über Hamburg hinaus bekannt und er wurde mit seiner Dichtung das Vorbild der Naturlyrik von Haller bis Klopstock. Aber er wurde auch schnell kritisiert, so von Breitinger und Gottsched und schon zwei Jahrzehnte
nach seinem Tod konnte man ihm nicht mehr viel abgewinnen. Aber schon der junge Wieland wurde mit 10 Jahren von diesem Dichter stark beeindruckt und das hielt sein ganzes Leben an. Sein Vater hatte sämtliche Werke Brockes in seinem
Besitz, allerdings lange an einen Biberacher Patrizier ausgeliehen. Als er alle auf einmal zurückgab, wurde der junge Wieland mit Brockes bekannt, nachdem er bis dahin seine Sprache nur aus der Bibel und dem Gesangbuch kannte.
Noch 1797 schrieb er im Merkur (1.Stück 1797 S. 96,”Ich bewunderte oft und bewundere noch jetzt, die Gewandheit, den hartnäckigen Fleiß und die ungemeine Sprachfertigkeit, die dieser in der Geschichte unserer Literatur so merkwürdige Mann
in seinen Bruchstücken eines großen, aber nicht ganz zu Stande gekommenen physikalischen Stanzenwerkes bewiesen hat.” und er schreibt weiter zu seinen Naturschilderungen “steht ihm immer unsre ganze Sprache mit allen ihren damals
bekannten und von ihm selbst ansehnlich vermehrten Schätzen zu Gebot.” Ebenfalls stark beindruckt das philosophische Lexikon von Schneider, wie Ofterdinger in seinem Buch auf Seite 24 schreibt. Allerdings habe ich leider nichts über dieses Lexikon
herausbekommen auch woher das Wielandzitat stammt geht aus dieser Stelle leider nicht hervor.
Mit 13 war Wieland intellektuell soweit entwickelt, dass das Biberacher Bildungsangebot die Fähigkeiten des jungen Christoph Martins nicht mehr ausreichend gefördert hätte. Für den Vater war wichtig, dass auch der religiöse Hintergrund
stimmte. Zwei Bildungsanstalten kamen in Betracht. In Halle hatte Francke eine Vorbereitungs-Anstalt für die Universität gestiftet. Und für Thomas Adam, selbst Francke-Schüler, war das natürlich zunächst erste Wahl. Aber etwa gleichzeitig machte
ein anderes Institut, nämlich Kloster Bergen bei Magdeburg, von sich reden.
Johann Adam Steinmetz war evangelischer Geistlicher und einer der bedeutendsten Schulmänner des 18. Jahrhunderts. Steinmetz war zunächst Prediger in Teschen. 1738 kam er als Abt nach Kloster Bergen.Sein Vorgänger Abt Breithaupt hatte dort eine Schule
eingerichtet, die zur zweiten Bildungsstätte des Pietismus wurde und unter Abt Steinmetz ihre volle Blüte erreichte.
Lehrer und vor allem die Rektoren wählte er mit größter Sorgfalt aus. Er machte häufige Klassenbesuche. In seiner Amtszeit erlebte die Schule einen enormen Zulauf und wurde zur gesuchten Bildungsstätte angesehener Familien des Adels und des gehobenen Bürgertums.Jährlich wurden 30-50 Schüler aufgenommen und unter Abt Steinmetz absolvierten dort 930 junge Menschen ihre Schulausbildung. Neben Wieland gingen eine Reihe von Schülern aus Kloster Bergen ab, die später in Staat oder Kirche Karriere machten.
Erwähnt sei noch Johann Christoph Adelung, der nachdem er das Gymnasium in Klosterbergen absolviert hatte, in Halle Theologie studierte und später Bibliothekar der kurfürstlichen Bibliothek in Dresden wurde. Bekannt ist er vor allem für seine grammatischen
und lexikographischen Schriften. Er hat aber auch historische, naturwissenschaftliche, pädagogische und journalistische Arbeiten veröffentlicht.
Für Wielands Besuch von Kloster Bergen sprach, dass das Leben dort nicht zu sehr von dem Leben unterscheiden würde, das er bisher geführt hatte. Auch bot Kloster Bergen die Möglichkeit, die schon in Biberach erworbenen Kenntnisse auszubauen.
In Bergen wurde großes Gewicht auf Cicero gelegt, und ebenso große Fortschritte machte er im Hebräischen. Noch in späteren Jahren las Wieland die Psalmen in hebräischer Sprache und er hatte sie immer als Taschenbuch auf seinen Spaziergängen dabei.
Die Abiturienten hielten nicht nur Abitursreden. Sie verfassten förmliche Abhandlungen und Disputationsschriften. Das hatte schon durchaus akademischen Charakter.Über Wielands Zeit in Kloster Bergen hatte Goethe später einmal gesagt,
Wieland habe dort in allen konzentrierten jugendlichen Zartgefühlen gewandelt und er habe dort zu höherer literarische Bildung den Grund gelegt. Wieland selbst fasst seine Zeit in Kloster Bergen in einem Brief an einem Brief an Leonhard Meister
Weimar am Dez.1787 so zusammen: “Mit 13 1/2 Jahren ward ich nach Kloster Bergen bey Magdeburg, eine damahls unter des bis zur Schwärmerei devoten Abts Steinmetz Aufsicht stehenden berühmten Schule geschickt. Ich blieb dort zwey Jahre, machte
starke Progressionen in litteris, schwärmte anfangs mit, kam aber bald wieder durch mein damahliges Lieblingsstudium, nähmlich durch eine poetische Manier in den metaphyischen Terris incogniti herum zu vagiren, ins freye und von einem System aufs andere.”
In Bergen kam Wieland auch mit Voltaire in Kontakt, obwohl der Freigeist im Kloster natürlich verboten war. Dort lernte er auch die Schriften des Schweizer Kritiker Johann Jacob Breitinger kennen. Und er las Albrecht von Hallers Gedichte. Seine Gedichtsammlung
“Versuch Schweizerischer Gedichte” war 1732 erschienen. Darin befand sich das von Haller auf 1729 datierte Gedicht “Die Alpen”. Es gab zu der Zeit keinen deutschen Dichter, der dieses Gedicht nicht kannte. Wichtig waren aber “Neue Beiträge zum Vergnügen
des Verstandes und Witzes”, da diese in Bremen erschienen meist nur Bremische Beiträge genannt. Im 4. Band waren die drei ersten Gesänge des Messias von Friedrich Gottlieb Klopstock. Sie erregten sofort großes Aufsehen. Und auch Wieland wurde von
der Klopstockbegeisterung erfasst. “Als ich den Klopstock las, glaubte ich erst mich selbst zu verstehen.” (zitiert nach L.F. Ofterdinger S.31). Seine ersten Dichtungen zeigten auch, wie stark er von Klopstock beeinflusst worden war.
An Ostern 1749 verließ Wieland Kloster Bergen, ohne einen Abschluss gemacht zu haben. Er ging weiter nach Erfurt und lebte dort für ein Jahr bei Johann Wilhelm Baumer, einem Verwandten der Familie Wieland. Baumer hatte in Halle und Jena Philosophie
und Theologie studiert. In Jena hatte er den Grad eines Magister der philosophischen Wissenschaften erhalten. Von 1742 – 1746 war er Pfarrer in Krautheim, heute Ortsteil von Volkach. Diese Stelle gab er aus gesundheitlichen Gründen auf und ging wieder nach
Halle. Dort promovierte er 1748 zum Doktor der Medizin. Danach unternahm er eine Gelehrtenreise und ließ sich dann als Arzt in Erfurt nieder. Zu der Zeit kam dann Wieland zu ihm. Baumer muss ein durchaus universal gebildeter Mann gewesen sein.
In Erfurt wurde er 1754 Professor der Physik und 1757 Professor der Medizin. 1764 wechselte er als Professor der Medizin nach Gießen und wurde dort zugleich Bergrat und Landphysikus. 1777 wurde er in Gießen ordentlicher Professor der Mineralogie und
der Chemie. Vor allem als Mineraloge hatte er sich einen Namen in der Wissenschaft gemacht. In Erfurt war er zum geistigen Vater der 1754 gegründeten “Churfürstlich-Mayntzischen Gesellschaft oder Academie nützlicher Wissenschaften” geworden.
aus der die heutige Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt hervorgegangen ist. Bei Baumer studierte Wieland Philosophie.Er Wurde mit Wolff vertraut gemacht. Als Thomas Adam in Halle Theologie studierte, herrschte dort gerade der Streit zwischen Wolff und seinem aufklärerischen Rationalismus
und pietistischen Dozenten an der Universität. Diese setzten sich durch und Wolff musste sein Amt aufgeben. Wolff war Universalgelehrter, Jurist und Mathematiker. Er entwickelte sich zu einem der wichtigsten Philosophen der Aufklärung zwischen
Leibniz und Kant. Er war ein bedeutender Vertreter des Naturrechts. Er gilt als der eigentliche Begründer der Begriffsjurisprudenz. Ihre Grundlage ist die Anwendung logischer Methoden auf das Recht. Für die deutsche Philosophie schuf Wolff die terminologische
Grundlage. Für einen 16-Jährigen durchaus schwerverdauliche Kost, wie Wieland das selbst empfand oder wie er sich ausdrückte “schwere Seelenspeise”. Aber Baumer legte bei Wieland einen soliden Grund in der Philosophie.
Wichtig war für Wieland auch das Privatissimum, das er von Baumer über Don Quijote erhielt. Wieland sagt später darüber,dass Baumer ihn aus Quijote heraus Menschen-und Weltkenntnis gelehrt habe. Baumer stellte Don Quichotte und Sancho Pansa
als die Repräsentanten des Menschengeschlechts dar. Sicher war dieses Jahr bei dem umfassend Gebildeten für den jungen Wieland enorm wichtig, wenn gleich er einige Zeit brauchte, um das richtig einzuschätzen. In einem Brief an Friedrich Justus Riedel
schreibt er am 10. August 1768 “weil ich das Glück oder Unglück hatte, das ganze Jahr 1749 unter seinen (Baumer) Augen zu leben, an seinem Tische zu hungern (denn vom Essen war nicht viel die Rede) und von seiner Philosophie eine so abscheuliche Menge
von Seelenblähungen zu bekommen…” Und als er in Erfurt Professor wird, liest er über den Don Quijote. In einem seiner Romane, der “Geschichte des Don Sylvio von Rosalva“ übernimmt er das Muster des Don Quijote.
Im Frühjahr 1750 kehrte Wieland nach Biberach zurück. Im Sommer kam es zu einer folgenreichen Begegnung. Der Augsburger Arzt Georg Friedrich Gutermann schickte seine Tochter Sophie Marie zu seiner Cousine nach Biberach, nämlich
der Mutter von Christoph Martin. Er hatte gerade durchgesetzt, dass die Verlobung von Sophie mit Giovanni Ludovico Bianconi, der Leibarzt des Augsburger Fürstbischofs war, gelöst worden war. Der zukünftige Gatte war katholisch, Sophie aber evangelisch.
Die zukünftigen Töchter Sophies sollten evangelisch erzogen werden, darauf ging Bianconi aber nicht ein. Die Verlobung platzte. (Siehe Blog Sophie von La Roche). Das Verhalten ihres Vaters verletzte Sophie zutiefst. Sie fügte sich zwar, vergaß das ihrem Vater aber
nie. Dieser Aufenthalt in Biberach sollte Sophie helfen, ihren Geliebten zu vergessen, aber auch ihrem Vater aus den Augen zu kommen. Schließlich war das Verhältnis massiv gestört. Sophie war 19, Christoph Martin 17. Was aber nie und nimmer im Plan der Eltern
war, die beiden verliebten sich aufs heftigste. Zum Entsetzen beider Elternteile verlobten die beiden sich sogar. Am Morgen dieses Tages,es war der 23. August 1750, hörte Sophie zufällig den jungen Wieland Klavier spielen, was tiefen Eindruck auf sie gemacht
haben muss. In ihren “Schattenrissen abgeschiedener Stunden” erzählt sie auf Seite 44, wie sie Wieland am Abend ihrer Ankunft in Ossmannstedt Klavier spielen hört und erinnert sich an diese Szene in Biberach und das war ja immerhin 49 Jahre zuvor. L.F.
Ofterdinger erzählt wie Sophie im weiteren Tagesverlauf eine Predigt von Thomas Adam Wieland über den Text “Gott ist die Liebe” hört. Die beiden jungen Leute unterhielten sich über diese Predigt. Sophie bat Christoph Martin, die von ihm vorgebrachten
Gedanken zu ordnen und auf zuschreiben. Das Ergebnis wurde 1752 in Halle in Druck gegeben: “Die Natur der Dinge in sechs Büchern”
Thomas Adam sah das etwas pragmatischer. Der junge Christoph Martin sollte erst mal einen Brotberuf erlernen. Die Mutter arbeitete aber gegen das junge Paar. Als Wieland erst in Tübingen war und später in Zürich, hielt sie Briefe
an Sophie zurück. Als Wieland in Zürich bei Bodmer weilte, schrieb seine Mutter am 10. Oktober 1753 an diesen “Sie mag ihr nicht ein Loch an dem Strumpf vernähen, sie reisst es lieber zusamen und wirfft es in einen Winkel. Wann mein Sohn das Mensch zu seiner
Frau bekomt, so ist er sein Lebtag ein armer Mann und Märtherer, er möchte so viel Einkommen haben als er wollte, so würde sie vorher allemal mehr verliederlichen, als er einzunehmen häte …“ Der Brief ist heute im Besitz der Zentralbibliothek Zürich.
Christoph Martin soll nun ein Studium beginnen. Er geht nach Tübingen. Der Vater hatte eigentlich gewünscht, dass Christoph Martin Theologie studiert. Da aber der Junge ja von nicht allzu kräftiger Gesundheit war, sprach das eigentlich gegen eine solche
Laufbahn. Also sollte er Jurisprudenz studieren, wie schon sein Großvater, der es ja zum evangelischen Bürgermeister in der Stadtrepublik gebracht hatte. Die Unterkunft war praktischerweise schon vorgegeben, nämlich das Hochmannium in Tübingen.
In der Tübinger Pfleghofstr. 13 hatte der 1528 in Biberach geborene Johann Hochmann und spätere Professor des kanonischen Rechts und Universitätsrektor ein Wohnheim gestiftet, in dem Studierende aus seiner Familie und der seiner Frau
dort freie Kost und Logis bekamen. Auch Wieland hatte durch Familienansprüche das Recht auf ein solches Stipendium, was mit ein Grund war, dass er in Tübingen studierte. Vorlesungen über Jurisprudenz besuchte er nur am Anfang. Da er aber bald
den Eindruck hatte, dass Vorlesungen ihm seine beste Zeit kosteten, ging er bald gar nicht mehr hin. Statt sich mit Rechtswissenschaften zu befassen, las er Pierre Bayle, einen französischen Schriftsteller und Philosophen, der zu den Zentralfiguren der
französischen Aufklärung zählt. Sein wichtigstes Werk ist das “Dictionnaire historique et critique” erstmals erschienen 1697. Leibniz stand ebenfalls auf seinem Leseplan, dann Lucrez und der Anti-Lucrez von Polinac.Das ist eine Widerlegung des Lucrez
in metrischen Versen, die von Voltaire gelobt wurde und auch von Goethe sehr geschätzt worden sein soll. Und er dichtete selbst. Die oben erwähnte Natur der Dinge schrieb er in nur drei Monaten. Das Manuskript schickte er an Professor Georg Friedrich Meyer
in Halle. Ich bin mir nicht ganz schlüssig, wie ich das bewerten soll –naiv oder frech. Meier war ordentlicher Professor der Philosophie in Halle und lehrte dort Philosophie und Ästhetik. Meier hatte in dem poetologischen Streit, der in der Zeit zwischen Gottsched
und den Schweizern Breitinger und Bodmer die Intellektuellen im deutschen Sprachraum beschäftigte (s.u.), Partei für die beiden Schweizer ergriffen. Seine sehr positive Stellungnahme “Beurteilung des Heldengedichts der Messias” von Klopstock trug wesentlich zu dessen Anerkennung und auch zur Begeisterung für
sein Werk beim Publikum bei. Dies war sicher auch der Grund, weshalb Wieland sein Manuskript gerade an Meier schickte. Wieland legte ein anonymes Begleitschreiben bei und Meier wusste tatsächlich nicht, wer der Verfasser dieses Lehrgedichts war.
Er hielt ihn für einen Adligen aus dem Schwäbischen und wäre wahrscheinlich mehr als überrascht gewesen, wenn er gewusst hätte, dass das das Werk eines 17-Jährigen ist. Meier veröffentlichte das Werk und versah es zudem mit einem sehr positiven Vorwort.
Er schreibt darin, dass er das Werk anonym erhalten hat, ohne Unterschrift und Angabe des Ortes und dann wörtlich “Weil es uns Deutschen bis itzt an großen Original-Lehrgedichten fehlt, und mir dieses Gedicht gefallen hat: so habe ich kein Bedenken getragen,
dasselbe zum Druck zu befördern.” Seite 4 der Vorrede. Die gute Aufnahme seines Manuskripts spornte ihn an, weiter Neues zu schreiben. Man besang damals gerne Helden der deutschen Urzeit. Und so fasste er den Plan, das Heldengedicht Hermann zu verfassen.
Auch dieses schickte er ein, diesmal an Bodmer in Zürich. Er bittet den “Hochedelgebornen und Hochgelehrten Hochzuverehrenden Herrn Professor”(Ausgewählte Briefe Von C.M.Wieland an verschiedene Freunde in den Jahren 1751-1810 geschrieben, Brief vom
4.8.1751 an Bodmer) das übersandte Gedicht, eben den Hermann, zu beurteilen.Bodmer nahm dieses Gedicht positiv auf, scheint aber einige Anmerkungen gemacht zu haben. In einem Antwortschreiben an Bodmer macht er nun Angaben zu sich “Ich bin eines
Predigers Sohn aus Biberach, ohnweit dem Federsee” (ausgewählte Briefe Seite 7). Am 20. Dezember 1751 schreibt er aus Tübingen, dass das Gedicht nur dazu gedient habe, seine Bekanntschaft zu machen und habe damit seine Bestimmung erreicht.Er gedenke
nicht,diese jugendliche Arbeit umzuarbeiten oder zu verbessern. In Tübingen entstehen insgesamt 6 Werke und zwar 1.“Die Natur der Dinge” ein Lehrgedicht in 6 Büchern, Halle 1751, 2. “Zwölf moralische Briefe” in Versen, Heilbronn 1752
3. “Anti-Ovid oder die Kunst zu lieben” Amsterdam (Heilbronn) 1752. Erzählungen, Tübingen 1752, 5. Der Frühling Tübingen 1752, 6.Lobgesang auf die Liebe Tübingen 1753.
Daneben verfasste er Oden, die er auch an Bodmer schickte.
Vom Briefwechsel an Sophie, damals noch Gutermann, aus seiner Verlobungszeit sind nur vier Briefe erhalten. Der erste, den es noch gibt, stammt vom 5. Juni 1572 – ein flammender Liebesbrief, darin angehängt die Ode, die er auch an Bodmer schickte.
Darin heißt es unter anderem: “Englische Sophie, mein Herz, mein Licht
Du bist selbst, ja Du bist selbst die Tugend;
Aus der Anmuth aufgeblühter Jugend
Reizt sie selbst in Dir ein klug Gesicht.
O wie strahlt aus Deinen Blicken
wo sich weiser Ernst mit Anmuth paart,
eine Seele von Seraph’scher Art,
Fähig mehr als Weise zu entzücken“ (Briefe an Sophie von La Roche von Christoph Martin Wieland, hsg von Franz Horn S.7).
Im Juni 1752 verließ Christoph Martin Tübingen und ging zurück zu seinen Eltern natürlich auch in der Hoffnung, dort mit Sophie zusammen zu kommen. Christoph Martin gab sein Studium auf, was natürlich nicht im Sinne des Vaters lag.
Er schlug ihm vor, in Göttingen Jurisprudenz zu studieren. Christoph Martin bemühte sich aber um eine Tutorenstelle in Braunschweig. Dort war der evangelische Theologe Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem als Berater Herzog Karl I. in Verwaltungsangelegenheiten
aber auch für das Kirchen-und Bildungswesen tätig. Er schlug dem Herzog eine neuartige Bildungseinrichtung vor, die eine vertiefte Kenntnis der schönen Wissenschaften und vor allem der griechischen und lateinischen Kultur vermitteln und so
einen leichteren Anschluss an das Universitätsstudium zu ermöglichen. 1745 wurde dann das Collegium Carolinum gegründet, aus dem später die Technische Universität Braunschweig hervorgegangen ist. Genau für diese Einrichtung bewarb sich Wieland.Allerdings, ein
junger Student mit 19 Jahren, der gerade dabei war, sein Studium abzubrechen, hatte natürlich nicht die besten Karten. Im Sommer 1752 wurde er aber von Bodmer nach Zürich eingeladen. Wieland reiste am 15. Oktober in die Schweiz ab, zu einem
Aufenthalt der dann aber 8 Jahre dauern sollte.
Um diese Zeit bewegte eine spannende Auseinandersetzung das literarisch interessierte Deutschland. Auf der einen Seite stand Johann Christoph Gottsched (Bild links), auf der anderen Seite Johann Jakob Bodmer (Bild rechts) und Johann Jakob Breitinger.
Gottsched studierte in Königsberg. Er erwarb dort den Magister Artium. Nachdem er aber von den brutalen Methoden preussischer Militärwerber gehört hatte ging er lieber nach Leipzig, das ihm in dieser Hinsicht sicher erschien.
Dort freundete er sich mit dem Historiker Johann Burckhardt Mencke an, der ihn als Hauslehrer für seine Söhne engagierte. Über ihn fand er Aufnahme in die “Teutschübende Poetische Gesellschaft”. 1727 wurde er zum Senior gewählt.
Er wandelte sie um zur “Deutschen Gesellschaft”. Die Deutsche Gesellschaft sollte auf eine überregionale, von mundartlichen Färbungen und Fremdwörter gesäuberte deutsche überregionale Einheitssprache hinarbeiten. Der deutsche Sprachraum
war in dieser Zeit nicht nur konfessionell sondern auch sprachlich gespalten. In der protestantischen Mitte Deutschlands und im Norden hatte sich ein auf Martin Luther basierendes Früh-Neuhochdeutsch durchgesetzt. Im katholischen Süden
wurde die oberdeutsche Schriftsprache verwendet. So stand “Lutherdeutsch” gegen “Jesuitendeutsch”, beides bewusst abwertend verwendet. Dazu kam noch mit der reformierten Schweiz alemannisch als dritte Sprache dazu.
Gottsched stand zu der Zeit auf dem Höhepunkt seiner Popularität und Autorität. Er hatte mit “ Die vernünftigen Tadlerinnen” 1725 die erste Frauenzeitschrift herausgegeben. Seine Bekanntschaft und Zusammenarbeit mit Johann Neuber und
dessen Frau Friederike Caroline ließ ein regelgerechtes deutsches Nationaltheater entstehen und mit seinen “Beyträge zur critischen Historie der deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit” verschaffte ihm schnell überregionale Bekanntschaft.
Er war maßgebender Lehrbuchautor. Er war Theoretiker und Gesetzgeber. Er glaubte alle Bereiche der Kunst in erlernbare Regeln systematisieren zu können. Wie oben gezeigt wurde, hatte sich ja auch der junge Wieland mit Gottsched auseinandergesetzt.
Als Theaterreformer orientierte er sich vor allem am französischen Theater, was ihm dann Lessing entschieden vorhielt. “Niemand sagen die Verfasser der Bibliothek, wird leugnen,dass die deutsche Schaubühne einen großen Theil ihre erste Verbesserung dem
Herrn Professor Gottsched zu danken habe. Ich bin dieser Niemand. Ich leugne es geradezu” (Lessing in “Briefe die neueste Litteratur betreffend, Berlin 1759, S. 97) und er fährt dann fort “ er wollte nicht sowohl unser altes Theater verbessern, als der Schöpfer eines
ganz neuen seyn. Und was für eines neuen? Eines Französierenden ohne zu untersuchen, ob dieses französisierende Theater der deutschen Denkungsart angemessen sey oder nicht” (ebd. S. 99). Und dann schreibt er weiter, dass wir mehr in den Geschmack
der Engländer einschlagen als der Franzosen”und weiter “ dass das Große, das Schreckliche, das Melancholische besser auf uns wirkt, als das Artige, das Zärtliche, das Verliebte” und das bedenkend würde geradewegs auf das englische Theater führen.
Die Übersetzung des Shakespeare hätte weit bessere Folgen für das deutsche Theater gehabt “ als dass man sie mit dem Corneille und Racine so bekannt gemacht hat” Und dies wurde fast durchgängig so von den Literaturgeschichten übernommen.
In Zürich war Bodmer als Professor für helvetische Geschichte und Politik am Gymnasium tätig. Dort arbeitete auch sein Freund als Professor für die hebräische und später für die griechische Sprache. In den Jahren 1732-1739 stand man in Briefwechsel und ging fast
freundschaftlich mit einander um. 1740 erschien Bodmers “Critische Abhandlung vor dem Wunderbaren”, die als Verteidigung Miltons angekündigt war.Er plädierte darin für für eine erweiterte Geltung der Einbildungskraft, des Wunderbaren und der Phantasie.
Und es erschien Breitingers zweibändige “Critische Dichtkunst”. Da zeigte sich schon im Titel die Rivalität zu Gottscheds gleichnamigen Lehrbuch. Gottsched ging 1742 auf das Buch Breitingers ein. Er vermisste hilfreiche Regeln zur Abfassung von Gedichten.
Die Schweizer waren die ersten, die auf Shakespeare hinwiesen, der auf Gottsched sicher barbarisch wirkte. Aber seine Vormacht kam ins Wanken. Die Schweizer plädierten nun für eine Hinwendung zu den neueren englischen Dichtern statt der Geschmacksdiktaturdes französischen Klassizismus, die Entdeckung poetischen Neulandes statt der Bestätigung eines Kanons. Bodmer gewann immer mehr Freunde und Anhänger aus der deutschen Literaturszene. In Norddeutschland standen Brockes mit ihm Kontakt; aber auch Johann Ulrich von König, der aus Esslingen stammte, und über Hamburg-dort gründete er mit Brockes die Teutschübende Gesellschaft zur Pflege der deutschen Sprache und Literatur- und Leipzig nach Dresden, wo er Hofpoet am Hofe August des Starken wurde. In Dresden war er zunächst Förderer von Gottsched, überwarf sich aber mit ihm und stand dann in enger Verbindung mit Bodmer. Der in Durlach geborene Karl Friedrich Drollinger. Er war als Archivar der Markgrafen von Baden nach der
Einäscherung Durlachs tätig. In seiner Dichtung war er ein Vorläufer von Haller und stand ebenfalls auf Seite der Züricher. Auch Friedrich von Hagedorn gehörte zu diesem Kreis. Hagedorn seinerseits stand wieder mit Klopstock und Gleim in Verbindung, aber
auch zu Lessing hatte er Kontakt. Bodmer gab an Hagedorn im Tausch in Zürich erschiene Werke weiter und erhielt dafür von Hagedorn englische Werke, vor allem Shakespeare, die in Hamburg leichter erhältlich waren.
Gleim, der Gründer des Halberstädter Dichterkreis, pflegte einen Briefwechsel mit Bodmer und schließlich bat der Züricher auch Professor Meier in Halle den Messias zu beurteilen. Diese Beurteilung hatte ja Wieland veranlasst, sein Erstwerk an
Meier zu schicken. Gottsched wurde schließlich zum Inbegriff lächerlich geistloser Pedanterie und Zeitgenossen sahen die Züricher als Sieger in dieser Auseinandersetzung.
1750 hatte Bodmer Klopstock nach Zürich eingeladen. Kurz zuvor waren die ersten Teile des Messias in den Bremischen Beiträgen erschienen. Danach dichtete er seine ersten Oden, die vor allem bei den Gegnern von Gottscheds “vernünftiger” Poetik, also in
Zürich einen regelrechten Begeisterungssturm entfachten. Kontakte nach Zürich wurden geknüpft und das Resultat war die Einladung. Allerdings lag schon von Anfang an ein gewisses Missverständnis vor. Bodmer erhoffte sich Vervollkommnung seines eigenen
Gedichtes Noah. Und Bodmers Moral und Wertvorstellungen standen denen Klopstocks ziemlich diametral entgegen. Dazu kam sicher noch Eifersucht und Enttäuschung. Der junge Dichter zog nämlich die Gesellschaft von “Jünglingen” und “Mädchen” der seinigen vor. So etwas war für die zentrale Figur der Züricher Aufklärung sicher eine völlig neue Erfahrung. Auslösendes Moment für den Bruch war wohl die Fahrt auf dem Züricher See, zu der Klopstock “von einem halben duzend Galopins (französisch Schlingel, Spitzbube) entführt”
worden war, was dem sittenstrengen Züricher Mäzen Erklärung genug war, dass Klopstock mit seinem Messias nicht vorankam. Es kam zum Bruch und Klopstock reiste aus Zürich ab. Erleichtert wurde ihm das, da er vom dänischen König ein Jahresgehalt von
400 Reichstalern ausgesetzt bekommen hatte und die Reisekosten nach Kopenhagen. Nach diesen sehr ernüchternden Erlebnissen war man in Zürich natürlich vorsichtig geworden.Wieland hatte sich ja sozusagen in Zürich selbst beworben. Zum einen wird
ein Briefwechsel mit dem Theologen Heinrich Schinz eingefädelt. Schinz stand auch mit Bodmer in sehr engem Briefkontakt. Zwischen Wieland und Schinz entwickelte sich bald sehr reger Briefverkehr. Das wurde noch ausgeweitet. Auch auf Anregung Bodmers
führten die die beiden Verlobten Sophie von Wieland und Barbara Meyer von Schinz ebenfalls einen Briefwechsel. Zudem wurden im Mai noch der Theologe Johann Kaspar Hess, der Arzt Hans Caspar Hirzel und der Theologe Johann Georg Sulzer
nach Tübingen geschickt. Sie sollten Wieland besuchen und prüfen, ob dieser der Förderung durch Bodmer würdig sei. Man hatte über Martin Künzli auch noch Erkundigungen bei dem Professor der griechischen Sprache Johann Adam Osiander eingeholt.
Dieser beurteilt Wieland als”ingenium praecox”, weiß aber nur Gutes über Wieland zu berichten. Er sagt, der Jüngling stecke immer zu Hause und studiere. Dies schreibt Künzli in einem Brief an Bodmer am 14. April 1752 (in Thomas C. Starnes: Christoph Martin
Wieland- Leben und Werk, Sigmaringen 1987, Bd. 1-3 I,S.22). Wieland selbst hält sich mit vielen Briefen an Bodmer im Gespräch.Und er macht natürlich auch einige Angaben über sich, die Bodmer bestimmt gefallen “Ich bin ein großer Wassertrinker, und ein
geborener Feind des Bacchus” ( Am 4. Februar 1752 an Bodmer in ausgewählte Briefe S. 30)Die Einladung erfolgt und Wieland schreibt am 8. Juni 1752 überglücklich an Bodmer zurück “Ich danke der Vorsehung mit innigster Rührung für ihre Freundschaft und ich
müsste sehr unglücklich seyn, wenn ich mich in der Hoffnung betröge, in etlichen Wochen mehr durch ihren Umgang gebessert werden, als es bisher in ganzen Jahren geschehen konnte” (ebd. S.83).
Die Abreise Wielands nach Zürich verzögerte sich noch ein bisschen, weil er unbedingt noch mit Sophie zusammen treffen wollte. Wieland hatte inzwischen schon einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Dass solch in der gesamten literarischen Welt
angesehenen Männer wie Bodmer und Breitinger einen Briefwechsel mit dem noch sehr jungen Mann unterhielten, dass sie ihn sogar nach Zürich einluden, versöhnte auch den Vater damit, dass er allmählich Abschied von den Vorstellungen nehmen musste,
die er vom beruflichen Werdegang seines Sohnes hatte. Ofterdinger erzählt in seinem bereits öfter erwähnten Buch auf Seite 78 von dem Abschiedsfest, das er für seinen Sohn in Birkendorf gab. Am 15. Oktober reiste Christoph Martin ab und wurde
am 18.Oktober von Schinz in Schaffhausen abgeholt. Dann blieben sie für eine Woche in Wespersbühl bei Johann Christoph Billeter. Das war der Onkel der Braut von Schlinz. In seinem Tagebuch vermerkt Bodmer die Ankunft Wielands am 25. Oktober.
Als Wieland nach Zürich kam, erlebte das literarische Leben in der Schweizer Stadt eine absolute Blütezeit und der Streit zwischen Zürich und Leipzig fand ja im ganzen literarisch interessierten deutschsprachigen Raum große Anteilnahme.
Die beiden Gelehrten Bodmer und Breitinger, hatten einen literarisch produktiv tätigen Kreis um sich gesammelt. Und man hatte ja auch die Szene beobachtet und interessante Talente nach Zürich geholt, eben erst Klopstock, dann Wieland.
Ewald von Kleist bemerkt zum Geistesleben Zürichs “Statt daß man indem großen Berlin kaum 3-4 Leute von Genie und Geschmack antrifft, trifft man in dem kleinen Zürich mehr als 20-30 derselben an.” (Kleist an Gleim in Sauer II, S 213)
Der junge Wieland wurde im Klopstockzimmer untergebracht. In einem ersten Brief an Sulzer schreibt Bodmer dazu ”Jetzt ist der Verf(asser) der Natur der Dinge in meinem Hause. Ich kann sowohl in Absicht auf den moralischen Charakter als auf die
Gelehrsamk (eit) ohne poetische Entzückung sagen: hier ist mehr als K (lopstock) ohne Vergleichung mehr. … Er ist fähig in der Kritik und der Poesie die größten Verrichtungen zu vollführen. …Er trinkt so wenig Wein als ich, raucht nicht Tabak und brauset und tanzt
nicht ..” (Bodmer an Johann Georg Sulzer, 29. Oktober 1752, in Starnes I, S.33. Wieland ist gleich überaus produktiv. Er schrieb die “Ankündigung einer Dunciade für die Deutschen”. Er schickte sie anonym an Gleim, der sie in Halberstadt drucken ließ. Sie war eine
Antwort, auf die Schriften, die in der Auseinandersetzung zwischen Zürich und Leipzig kursierten, hier vor allem “Die ganze Ästhetik in einer Nuss, oder neologisches Wörterbuch” von Christoph Otto Freiherr von Schönaich, einem “geschworenen
Gottschedianer”, wie in Lessing einordnete. Gleim war darin auch angegangen worden und ließ dieses Werk mit Vergnügen drucken. Erst viel später gestand Wieland Gleim, dass er der Verfasser war. Im Neuen Teutschen Merkur schreibt er dann auch auf Seite 201
“ Ich erinnere mich noch zu gut, was für eine Gemüthstimmung und welche Beweggründe mich im Jahre 1752 zum Verfasser der Ankündigung einer Dunciade für die Teutschen machten, um nicht zu wissen, zu welchen Excessen die schwärmerische Verehrung
und Liebe eines wirklich oder vermeintlich großen Mannes einen sonst gutartigen und edeln, aber feurigen und unbesonnen Jüngling hinreißen kann”. (Neuer Teutscher Merkur 1. Band 1797). Außerdem schrieb er eine “Neue Vorrede zu Bodmers Syndflut”,
“Anmerkungen zu Bodmers Milton-Übersetzung” und die “Vorrede zu J.J. Bodmers Gedichten”. Bodmer hatte Wieland auch zu seinem einzigen biblischen Epos veranlasst, das 1753 erschien: “ Der gepryfte Abraham, ein Gedicht in vier Gesängen”.
Er wirkte an der Herausgabe der “Sammlung Züricherischen Streitschriften zur Verbesserung des deutschen Geschmacks wider die Gottsched’sche Schule” mit. Auch das “Schreiben von der Würde und Bestimmung eines schönen Geistes” kam heraus.
Das “Gebet eines Christen”, “Das Gebet eines Deisten” und “Die Briefe von Verstorbenen an die hinterlassenen Freunde” waren die letzten Schriften, die er sehr pietistisch angehaucht, verfasst hatte. Sowohl Nicolai, als auch Lessing verwiesen auf die
Hohlheit von Wielands Schreiberei- Nicolai schreibt im siebten Brief “ Über den itzigen Zustand der schönen Wissenschaften in Deutschland” auf Seite 66 “ Die Muse des Herrn Wielands ist ein junges Mädgen, das auch die Betschwester spielen will,
und sich der alten Wittwe zu Gefallen in ein altväterisches Käppgen einhüllet, welches ihr doch gar nicht kleiden will” im Gegensatz zur Muse Bodmers, “eine betagte Matrone, die die Welt vergisst, weil die Welt sie vergessen hat, die beständig von der Kasteiung
des Fleisches redet, und auf die böse verderbte Welt und die verschlimmerten Zeiten schilt”. (ebda)Und Lessing schreibt im 7. seiner “Briefe, die neueste Literatur betreffend” dass Wieland gerne aus dem Gedächtnis getilgt habe, dass er der Verfasser der Natur der
Dinge ist und dann ”So viel ist unwiedersprechlich,dass jenes Lehrgedicht und die Moralischen Briefe uns den Herrn Wieland auf einem ganz anderen Wege zeigen, als ihm hernach zu betreten beliebt hat (Seite 15) und weiter im 8. Brief
“Auch mir sind die Empfindungen des Christen das anstößigste gewesen. Er bringt dann Beispiele aus den Empfindungen und schreibt dazu ”Schön! – aber sind das Empfindungen? Sind Ausschweifungen der Einbildungskraft Empfindungen?
Wo diese so geschäftig sind, da ist bestimmt das Herz leer, kalt (Seite 17). Er vergleicht dann Wieland mit Johann Wilhelm Petersen, “Stimmen aus Zion” und er bringt ebenfalls Beispiele und urteilt dann “Könnte ich nicht die Verehrer des Herrn Wielands
(seine Anbeter; er hat dergleichen) mir erhabenere und pathetische Stellen in seinen ganzen Empfindungen zu zeigen ? Herr Wieland ist reich an Blühmchen, an poetischem Geschwätz; Petersen an starken Gedanken, an großen Gesinnungen; ohne Zwang,
ohne Schwulst” (Seite 18).
Am Anfang verkehrte Wieland nur mit ganz wenigen Leuten Bodmer, Breitinger, Hess und Schinz. Das war ganz im Sinne Bodmers. Er sah schließlich Klopstock verführt von den jungen Leuten, mit denen er Umgang hatte. Es kommen dann noch
der Züricher Stadthauptmann Hans Blarer von Wartensee dazu sowie der Ratsherr und spätere Züricher Bürgermeister Johann Conrad Heidegger. Aus dem Bodmer Umkreis kam dann der Arzt Laurenz Zellweger aus Trogen in den Freundeskreis,
der von Bodmer über Wieland brieflich informiert war. Auch Martin Künzli aus Winterhur wurde in den Freundeskreis einbezogen. Wieland lernte ihn im Frühjahr 1753 persönlich kennen. Künzli hatte bei Osiander in Tübingen Erkundigungen über Wieland
eingezogen.Ein weiterer Arzt aus dem Umfeld Bodmers, nämlich Johann Georg Zimmermann, gesellte sich zum Kreis um Wieland. Wichtig wurde schließlich auch Salomon Gessner. Dieser war nicht nur Maler und Dichter von Idyllen, er war auch Teilhaber des
Züricher Verlags Orell, Gessner, Füssli und Comp.und brachte über Jahre hinweg viele Werke von Wieland heraus. So erschien der Agathon bei OGF & Comp. oder die Shakespeare-Übersetzungen.
Wieland, nun im Hause Bodmer untergebracht, war nun der finanziellen Sorgen enthoben. Allerdings musste er für Bodmer gegen Gottsched Partei ergreifen. Wie wir aber oben bei der Dunciade gesehen haben, bereitete ihm das keine Probleme.
Aber auch für seine Dichtung waren Regeln vorgegeben, Tabus, die zu beachten waren. So erlaubte ihm Bodmer bei der Sujet-Wahl nur biblische Themen und für die Verswahl nur Hexameter. Diese poetische Bevormundung war doch eine Kreativitätsblockade.
Wieland hatte sich Bodmer so angepasst, dass “die Sprache seiner Zürcher Dichtungen oft kaum von derjenigen seiner Freunde und Bewunderer zu unterscheiden ist” wie Martin Bircher feststellt. Ja es geschah sogar, dass einige seiner anonym erschienen
Werke mit Bodmers verwechselt wurden. 1760 ließ Wieland alle seine “poetischen Werke, die seit 1751 einzeln und ohne Namen erschienen” waren in “3 Oktavbänden zusammen herausgeben, teils sie dem Publico in einer verbesserten korrekten Gestalt zu
zeigen, teils um zu verhindern, daß man mir nicht länger Sündfluten, Patriarchen und Parzivale zur Last legt,an denen ich keinen Anteil habe.” (Wieland in einem Brief an seinen späteren Verlege Phillipp Erasmus Reich, 30. März 1760 in BW 6.1,S.18)
Mit Bodmers und Breitingers Hilfe vertiefte Wieland seine klassischen Studien. Bodmer hatte ja Homer übersetzt und er wurde für Wieland Vorbild als Übersetzer klassischer Schriftsteller. Aber er hat Wieland ja auch an die mittelalterliche Dichtung herangeführt,
wobei Bodmer nicht der Entdecker der Nibelungenhandschrift C war. Das war der Wundarzt Jacob Hermann Oberreit aus Arbon, mit dem Wieland später eng befreundet war. Als Milton-Übersetzer hat Bodmer Wieland auch auf englische Literatur
gebracht. Wie wir oben gesehen haben, hatte sich Bodmer über Hagedorn ja Shakespeares Werke kommen lassen.
Bodmer sorgte rührend für seinen Schützling. Er warb für ihn einen Freundes-und Verehrerkreis quer durch Deutschland. Er wies seinen Schüler Johann Georg Sulzer, der seit 1747 in Berlin tätig war und seit 1750 Mitglied der Königlichen
Akademie der Wissenschaften war, auf das junge Talent hin, dies schon gleich nachdem er den Hermann erhalten hatte. Er hielt ihn über Wielands Arbeiten auf dem Laufenden. Sulzer wiederum war mit Johann Wilhelm Ludwig Gleim befreundet.
Und er machte sich bei Gleim für Wieland stark. Bodmer selbst hatte Gleim Wieland als “den zweiten Klopstock” gepriesen. Er besorgte auch die Hymne mit einer Vorrede in Berlin zum Druck. (Fritz Budde in Wieland und Bodmer S. 30)
Wieland weilte nun schon ein Jahr bei Bodmer. Der Freundeskreis suchte für Wieland eine passende pädagogische Betätigung.
Von Bodmer angeregt entwarf Wieland den Plan einer Akademie zur Bildung des Verstandes und junger Leute zu entwerfen. Er schrieb da am 5. Juni 1753 auch Sophie davon. “ Die Sache selbst, die ich darin geschrieben habe, indeß verdient alle
Aufmerksamkeit, sonderlich das project des Herrn B…” (C.M. Wielands Briefe an Sophie von La Roche, herausgegeben von Franz Horn S 24/25). Genaueres über dieses Projekt erfährt in einem Brief an Müchler (abgedruckt in der Nr. 32 des Morgenblatt für gebildete
Stände vom 7. Februar 1814) Johann Georg Müchler war zu der Zeit Hauslehrer bei Herrn von Arnim auf Suckow. Und von dort hatte Wieland eine Angebot erhalten, als Lehrer an einem vom brandenburgischen Adel zu gründenden Erziehungsinstitut
mitzuwirken.. In diesem Brief lehnt er das Angebot ab und erzählt gleichzeitig von seinen Akademieplänen. “Ich habe mit einigen Freunden ein Projekt einer Akademie gemacht, welche ein Antipode der deutschen Akademien und Gymnasien.
Pädagogien und wie sie heißen, seyn sollte. Die Wissenschaften, die darin gelehrt werden sollten, wären Philosophie, Geschichte und Mathematik, vor allen die Moral und Politik und die nöthigste Kunst, die Kenntnis der Menschen.”
Mit “einigen Freunden” ist mit Sicherheit Bodmer gemeint aber natürlich auch Künzli. Er war es, der kurz zuvor ja in Winterthur diesen Plan dort in Druck gegeben hat. (nach L.F. Ofterdinger S. 92). Zwar war der Plan ohne Namensnennung veröffentlicht worden. Aber es war doch bald ruchbar geworden, dass er von Wieland stammte. Und so erhielt er vier Schüler, den Sohn des Amtmann Grebel, einen Sohn des Zunftmeister Waser zwei Söhne des Kaufmanns Ott. So konnte er daran denken, bei Bodmer auszuziehen. Er wohnte zunächst bei Doktor Gessner, dem Schwager Bodmers. Vorher war aber etwas für Wieland unfassbares geschehen. Sophie hatte ihre Verlobung gelöst und Wieland mitgeteilt, dass sie Frank La Roche heiraten werde.
Es war ja schon oben gezeigt, dass Wielands Mutter alles andre als begeistert war mit Christoph Martins Wahl. Ludmilla Assing, die erste Biographin von Sophie (Siehe Blog Sophie von La Roche) bemerkt dazu in “Sophie von La Roche, die Freundin Wielands”
auf Seite 61 “Das Betragen von Wieland’s Mutter erreichte einen unerträglichen Grad der Gehässigkeit.” Sophie ging also zurück zu ihrem Vater nach Augsburg. Aber auch dort hatte sich die Situation total geändert. Sophies Vater hatte sich wieder verheiratet.
Das ohnehin schon schwierige Vater-Tochter Verhältnis wurde noch zusätzlich dadurch belastet, dass er seinen Stiefsohn bei seiner Wiederverheiratung als Erben eingesetzt hatte. Sophie stand nun auch unversorgt da. Sie war “schon” 23 und die gelöste
Verlobung mit Bianconi und die eigentlich wenig zukunftsträchtige Verbindung mit dem jungen Dichter, der wie Vater Gutermann meinte, nie “Brodwissenschaft” studieren wollte, erhöhte ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt keineswegs.
Als sie auf Drängen ihres Vaters die Verlobung mit Bianconi gelöst hatte, wollte ihr Bräutigam Sophie zur Flucht überreden. Christoph Martin hätte diese Kraft und Entschlossenheit, die zu einem solchen Entschluss nötig gewesen wäre,
nicht aufgebracht und Sophie wusste das. Und Wieland saß ja auch völlig glücklich in Zürich und ahnte nicht, was sich in Biberach und Augsburg anbahnte. Sophie schrieb nun an ihre Stiefmutter in Augsburg und erklärte ihr, dass die Verbindung mit Wieland gelöst
sei und kündigte ihre Rückkehr nach Augsburg an. Zu dieser Zeit war Frank von La Roche, der kurmainzische Rat und Sohn des Grafen von Stadion in Augsburg. Er lernte die Familie Gutermann und damit auch Sophie kennen. Er warb um sie. Vater und Stiefmutter
setzten Sophie stark unter Druck und schließlich gab sie nach. Auch Frank La Roche war katholisch. Aber bei Georg Friedrich Gutermann spielte das diesmal keine Rolle mehr. Es gab auch keinen Ehevertrag wie bei Bianconi, der die Verbindung zum
Platzen brachte. Man hat den Eindruck, dass der Vater einfach froh war, dass die Tochter aus dem Haus kam, zumal der künftige Gemahl ja auch keine schlechte Partie war. Für Sophie musste es eigentlich schon befremdlich sein, dass ihr Vater diesmal
seinen protestantischen Religionseifer nicht herauskehrte, obwohl sie ja mit Christoph Martin verlobt war und der ja protestantisch war.
Wieland erfuhr das alles erst im Dezember 1753 eben über den Brief, den Sophie an ihre Stiefmutter geschickt hatte. Diesen hatte die Stiefmutter an Wieland geschickt begleitet von der Mitteilung, dass Sophie Herrn von La Roche ihre Hand geben würde.
Der junge Wieland ist natürlich aus seinen schönsten Träumen gerissen. Er zertritt Sophies Bild, lässt das Glas allerdings gleich am nächsten Tag wieder reparieren. Er fasst sich und schreibt am 12. Dezember 1753 an Sophie:
“Erlauben sie mir, meine Wertheste, Sie daran zu erinnern, dass wir uns tausendmal in dem Angesicht Gottes zugesagt haben, uns so lange zu lieben, als wir die Tugend lieben und wir meinten damals, dass das soviel sey, als ewig. Sollte diese Zusage
itzt ungültig seyn?” (C.M. Wielands Briefe an Sophie von La Roche, herausgegeben von Franz Horn S. 25/26) 6 Wochen später, nämlich am 30. Januar 1754 schreibt er wieder an Sophie. Er rekapituliert sein Schreiben vom Dezember “Ich kam also dann
zu dem mir sehr angelegenen Punkt, daß ich nicht einsehen könne, daß die zärtliche Verbindung unserer Seelen, oder unserer Freundschaft um Ihrer Vermählung willen gebrochen werden müsse; indem eine herzliche, edle Freundschaft, welche zugleich
mit vielen unterhalten werden kann, sich mit der ehelichen Liebe zu Einem gar wohl verträgt, und ich Ursache habe zu glauben, daß ich Ihrer Freundschaft noch so würdig bin als vor einem Jahr” (ebda S. 29). Am 19. März 1754 schreibt er
direkt an La Roche. Er bringt darin zum Ausdruck, dass er sich sehr freut, dass Sophie, “dieses außerordentliche werthe Geschöpf” an einen “so edelmüthigen und seinen Werth so gut empfinden Besitzer gekommen ist, wie Sie mein vortreffleicher Freund”
(ebda S 32.)Natürlich teilt er seinem väterlichen Freund Bodmer mit, dass die Beziehung nicht mehr besteht. Er schreibt ihm am 2. Juni 1754 von Winterthur aus. Er sieht das Aus nicht als Sophies Schuld, sondern “daß es ein Schicksal ist, das mich
des redlichsten und liebenswürdigsten Mädchen beraubt hat” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 1, Zürich 1815 S. 132)
Am 24. Juni 1754 verläßt er Bodmers Haus. In seinem Brief an Bodmer mit diesem Datum bringt er seine tiefste Dankbarkeit zum Ausdruck und sagt, dass er eigentlich noch weit mehr sagen wollte, dies aber “aus Furcht der geringsten Ähnlichkeit mit einem
Schmeichler” nicht tut und dann weiter “Sie haben die ganze Güte Ihres vortrefflichen Herzens über mich ausgebreitet; Sie waren väterlich für mich besorgt und nahmen den zärtlichsten Antheil an meinen unglücklich scheinenden Begebnissen”
(er spielt dabei auf Sophie an) er bezieht in seinen Dank auch Bodmers Frau ein wie wohl er sagt “ich bin nicht im Stand mit Worten so viel als ich wünsche, alle zärtliche Dankbarkeit auszudrücken, die ich für die ausnehmende Güte der Frau Professorin
gegen mich in vollem Maße empfinde” (ebda S. 135 ff.)
Außer den schon erwähnten Werken schrieb Wieland während seines Aufenthalts bei Bodmer “Der Frühling” (im Mai des Jahres 1752 aufgesetzt und in Band 1 der Poetischen Schriften s.o. gedruckt.) Der Fryhling in Bodmerscher Schreibweise müsse
Klopstock in den Schatten stellen. Er schrieb an Zellweger “ein allerliebstes Werk, das bei Klopstock den Gedanken erwecken muss, es sei einer da, der ihm gleichkommen oder in gewissen Stücken übertreffen könne” am 17. Mai 1752.
Zurück zu Wielands Tätigkeit als Erzieher. Er nahm diese Tätigkeit sehr ernst und er hatte diesbezüglich schnell einen enormen Ruf in Zürich. So erzählt Georg Gessner in seiner Johann Kaspar Lavaters Lebensbeschreibung, Winterthur 1802 Bd. 1
auf Seite 63 von der Zeit als Wieland nach Zürich kam, dass auch Lavater von dem Aufsehen erfuhr, das Wieland erregte. “Da erzählten sich die Knaben unter einander von dem Manne, der so viele Sprachen verstühnde, der mit dem blossen Blick
ein Zimmer ausmessen, und sagen könnte wie viele Linsen d’rin Raum hätten. Der Mann nähme Schüler an aber nur vornehme und ausgesuchte Köpfe; er lehr’ in Einem Tag mehr als andere in Wochen u.s.w” . Natürlich erregte “dieses Gerede” über Wieland
auch Lavaters Interesse ohne dass er zu der Zeit zu näherer Bekanntschaft mit ihm kam.
Ab Juni 1754 lebte Wieland im Haus des Amtmann Grebels, dessen Sohn ja schon zu seinen Zöglingen zählte. Nach Ofterdinger wurde Wieland als höheres Wesen betrachtet und Frau von Grebel unterstützte ihn in allem.
Es war dies eine Zeit großer Veränderung in Wielands Leben. Er war von seinem väterlichen Mentor weg gezogen. Er war nun als Erzieher tätig und vor allem , er musste die Trennung von Sophie verarbeiten. In diesen Jahren von 1754 erschienen teils poetische, teils
philosophische Werke. Über die Kritik an diesem Werk von Nicolai und Lessing ist ja oben schon geschrieben worden.
Wieland studierte die Schriften der griechischen Philosophen, um sich in der griechischen Sprache gründlich auszubilden. Auch englisch lernte er, was er schon in Tübingen am 26. März 1752 in einem Brief an Schinz angekündigt hatte. “ Ich werde
nächstens das Englische zu lernen anfangen. Ich brenne vor Begierde, Milton, Pope, Addison, Young, Thomson in ihrer Sprache zu lesen.” (Ausgewählte Briefe, S.55).
Sein neuer Wirkungsbereich war zeitaufwendig für Wieland. In einem Brief an Johann Georg Zimmermann vom 15. Dezember schildert er seinen Tagesablauf. Er steht morgens um 7 auf, braucht aber nach eigenem Bekunden etwa eine Stunde,
bis er in die Gänge kommt. “Um acht Uhr dejeunire ich und lese insgemein etwas dazu.” Von neun bis elf unterrichtet er und bis zwölf erledigt er kleinere Arbeiten. “Bis nachmittags um zwey pflege ich nichts zu arbeiten”. Dann folgt wieder Unterricht.
Danach muss er seinen Freundeskreis pflegen, das heißt er bekommt Besuche oder er macht Besuche. Auch seine Hausherren (“Hauspatrone”) bekommen Besuch und er muss der Höflichkeit halber dabei sein. Auch gesellschaftliche Pflichten fordern ihren Tribut.
“Ueberdem sind etwan ein halb Dutzend Häuser, wo ich um allerley Verbindungen willen von Zeit zu Zeit einen Besuch machen muss.” Er beklagt sich im weiteren, dass zu seinen Arbeiten nur ein paar Abende und “die Stunden der Nacht, die ich dem Schlaf zu
entwenden pflege”(Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 1, Zürich 1815 S. 230 ff.) Die wenige Freizeit, die ihm blieb, verbrachte er in Damengesellschaft. In seinem männlichen Bekanntenkreis stieß sein seraphischer Gedankenflug, auf dem er seit seiner
Trennung von Sophie war, auf leise Ironie. Aber dankbare Zuhörerinnen fand er unter Damen reiferen Alters. Da war zum einen eine ältere Verwandte im Hause Grebel,”welche schon längst mit dieser Welt abgeschlossen hatte und sich nur mit dem Jenseits
befasste”. (zitiert nach L.F. Ofterdinger S. 106). Wieland sagte selbst “er lebte in platonisirenden Morgenträumen” harmonierte gut mit “der Devotin”. Ihr zu Gefallen dichtete er die “Empfindungen eines Christen”, die auf so herbe Kritik Lessings stießen. In
Weimar äußerte er sich später dazu: “Als mir später die Schuppen von den Augen fielen, ergrimmte ich besonders über diese heilige Prüderie und affectirte Züchtigkeit und die Marter, die mir damals jene tantalisirende Fromme, mit der ich unter Einem Dache
wohnte, angethan hatte, die Erfahrungen, die ich damals gemacht hatte, haben gewiß vorzüglich viel dazu beigetragen, daß ich zu meinen Gedichten dem Anschein nach so wollüstige und lockende Themen genommen und con amore (aber immer mit dem reinsten
sinne) ausgemalt habe.” (Historisches Taschenbuch, Band 10 von Wilhelm Maurenbrecher,Friedrich ¬von Raumer S. 398 Wieland über seine Geliebten). Wichtig war für Wieland aber vor allem Frau von Grebel-Lochmann. Ihr verstorbener Mann war ein Vetter
des Amtmann Grebel, bei dem er wohnte. Wieland selbst sagt über Frau Grebel “Meine feurigste Liebe in Zürich war zu einer Frau von Grebel,
einer jungfräulichen Witwe von 40 Jahren” ( Historisches Taschenbuch S. 399)und ab S. 401 “Nur hielt es sehr schwer, Sie unter vier Augen zu sprechen. Zu ihr zu gehen, wäre nach zürcher Wohlstandsgesetzen ein Staatsverbrechen gewesen.
Nun hatte sie einen Neffen und man kam überein, dass Wieland diesem ein Privatissimum in Philosophie erteilte. Dadurch erhielt Wieland das Recht, ihr Rechenschaft über die Fortschritte ihres Neffen zu geben. Dieser fungierte praktisch als Postillon
d’Amour. “Der Herr Vetter brachte nur immer ein zugesiegeltes Buch von seiner Tante und ich schickte ihr eines durch eben diesen Botschafter. Aber in diesen Büchern lagen immer gegenseitige zärtliche Briefchen. Bald kam es soweit, dass fast kein Tag,
ohne in einem Briefchen uns gegenseitig gestreichelt zu haben verfloß.” (Historisches Taschenbuch S. 402). Beiden war klar, dass ihre Beziehung keine Zukunft hatte. “Die Ungleichheit des Alters war das größte Hindernis (ebda.) Die Beziehung
dauerte 4 Jahre. Dann warb ein Züricher Witwer um sie. Frau Grebel machte Wieland “zum Vertrauten dieses Antrags” und er riet “selbst herzlich zu dieser neuen Verbindung” zumal Alter und Vermögen dafür sprach. Und Wieland konstatierte
“So endigte diese Liebe”. Natürlich hatte dem sittenstrengen Bodmer diese Frauenbekanntschaft missfallen. Aber Wieland verteidigte diesen Umgang. “Ich verdiene keine Vorwürfe wegen meines Umgangs mit Frauenzimmern. Es sind wenige,
und Personen von gutem Charakter und bekannten edlen Sitten, mit denen ich umgehe oder umgegangen bin.” (im Brief an Bodmer vom 22. November 1754 Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 1, Zürich 1815 S. 144). Bodmer war wohl
einfach eifersüchtig. Er fühlte sich zurückgesetzt und war eben nicht mehr einziger Vertrauter des Dichters. Auch befürchtete er, dass Wieland seine Zeit vergeude statt sich um Poesie und guten Geschmack zu kümmern. Zwar blieb der Verkehr immer noch rege.
Wieland kam jeden Sonntag auf Besuch zu Bodmer oder traf ihn bei Breitinger. Er lieh sich nach wie vor Bücher bei Bodmer für sein Studium. Aber die Beziehung war doch brüchiger geworden. Über Frau von Grebel kam Wieland in vielerlei Gesellschaften und
sein Bekanntenkreis weitete sich. Er nahm Kontakt auf mit dem Fabeldichter Meyer von Knonau. Schon von Tübingen aus erkundigte sich Wieland bei Bodmer über Meyer von Knonau. Dass Wieland jetzt den Kontakt suchte, verwundert nicht. Wilhelm Scherer
arbeitet in der Zeitschrift für Deutsches Altertum in Heft 20 das Beziehungsgeflecht heraus. (S. 320 ff). Er bezieht sich auf Wielands Brief an Bodmer vom 29. Mai 1754, indem er mitteilt, dass er einen Brief “von der Frau Gr. G.” erhalten habe und gesagt bekommt,
dass er im Constanzer Haus Unterkommen erhalte. Und dann erläutert Scherer, dass Frau Amtmann Grebel die Frau des Amtmann Hans Georg Grebel im Constanzer Haus ist. Er wird Erzieher des Sohnes des Amtmann und Frau Grebel ist wie eine zweite Mutter zu
ihm. Sie ist die 1713 geborene Verena Meyer von Knonau, eine Schwester des Fabeldichters Johann Ludwig Meyer von Knonau, der ja auch mit Bodmer befreundet war. Der Dichter bewohnte das Schloss seiner Gerichtsherrschaft von Weiningen, wo dann Wieland
auch oft zu Gast war. Auch Salomon Gessner wollte Wieland schon lange kennen lernen. So lange er bei Bodmer wohnte, hielt er es allerdings für nicht opportun. Gessner hatte einen großen Ruf als Idyllendichter. In Frankreich wurde er fast noch mehr bewundert
als in Deutschland. Sein Vater Konrad war Verleger. Salomon war seit 1761 Teilhaber des Verlagshauses Orell, Geßner & Cie bei dem ja auch Wielands frühe Werke erschienen. Schließlich gab es später familiäre Verbindungen, den Salomon Gessners Sohn Heinrich
heiratete 1795 Wielands Tochter Lotte. Die wichtigste Bekanntschaft die Wieland in dieser Zeit machte, war die mit Johann Georg Zimmermann, der zu der Zeit Stadtarzt in Brugg war. Über Breitinger hatte Wieland von dem Arzt in Brugg gehört. Was er von ihm
hörte, ließ ihn auf Seelenverwandtschaft schließen. Der Brief vom 11. Mai 1756 ist der erste erhaltene Brief an Zimmermann. Da schreibt er “Es war mir ausnehmend erfreulich, von Ihnen eine Betätigung meiner eigenen Beobachtungen zu erhalten,dass wir
in vielen Stücken mit einander sympathisieren. Wie kann ein Mann, dessen Empfindungen so zart und edel sind, anders als mit mir verwandt seyn.” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 1, Zürich 1815 S. 175 f.) Über Breitinger hatte Wieland
auch von Zimmermann Gedicht “Die Zerstörung Lissabons” gehört, dass dieser über alle Maßen gelobt hatte. Wieland bot sich im Brief von 19. Mai 1756 an, “die Correktur des ersten Probebogens besorgen zu dürfen” (S. 178) Daraus entwickelte sich eine beständige
Korrespondenz. Sie schickten sich gegenseitig ihre Werke zu und kritisierten sie. Zimmermann hatte in Göttingen Medizin studiert, wo er Schüler seines Schweizer Landsmanns Albrecht von Haller war, der Mediziner, Botaniker und Wirtschaftspublizist
war. Aber auch als Dichter tat er sich hervor. Auf diesem Gedicht war sein Werk “Die Alpen” das wichtigste. Zimmermann schreibt immer wieder an Haller, gibt ihm Hinweise auf Wielands Werke und möchte auch Hallers Meinung zu Johanna Gray erfahren.
Hallers Urteil hat sicher Zimmermanns Einschätzung zu Wieland beeinflusst. Beide beeinflussten sich sehr positiv. Der Spott Zimmermanns brachte Wieland dazu, den “platonischen und seraphischen Mantel abzuwerfen” (Rudolf Ischer, Johann Georg Zimmermanns
Leben und Werke Bern 1893 S. 65). Natürlich erweiterte der Briefwechsel mit einem Arzt und Naturforscher Wielands Horizont beträchtlich.Auch andere Lektüre kam allmählich auf Wielands Leseplan. Er las jetzt Xenophon und Lucian, englische Schriftsteller,
Shaftesbury und vor allem Shakespeare. 1758 erscheint das Trauerspiel Lady Johanna Gray. Wieland verfasste es nach Nicolas Rowe. Lessing bemerkt in seinem 64. Literaturbrief, dass Wieland sich bei Rowe bedient habe. Aber im 63. Brief von 1759
schreibt er auch auf Seite 242 “Freuen sie sich mit mir! Herr Wieland hat die aetherischen Sphären verlassen und wandelt wieder unter den Menschenkindern”. Er schreibt dann weiter mit leicht ironischem Ton,
dass es in der Schweiz aufgeführt worden sei. Es wurde von der Ackermannschen Theatertruppe am 20. Juli 1758 in Winterthur uraufgeführt. Wieland war bei der Aufführung anwesend. Wieland hat mit diesem Werk erstmals in der deutschen
Literatur den Blankvers, übernommen,der damals auf der englischen Bühne üblich war. Gleichzeitig arbeitete er an einem Epos, nämlich “Cyrus”.Es war von Xenophon inspiriert. Cyrus war der persische Herrscher, der das jüdische Volk aus der
babylonischen Gefangenschaft entließ.Das Vorbild aber war Friedrich II. von Preußen, der im Kreise Bodmers als Streiter gegen den Katholizismus gefeiert wurde.Wieland hielt den Cyrus für sein erstes Hauptwerk. Es folgte das Trauerspiel Clementina von Poretta,
das er nach einer Erzählung von Samuel Richardson dramatisiert hatte. Es erschien 1760 in Zürich.
Inzwischen waren Wielands Zöglinge im Hause Gröbel so groß geworden, dass seine Aufgabe dort zu Ende ging. Er musste sich also nach einer neuen Existenzgrundlage umsehen. Vor einem akademischen Lehramt “grauete und ekelte es sich ihm” wie er sagt
Er denkt daran, nach Biberach zurück zu kehren dort seine angefangenen Werke, vor allem den Cyrus zu beenden und sich eventuell um eine Magistratsstelle zu bewerben, wenn sich die Gelegenheit ergibt oder anderswo als Literat zu leben und eine gelehrte
Zeitschrift zu redigieren. Ganz unverhofft bekam er aber ein Angebot für eine Hofmeisterstelle in Marseille. Zimmermann war 1752 nach Bern gekommen, um dort eine Praxis zu eröffnen. Er hatte ein Empfehlungsschreiben seines Lehrers an den Schultheißen
Sinner bekommen.Und das war auch der, der einen Erzieher für seinen Sohn suchte. Wieland schwankte zwischen Marseille und Bern. Er entschied sich aber für Bern. Sein doch schon längerer Aufenthalt in der Schweiz und die Freundschaft zu Zimmermann
haben wohl den Ausschlag gegeben.
Wieland kam 14. Juni 1759 in Bern an. Er war jetzt 26 und hatte auch in Bern einen guten Ruf und jeder wollte ihn kennen lernen. Friedrich Sinner, dessen Kinder der Dichter erziehen sollte, war Ratsherr in Bern und später amtierender Schultheiss.
Er hatte eine große Bibliothek, wie Wieland seinem Freund Zimmermann erzählt und auch eine bedeutende Gemälde-und Kupferstichsammlung. Über seine neue Aufgabe ist er aber nicht sehr glücklich. Am 25. Juni 1759 schreibt an seinen Freund:
“Die Knäblein * * sind so unwissend, ungeschickt, kindisch und ungelehrig, daß ich nie aufhören werde, mich und meine verlorene Zeit zu bedauern.” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S. 41) und am 4. Juli schreibt er ““:
“Wenn das Amt , alle vier Tage vier Stunden in den Elementen der Grammatik zu unterweisen, lange fortdauerte; so würde der Geist, der den Cyrus denken, und mit Shaftesbury Diderot und Rousseau wetteifern soll, gänzlich verlöschen oder
wenigstens zum Pygmäen werden.” (ebda S. 47) Wieland hatte rasch Freunde gewonnen so die Ratsherren Bonstetten, Fellenberg und Tscharner sowie Professor Stapfer aus der Berner Theologenfamilie Stapfer. Diese sahen, dass die neue Tätigkeit dem Dichter
Wieland nicht förderlich war. In diesem Sinne wirkten sie auch auf Herrn von Sinner ein. Das Verhältnis im Hause Sinner wurde schon im Juli freundschaftlich gelöst. Sie verschafften ihm dafür ein Kollegium in Philosophie. Er hielt vier jungen Patriziern mit
Vorkenntnissen täglich zwei Stunden Vorlesungen. Dafür erhielt er 200 Kronen. Seine Existenz war so gesichert und er behielt genug Zeit für sich, zu arbeiten. Wieland wurde gleich von Beginn an in der Berner Gesellschaft herumgereicht. Das war zwar
erfreulich aber eben auch mit sehr viel Ablenkung verbunden. Auch auf zwei Damen wird er hingewiesen und zwar die Freundinnen Marianne Fels und Julie Bondeli. Beide zeichneten sich durch Geist und Gelehrsamkeit aus. Marianne Fels zeigte nach Ofterdinger
allerdings einen so ausgeprägten Männerhass, dass sich daraus keine bleibende Beziehung entwickeln konnte, anders Julie Bondeli. Allerdings war Wielands erster Eindruck nicht besonders gut. Über sie schreibt er an Zimmermann : “ Mademoiselle Bondeli
a parfaitement réussi à m’ennuyer pendant deux heures continues. C’est une fille éffroyable que cette Mademoiselle Bondeli (ebda. S 49 f.). Aber bei der ersten Begegnung wollte eben jeder einen möglichst günstigen Eindruck machen oder wie Ofterdinger
das schildert: “sie wollte durch ihre Gelehrsamkeit imponiren, was bei einem Manne wie Wieland lächerlich herauskam; er aber zeigte sich als ein berühmter Dichter ,“der alle Frauen durch die Superiorität seines Genies zwingen könne, ihn bon gré mal gré
zu lieben” (Ofterdinger S.130) Das änderte sich aber rasch. Wieland sagte später dazu “ Meine leidenschaftlichste Liebe war die Bernerin Julie Bondeli, die älteste Tochter eines Patriciers von sehr vornehmen Stamme und die witzigste und klügste ihres Geschlechts in der Schweiz. (in Historisches Taschenbuch 10 S. 403 f.) Wer war diese Frau, die Wieland sehr schnell völlig anders beurteilte? Julie Bondeli wurde im Dezember 1731 geboren. Die Kirchenbücher geben nur den Tauftag aber nicht den Geburtstag an.
Julie wurde am 1. Januar 1732 getauft. Sie war also ein Jahr älter als seine große Liebe Sophie. Sie war in ihrer geistigen Entwicklung ähnlich frühreif wie Sophie und auch Christoph Martin. Mit zehn hatte sie den katholischen und den protestantischen Katechismus
auswendig gelernt “ da sie in einem paritätischen Land lebte” (in Julie Bondeli: Die Freundin Rousseaus und Wielands von P. J. J. Schädelin Bern 1838 S.8) Ihre Jugend verbrachte sie auf dem FamiIiengut Buchsi in Köniz bei Bern. Dort wurde sie von Samuel Henzi
unterrichtet, ein außerordentlich gebildeter Mann, der auch Bodmer in seinem Streit mit Gottsched unterstützte. Henzi wurde 1749 als einer der Henzi-Verschwörer hingerichtet. Julies Vater musste Henzi als dieser in Burgdorf war, in seiner Eigenschaft als
Schultheiss von Burgdorf verhaften und nach Bern überführen, obwohl er auf sein sehr freundschaftliches Verhältnis zu Henzi hingewiesen hatte. Als ihr Vater Friedrich Landvogt in Burgdorf wurde, kam sie auch nach Burgdorf. Dort wurde sie von
Pfarrer Johann Rudolf Gruner unterrichtet. Er war Sammler und Chronist. In Burgdorf führte er ein Schulfest ein und begründete die Stadtbibliothek. In 386 Bänden trug er topografische, historische und genealogische Quellen zusammen u. a. die für die
Anfänge des Pietismus in Bern unentbehrlichen “Acta pietistica”. Mit 15 wollte Julie Philosophin werden. Sie entwickelte sich zu einer Intellektuellen. Sie stand in Austausch mit intellektuellen Männern und Frauen und galt in der europäischen Gelehrtenrepublik als
weibliches Genie. In Bern stand sie in Verbindung mit Bernhard Tscharner, den wir oben schon im Freundeskreis von Wieland sahen, dann Johann Rudolf Tschiffeli, der Mitglied der Helvetischen Gesellschaft war, ein Kreis aufklärerisch gesinnter Schweizer
Persönlichkeiten, wo es auch wieder viele Querverbindungen zu Wieland gibt. Tschiffeli hatte 1759 die ökonomische Gesellschaft begründet. Dieser gehörte auch Nicolaus Anton Kirchberger an. Und auch er zählte zu Julie Bondelis Freundeskreis und war seinerseits
wieder eng mit Rousseau, aber auch mit Wieland befreundet. Mitbegründer der Ökonomischen Gesellschaft war auch Samuel Engel. Er war Bibliothekar, Geograph und Ökonom und war auch in diesem erlesenen Kreis. Hier wurden historische, philosophische und
dichterische Arbeiten vorgelesen und besprochen. Julie beherrschte diesen Kreis. Tscharner schrieb an Zimmermann “Mademoiselle Bondeli ist ohne Widerspruch die Seele dieser liebenswürdigen Gesellschaft, welche Freundschaft und Übereinstimmung des
Geschmacks zusammenhält.” (Julie von Bondeli und ihr Freundeskreis von Eduard Bodemann Hannover 1874 S.10).Wieland entflammt für Julie, sie aber hält sich zurück, wie er Zimmermann am 24. Juli 1759 schreibt “Die Jungfer Bondeli ist eine prude par
principes, und will nichts von Liebe hören. Sie ist meine Freundin und ich soll ihr Freund seyn. So Sey es denn so” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S.59).
Er schreibt an Zimmermann auch über die Schwierigkeiten die er sieht, eine Ehe mit Julie einzugehen.”Sie würde mich unaussprechlich glücklich machen.Aber ich sehe keine Möglichkeit.Ich müßte auf eine sehr anständige und vorteilhafte Weise etablirt sein,
wenn ich berechtiget seyn sollte, eine solche Prätension zu machen, und bisher ist kein solcher Anschein zu einem solchen Etablissement”(an Zimmermann ohne Datum Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S 109.)
Eine Zeit lang hoffte er, in Biberach eine Stelle zu erhalten. Wegen des damaligen Bürgermeisters ließ sich diese Hoffnung nicht realisieren. Wieland wollte auch auf Zuraten seiner Berner Freunde eine Buchhandlung in Zofingen zu erwerben, die dort zum Kauf
angeboten wurde. Eine Buchdruckerei sollte mit angelegt werden. Da wollte er eigene Werke sowie Sammlungen interessanter Stücke aus Philosophie, der schönen Literatur und Übersetzungen der schönsten Schriften des Altertums und Auslands verlegt werden.
Er dachte zum Beispiel an Xenophon und Shaftesbury. In einem Brief an Zimmermann erzählt er davon (1. Mai 1760).
Aber noch ehe der Kauf getätigt werden konnte, erfährt er von seinen Mutter, dass der Bürgermeister, der Wieland nicht wohl gesonnen war, verstorben sei. Sein Vater teilte ihm dann mit, dass er in Biberach zum Senator gewählt worden ist und zwar einstimmig
und wie der Vater erwähnt, “zur Freude aller evangelischen Bürger” (nach Gruber S.308). Beide Elternteile ermahnen ihn, die Stelle anzunehmen. Julie befand sich da gerade in Neufchatel. Die Abreise erfolgte so schnell, dass sich Wieland nicht einmal
verabschieden konnte. Nach seiner Aussage hatten sie sich aber vorher ewige Liebe geschworen und der Briefwechsel wurde fortgesetzt. (in Historisches Taschenbuch 10 S. 408). Der Briefwechsel kam aber sehr rasch zum Erliegen, wohl auch durch Wielands Schuld.
Allerdings bedeutete sein neues Arbeitsfeld sicherlich auch eine enorme Umstellung für ihn, so dass Briefwechsel-egal mit wem- auch zwangsläufig zunächst mal eher hinten anstand. Wieland schildert auf der gleichen Seite auch wie er nach Biberach kam.
“Ein Herr von Hiller, der Nächste nach dem Bürgermeister in Biberach ein roher Mann, der aber gewisse äußere Talente und männliche Schönheit hatte, bewarb sich um Cateau (die jüngere Schwester von Sophie La Roche). Sophie wünschte ihre jüngere Schwester in der Nachbarschaft in Biberach zu haben und beförderte diese Heirath. Dies war alles während meiner sechsjährigen Abwesenheit in der Schweiz vorgegangen. Die Frau von Hiller hatte eine Stieftochter und legte mit ihrem Manne den Plan an, mich aus der Schweiz nach Biberach zurückzuangeln und mit ihrer Tochter so zu verkuppeln, daß ich ihr Schwiegersohn und Anbeter zu gleicher Zeit würde. Darum erhielt ich die Stelle als Stadtsecretair in Biberach und mußte sie auf dringendes Bitten meiner Aeltern auch annehmen”. (ebda.S. 407 f.) Die Stelle eines Senators war zwar ehrenvoll und auch mit großem Einfluss versehen, eine Lebensgrundlage bot sie aber nicht. Doch wurde kurz nach Wielands Wahl die Stelle des Kanzleiverwalters frei und Wieland bewarb sich und erhielt die Stelle zum 27. Juli 1760. Das war nun mit erheblichen Vorteilen verbunden. So erhielt er eine geräumige Amtswohnung direkt neben dem Rathaus (heute Kugler-Maurer, mit einer Gedenktafel versehen, die wegen des Umbaus des Hauses in den 50-iger Jahren so hoch angebracht ist, dass man sie nur bemerkt, wenn man sie sucht), ein für die damalige Zeit gutes Einkommen. In einem Brief an Bodmer sagt er dazu am 1.10. 1760 “Unterdessen befinde ich mich im Besitz eines der bequemsten Häuser unserer Stadt, bey einer Besoldung von 1000 Gulden, und bey Geschäften, die, wenn nur einmal die jetzigen Troublen vorüber sind, mir sehr wenig Mühen machen werden” (ebda S. 148)(um 1700 hatte ein Gulden die Kaufkraft von zwischen 40 und 50 €) Laut Ofterdinger erfährt Wieland erst später während der Prozesse, wie er zur Stelle des Kanzleisekretärs gekommen ist. Und Wieland erwähnt in seiner Erinnerung nicht, dass seine Mutter in dieser Angelegenheit wohl im Verbund mit
Cateau von Hillern tatkräftig mitgemischt hat. Wieland erinnert sich, dass die jüngere Schwester, “als er mit Sophie umging” schon mit ihm kokettierte. Sie sah auch jetzt, als sie verheiratet war, immer noch gut aus. Aber ihre Ehe war nicht glücklich.
Ihr Mann betrank sich damals fast täglich. Wieland wurde nun zum Seelentröster. Sie wurde für ihn durch “ihre reizende Figur ebenso gut als durch ihr Unglück” interessant und all das schrieb er “in der Aufrichtigkeit meines Herzens immer feuriger und
lobpreisender” an Julie.Sie sah das anders und wohl auch klarer. “und was sie nicht sah, “enthüllte ihr Marianne Fleiß” (Wieland in Historisches Tagebuch S. 408)An Zimmermann schreibt Julie am 4. August 1761”Eine Schwester der Madame Laroche ist die Schuld
seines ganzen Unglücks. Er wurde verliebt in sie, sobald er sie sah; nachdem er drei Wochen in Biberach war, hielt er sie schon für ein Modell der Vollkommenheit und nannte sie eine zweite Panthea. Sie wusste ihn geschickt zu gewinnen und er hätte nicht
Wieland sein müssen, um ihr zu widerstehen.(zitiert nach Bodemann S.64 f). Und Wieland resümiert ernüchtert ”so endete unsere Liebe” (Historisches Tagebuch S. 409) Zwar brachte Zimmermann nochmals eine Versöhnung zustande. Aber seine
Anstellung als Stadtschreiber blieb zunächst nur vorläufig und das dauerte bis 1764. Ein katholische Ratsherr hatte einen Prozess angestrengt, bei dem es um die Gleichstellung der Kanzlei und des Syndikats ging. In einer Stadt, die streng auf Parität achtete, natürlich ein Politikum ersten Ranges. Während des Prozesses war seine Stellung unsicher und zudem musste er des öfteren auch Erfahrungen mit dem Wankelmut seiner Gönner und Freunde machen. Am 7. April 1762 klagt er Zimmermann sein Leid “Ach! mein liebster Zimmermann, wenn Sie wüßten, was ich hier ausstehe, und in was für einem Labyrinth von Verwirrung und verdrießlichen Händeln ich ohne Ausgang herum irre oder vielmehr herumgetrieben werde…Der verdammte Prozess unserer beyden Magistratsanteile über die Parification der Canzley und des Syndicats um dessentwillen ich nun schon zwanzig Monathe lang wie eine Seele im Fegefeuer leide, ist nun dahin gediehen, daß es mich meine Stelle vermuthlich gänzlich kosten wird.” (ebda. S. 174)Ganz so schlimm kam es nicht, aber der Prozess zog sich noch zwei Jahre hin und ging wohl erst dann positiv für Wieland aus, als sich Graf von Stadion in Wien sehr energisch eingesetzt hatte. (Ofterdinger S. 154)
Als Bürgermeister von Hillern 1765 ganz plötzlich verstarb, dachte Wieland eigentlich “durch diese unerwartete Auflösung des Knotens die schöne Witwe meine Frau werden würde” (Historisches Tagebuch S. 410) Allerdings erklärt ihm Sophie, die so Wieland
“nie mit der Eitelkeit ihrer Schwester zufrieden gewesen war”, dass Cateau “zu stolz sei von der Frau Bürgermeisterin zur Frau eines blossen Officials (dazu gehörte der Stadtschreiber) herabzusteigen. (ebda. S. 411)Im Rückblick meint er,dass bei einer
Heirat mit Julie Bondeli “wäre ich im ruhigen Selbstgenusse nie der Schriftsteller geworden, der ich bin” (Ebda. S. 412) und weiter “Ganz unglücklich wäre ich aber gewesen, wenn ich die Hiller zur Frau bekommen hätte. Sie war eine imposante
herrschsüchtige Frau, die in Weimar überall Unmut und Missvergnügen erregt hätte.”
1761 war Wieland Direktor der Evangelischen Komödiantengesellschaft geworden Diese Position war mit seinem Amt als Stadtschreiber verbunden. Im ersten Jahr seiner Theaterleitung lernte er auch die 19-jährige Christine Hogel kennen. Am 22 .
November, dem Fest der Heiligen Cäcilie wurde in Biberach immer ein großes Musikfest veranstaltet, das zwar vom katholischen Teil der Biberacher Bevölkerung ausging. Doch auch die evangelische Bevölkerung beteiligte sich rege. Es war
ein wirklich gemeinsames Fest. Zunächst wurde immer ein Konzert gegeben und zwar ein Teil instrumental und ein Teil vokal. Danach erfolgte ein Ball. Christine war als Solosängerin dabei. Die beiden verliebten sich. Allerdings bezweifelt Michael Zaremba
in “Christoph Martin Wieland,Aufklärer und Poet, Köln 2007” auf Seite 118 diese Datierung, da Obereit (der Entdecker der Handschrift C des Nibelungenlieds) Bodmer über die neue Beziehung Wielands schon im September informiert hat.
Der anbahnenden Beziehung stellten sich gleich zwei Hindernisse in den Weg. Christines Eltern waren nicht wohlhabend. Der Vater war Säcklermeister und katholischer Mesmer. Eine erzkatholische Familie der künftigen Braut und eine nicht weniger strenggläubige protestantische Familie des Christoph Martin machte die Lage nicht einfacher. Dazu waren weitere konfessionelle Verwicklungen sozusagen auf höherer Ebene zu erwarten. Die Taufpaten Christines waren Hieronymus Eberhard von Brandenburg und Maria Anna Christina von Settelin, beides einflußreiche katholische Patrizier. Christines Vater war Mitglied der vom katholischen Patriziats gegründeten Bruderschaft vom Heiligen Blut Christi, die die Biberacher Blutreiter beim Weingartner Blutritt
stellten. Wielands Vater wieder war der höchste evangelische Geistliche der Stadt. Wieland stellte nun Christine als Haushälterin bei sich ein. Das beflügelte natürlich in dem kleinen Städtchen den Klatsch. Der Dichter aber erlebte einen wahren Schaffensrausch.
An Zimmermann schreibt er am 20. Dezember 1762 “Es wundert sie billig, daß ich in den unbegreiflich tollen und ermüdenden Umständen des 1761 und 1762 Jahrs den Agathon schreiben konnte. Verwundern Sie sich weniger oder mehr, wenn ich
Ihnen sage, daß es eine kleine Zauberin war, die dieses Wunder wirkte. Ohne sie würde ich tausendmahl unter der Last der Verzweiflung erlegen, oder in Anstößen von Trübsinn, Unmuth und Wildheyt auf verderbliche Extremitäten gefallen seyn….
aber ich bitte Sie, lassen Sie mir meine Zauberin, ich will Ihnen dafür aber auch gewiß versprechen, daß ich nicht bey meiner Haushälterin schlafen will” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S. 203 f.)
Allerdings hat er sich nicht daran gehalten, denn Christine wurde schwanger.Aber eine Heirat war aus beruflichen, konfessionellen und gesellschaftlichen Gründen heikel. Der katholische Magistrat wollte keine Verbindung katholischer Mädchen mit
Männern anderer Konfession dulden. Die Protestanten, denen Wieland sein Amt verdankte, waren wegen des Skandals verärgert. Wieland hätte wohl nur in einem Prozess gegen beide Magistrate die Heirat erzwingen können und das hätte ihn wahrscheinlich
Amt und Bürgerrecht gekostet. Über Sophie bat er den Grafen von Stadion, ihm eine Dispens zu erwirken. Sophie brachte Christine erst mal bei den Englischen Fräulein in Augsburg unter. Durch eine Indiskretion war Christines Zustand dort bekannt geworden
und sie konnte nicht länger bleiben. Wieland wollte sie durch einen Vertrauten abholen lassen, aber Christines Vater war ihm zuvorgekommen. Über Kloster Rot reisten sie zurück.Dort war ihr Bruder als Pater Sigismund im Kloster. Er vermittelte
Vater und Tochter beim Abt, das war Mauritius Moriz, eine Audienz. Wieland war wohl von seinem Vertrauten über die neue Situation informiert. Wieland eilte sofort nach Rot, doch Vater und Tochter waren schon auf dem Weg nach Biberach.
Aber Wieland erhielt nun seinerseits eine Audienz beim Abt. Dieser, ein gebürtiger Biberacher, war mit den verzwickten konfessionellen Verhältnissen in der kleinen Reichsstadt vertraut. Abt Mauritius brachte Wieland großes Verständnis
entgegen und sah eigentlich keinen Hinderungsgrund für eine Ehe unter der Voraussetzung, dass Christoph Martin die Kinder in der katholischen Religion erziehen ließ, was ja auch alles andere als einfach gewesen wäre. Und dann wies er
darauf hin, dass dieses nicht seiner Kompetenz unterliege, sondern ausschließlich dem Dechanten in Biberach. Er habe auch schon Vater und Tochter geraten, sich ausschließlich an diesen zu wenden. Wieland hatte nun auch eine
Unterredung mit dem Dechanten, die der Büchsenmacher Johann Daniel Dettenrieder vermittelte. Dieser war auch Amateurschauspieler. Er entwickelte unter Wieland sein Talent und machte zusammen mit seiner Frau Felicitas unter dem
Künstlernamen Abt eine große Karriere. Wieland machte noch einen zweiten Besuch beim Roter Abt. Da wurde er von dem Kenner der Biberacher Verhältnisse davon überzeugt, dass es das beste wäre, auf Christine zu verzichten. Wieland
sagte zu und hielt sich daran. Christine kam in Ulm nieder. Wieland hatte Sophie die Patenschaft angeboten. Die kleine Tochter wurde auf den Namen Cäcilia Christine Sophie getauft, starb aber bald nach der Geburt.
Wielands Mutter sah nun dringenden Handlungsbedarf, zumal es im “Wielandschen Prozess”, wie Ofterdinger das nennt, zu einem Vergleich gekommen war und damit Wielands finanzielle Situation gefestigt war.
Zudem war Christoph Martins Bruder gestorben, was ein weiterer Grund war, auf eine Ehe zu drängen. Er erzählt am 29. August 1764 Gessner vom glücklichen Ende des ihn sehr belastenden Prozesses und fährt dann fort:
“nun geht mir von den Bedürfnissen des menschlichen Lebens nichts ab, als ein Weib, und da ich durch den Tod meines Bruders die Ehre habe, der einzige von meiner Familie zu seyn, so werde ich von meinen lieben alten Eltern
über diesen Punkt so sehr in die Enge getrieben,daß ich bald genöthigt seyn werde, in die ganze Welt um ein Weib auszuschreiben.” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S. 252) Am 5. November 1765
schreibt er ebenfalls an Gessner: “…ich habe ein Weib genommen oder eigentlicher zu reden, ein Weibchen, denn es ist ein kleines, wiewol in meinen Augen ganz artiges, liebenswürdiges Geschöpf, das ich mir, ich weiß nicht recht wie,
von meinen Eltern und guten Freunden habe beilegen lassen. Es ist nun so, ich bin zufrieden; meine Mitbürger auch, denn diese können nicht wol leiden, wenn ihre Vorgesetzten unbeweibt sind.-“ (abgedruckt bei J.G. Gruber, C.M.Wielands
Leben, Leipzig 1827 S. 400)Anna Dorothea Hillenbrand wurde am 28.07. 1746 als Tochter des Augsburger Bankiers und Kaufmanns geboren. Zwar schreibt Zaremba, dass die neunzehnjährige Anna Dorothea nicht mit Geld aber mit neun Geschwistern gesegnet
war. Zu den Armen Augsburgs hat sie aber sicher auch nicht gezählt. Ihr Vater war Patrizier und Ratsherr und zählte so zur Augsburger Führungsschicht und Peter Fassl sagt in seinem Buch Konfession, Wirtschaft und Politik, dass die Augsburger Kaufleute Laire,
Hillenbrand und Obwexer, die führende Stellung im Textilgroßhandel innehatten und 1757 erhielten sie von Kaiser Franz den Adelstitel und im Wappenbrief steht: “Sie drey GebrüderDavid, Johann Balthasar und Johann Hillenbrand selbsten aber haben sich von
Jugend auf angewendet, in allen und jeden wohlanständigen Sitten, Tugenden und besonders in dem Wechsel- und Mercantil-Negotio sich wohl erfahren, tauglich und geschickt zu machen; in Betracht dessen auch herrn David Hillenbrand von dem Magistrat
mehrbenandterStadt Augsburg eine bürgerliche Stadt Hauptmanns-Stelle ertheilt worden, welche Er zu jedermanns Zufriedenheit, mit allem Ruhm und unermüdeten Eifer verwaltet, sofort nebst Seinen zweyen Brüder Johann Balthasar und Johann Hillenbrand
durch die Gnade Gottes, und mit Ihren unaussezlichen Fleiß es dahin gebracht, daß Sie sowohl in ganz Deutschland, als Italien, sonderlich aber in Toskana ein starkes Wechsel und ein gros Mercantil-Negotium treiben, und dabei in bester Reputation und Credit
stehen, auch andurch bey dem Publico sich vieles Lob erworben” (abgedruckt in www.heinle.news.de) Am 21. Oktober 1765 fand die Heirat in der Biberacher Stadtkanzlei statt. Christoph Martins Vater vollzog die Trauung.
Gehen wir aber, nachdem wir wie im Historischen Tagebuch 10 ein Kapitel lautet “Wieland über seine Geliebten “ , Wielands Frauenbeziehungen betrachtet haben, wieder chronologisch vor. Ein wichtiges Ereignis gleich
zu Beginn von Wielands Biberacher Zeit war sicher der Kontakt zu Friedrich Graf von Stadion in Schloss Warthausen. Am 11. Februar 1763 schreibt er an Zimmermann:” Biberach ist, ungeachtet verschiedner nicht geringer Vortheile,
die mir selbst gewiss sind, schlechterdings der Ort nicht, wo ich bleiben kann…” und dann weiter ” Hier gehen meine Talente für das Publikum verloren. Unter solchen Zerstreuungen, bey einem solchen Amte, ohne Bibliothek,
ohne Aufmunterungen, was kann ich da thun?” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S.209 f). Als er Cateau von Hillern diesbezüglich sein Leid klagte, erzählte sie ihm, wie geistreich das Leben auf
Warthausen sei. Ihre Schwester Sophie war ja Gesellschafterin am Hof des Grafen. Er hatte zwar in dem oben zitierten Brief vom 12. Dezember 1753 geschrieben “und uns ungeachtet wir uns, wie ich hoffe, in dieser Welt nimmer sehen werden”.
Aber das war ja in Anbetracht der geplatzten Verlobung. Er rang sich zu einem Brief an Sophie durch und erhielt postwendend Antwort. Er wurde aufs Schloß gebeten und bald auch dem Grafen vorgestellt. Man wies ihm ein Zimmer zu
seiner Disposition an und bot ihm an, nach Belieben von der Stadionschen Bibliothek Gebrauch zu machen. Und nun hatte er alles, über dessen Fehlen er sich bei Zimmermann beklagt hatte, einen geistreichen Kreis zur Unterhaltung,
eine Bibliothek, die noch heute ein Schmuckstück ist (siehe blog Die Familie Stadion). In seiner Trauerrede auf Wieland, die Goethe in der Freimaurerloge Anna Amalia zu den drei Rosen am 18. Februar 1813 hielt sagt er zu Wielands Kontakt zu dem gräflichen
Hof in Warthausen : “ In diesem angesehenen, wöhleingerichteten Hause wehte ihn zuerst die Welt- und Hofluft an;”(Text nach Wernekke, Hugo: Goethe und die Königliche Kunst. Leipzig: Poeschel 1905)
Gervinus bemerkt im 4. Band seiner “Geschichte der poetischen National-Literatur der Deutschen” im 4. Band Kapitel über Wieland (Seite 270-318) zur Bedeutung der Bekanntschaft mit Graf Stadion (ab Seite 273)”Hier nun lernte er eine
Bildungssphäre kennen, die ihm bisher ganz fremd, und die der grellste Gegensatz gegen jene andere war, an der er sich in Bodmers Haus übersättigt hatte. Der Graf imponirte ihm durch Rang, Weltkenntniß und Hofton weit mehr, als es
Bodmer mit Frömmigkeit gekonnt hatte; die geistreiche Unterhaltung erfahrener Männer, feiner Gesellschafter und einer gebildeten Dame sagte ihm ganz anders zu, als der einförmige Verkehr mit den Zürichern; jene verständige Richtung
gegen alle Phantasterei und Empfindsamkeit, alles Excentrische und allen Aberglauben…” Und Gervinus weißt auch auf die Bedeutung der Stadionschen Bibliothek für Wielands weitere geistige Entwicklung hin.
Wir haben oben gesehen, dass sich Wieland nun in einem wahren Schaffensrausch befand und er selbst das “auf die kleine Zauberin” zurückführt. Aber das völlig andere Umfeld, der geistige Austausch und die Möglichkeit, eine Bibliothek
zu benutzen – über diesen Mangel hatte er sich ja gegenüber Zimmermann beklagt- taten sicher ein übriges.
1764 erscheinen “Der Sieg der Natur über die Schwärmerey, oder die Abentheuer des Don Sylvio von Rosalva. Eine Geschichte worinn alles Wunderbare natürlich zugeht”. Wieland stand wegen seiner Affäre mit Bibi Hogel unter großem
finanziellen Druck. Laut Zaremba (s.o. S. 120) hatte er Kanzleigelder zu privaten Zwecken entnommen, die er schnellstens erstatten musste. An Gessner hatte er am 24.6. 1762 geschrieben: “Ich muß von itzt an bis nächster Ostern
wenigstens 40 bis 50 Louis haben oder ich bin unwiderbringl. verlohren. Ohne diesen harten Umstand würde ich nimmermehr ein Buch geschrieben haben wie Don Silvio ist…” (Wielands Briefwechsel Bd. 3 S. 197)Kaum hatte er den Brief abgeschickt,
bot ihm der Ulmer Verleger Bartholomäi 500 Gulden an. Daraufhin schrieb Wieland an Gessner, ihm binnen 14 Tagen 30 Louis zu schicken “so soll der Sylvio Ihnen seyn. Darauf ging Orell & Partner nicht ein. Darauf erschien das Buch in dem Ulmer Verlag. Den Don
Sylvio hatte Wieland auch noch Julie Bondeli geschickt . Gegenüber Zimmermann sagte sie darüber “Der erste Teil des Don Sylvio war noch ein unschuldiger und selbst geistreicher Scherz, der zweite erscheint mir nichts als eine indecente Platitüde; abgesehen von der lasciven Geschichte des Prinzen Biribinker ist das übrige kalt und langweilig…” (in Julie von Bondeli und ihr Freundeskreis von Eduard Bodemann S. 287). Ähnlich scheint sie das auch Wieland direkt mitgeteilt zu haben. Er war darüber wohl ziemlich verschnupft,
was wahrscheinlich auch dazu beigetragen hatte, dass der Briefwechsel zum Erliegen kam.
Der Don Sylvio erschien 1764. Ein Jahr darauf erschienen die Komischen Erzählungen jetzt wieder in Zürich. Er bringt damit die komischen Romantraditionen von Cervantes in die deutsche Literatur ein. Er war ja in Erfurt durch Baumer auf Don Quichote hingewiesen
worden. Nachdem Don Sylvio bringt er die Verserzählungen heraus. Aber das wichtigste und umfassendste Werk an dem er in dieser Zeit arbeitete, war die Übersetzung von Shakespeares Werken. 1759 hat Sulzer in einem Brief an Wieland hingewiesen,
dass man sich mit Shakespeare befassen sollte, als er ihm einen Teil des Werkes zurückschickte:” Wenn doch ein geschickter Kopf die Arbeit übernehmen würde, diese Schauspiele im Deutschen so zu analysiren, wie Père Brumoy mit dem griechischen Theater
gethan hat…und weiter “Ich glaube, dass ein solcher Übersetzer vielen Dank verdienen würde. Wie kommt es doch, dass unter so vielen engländischen Übersetzern sich noch keiner daran gemacht hat? Es ist wahr, dass ein wenig mehr, als etwas Englisch, Feder und
Dinte dazu erfordert wird.” (Briefe von Wolfang Dieterich Sulzer, weiland Stadtschreiber von Winterthur von W. D. Sulzer, Winterthur 1866, S.9). Wielands Aufenthalt bei Bodmer, der ja Milton übersetzt hatte und im Streit mit Gottsched auf den Vorbildcharakter
des englischen Dramas hingewiesen hatte, hatte seine Aufmerksamkeit auf Shakespeare gelenkt. Auch Julie Bondeli war große Shakespeare-Verehrerin. “Sie verkündete den Leuten die Wiedergeburt eine Shakespeares, der für die Welt schon fast zwei Jahrhunderte todt lag” (Julie von Bondeli und ihr Freundeskreis
von Eduard Bodemann Hannover 1874 S. 27). Im September 1761 bringt Wieland erstmals Shakespeare in deutsche Sprache auf die Bühne und zwar den Sturm. Als Direktor der Evangelischen Komödiantengesellschaft hatte er das Stück in seiner Übersetzung
vorgeschlagen. So wurde also im Komödienhaus ein Stück deutscher Theatergeschichte geschrieben. Die Aufführung war ein finanzieller Erfolg wie das “Einschreib-Buch der Comoedien” ausweist (Zaremba S. 112)
Es ist nicht zufällig,dass Wieland den Sturm auf die Bühne brachte. Der Sturm und der Sommernachtstraum waren die Lieblingsstücke “der Schweizer”, also dem Kreis um Bodmer.
Vor Wieland gab es nur zwei Einzelwerke Shakespeares auf Deutsch. Das war einmal Caspar Wilhelm von Borcks “Trauerspiel von dem Tode Julius Cäsar” aus dem Jahre 1741 und dann “Romeo und Julia”
von Simon Grynaeus, 1758 .
Zur Herbstmesse 1762 erschien dann der erste Band von Wielands Shakespeare-Übersetzungen. Zwar stand ihm jetzt die Stadionsche Bibliothek zur Verfügung. Seine philologischen Hilfsmittel waren aber eher bescheiden. Die Ausgangsbasis
war die Edition von Pope und Warburton (London 1747). Diese ist allerdings recht freizügig mit Shakespeares Text umgegangen. Dann hatte er noch zwei Wörterbücher, nämlich ein “Dictionnaire Royal Francois-Anglais et Anglais-Francois”,
sowie eines zur Idiomatik Shakespeares. Das führte aber zu vielen neuen Wortschöpfungen, die auch heute noch geläufig sind, so Milch-Mädchen (milk-maid)Steckenpferd (hobby-horse). Aber auch Kriegserklärung, Weltliteratur oder das
politische Barometer gehen auf Wieland zurück. Zwar gab es vor Wieland schon drei Texte, die ins Deutsche übersetzt worden waren, aber erst seine Übersetzung, die von 1762-1766 in acht Bänden erschien und 22 von Shakespeares 38 Werken
umfasste, machte den englischen Dramatiker in Deutschland bekannt und löste eine regelrechte Shakespeare-Begeisterung aus. Lessing, Herder und Goethe entdeckten den Dichter nun als Naturgenie.
Auch für Verlag und Übersetzer hatte sich die Herausgabe gelohnt. Als die Edition 1766 abgeschlossen war, hatte Wieland etwa ein Jahresgehalt seiner beruflichen Tätigkeit erhalten.
Aber Wieland hatte diese Übersetzung auch als sehr anstrengend empfunden, wie er in einem Brief an Gessner am 24. Juni 1762 wissen lässt. “ Ich glaube nicht, daß irgendeine Art von gelehrter Arbeit der GaleerenSklaven-Arbeit ähnlicher
sey, als diese” (in Wielands Briefe 3)Da es dabei auch ums Honorar ging, war seine Klage wohl auch bewusst leidend formuliert.
Lessing war im 15. Stück seiner Hamburger Dramaturgie auf Wielands Shakespeare-Übersetzung eingegangen und hatte dazu bemerkt: “Wir haben eine Übersetzung vom Shakespeare. Sie ist noch kaum fertig geworden, und niemand bekümmert sich schon mehr
darum. Die Kunstrichter haben viel Böses davon gesagt. Ich hätte große Lust, sehr viel Gutes davon zu sagen. Nicht, um diesen gelehrten Männern zu widersprechen; nicht, um die Fehler zu verteidigen, die sie darin bemerkt haben: sondern, weil ich glaube, daß man
von diesen Fehlern kein solches Aufheben hätte machen sollen. Das Unternehmen war schwer; ein jeder anderer, als Herr Wieland, würde in der Eil noch öftrer verstoßen, und aus Unwissenheit oder Bequemlichkeit noch mehr überhüpft haben; aber was er
gut gemacht hat, wird schwerlich jemand besser machen. So wie er uns den Shakespeare geliefert hat, ist es noch immer ein Buch, das man unter uns nicht genug empfehlen kann. Wir haben an den Schönheiten, die es uns liefert, noch lange zu lernen, ehe uns die
Flecken, mit welchen es sie liefert, so beleidigen, daß wir notwendig eine bessere Übersetzung haben müßten”.
Wieland hat sich schon sehr früh mit Shakespeare beschäftigt. 1757 schrieb er “Die Theorie und Geschichte der Red-Kunst und Dicht-Kunst” Das war, als er Erzieher im Hause Groebel war. In seiner Theorie nimmt im Kapitel “Von den tragischen Poeten” nimmt
Shakespeare den größten Raum ein. Da heißt es “Vielleicht ist kein Scribent in der Welt, den man weniger aus Beschreibungen kann kennen lernen, als dieser dramatische Poet. Man findet weder unter den Alten noch Neuern jemand, mit dem er verglichen werden
könnte; er hat keinen seiner Vorgänger nachgeahmt, und es ist wahrscheinlich, dass er die Alten nur nicht gelesen hat. Niemals hat einer den Namen eines Originals mehr verdient als er. Die Natur war die einzige Quelle, woraus er schöpfte. Sein Genie war seine
einzige Muse und seine Poesie war, wie Pope sagt, in der That Begeisterung. Der weite Umfang, die Stärke und die Delicatesse seines Genies sind fast unbegreiflich” (zitiert in Shakespeare- Rezeption, Die Diskussion um Shakespeare in Deutschlands,
hsg von Hansjürgen Blinn, Berlin 1982 S. 68)
Wielands Beschäftigung mit Shakespeare und deren Einfluss lässt sich auch in anderen Werken, die gleichzeitig mit den Übersetzungen entstanden, erkennen, wie Friedrich Gundolf in “Shakespeare und der Deutsche Geist” (Berlin 1920) zeigt.
Er sagt, dass im Don Sylvio von Rosalva Shakespeare “als seelische Substanz spürbar bis in die Tonfälle hinein” ist (S.179) Sachmotive, die Furcht des Pedrillo vor dem nächtlichen Wald (Sommernachtstraum), die Wahrsagung der Zigeunerin aus Pedrillos Hand
(Der Kaufmann von Venedig) aber auch die Requisiten wie nächtlich tanzende Feen oder Kobolde verweisen auf Shakespeare (ebda).
Den zweiten Paukenschlag (Heinz Wielandhandbuch, Stuttgart 2008) in seiner Biberacher Zeit ist die Geschichte des Agathon in Zürich 1766/67 in zwei Teilen erschienen. Schon 1762 hatte er “sub rosa” Teile an Salomon Gessner, Zimmermann,
Tscharner und Julie Bondeli geschickt. Und Julie Bondeli hatte Wieland auch auf Tristram Shandy von Laurence Sterne und dessen digressive Poetik aufmerksam gemacht. Hier konstituiert sich der Weg aus Abschweifungen. Sie scheinen so
etwas wie eine Haupthandlung zu verhindern um aus möglichst vielen Blickwinkeln zum Ziel zu führen. Sternes Erzähler (22. Kapitel 1. Buch)sagt, er setze zwei entgegengesetzte Bewegungen ins Spiel, die das Werk gleichzeitig abschweifend
und vorwärts schreitend gestalten. Wieland verarbeitet das sofort und so heißen Kapitel “Ein oder zwo Digressionen oder Eine kleine Abschweifung”.
Der Agathon ist der erste moderne deutschsprachige Roman. Er spielt im hellenistischen Zeitalter und ist eine Piraten und Entführungsgeschichte. Aber bald wird aus der Seeräubergeschichte ein philosophischer Dialogroman. Das Mittelmeer und der angrenzende
Lebensraum sind Kulisse für geistreiche Diskurse. Die Dialoge die der Titelheld mit dem Sophisten Hippias führt, gehören nach Zaremba (Ebda S. 116) in jedes gute Lehrbuch der Philosophiegeschichte.
Der Agathon begründete eine ganze Reihe von Bildungs-Erziehungs-und Entwicklungsromanen. Goethes Wilhelm Meister folgt der Struktur des Agathon, verändert sie aber auch und dieser wird dann zum entscheidenden Muster des
deutschen Bildungsroman. Der Agathon ist aber auch der Prototyp des “history-Romans”, der eigentlich von Henry Fielding, Die Geschichte des Tom Jones eines Findlings (1749) geschaffen wurde.
Lessing, der ja Wielands Entwicklung immer beobachtete, schreibt im 69. Stück der Hamburgischen Dramaturgie “so kommen sie auch wohl einmal über den »Agathon« . Dieses ist das Werk, von welchem ich rede, von welchem ich es lieber nicht an dem
schicklichsten Orte, lieber hier als gar nicht, sagen will, wie sehr ich es bewundere: da ich mit der äußersten Befremdung wahrnehme, welches tiefe Stillschweigen unsere Kunstrichter darüber beobachten, oder in welchem kalten und gleichgültigen Tone sie davon
sprechen. Es ist der erste und einzige Roman für den denkenden Kopf, von klassischem Geschmacke. Roman? Wir wollen ihm diesen Titel nur geben, vielleicht, daß es einige Leser mehr dadurch bekömmt. Die wenigen, die es darüber verlieren möchte, an denen ist
ohnedem nichts gelegen.”
Das Verhältnis zum Hause Stadion wurde allerdings eingetrübt. Zunächst ging es um eine rein private Angelegenheit. Graf Stadion besaß das Recht, das Pfalzgrafendiplom zu verleihen. Am 28. September 1765 verlieh er Wieland eine Bestallungsurkunde
zum comes palatinus. Er konnte nun bürgerliche Wappenbriefe ausstellen, Notare ernennen, auch unehelich Geborene legitimieren und er konnte “der Freyen Künste Magistros, Baccalaureos und Poetas laureatos” ernennen. Nur sich selbst,
das ging nicht, denn Selbstbegünstigung war hier untersagt. Wieland wähnte sich vorschnell im Besitz dieses Titels und er trug sich ohne Absprache mit dem Grafen im Adressbuch des Schwäbischen Kreises ein. Dies verärgerte den Grafen
so, dass er seinen Warthausener Verwalter von La Roche anwies, den noch nicht rechtskräftigen Verwaltungsakt sofort zu annullieren. Wieland reagierte entsetzt und lamentierte. Auch Sophie wurde eingeschaltet. Graf Stadion beließ es bei der
internen Demütigung und erlaubte Wieland nun die öffentliche Führung des Titels. Schwerer wog eine Auseinandersetzung zwischen Warthausen und der Stadt Biberach, in der sich La Roche als Oberamtmann und Wieland als städtischer Kanzleidirektor
sozusagen von Amts wegen gegenüber standen. Zunächst ging es um einen Handelsboykott um die Einkünfte der Biberacher Handwerksgilden zu sichern. Verschärft wurde der Streit wegen Meinungsverschiedenheiten wegen umstrittener
Gemarkungsrechte beim Holzeinschlag. Wieland verhielt sich in dieser Angelegenheit ziemlich ungeschickt. Mit nichtabgesprochenen Briefen verärgerte er Bürgermeister und Magistrat. In Warthausen zieh man ihn der Undankbarkeit und
erwog, den Pfalzgrafentitel abzuerkennen. Sophie versuchte zwar zu vermitteln, aber auch sie war verärgert und Wieland saß zwischen allen Stühlen. Der Graf aber zog sich nach Bönnigheim zurück. Wieland hatte nun keinen Zugang mehr
zur Warthausener Bibliothek und auch der Musenhof mit seiner intellektuellen Atmosphäre entfiel. In dieser Zeit mietete sich Wieland ein kleines Gartenhaus, ganz nah bei der Stadt gelegen.
Es beherbergt heute das Wielandmuseum in Biberach. Er schreibt “Nur ein kleines Tusculum geht mir noch ab, und bis ich erben werde (wozu vor den nächsten zwanzig Jahren wenig Hoffnung ist), sehe ich auch keine Möglichkeit eines zu bekommen.
In Ermangelung dessen habe ich ganz nahe an unserer Stadt, aber doch in einem etwas einsamen Orte, ein artiges Gartenhaus gemiethet, wo ich die angenehmste Landaussicht von der Welt habe, und, so nahe es meinem Hause in der Stadt ist,
doch völlig auf dem Lande bin.” (Am 24. August 1768 an Riedel in Auswahl denkwürdiger Briefe, Band 1von Christoph Martin Wieland S. 274)
In diesem Wielands Tusculum vollendete er den 2. Teil des Agathon und hier begann er mit Idris und Zenide.
Auch dem Grafen von Stadion ging der geistreiche Umgang mit Wieland ab. In seinem letzten Lebensjahr kam der Graf nach Warthausen zurück. Und dort versöhnte man sich auch wieder. Auch hier trat Sophie als Vermittlerin auf.
Sein letztes Biberacher Werk war Musarion oder die Philosophie der Grazien. Es erschien 1768 und zwar erstmals im Verlag Weidmann. Wieland hatte im Januar 1768 eine Korrespondenz mit Justus Riedel begonnen, der zu der Zeit Professor in
Erfurt war. Dieser knüpfte auch den Kontakt zu dem Leipziger Verleger Philipp Erasmus Reich. Es gab sicher einige Gründe zu der Trennung von Züricher Verlag Orell Gessner & Co. Zum einen hatte Wieland seine Wünsche und Erwartungen
unverblümt zum Ausdruck gebracht, aber dem wurde nicht entsprochen. Das führte zu Mißstimmung. Aber er zweifelte auch an der Konkurrenzfähigkeit des Verlages. Er war zum Beispiel auch unzufrieden mit dem stockenden Absatz seines
Agathons, wie er 1771 aus Erfurt Gessner vorrechnete und darauf verwies, dass in 6 Jahren nur 1100 Exemplare verkauft worden. Reich habe in einem Drittel der Zeit doppelt so viel umgesetzt (Wieland an Gessner Erfurt 13.12. 1771)
Außerdem hatte ihm Reich ein weitaus höheres Honorar geboten. Nicht zuletzt sprachen auch die Rahmenbedingungen für Leipzig. In Zürich griff die Zensur viel stärker ein. In München, Wien und Zürich war der Agathon
verboten, in Leipzig nicht. Dem trug Wieland insoweit Rechnung, als er die Werke, die bis 1768 erschienen waren, in Zürich beließ, die neuen Werke aber bei Weidmann drucken ließ. Wielands neue Werke erschienen auch in neuer Ausstattung.
Adam Friedrich Oeser, Maler Bildhauer und Buchillustrator (Goethe zählte von 1765-1768 zu Oesers Schülern) zeichnete die Vignetten und Christian Gottlieb Geyser, auch ein Schüler Oesers stach die Kupfer und Vignetten. Verskunst und Ausstattung ergänzten sich
so ideal. In der zweiten Auflage ist das Dedikationsschreiben an “An Herrn Creyßsteuereinnehmer Weisse in Leipzig” abgedruckt. Die Datierung Warthausen den 15. März 1769 ist sicher auch als Dank an Warthausen zu sehen.
Wieland konnte eigentlich zufrieden sein. Seine Position in Biberach war gesichert. Sein literarischer Ruhm stieg. Und seine Frau hatte nach einer Fehlgeburt, die beide sehr belastet hatte, am 19. Oktober 1768 das erste Kind, die Tochter Sophie
Anna Katharina zur Welt gebracht. Aber Wieland hatte, schon vor der Briefwechsel mit Riedel begonnen hatte, über eine Professur in Erfurt nachgedacht. Der alte Graf von Stadion hatte Besuch aus Mainz, seinen früheren Sekretär Franz Wilhelm von Loskant,
der jetzt für Kurmainz als Assessor am Reichskammergericht in Wetzlar war. Dann war zugegen der kurfürstliche mainzische Kämmerer Philipp Ernst Freiherr von Großschlag, der erste Minister des Mainzer Erzbischofs Joseph Emerich, dem Nachfolger vom
Dienstherrn des Grafen von Stadion. Beide waren erklärte Verehrer des Agathons. Graf von Stadion und La Roche fanden, dass Wieland gut nach Erfurt passen würde. Loskant machte dann in Warthausen gedeckt durch Minister Großschlag den Vorschlag einer
Professur in Erfurt. Wieland war nicht abgeneigt. Er erklärte nach Ofterdinger (S.232) “daß, wenn er irgend in der Welt eine academische Stelle begleiten wollte, so wäre es in Erfurt.” Von Großschlag war für Wieland kein Unbekannter. Der Mainzer
Großhofmeister war aus von Stadions Schule hervorgegangen.Vor allem La Roche hatte besten Kontakt zu von Großschlag. Laut Schulze-Maizier (Wieland in Erfurt, 1769-1722 S. 18) “galt La Roche bei Großschlag alles”.Bei den weiteren Unterhandlungen war
von La Roche ein hervorragender Ratgeber. Dank seiner langjährigen Tätigkeit in Mainz war er bestens mit den kurmainzischen Verhältnissen vertraut. Er verfügte ja aber auch über den notwendigen diplomatischen Verstand.
Im Gegenzug verschaffte ihm Wieland den Kontakt zu Salomon Gessner. Der Sohn Fritz kam zur Erziehung zu Wieland nach Erfurt. Die “Briefe über das Mönchswesen” erschienen dann ja auch in Zürich. Schnell hatte Wieland aber auch Bedenken.
Zum einen besorgte ihn der Abschied von seinem betagten Vater. Auch die Tatsache, dass er keinen akademischen Grad hatte, was von ihm ja eine Magisterpromotion erfordert hätte, machte ihm zu schaffen, zumal er ja Dank seines Pfalzgrafentitels
selbst Magister der freien Künste kreieren könne. Den Ausschlag gab ebenfalls nach Ofterdinger (S. 224) ein Reichsratsbeschluss, der Kanzleidirektoren eine hohe Verantwortlichkeit in finanziellen Angelegenheiten aufgebürdet hatte,
etwas, was Wieland verhasst war. Nachdem der Erfurter Senat auch Hindernisse wegen des fehlenden akademischen Grads aus dem Weg geräumt hatte, wurde Wieland im Februar 1769 zum ersten Professor der Philosophie ernannt. Verbunden
war das mit der Ernennung zum kurmainzischen Regierungsrat. Diese Stelle wurde mit 600 Talern dotiert. Gleichzeitig wurde ihm bedeutet, dass er keine Vorlesungen halten müsse, dass er über seine Zeit frei verfügen könne und dass man ihn vor allem
seines Namens wegen geholt habe. Dass Wieland gut zu verhandeln wusste, hatte er schon bei seinen Verhandlungen mit seinem Verlag gezeigt. Die 600 Reichstaler waren seine Bedingung gewesen. Aber er vergaß auch nicht die
Erstattung der Umzugskosten, die er pränumerando “ in einem ehrlichen Wechselbrief à vue zu Augsburg” (Schulze-Maizier , S. 19) zu erhalten wünscht.
Die Universität Erfurt ist zwar die älteste in Deutschland. Ihr Gründungsbelegung stammt aus dem Jahr 1379. Heidelberg folgt dann erst mit 1385 und Köln mit 1388. Die große Zeit der Erfurter Universität war
im Humanismus. 1664 war Erfurt eine kurmainzische Landesuniversität geworden, deren Aufgabe hauptsächlich darin bestand, Beamte auszubilden. Die Universität sollte im Geist er Aufklärung nochmals neu belebt werden. Vor allem Karl Theodor von Dalberg
machte Erfurt wieder zu einem Zentrum von Kultur und Bildung. Er holte die großen Geister der Zeit an seine Statthalterei. Eine durchgreifende Erneuerung gelang aber nicht und so verließ auch Wieland nach drei Jahren Erfurt schon wieder.
Geradezu enthusiastisch begrüßte Riedel in der Erfurtischen gelehrten Zeitung , die er seit 1769 herausgab, in der Ausgabe vom 3. März im achtzehnten Stück “In dieser Zeitung habe ich noch keine so interessante und für alle, die sie lesen und nicht
lesen, so wichtige Nachricht ankündigen können, als folgende: Derjenige unsrer Teutschen Schriftsteller, mit dem wir am meisten gegen Ausländer trotzen können, dieses vaste Genie, wie es der selige Meinhard nennte, der Verfasser
der Natur der Dinge, der Sympathien, des Agathon, der komischen Erzählungen, des Don Silvio von Rosalva, der Musarion, des Idris- mit einem Worte Herr Wieland ist von Sr. Churfürstlichen Gnaden zum ersten Professor der Philosophie..
ernennt worden.” (in Christoph Martin Wieland Sämtliche Werke Bd. 50/51 Leipzig 182 S. 517)
Kurz vor Wielands Ernennung war Graf von Stadion am 28. Oktober 1768 in Warthausen gestorben. Zum Leichenzug war der gesamte oberschwäbische Adel zugegen. Die drei oberschwäbischen Prälaten von Ochsenhausen, Rot und Schussenried nahmen
die Aussegnungen vor und auch die Reichsstadt Biberach war mit einer Abordnung vertreten.
Wieland reichte nach seiner Ernennung zum Professor seinen Amtsrücktritt ein, dem der evangelische Rat am 30. März 1769 entsprach. Das Bürgerrecht blieb dem nun doch schon recht berühmten Sohn erhalten. An Pfingsten verließ er Biberach.
Die einfachen Bürger waren mit dem Weggang Wielands unzufrieden. Am 31. Mai schreibt er an Riedel. In dem Brief regelt er zunächst Dinge für seinen bevorstehenden Umzug. Seinen Weggang vermerkt er so: “ Hier zu Lande
ist großer Lerm über mein Fortgehen, und zu Biberach glaubt das Volk, welches mich liebte, daß Gog und Magoz, als die Vorläufer des Antichrists, unmittelbar, sowie ich bey dem einen Thor ausziehe, bei dem gegenüberstehenden einziehen werde.
Unsäglich ist der Unwille, den die guten Leute über ihre Herren haben, weil man mich, wie sie meinen nicht gehen lassen sollte.” (Auswahl denkwürdiger Briefe S. 278)Und auf der vorherigen Seite schreibt er, “daß ich mein ganzes
Domestique mitbringe. Ich kann nicht ohne eine schwäbische Köchin seyn.”
Obwohl ihm bei der Anstellung bedeutet wurde, dass er mehr als Aushängeschild dienen sollte, entwarf er für die Universität ehrgeizige Lehrpläne, wobei er von der Kenntnis Schweizer Schul-und Unterrichtspläne profitierte.
Wieland war Gründungsmitglied der 1754 gegründeten Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. Er arbeitete an der Erfurtischen gelehrten Zeitung mit.
Seine Lehrtätigkeit begann er am 3. Juli 1769 mit Vorträgen über die” Philosophie der Geschichte, oder über Iselins Geschichte der Menschheit” Er las außerdem “Über griechische, lateinische,englische und französische Schriftsteller” “Gelehrte Geschichte:
griechische Dichter, Redner und Geschichtsschreiber”, “Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften nach einem eigenen Grundrisse”,. Es gab “Geschichtskunde, was“Geschichte von Karl dem Großen bis zum Westfälischen Frieden” umfasste.
Die Berufung neuer Lehrkräfte lag nicht in der Verantwortung der Universität sondern war, wie ja auch bei Wieland ein hoheitlicher Akt des Landesherrn. Der Lehrkörper galt als überaltert und sehr konservativ und zog Studenten nicht unbedingt an.
Den Studentenschwund konnte auch Wieland nicht stoppen. Um Wielands Freund, Friedrich Justus Riedel, der in Erfurt einen Lehrstuhl für Ästhetische Wissenschaften innehatte, gab es eine Gruppe freigeistig orientierter Professoren
wie die protestantischen Theologen Carl Friedrich Bahrdt und Johann Christian Lossius, der ab 1770 einen Lehrstuhl für Philosophie in Erfurt hatte und ab 1772 zusätzlich für Theologie. Johann Georg Meusel lehrte in Erfurt Geschichte.
Johann Christian Schmid war dort seit 1769 außerordentlicher Professor der Rechtswissenschaften. Auch Johann Friedrich Herel, Altphilologe gehörte zu diesem Kreis. Als Anführer der konservativen Gruppe galt Andreas Nunn, Professor für
Medizin und Philosophie. Er war auch der Hauptgegner der Berufung Wielands zum Professor. In seinen Briefen an Sophie La Roche berichtet Wieland schreibt er ihr von gegen ihn und Riedel gerichteten Kabalen. Aber Der Kurfürst habe seine Gegner mit
einem “schrecklichen” Dekret belegt. Er selbst und Riedel seien aber zu Beisitzern des akademischen Senats und der kurfürstlichen akademischen Kommission ernannt worden.Was böses Blut verursacht hatte und was man ihnen zum Vorwurf
machte, war, dass Wieland und Barth ihre akademischen Grade nicht auf reellem Wege erlangt hätten. Natürlich war auch die Berufung eines Verfassers komödiantisch-lasziver Schriften nicht die Traumvorstellung der katholisch-orthodoxen Fraktion
des Erfurter Lehrkörpers. Nunn und andere Professoren mussten 1769 die Universität verlassen. Allerdings trat damit keine Ruhe ein, die Relegierten denunzierten nun. Pater Jordan, vorher Professor in Erfurt, war vor seiner Relegation einer der
übelsten Verleumder, wenn es darum ging, die freigeistigen Professoren zu bekämpfen. Nach seiner Entlassung wandte er sich sogar direkt an den Kaiser, um Bahrdt, Meusel, Riedel und Wieland als Gotteslästerer zu denunzieren.
Der Vorwurf der Gotteslästerung galt zu der Zeit als schwere Straftat, die entsprechend bestraft werden konnte.
Gleich nach seinem Amtsantritt hatte er sich auch damit ganz konkret zu befassen. Ein Student Joseph Schwarz und Schüler Wielands war anonym wegen Gotteslästerung denunziert worden und zu Kerkerhaft verurteilt worden. Wieland konnte den Studenten aber
frei bekommen, ihm eine Hofmeisterstelle bei von Laroche in Ehrenbreitstein als Erzieher der Kinder von Laroche verschaffen. Als allerdings Kurfürst Emmerich am 11. Juni 1774 verstarb, wurde versucht, das Rad zurückzudrehen. Auch Nunn und Jordan bekamen ihre Stellen in Erfurt wieder. Josef Schwarz, mittlerweile Lehrer am Emmerizianischen Gymnasium in Mainz wurde wie zwei seiner Kollegen verhaftet und er kam sogar zu einem Inquisitionsprozess gegen sie. (Siehe dazu Bernd Seuffert,
Wielands Erfurter Schüler vor der Inquisition, Euphorion 3 S. 376-389 und 722-) Der Nachfolger Emmerichs Carl Friedrich erwies sich bald als noch freisinniger als sein Vorgänger. Schwarz erhielt eine Anstellung am Lehenshof in Mainz.
Es kamen noch weitere Probleme im unmittelbaren Umfeld Wielands vor, die ihm sein Arbeit an der Universität nicht erleichterte. Eine Schrift des Theologen Bahrdt war als ketzerisch verleumdet worden und er musste die Universität verlassen.
Sein Freund Riedel hatte Gelder aus der Universitätskasse entnommen und konnte diese nicht zurückzahlen. Schuldhaft und Universitätsverweis waren die Folge.
Dies und der ständige Widerstand der katholisch-orthodoxen Fraktion an der Universität dürften ihn zum dem Stoßseufzer veranlasst haben, “ daß man leichter einen Mohren weiß waschen, als die Erfurter Universität empor
bringen könnte”
Wie auch in Biberach reagierte Wieland auf diese misslichen äußeren Umständen mit starker literarischer Produktivität. Parallel zum ersten Vorlesungssemester erschien Sokrates Maimonemos oder die Dialogen des Sokrates von Sinope,
eine philosophische Erzählung. Zur gleichen Zeit beendete er den zweiten Teil des Versepos Der neue Amadis, der schon in Biberach begonnen wurde. Er knüpft an das populäre Genre der Ritterromane an. Es ist eine Verserzählung und Wieland erklärt
im “Vorbericht zur gegenwärtigen Ausgabe” (das ist die Wiederveröffentlichung des Neuen Amadis in der Werksausgabe von 1794 ff.) welches Versmaß er verwendet hat und warum er es verwendet hat. Das zeigt dass eine wohlbedachte
Komposition zugrunde liegt. Dabei kommt es so leicht und locker daher und erweckt den Eindruck von locker aus dem Ärmel geschüttelten Zeilen. Es gezeugt auch wie die Grazien Wielands Affinität zum Rokoko.
Es folgte 1772 Der goldene Spiegel oder die Könige von Seschian. Es war das Hauptwerk seiner Erfurter Zeit. Der Goldene Spiegel ironisiert die Tradition des Fürstenspiegels. Es ist sein “Staatsroman”. Er illustriert Wielands anthropologische Skepsis.
Ein vollkommener Staat im ewigen Frieden ist unter Menschen nicht denkbar. Versucht mans trotzdem muss das zur Katastrophe führen.
Wieland unternahm mit jedem seiner Werke etwas Neues. Keines folgte einer Tradition, die in der deutschen Literatur schon vorhanden war. Darin liegt auch seine Bedeutung. Er hatte an der Entwicklung der deutschen Literatur im
18. Jahrhundert sowohl literarisch als auch publizistisch einen maßgeblichen Einfluß. Er ist nach Heinz (Wielandhandbuch Stuttgart 2008). Er ist für Epik und Vers das, was Klopstock für die Lyrik und Lessing für das Drama bedeutete.
Am 11. Mai 1770 wurde seine zweite Tochter Maria Carolina Friederica geboren. Kurz nach der Geburt reiste er, zeitlebens reiseunlustig, nach Leipzig um dort seinen Verleger Philipp Erasmus Reich persönlich kennen zu lernen.
Er kam da auch mit Personen in Kontakt, die an der Herstellung seiner Oktavbände beteiligt waren. Auf Adam Friedrich Oeser wurde bei der Musarion schon hingewiesen. Er war Leipziger Akademiedirektor und kursächsischer Hofmaler.
Oesers Schüler Friedrich Heinrich Füger fertigte eine Porträtminiatur Wielands an.
Ein Jahr später am 7. Mai 1771 begann er mit Fritz von La Roche eine 35 tägige Reise in die Rheingegend. Grund der Reise war, dass Fritz aus der Wielandschen Obhut wieder zu seinen Eltern nach Ehrenbreitstein zurückkehren sollte.
Allerdings waren die Bemühungen für die Bildung von Fritz nicht besonders erfolgreich. In seinem Brief an Sophie La Roche vom April 1770 schreibt ihr Wieland, dass Fritz nicht viel mehr gelernt habe, als er vor 10 Monaten wusste
“aber freylich hat er von der Gelegenheit, bey mir zu , wenig profitirt” und vorher hatte er festgestellt “ da es aber unmöglich ist, einen jungen Menschen mit Gewalt gelehrt zu machen” aber er macht Ihr trotzdem Hoffnung.
“Erwarten Sie von dem guten Naturell des jungen Menschen viel Gutes und ich hoffe, sie werden sich nicht betrogen finden.”(Neue Briefe Christoph Martin Wielands, vornehmlich an Sophie von La Roche, Stuttgart 1894 S.192 f.)
Man besuchte Gießen, Frankfurt, Wetzlar, Darmstadt, Koblenz, Mainz und Düsseldorf. Für Wieland war es die Gelegenheit,
wichtige Leute aus dem Mainzer Hofstaat persönlich zu treffen. In Mainz besuchte er Carl von Dalberg kurz nach dessen Ernennung zum Statthalter in Erfurt. Das hochkarätigste Treffen für Wieland war drei Tage später am 30. Mai
1771 eine Audienz beim Mainzer Kurfürsten Emmerich Joseph in Höchst. Bei dieser Gelegenheit besichtigte man auch die Gemäldesammlung vom Grafen von Stadion. Sechs Tage verbrachte Wieland bei seinem wichtigsten Gönner und Förderer,
dem Großhofmeister von Groschlag in Dieburg. Das persönlich bedeutendste Treffen war für Wieland sicher das Wiedersehen mit Sophie von La Roche am 13. Mai 1771 in Ehrenbreitstein (siehe dazu auch Blog: Sophie von La Roche).
In seiner Erfurter Zeit ergab sich ein intensiver Briefwechsel zwischen Erfurt und Halberstadt. Im brandenburgischen Fürstenturm war damals Johann Wilhelm Ludwig Gleim Sekretär des Halberstädter Domkapitels. Gleim unterhielt Korrespondenz mit allen
literarischen Größen seiner Zeit. Er hatte auch den Halberstädter Dichterkreis begründet, einem Bund junger Literaten. Zu Gleims Protégés gehörte auch Johann Georg Jacobi, der in Halberstadt ebenso anakreontische Dichtungen verfasste, wie
sein Gönner Gleim. Jacobi hatte Wieland brieflich die Freundschaft angetragen,was dieser freudig annahm. Dem schloss sich noch der jüngere Bruder Johann Georgs an, der Dichter Friedrich Heinrich Jacobi. Man bildete einen literarischen Zirkel,
man las gegenseitig Manuskripte. Man tauschte sich aus. Gleim und die Brüder Jacobi befassten sich mit Wielands jüngsten Werken. Bei dieser Reise nun lernten sich die vier endlich persönlich kennen.
Am 11. Juni 1770 kehrt Wieland von seiner Reise zurück. Am Tag zuvor wurde seine dritte Tochter Regina Dorothea geboren.
Der Dichterbund kam kurz nach der Rückkehr in eine heftige Krise, die fast sein Ende bedeutet hatte. Wieland hatte nun mal nicht den Gleichmut, den er in seinen Werken propagierte. Auch bei Fritz hatte er ja eingestehen
müssen, dass er mit seiner Geduld überfordert war. Eine Schrift, die der anakreontische Dichter Johann Benjamin Michaelis verfasst hatte, hatte Wieland sehr bissig rezensiert. “Pastor Amor” hatte in Wielands Augen die Ehre
von Gleim und Georg Jacobi verletzt. Die beiden reagierten jedoch gelassen. Sie bekundeten sogar Verständnis. Das wiederum konnte Wieland nicht verstehen. Der Streit eskalierte. Und als Jacobi auch noch Sophie um Vermittlung
bat, reagierte Wieland noch verbohrter. Der “Grazienbund” war ratlos und verstummte.
Als Wieland in Ehrenbreitstein war, ging auch die Veröffentlichung von Sophie von La Roches “Fräulein Sternheim” voran. Wieland hatte sich ja für die Veröffentlichung stark gemacht.
”Allerdings beste Freundin, verdient Ihre Sternheim gedruckt zu werden; und sie verdient es nicht nur; nach meiner vollen Überzeugung erweisen sie Ihrem Geschlecht
einen wirklichen Dienst dadurch. Sie soll und muß gedruckt werden, und ich werde Ihr Pflegevater seyn” (zitiert nach MDZ Reader Bayrische Staatsbibliothek digital, Briefe an Sophie von La Roche, S.125)
“Die Geschichte des Fräulein von Sternheim” erschien dann 1771 in Wielands Leipziger Verlag. Er selbst fungierte als Herausgeber. Wieland ist ja der Schöpfer des modernen deutschen Romans. Doch als “Pflegevater”
verantwortete er auch den ersten deutschen Erfolgsroman, der von einer Frau geschrieben wurde. Er hatte den Kontakt zum Verleger hergestellt. Ohne Datum schreibt er 1770 an Sophie von La Roche “ Reich soll sie
in einer nicht üppig gezierten aber simpel schönen Ausgabe verlegen..” (C.M. Wielands Briefe an Sophie von La Roche, herausgegeben von Franz Horn S. 125)Und auch sonst steht er ihr hilfreich zur Seite “ Bekümmern Sie
sich nicht um Correction, ich will das Nöthige schon besorgen…Sie machen der Welt und besonders Ihrem Geschlechte ein Geschenk mit einem Originalbuche, das in seinem Wert unschätzbar ist.” (Brief vom 24. November 1770
ebd. S 141). Wieland schreibt das Vorwort und tritt als Herausgeber auf.
Wielands Goldener Spiegel war durchaus auch mit der Absicht verbunden, nach Wien zu kommen. Er hoffte, in die Nähe von Joseph II. berufen zu werden. Sein Roman war aber in unmittelbarer Nachbarschaft sehr aufmerksam zur Kenntnis genommen,
nämlich in Weimar. Im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach war die Herzogin Anna Amalia (1739-1807) seit dem 28. Mai 1758 verwitwet und hatte zwei Söhne, Carl August beim Tod seines Vaters 14 und Konstantin 13.
Sie war von ihrem Mann Herzog Ernst August II. Konstantin testamentarisch mit der vormundschaftlichen Landesadministration betraut worden. 1762 setzte sie den Grafen Johann Eustach von Schlitz genannt Görtz ein. Die Beziehung war aber beständig von
Misstrauen geprägt. Sie befürchtete, dass Görtz ihr ihre Söhne entfremden wolle. 1772 holte sie Wieland in die Gruppe der Prinzenerzieher und hoffte wohl auch, in ihm einen Verbündeten gegen Görtz zu finden.
Im März 1772 war Wieland erstmals für einige Tage in Weimar. Wieland wurde mit großen Ehren bedacht. Er war täglich an der fürstlichen Mahlzeit dabei. Man veranstaltete einen Maskenball für ihn
mit einer Aufführung tänzerischer Szenen aus dem Neuen Amadis. Der Geehrte bedankte sich mit einem ausführlichen Brief an die Fürstin und fügte einen Erziehungsplan für den Erbprinzen bei. Die Antwort der Herzogin
kam eine Woche später. Wieland sandte einen weiteren Brief an Anna Amalia. Darin erläuterte Wieland der Herzogin seine erzieherischen Pläne. Man empfand gegenseitige Sympathien, aber Wieland blieb abwartend.
Als Wieland im April wieder nach Weimar reiste, wurde man in Erfurt hellhörig. Es gab aber auch Debatten im höfischen Staatsrat wegen der Prinzenerziehung. Es herrschte durchaus Skepsis, ob ein “Bürgerlicher” für das Hofleben
geeignet sei. Und auch um Honorarfragen ging es. Aber schließlich setzten sich die Befürworter einer Anstellung Wielands durch, wohl auch weil sowohl die Herzogin als auch der Erbprinz zeigten, dass sie Wieland als Erzieher wollten.
Dann erhielt Wieland das Angebot einer Anstellung als Hofrat. Das war naturgemäß befristet, denn am 3. September 1775 wurde der Erbprinz volljährig und so lange sollte die Unterweisung dauern. Geboten waren 1000 Taler Gehalt und
600 Taler Rente bis ans Lebensende. Ein Problem stellte sich allerdings für Wieland, nämlich wie er “von guter Art von Erfurt loskommen könne”. Nachdem die Universitätsreform in Erfurt nicht sehr erfolgreich verlaufen war, hatten viele Professoren
Erfurt wieder verlassen. Und natürlich wollte Wieland seinen Förderer, den kurmainzischen Großhofmeister von Groschlag, nicht vor den Kopf stoßen. Er hatte ja einigen Anteil am glücklichen Ende des “Wielandschen Prozesses “, er hatte bei seiner
Berufung zum Professor mitgewirkt, er hatte ihm das Privileg der Postfreiheit verschafft und auch versucht, nicht autorisierte Nachdrucke zu verhindern. Wieland stand also durchaus in der Pflicht.
Nun hatte sich Görtz an Groschlag gewandt, die Herzogin Anna Amalia an den Kurfürsten. “Sie wage zwar viel durch diese Bitte, da sie wisse, wie sehr der Churfürst auf Wieland hinsichtlich der Aufnahme der Erfurter Universität rechne,
werde aber die Gewährung dieser Bitte als einen zuverlässigen Beweis von der Wirklichkeit und Fortdauer der freundschaftlichen Gewogenheit des Churfürsten betrachten.” (zitiert bei Heinrich Döring Christoph Martin Wieland ein biographisches Denkmal,
Sangerhausen 1840 S. 213) Am 25. Juli 1772 bat Wieland den Kurfürsten Emmerich schriftlich um seinen Rücktritt und am 4. September 1772 bestätigte ihm der Weimarer Hof seinen Eintritt in “Obervormundschaftliche Dienste.”
Am 17. September 1772 kam er schließlich in Weimar an.Vorher hatte er in zähen Verhandlungen noch seine Ernennung zum Hofrat auf Lebenszeit durchgesetzt, die Erstattung seiner Umzugskosten und das Ursprungsangebot noch erhöhen
können. Kurz nach seiner Übersiedlung starb sein Vater Thomas Adam am 26. Dezember 1772 in Biberach. Seine Mutter holte er kurz danach nach Weimar.
In seinem Brief an Sophie La Roche vom 7. August 1772 erläutert er seinen Beweggrund, der ihn zum Wechsel nach Weimar veranlasste und auch in seinem Entlassgesuch an Kurfürst Emmerich bringt er dies als Hauptgrund vor.
“dass die wenige Verbesserung des Einkommens der Beweggrund nicht gewesen ist, der mich vermögen konnte, einen Entschluß zu fassen, wobei ich in mehr als einer Betrachtung so viel risquiere. …Aber da wider mein ehemaliges Vermuthen,
und ohne, daß ich den kleinsten Schritt gethan hätte, sie Sache zu befördern, der Antrag an mich kam, den Verstand und das Herz eines jungen Fürsten ausbilden zu helfen, der in wenigen Jahren regieren soll, so konnt’ ich unmöglich anders,
als denken, dies sey eine Gelegenheit, mehr Gutes zu bewirken, als ich in meinem ganzen bisherigen Leben zu thun im Stande gewesen bin.” (C.M. Wielands Briefe an Sophie von La Roche, herausgegeben von Franz Horn S. 162 f.)
Und an Kurfürst Emmerich schreibt er zunächst, dass eine “schuldige ehrfurchtsvolle Zurückhaltung gegenüber dem Kurfürsten, ihm verbiete, alle Beweggründe darzulegen. “ Nur dies sei mir erlaubt zu sagen, daß in der Verlegenheit, worin mein
Gemüth durch diesen völlig unerwarteten Antrag (das Angebot der Herzogin, den Erbprinzen zu erziehen) gesetzt ward, nichts als die völligste Überzeugung meines Gewissens, daß ich die Gelegenheit durch Theilnahme an der Erziehung und Bildung
eines hoffnungsvollen und mit seltenen Fähigkeiten begabten jungen Fürsten einen vorzüglichen Nutzen zu stiften, ohne Verletzung meiner wesentlichen Pflichten gegen Gott und Vaterland, nicht von mir abweisen könne…”
(zitiert bei Heinrich Döring S.215).
Wieland war noch in Weimar gebeten worden, literarisch zum Geburtstag der Herzogin am 24. Oktober 1772 beizutragen. Er brachte den Text zum Singspiel Aurora mit, das von Anton Schweitzer vertont wurde und zum Geburtstag der
Herzogin seine Uraufführung erlebte. Ein knappes halbes Jahr später folgte die Oper Alceste, der Text wieder von Wieland und die Musik von Anton Schweitzer . Sie wurde am 28. Mai 1773 am Hoftheater von Weimar erstmals
aufgeführt.Sie machte ihren Komponisten,der schon seit seinem Singspiel “Die Dorfgala” kein Unbekannter mehr war, berühmt. Alceste wurde allein in Weimar 25 mal aufgeführt, danach in Dresden, Leipzig, Mannheim, Frankfurt/M., München, Berlin,
Hamburg aber auch in Danzig und Prag.Sie war in dieser Zeit dann die meistgespielte Oper auf deutschen Bühnen. Sie gilt als Meilenstein auf dem Weg zu einer deutschen Oper. Nach Döring hatte Christoph Willibald Gluck Wieland schriftlich
aufgefordert,ihm ebenfalls eine ähnliche Oper zu schreiben (S. 225)
In einem Brief an Gluck vom 13. Juli 1776 schreibt er:“Ich habe Augenblicke, wo ich eifrig wünschte, ein lyrisches Werk hervorbringen zu können, das werth wäre,von Gluck Leben und Unsterblichkeit zu empfangen. Zuweilen ist mir aber auch, ich könnt es. Aber dies ist nur ein vorübergehendes Gefühl,nicht Stimme des Genius.” (In Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode, 1815, S. 261).
Wichtigste Projekt aber wurde der Teutsche Merkur. Eine Zeitschrift war das publikumswirksamste Medium der Zeit und auch dafür hatte Wieland schon Erfurt aus die ersten Impulse gegeben. Vorbild war der seit 1762 in Paris erscheinende
“Mercure de France”, ein literarisch-politisches Journal. In einem Brief an Riedel vom 17. September erläutert er seine Pläne genauer. “Ich bin entschlossen, eine Art von Journal zu entrepreniren, welches quo ad formam einige Ähnlichkeit mit
dem Mercure de France haben soll. Prosaische Original-Aufsätze,Litterarische Nachrichten, Recensionen und Revisionen unrichtiger Urtheile über interessante Schriften, sollen die Hauptartikel davon ausmachen” (Auswahl denkwürdiger Briefe S.302)
Es sollte auch eine Bühne für junge Schriftsteller werden, wie Wieland in seiner Vorrede zur ersten Ausgabe sagte. “ Die Unternehmer wünschen also Beyträge zu erhalten, und laden dazu nicht nur die Schriftsteller ein, welche bereits im Besitz der
allgemeinen Hochachtung sind: Sie sind gar nicht ungeneigt, auch für angehende Schriftsteller einen Schauplatz zu eröfnen, wo sie sich dem Publico zeigen können, und es würde ihnen sehr angenehm seyn, wenn sie durch diese Unternehmung Gelegenheit
erhielten, ein hier und da noch schlummerndes Genie aufzuwecken, oder ein vielleicht unentschlossenes in die ihm angemeßne Laufbahn einzuleiten.” Weiter später bittet der Herausgeber, die Erwartungshaltung nicht zu hoch werden
zu lassen.”Alles was ich noch hinzuzufügen habe, ist eine Erklärung an einige meiner Freunde, welche mir zu erkennen gegeben haben, dass sie Meisterstücke, und was für den Herausgeber noch fürchterlicher ist, lauter Meisterstücke vom Merkur erwarteten.”…
und weiter “Dem sey aber wie es wolle, ich meines Orts verlange von keinem Verfasser, so wenig als von irgend einem Künstler ein vollkommenes, ein untadeliges Werk.” (Vorrede zum Teutschen Merkur 1. Bd. 1773, ab S. IV).
Friedrich Heinrich Jaobi hatte Wieland wohl auf diese Idee gebracht. Einiges hemmte das Projekt. Da war einmal die zu knapp bemessene Planungs-und Vorbereitungsphase, was am Anfang einen chronischen Mangel an Textbeiträgen bewirkte.
Wieland hatte sich ein enormes Arbeitspensum aufgebürdet. Die Korrespondenz war kaum zu bewältigen. Probleme mit den Papierlieferanten, säumige Abonnementzahlungen oder die unzuverlässige Auslieferung der Bände waren zu bewältigen.
Ein Netz von Kollekteuren in möglichst vielen Teilen des deutschen Reiches musste aufgebaut werden, die als Werber von Abonnenten, Inkassostellen, Distributoren und Ansprechpartner fungierten. Der Leiter der Weimarer Schauspieltruppe Abel Seyler
war Wielands erster Assistent und da er beruflich viel unterwegs war, auch einer der ersten Kollekteure. Zu ihnen kamen später Gleim und Goethe dazu. Aber 1774 sind schon 121 Kollekteure belegt, unter anderem sein alter Freund
Zimmermann, der mittlerweile in Hannover war, aber auch das Kayersl. Real Zeitungs-und Intelligenz Comptoir in Wien. Um die Attraktivität seines Merkurs zu steigern, suchte er Immanuel Kant, Lessing, Garve, Herder oder Möser zu gewinnen.
De Letztgenanten waren aber zu stark mit eigenen literarischen Arbeiten beschäftigt, als dass sie ihm dauerhafte Mitarbeit zu sichern hätten können. Kant konnte als Ersatz einen ostpreussischen Buchhändler vermitteln
Trotzdem hatte der Teutsche Merkur zum Start 2500 Abonnennten. Dafür sorgte natürlich der prominente Name des Herausgebers und die populäre überkonfessionelle Konzeption des neuen Journals. Das hatte er ja auch in seinem
oben zitierten Brief an Riedel herausgestellt. “Ein Hauptgesetz soll seyn, alles was irgend einer in Deutschland recipirten Religion anstößig seyn könnte, zu vermeiden; denn mein Merkur soll in den katholische Staaten ebenso gangbar werden,
als in den protestantischen.” (S.303). Um die Kundschaft an sich zu binden, versprach Wieland die Erstveröffentlichung sämtlicher seiner neuen Werke im Merkur. Zudem brachte er eine Fortsetzungsästhetik. An besonders interessanten
Stellen wurde unterbrochen und der Leser auf die nächste Lieferung vertröstet, also praktisch modernes Literaturmarketing vorweggenommen. Er hatte erkannt, dass man die Leute auf den nächsten Band begierig machen musste.
Er hatte die Konkurrenzunternehmen im Blick. Das waren damals “Die Allgemeine deutsche Bibliothek” von Friedrich Nicolai herausgegeben. Das war eine damals maßgebliche Rezensionszeitschrift, die vierteljährlich erschien.
Wie oben gezeigt wurde Wieland in seinen Anfängen als Autor von Nicolai kritisch begleitet. Die Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste“ , die Christian Felix Weiße von 1759 von Nicolai übernommen hatte
und bis 1765 weiterführte. Ab 1765 erschien sie dann als “Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste” 1776 hatte Boie “Das Deutsche Museum” gegründet.
Die ersten Ausgabe des Merkur startete mit “Flüchtige poetischen Stücke”, Gedichte und Übersetzungen der Brüder Jacobi. Es gab zwei ausführliche Beiträge von Wieland über das Singspiel Alceste. Wieland hatte seinen Merkur in den ersten Ausgaben
auch als Forum für die Weimarer Theaterverhältnisse genutzt.Auch in den Folgeheften kamen die meisten Beiträge von den Brüdern Jacobi und Wieland selbst. Auch Gottfried August Bürger lieferte einige Beiträge.
Als es gelang den damals 26 Jahre alten Friedrich Justin Bertuch anzuwerben, entlastete das Wieland ganz enorm. Trotz bescheidener Bezahlung war das ein Geschäftspartner wie ihn Wieland sich besser nicht hätte wünschen können.
Bertuchs weitere Laufbahn zeigt, welch universales Talent sich um den Merkur kümmerte. Als der Hofmeister Görtz entlassen worden war, wurde er Geheimsekretär und Schatzmeister des jungen Herzogs Carl August. Er war von Anfang an in den
in den Kreis um Carl August eingebunden,in dem Goethe die zentrale Figur war. Bertuch war Schriftsteller und Übersetzer. Die Bekanntschaft mit Wieland hatte er als sein glühender Verehrer selbst geschlossen, als dieser noch Professor in Weimar war.
Er legte dem großen Dichter seine ersten dichterischen Versuche vor. Wieland war vom Enthusiasmus des jungen Mannes gerührt. Er wurde sein väterlicher Freund und ermunterte ihn zu weiterem kreativen Schaffen.
Als Bartuch nun für den Merkur tätig wurde, wechselte auf seinen Rat hin der Druckort des Journals von Rudolstadt nach Weimar. Der Vertrieb wurde an den Weimarer Carl Ludolph Hoffmann vergeben. Damit war eine professionelle
verlagsbuchhändlerische Betreuung gesichert. Im November 1774 starb Wielands Sohn Carl Friedrich im Alter von nur sieben Wochen. Wieland, der seine Kinder liebte, litt darunter sehr. In dieser Phase schwerer seelischer
Belastung übernahm Bertuch die Druckaufsicht, Textrevision und die ständig wachsende Korrespondenz. Ab 1775 war der statt der bisherigen quartalsweisen Erscheinung eine monatliche Publikation sichergestellt.
Auf der politischen Bühne änderte sich einiges. Hofmeister Görtz war von Herzogin Anna Amalia entlassen worden. Er hatte, auch von Wieland kritisch beobachte, bei seinem Zögling ständig gegen Anna Amalia intrigiert.
Auch Bertuch sah diese Intrigen mit wachsender Enttäuschung. Görtz sah durch die Toleranzpolitik der Herzogin die Privilegien des Adels bedroht und arbeitete auf eine vorzeitige Regierungsübernahme von Carl August hin.
Er wurde zwar ihn Ehren entlassen, bekam als wirklich Geheimer Rat ein lebenslanges Jahresgehalt von 1500 Talern. Die Landstände bewilligten zudem ein Geschenk von 20 000 Talern. Auf die Fürsprache Wielands wurde Bertuch
am 4. September 1775, das war ein Tag nach der Inthronisation Carl August zu dessen Privatsekretär und Schatullier ernannt. Das führte allerdings dazu, dass Bertuch im Sommer 1776 als Geschäftsführer ausschied. Nun musste Wieland sich
wieder allein um “das mercurialische Fabrikwesen” kümmern, wie er das in seinem Brief an Gleim vom 3. September 1776 nannte.
Im 5. Band 1774 des Teutschen Merkurs wurde mit dem Abdruck der “Abderiten, eine sehr wahrscheinliche Geschichte begonnen” . Die Fortsetzung folgte in Band 6 und 7. Im ersten Vierteljahr 1779 folgte der Prozess um des Esels
Schatten. Im 3. Vierteljahr 1780 folgte mit den “Fröschen der Latona” der 5. und letzte Teil. Er war Wielands komödiantischter Roman und gilt als Meisterwerk satirischer Prosa. In den ersten beiden Büchern wird Anekdote an Anekdote gereiht.
Die Handlung spielt in Abdera. Abdera ist historisch belegt ebenso wie Demokrit. Er führt Gespräche mit seinen Landsleuten und ist der einzige vernünftige Mann in Abdera. Es war Wieland aber sicher nicht um eine historische Schilderung zu tun.
Abdera ist einfach Kulisse. Und wie er im “Schlüssel zur Abderitengeschichte sagt: “und wiewohl man schon längst nicht mehr sagen kann: siehe hie ist Abdera oder da ist Abdera: so ist doch in Europa, Asia, Africa und America, soweit diese große Erdviertel policiert
sind, keine Stadt, kein Marktflecken, Dorf noch Dörfchen, wo nicht einige Glieder dieser unsichtbaren Genossenschaft anzutreffen sein sollten.” Natürlich hat Wieland auf seinen Stationen in Zürich, Erfurt und Weimar und vor allem in
seiner Zeit als Biberacher Stadtschreiber Anregungen für seine Abderiten genug gefunden. Aber Abdera ist eben nicht Biberach oder Weimar sondern hat durchaus Modellcharakter.
In den nächsten drei Bänden behandelt jeder Band ein einziges Thema. Der 3. Band wurde im 4. Vierteljahr veröffentlicht und handelte vom abderitischen Theater. Es geht um die Intrigen, die vor, während und nach der Aufführung stattfinden und sicher
hat Wieland da auch seine Erfahrungen verarbeitet, die er in Mannheim gemacht hatte, als dort eine Oper von ihm aufgeführt werden sollte. Im 1. Vierteljahr 1779 erscheint der Prozess um des Esels Schaden. Wieland schildert hier, wie zwei
sture Rechthaber in einem simplen Prozess fast die ganze Stadt ruinieren. Am Schluss wird der völlig unbeteiligte Esel dem Mob geopfert. Den Schluss bildet der 5. Band, der von der Verehrung der Stadtpatronin und Göttin Latona. Er wird
im 3. Vierteljahr 1780 veröffentlicht. Zu ihrer Verehrung sollen überall Froschteiche angelegt werden. Die Stadt versumpft buchstäblich. Die letzten vernünftig gebliebenen Abderiten können sich gegen das Gezänk, der sich theologisch befehdenden
Parteien nicht durchsetzen. Die Gegend ist für immer unbewohnbar geworden und die Abderiten müssen ihre Stadt verlassen.
Die Abderiten sind in einer Zeit geschrieben, in der das Bürgertum eine hohe Blüte erreicht hatte. Seine Ideale Leistung und Bildung begannen sich gegenüber dem Geburtsadel durchzusetzen. Das Buch ist eine brillante Analyse kleinbürgerlicher Lebenspraxis.
Es erweist sich auch“als die unbestechliche Entzauberung eines Systems zu dem Egoismus hinter dem Anschein von Dienstfertigkeit und Amtsanmaßung bei mangelnder Sachautorität ebenso gehören wie der Mißbrauch staatlicher Einrichtungen und
eine raffinierte >Kunst< ungebührlicher Einflußnahme” (Wolfram Mauser Konzepte aufgeklärter Lebensführung Würzburg 200 S. 175).
In den Erscheinungszeitraum der ersten beiden Abderitenbände fällt auch “Das Leben und die Meinungen des Herrn Magisters Sebaldus Nothanker” (1773-1776)von Friedrich Nicolai und Goethes “Leiden des jungen Werther” (1774).
Alle drei fanden in ganz unterschiedlichen Leserkreisen weite Verbreitung.
Wieland zeigt in seinen Abderiten die Anfälligkeit einer Gesellschaft für das Destruktive in ihr. Wieland zeigt die vielfältigen Formen des Sichanpassens und Einordnen, aber auch des Betrugs, Vertrauensbruchs und des zynischen Machtkalküls.
Hilfsbereitschaft, Wohlwollen und Loyalität werden nur vorgetäuscht. Dahinter versteckt sich aber Nepotismus, Eigennutz, Selbstgefälligkeit und Gewissenlosigkeit. Schon eine pessimistische Weltsicht in dem Buch, das kurz vor der französischen
Revolution geschrieben wird. Was empfiehlt der Aufklärer Wieland dagegen? Der Einzelne unterwirft sich aus Einsicht einem Regulativ. Ein gegenseitiges Einander-auf die Finger schauen, was letztlich stärker ist als die schärfste Kontrolle der
Obrigkeit. Man soll die Welt nicht nur vor den Torheiten der anderen schützen sondern auch vor den eigenen.
In dem Dorf Weende nahe bei Göttingen hatten sich am 12. September 1772 Johann Heinrich Voß. Ludwig Christoph Heinrich Hölty, Johann Martin Miller, Gottlieb Dietrich von Miller, Johann Friedrich Hahn und Johann Thomas Ludwig Wehrs
versammelt und gründeten dort den “Hainbund”. Sie studierten alle in Göttingen und hatten sich zum Teil durch ihre literarischen Beiträge in dem von Heinrich Christian gegründeten Göttinger Musenalmanach kennengelernt.
Der Name “Hainbund” geht auf Klopstocks Ode “Der Hügel und der Hain” zurück. Friedrich Gottfried Klopstock war so etwas wie der Übervater ihres Bundes. er hatte ihnen Namen und Programm gegeben. Aber sie hatten auch ihre Hassfigur,
nämlich Christoph Martin Wieland. Er galt ihnen als “Sittenverderber”. Das zeigte sich beider Feier die zu Klopstocks Geburtstag stattfand. “
Seinen [Friedrich Gottlieb Klopstocks; P. P.] Geburtstag feierten wir herrlich. Gleich nach Mittag kamen wir auf Hahns Stube, die die größte ist (es regnete den Tag) zusammen. Eine lange Tafel war gedeckt, und mit Blumen geschmückt. Oben stand ein
Lehnstuhl ledig, für Klopstock, mit Rosen und Levkojen bestreut, und auf ihm Klopstocks sämtliche Werke. Unter dem Stuhl lag Wielands Idris zerrissen. Jetzt las Cramer aus den Triumphgesängen, und Hahn etliche sich auf Deutschland beziehende
Oden von Klopstocks vor. Und darauf tranken wir Kaffee; die Fidibus waren aus Wielands Schriften gemacht. Boie, der nicht rauchte, mußte doch auch einen anzünden, und auf den zerrissenen Idris stampfen
meine Hervorhebung; P. P.] (zit. nach: Der Göttinger Hain. Herausgegeben von Alfred Kelletat. Stuttgart 1967, S. 359). Wieland selbst hat diesen Vorfall gar nicht mitbekommen.
Kurz danach wurde aber der literarische Vorbehalt gegen Wieland, den es ja auch gab, öffentlich ausgetragen und zwar durch Goethes Farce “Götter, Helden und Wieland”, die laut Goethe “während eines Sonntags … bei einer
Flasche Burgunder “ verfasst worden war (Goethe Aus meinem Leben, Dichtung und Wahrheit, Tübingen 1814, S.500). Auf der gleichen Seite sagte er “dass dies einer von Lenzen ersten Schritten gewesen, wodurch er mir zu schaden
und beym Publikum in üblen Ruf mich zu setzen die Absicht hatte.” Goethe kritisiert vor allem, dass Wieland in der Alceste “Helden und Halbgötter nach moderner Art nach moderner Art gebildet” und weiter “Allein in den Briefen,
die er über die gedachte Oper in den Merkur einrückte, schien er uns diese Behandlungsart allzu parteyisch hervorzuheben und sich an den trefflichen Alten und ihrem höhen Stil unverantwortlich zu versündigen, indem er die derbe gesunde Natur,
die jenen Productionen zum Grunde liegt, keineswegs anerkennen wollte.” (ebd. s. 499). Das ist Goethes Version zum Entstehungsgrund seiner Farce. Viele Biographen sehen aber auch eine Verärgerung Goethes über eine Rezension seines Götz von Berlichingen
als Ursache an. Wielands Schatten in der Nachtmütze wird an einen Nebenarm des Styx versetzt und begegnet dort den mythischen Opfern seiner Phantasie. Merkur fühlt sich verletzt durch die ungefragte Verwendung seines Namens für
ein Journal. Euripides, der antike Dichter Alceste-Dichter beklagt die Mittelmäßigkeit des vermeintlich epigonalen Stückes. Dann erscheint auch noch Herckules, der seine wahren Handlungsmotive ebenfalls verkannt sieht. Und er
fasst zusammen. “Ich weiß genug. Hättest du nicht zu lang unter der Knechtschaft deiner Sittenlehre geseufzt, es hätte noch was aus dir werden können”
Wieland reagiert souverän. Er rezensierte das gegen ihn gerichtete Werk im Teutschen Merkur vom Juni 1774 positiv. “Der Herr D. Göthe, Verfasser dieses Werkleins, nachdem er uns in seinem Götz von Berlichingen gezeigt hat,
daß er Shakespear seyn könnte, wenn er wollte, hat uns in dieser heroischen-komischen-farcicalischen Pasquinade gewiesen, daß er, wenn er wolle, auch Aristophanes seyn könne. Denn so wie es ihm in diesem kritischen Wrexekek
Koax Koax beliebt hat, mit Wieland und Wielands Alceste sein Spiel zu treiben, so trieb es ehedem Aristophanes mit dem nehmlichen Euripides, welchen Herr Göthe hier, mit der ihm eigenen Laune, dem Verfasser des Singspiels Alceste auf
den Kopf treten läßt. Wir empfehlen diese kleine Schrift allen Liebhabern der pasquinischen Manier als ein Meisterstück von Persiflage und sophistischem Witze, der sich aus allen möglichen Standpunkten sorgfältig denjenigen auswählt,
aus dem ihm der Gegenstand schief vorkommen muß, und sich dann recht herzlich darüber lustig macht, daß das Ding so schief ist.” (Seite 351 f.).
Die Farce hat in der damals sehr literarisch interessierten Gesellschaft natürlich schon für Aufsehen gesorgt. Heinse, der ja auch zum Sturm und Drang tendierte zeigte sich in einem
Brief an Gleim (Düsseldorf, 13. Oktober 1774) geradezu begeistert. “er (Goethe)reißt alle mit sich fort, und seine Götter, Helden Wieland- ein Werk von herkulischer Stärke, wenn man’s recht, und Zeile vor Zeile durchdenkt
und durchfühlt…” (Wilhelm Körte, Briefe deutscher Gelehrten, Zürich 1806, S. 201). In den meisten Literaturzeitungen wurde der Angriff Goethes auf Wieland eher negativ betrachtet.
Christian Daniel Schubart, der ja auch eine Neigung zum Sturm und Drang hatte, schrieb in seiner Deutschen Chronik im 19. Stück auf Seite 150/51 “Hier liegt eine Posse* vor mir, die mich fast zu tod ärgert-Götter Helden und Wieland betittelt.
Nicht als wenn diese Posse schlecht geschrieben wäre; nein! ein Meisterstück ist sie, und niemand kann so dialogisiren, als der Verfasser des Göz von Berlichingen. Nur der Angrif auf unseren Wieland, dem wir in aller Absicht so
viel zu danken haben, mißfällt mir” und dann fährt er fort, dass Klopstock und Bodmer ja auch solchen Angriffen ausgesetzt waren und weiter “und itzt auch Wieland!-Nicht von einem Kleingeiste, sondern von einem Manne von Genie.
Wenn Liliputier mit ihren Nadelpfeilchen auf einander schießen, so lacht man. Wenn aber Brobdingrags ihre Riesenfäuste heben, dann zittert man vor Gefahr-Und Gefahr ists für unsre Literatur, wenn sich die besten Köpfe entzweyen,
und ihr Feuer, das sie in unsterblichen Werken verschwenden sollten, in Zank und Schmähschriften weglodern lassen.” Auch Nicolai hat sich natürlich in der Allgemeinen Deutschen Bibliothek zu Wort gemeldet.
“Was würde Herr G. sagen, wenn jemand unter dem Namen: Zigeuner, Lumpengesindel und Göthe ein Pasquill auf seinen Götz von Berlichingen machte, und führte ihn darinn auf als einen einfältigen Tropf, wie er in diesem stücke Herrn Wieland aufführt.
… Die Art, wie Hr. Wieland sich in seinem Merkur, über dieses plumpe Pasquill, (und keinen andren Namen verdient es) erklärt hat, macht ihm wahre Ehre.” (Allgemeinen Deutschen Bibliothek , Bd 26, 1775 S. 206). Wielands souveräne Reaktion
und die Rezensionen zeigten Goethe, dass er übers Ziel hinaus geschossen war und das sich die Stimmung gegen ihn wandte. Diese Reaktion ermöglichte auch, dass sich kurz nachdem die Schmähschrift solche Wellen schlug, sich doch eine tiefe Freundschaft
zwischen den beiden entwickeln konnte.
Zu der Zeit als die literarische Auseinandersetzung stattfand, wurde Weimar von einem Unglück heimgesucht. Am 6. Mai 1774 brannte das Weimarer Schloss ab, das bis auf die Außenmauern zerstört wurde. Bis auf ein paar Bücher, die er verlor, kam Wieland mit
dem Schrecken davon. Allerdings zog der gesamte Hofstaat ins Barockschloss Belvedere um. Auch Wieland wohnte dort bis Ende September 1774. Das Theater musste seinen Betrieb einstellen und die Schauspielergesellschaft wurde entlassen.
Der Brand hatte die Bühne unbespielbar gemacht und man musste mit Provisorien arbeiten. Bis dahin konnte jeder Weimarer Bürger dreimal die Woche das Theater unentgeltlich besuchen.
Für Wieland bedeutete der Brand mit Ausnahme der Rosamunde, die in Mannheim aufgeführt werden sollte, zunächst den Abschied von der Theaterbühne. Später hatte er nochmals antike Dramen von Aristophanes und Euripides übertragen.
Kurz vor Carl August die Regierung antrat, reiste Wieland nach Halberstadt zu Gleim. Der Besuch wurde genauestens vorbereitet, denn Wieland hasste Überraschungen oder mit seinen Worten “ich liebe die Überraschungen nicht;
sie taugen für alle sehr empfindlichen Leute nichts, Voraus zu genießen ist ein zu süßes Vorrecht der Menschheit, um sich dessen selbst zu begeben” Brief an Gleim vom 17. März 1775(Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 3, Zürich 1815 S.206).
Damit meinte er vor allem das Angebot Gleims, ihm bis Blankenburg entgegenzukommen
Am 10. März reiste die Gesellschaft schließlich los. Christoph Martin mit seiner Frau Anna Dorothea, der siebenjährigen Tochter Sophie Catharina Susanne und seinem Merkur-Mitarbeiter Friedrich Bertuch. Ursprünglich terminiert war der 4. Mai.
Aber der Merkur hatte nochmals aufgehalten. “und warum dieß? Alles bloß um dieses gebenedeyten Merkurs, den wir, ich und Bertuch, schlechterdings vom Halse haben müssen, um mit ganz heiterm, ruhigem, sorgenfreyem Geiste zu unserm Gleim ziehen
und acht ganzer seliger Elisiumstage bei ihm zu leben.” (ebda. S. 212). Das Monatstück May” musste noch gedruckt, geheftet und zum Versand gebracht werden. Man besuchte ihn in seinem Haus, direkt am Dom gelegen
und konnte dort sicher seinen “Freundschaftstempel” bewundern. Das Gleimhaus ist heute “Kultureller Gedächtnisort mit besonderer nationaler Bedeutung”. Natürlich ist dort ein Bild von Gleim vertreten, aber auch Wieland, direkt neben Sophie von La Roche,aber auch Lavater, Bodmer und auch Klopstock und Bertuch. Wieland blieb 12 Tage in Halberstadt. Am 28. Mai schreibt er an Gleim und berichtet, dass er und seine Frau “unsern langen zwölftägigen Wonnetraum von Gleim und Geminde, von Freundschaft und Seligkeit,
von Halladat und saphischen Liedern, von Spiegelbergen und Nonnenparadiesen…”(Ebda S. 218). Anna Louisa Karsch, die “preussische Sappho” (Gleim) war zugegen und man las ihre Gedichte. Im zitierten Brief kündigt Wieland an “An das Wunderweib, unsre Karschin schreibe ich noch diese Woche (ebda. S. 224). Sie ist übrigens im Freundschaftstempel auch vertreten und zwar an prominenter Stelle.. Man hatte wohl auch darüber diskutiert zusammen zu wohnen. “Das Projekt zusammen zu ziehen, ist wie ich sehe unser beyder Lieblingsprojekt geworden” (Brief vom 3. Juni 1775, ebd. S. 226)
Am 3. September 1775 wurde Carl August öffentlich in sein Amt eingeführt. Wieland hatte dazu eine “Cantate auf den neunzehnten Geburtstag und Regierungs-Antritt des Herzogs von Sachsen-Weimar und Eisenach” verfasst. Bei der Amtseinführung wurde sie
aufgeführt. Im 3. Band 1775 des Teutschen Merkur wurde sie auch veröffentlicht. (S. 193-195). Nach seiner Regierungsübernahme erhöhte der junge Herrscher die Wieland vertraglich zugesicherte Rente von 600 Reichstalern auf 1000
unter der Bedingung, dass Wieland in Weimar blieb. Laut Ofterdinger gab dies den Ausschlag, das Wieland nicht nach Oberschwaben zurückzog. Er zitiert Wieland mit der Aussage vom 20. Januar 1799 “Wäre dieß nicht gewesen,
so wäre ich aus dem belobten Weimar in mein liebes Schwabenland zurückgezogen”. (S. 236)
Carl August hatte 1774 mit seinem Erzieher dem Grafen Johann Eustach von Schlitz genannt Görtz eine Bildungsreise unternommen. Auch Ludwig von Knebel war dabei, der ja auch als Erzieher am Hofe von Weimar angestellt war. Die Reise führte über
Frankfurt, Mainz, Karlsruhe und Straßburg nach Paris. In Frankfurt hatte man einen Zwischenhalt eingelegt, da der Prinz Johann Wolfgang von Goethe kennenlernte wollte. Knebel machte sie miteinander bekannt. Goethe schildert das in
“Dichtung und Wahrheit” so: “Ich eilte nunmehr mit demselben zu den jungen Fürsten, die mich sehr frei und freundlich empfingen, so wie auch der Führer des Erbprinzen, Graf Görtz, mich nicht ungern zu sehen schien.” (1773 3,15)Er reiste, wie abgesprochen der
Reisegesellschaft nach Mainz nach “Ich gelangte also in sehr kalter Jahreszeit zur bestimmten Stunde nach Mainz, und wurde von den jungen Herrschaften und ihren Begleitern, der Einladung gemäß, gar freundlich aufgenommen. Der in Frankfurt geführten Gespräche erinnerte man sich, die begonnenen wurden fortgesetzt, und als von der neuesten deutschen Literatur und von ihren Kühnheiten die Rede war, fügte es sich ganz natürlich, daß auch jenes famose Stück, »Götter, Helden und Wieland«, zur Sprache kam; wobei ich gleich anfangs mit Vergnügen bemerkte, daß man die Sache heiter und lustig betrachtete. Wie es aber mit dieser Posse, welche so großes Aufsehn erregt, eigentlich zugegangen, war ich zu erzählen veranlaßt, und so konnte ich nicht umhin, vor allen Dingen einzugestehn, daß wir, als wahrhaft oberrheinische Gesellen, sowohl der Neigung als Abneigung keine Grenzen kannten. (ebda).Auf seiner ersten Schweizreise traf Goethe Herzog Carl August nochmals in Karlsruhe,
der dort Luise von Hessen-Darmstadt heiratete. Auch Goethe wurde von dem jungen Paar empfangen. “Meine Gespräche mit beiden hohen Personen waren die gemütlichsten, und sie schlossen sich, bei der Abschiedsaudienz, wiederholt mit der Versicherung: es würde ihnen beiderseits angenehm sein, mich bald in Weimar zu sehn.” (ebda 1775 4,18) Er leistete dieser Einladung Folge und kam am 7. November 1775 in Weimar an.
Wieland war sofort total begeistert und schrieb das auch an seine Freunde. An Friedrich Heinrich Jacobi schreib er am 10. November 1775:
“Dienstags, den 7. d. M., morgens um fünf Uhr, ist Goethe in Weimar angelangt. O bester Bruder, was soll ich Dir sagen? Wie ganz der Mensch beim ersten Anblick nach meinem Herzen war! Wie verliebt ich in ihn wurde, da ich am nämlichen Tage an der Seite des herrlichen Jünglings zu Tische saß!
Alles, was ich Ihnen (nach mehr als einer Krisis, die in mir diese Tage über vorging) jetzt von der Sache sagen kann, ist dies: Seit dem heutigen Morgen ist meine Seele so voll von Goethe, wie ein Tautropfe von der Morgensonne. “ (zitiert in “Literaturbrevier”)
und an Zimmermann am 8.Januar 1776: ”Was Gott zusammengefügt hat,soll der Mensch nicht scheiden. Göthe, Lavater, Herder, warum sollten sie nicht auch meine Freunde seyn? Seit ich diese Kleeblatt kenne, sind sie meine Heiligen. Ich lebe nun
9 Wochen mit Göthen, und lebe seit unserer Seelen-Vereinigung so unvermerkt und ohne allen effort nach und nach zu Stande gekommen ganz in ihm. Er ist in allen Betrachtungen und von allen Seiten das größte, beste und herrlichste menschliche Wesen,
das Gott geschaffen hat.” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S. 246). An Meusel, Historiker, der ja auch im Merkur mitarbeitete hatte er im November geschrieben “Göthe, den wir seit neun Tagen hier besitzen, ist das größte
Genie, und der beste liebenswerthe Mensch, den ich kenne. (ebda. S. 245 f.) An Gleim schreibt er im September 1776. Goethe und Gleim “konnten” ja nicht miteinander und Goethe ist in Gleims Freundschaftstempel nicht
vertreten. “Sie mein liebster haben ja noch einen Pik gegen diesen edlen herrlichen jungen Mann, den ich schon lange wie meinen Augapfel liebe. Sie brauchten ihn aber nur etliche Tage in der Nähe zu sehn, so würde er ihnen fast so lieb
werden, als mir. In diesen zehn Monaten, die ich mit ihm gelebt habe, ist – ein einziges Mißverständnis ausgenommen, das aber nicht länger als eine Stunde dauerte- (und auch dieß begegnete schon vor mehr als sechs Monaten)
kein Augenblick gewesen wo Göthe und ich nicht in der reinsten Harmonie gelebt hätten.” …und weiter “ Alles in meinem Hause, Mutter Weib und Kinder lieben ihn” (ebda S. 261 f.)
Die Zuneigung war aber durchaus gegenseitig. Zahlreiche Tagebucheinträge Goethes berichten von Besuchen im Hause Wieland. Er war dort oft beim Essen aber auch bei Freunden, zum Beispiel der Familie Keller in Stedten, die aus Tübingen
stammte.
1776 kaufte Wieland einen Garten vor der Stadt. Da er nun Eigentümer einer städtischen Liegenschaft war, Stadtbürger werden. Das Bürgerbuch der Stadt Weimar vermerkt dazu: “den 16 Mart. 1776 der Churf(ür)stl(ich) Mayntzi(sche)
und F(ürstlich)und Sächs(ische)HofRath H(err)Christoph Martin Wieland haben dato das Bürgerrecht conferirt erhalten.” (Stadtarchiv Weimar HA I-37-4 S.Die Eintragung kostete ihn 10 Meißner Gulden, das entspricht etwa 87,50 Reichstaler.
Das wären nach heutiger Währung etwa 1750 €. Dazu kam noch ein Feuereimer für einen Meißner Gulden, also etwa 175 €. Der Kaufpreis für Grundstück und Gebäude betrug 1250 Reichstaler. Zwischen 1622 und 1775 entsprach ein Reichstaler
zwischen 17 und 22 €. Das heißt der Garten kam Wieland auf etwa 25.000 € zu stehen. Laut Zaremba ( S. 189)bedeutete dies aber nur etwa die Hälfte des Marktpreises. Wieland musste dazu aber 1000 Taler seines Kapitals bei der Stadtkasse
Biberach zurückfordern. Der Betrag an die Stadtkasse Weimar wurde auf einmal beglichen, was zu der Zeit nicht selbstverständlich war.
Natürlich erzählt er auch seinen Freunden von seiner Neuerwerbung. Am 8. Mai 1776 schreibt er an Gleim ”Habe einen Garten gekauft, der mir großen Spaß macht, aber auch einen guten Theil meiner Existenz wegstielt, bis ich ihn einigermaßen so
umgestaltet habe, daß man gerne darin seyn kann. Wollen wir uns mehr als einmal darin wohl seyn lassen. wiewohl er gegen euer Sanssouci nur ein Maulwurfshäufchen ist.” (ebda. S 255) Auch Sophie von La Roche erzählt er im September 1777,
in einem großen Haus vor der Stadt wohnt “und ein paar hundert Schritte davon liegt ein größerer Garten, den ich vor anderthalb Jahren gekauft habe, und worin ich dieser schönen herbstlichen Tage froh werde, die die Natur uns noch ganz unvermuthet schenkt.”
(zitiert bei Döring S. 260)
Am 21. März 1776 bekommt die Familie Wieland wieder Zuwachs, ein Mädchen. Es wird auf den Namen Charlotte Wilhelmine getauft und Pate soll Gleim werden. “Wir haben uns bester Freund und Bruder, des Rechts bedient, das Sie
uns vor einem Jahr gegeben haben, und Sie, wiewohl abwesend, aber uns im Geiste gegenwärtig, zum Pathen des holden kleinen Geschöpfs ernannt, in Hoffnung, daß es Ihnen angenehm seyn würde, diese geistliche Paternität
mit unserm Göthe zu teilen” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 3, Zürich 1815 S. 252)
Im Oktober 1776 kam auch Johann Gottfried Herder in Weimar an.Goethe hatte Herder 1771 in Straßburg kennen und schätzen gelernt. 1776 wird er von Herzog Carl August nach Weimar berufen. Goethe hatte ihn beim Herzog empfohlen und durchgesetzt.Wieland hatte durchaus die Bedeutung erkannt, die die Berufung für Weimar hatte. An Gleim schreibt er: “Denkt doch was Karl August aus Weimar macht! und machen wird!” (zitiert nach Gottfried Gruber Sämmtliche Werke: Wielands Leben nebst seinem Portrait,
Band 52 S.171) An Gleim schreibt er am 4. Oktober 1776 “Bestes Bruderherz! Der Mann Gottes, mit seinem lieben Engel an der Seite, ist Dienstag Abends glücklich bey uns angekommen.- Bey’m ersten flog ihm meine Seele entgegen.”
(Ausgewählte Briefe S. 263). Die Antrittspredigt von Herder in Weimar muss ein richtiges Ereignis gewesen. Die Bewohner Weimars waren gegen ihn voreingenommen. Seine Frau schreibt darüber “Denn man hatte unter anderem das Gerücht verbreitet:
Er könne nicht predigen!” (In Erinnerungen aus dem Leben Joh. Gottfrieds von Herder, Bd. 2 Tübingen 1820 von Caroline von Herder S.5)und Wieland schreibt begeistert über diese Predigt “Er predigt, so wie noch niemand gepredigt hat,so wahr, so simpel,
so faßlich, und doch alles so tief gedacht, so rein gefühlt, so schwer an Inhalt!” (zitiert bei Sämmtliche Werke: Wielands Leben nebst seinem Portrait, Band 52 von Christoph Martin Wieland,Johann Gottfried Gruber. S. 172)Aber er fühlt sich Herder irgendwie unterlegen, wie er in demselben Brief schreibt:”Meine ganze Seele ist voll von dem herrlichen Manne. Aber er ist mir zu groß, zu herrlich; (Seite 171) und weiter auf der schon oben zitierten Seite “Ich selbst fühle, wie wenig ich ihm seyn kann. Fühlen,
einsehen, durchschauen, was er ist, und ihn lieben, mehr als ihn noch ein Sterblicher geliebt hat, das kann ich.” Zwischen den beiden Familien entwickelte sich praktisch vom ersten Tag an eine herzliche Freundschaft, wie auch Caroline von Herder in dem oben zitierten Werk weiterfährt: “Wielands zarte, gutmüthige Seele schloß sich an Herder an, er ehrte und liebte ihn hoch, und unsere Familien verbanden sich immer herzlicher. Wenn auch in Wielands und Herders Freundschaft zuweilen Mißverständnisse und
Mißklänge kamen, so löseten sie sich doch immer wieder. Sie achteten und ehrten Jeder des Andern eigenthümlichen Genius und Werth ohne Neid, obwohl sie über viele Dinge sehr verschieden dachten, und eigentlich doch nie innig sympathisirten,
hervorragend gute Naturen erkennen auch bey jedem Wechsel, daß sie in einer höhern geistigen Classe zusammengehören.Wieland erzeigte bey vielen Anlässen, wo wir seyne Freundschaft ansprachen, thätige Dienste unter anderem durch Darlehn:
Denn die Einrichtung an diesem neuen Ort, ohne eigenes Vermögen, erschwerte uns die ersten Jahre recht peinlich”
Im Gegenzug lieferte Herder Beiträge für den Teutschen Merkur.1776 Vom Zweiten Vierteljahr an war er in den nächsten 4 Ausgaben vertreten und dann nochmal im 4. Vierteljahr 77. Er schrieb Fabeln aber auch Studien über Hutten, Kopernikus oder Savanarola.
Die Beziehung zu Herder war sicher nie einfach. Herder war oft krank. Das förderte seine Neigung zur Hypochondrie. Auch trug er manchmal seinen intellektuellen Dünkel recht offen zur Schau. Aber nicht nur Wieland, auch Goethe hatte mit Herder
Schwierigkeiten.
Der Komponist der Alceste, Anton Schweitzer, war nach dem Weimarer Theaterbrand mit der Seilerschen Truppe nach Gotha gekommen. Dort erhielt er eine Anstellung zum Musikdirektor des Hoftheaters. Von Mannheim erhielt er eine
Auftragskomposition für eine Oper. Und Wieland sollte nun das Libretto für die Oper Rosamunde schreiben. Franz Karl von Hompesch, kurpfälzischer Finanzminister hatte die Oper in Auftrag gegeben. Allerdings stand seine Rosamunde unter keinem guten Stern.
Schon Goethe und Jacobi hatten die erste Fassung kritisiert. An Jacobi schreibt er “Ich habe nun Göthens Meinung zu der Sache (gemeint ist die Oper Rosamunde) und sie stimmt völlig zu der Deinigen. er hat mir alles sehr begreiflich gemacht.
Seiner Meinung nach liegt das Hauptgebrechen am Sujet selbst. Das proton pseudos liegt aber nach ihm darin, daß ich das Ding anstatt mit dramatischem, mit epischem Sinn gefaßt habe.” (zitiert in Goethe: Begegnungen und Gespraeche: 1777-1785
herausgegeben von Ernst Grumach,Renate Grumach S. 16)Er ist auch bei der Mannheimer Kurfürstin Elisabeth Auguste angeeckt. In seiner Alceste lobte Wieland die Ehe, in der Rosamunde wird die Ehebrecherin mit Heirat und Krönung belohnt,
während die rechtmäßige Gattin das Nachsehen hat.Wieland hatte auch keine glückliche Hand bei der Stoffwahl, wie er später sagte. Er war nach langem Suchen in Addisons (“meines Lieblings”)Spectatorn auf die Rosamunde gestoßen.
Addison hatte 1707 ein Libretto für eine Oper Rosemond geschrieben. Und dann fährt er fort “Freilich wußte ich unhöfischer Tropf nicht, daß der Kurfürst auch so viele Rosamunden hatte und mit ihren Kindern das Land bevölkerte”…
und weiter als er nach Mannheim reiste “Dort hatte man sich über meine Wahl des Themas außerordentlich gewundert und Beziehungen hineingelegt, die mir nicht im Traume eingefallen waren. Die Kurfürstin war erstaunlich darüber ungehalten.”
(zitiert bei Literarische Zustände und Zeitgenossen: in Schilderungen aus Karl August Böttigers Nachlass, Band 1, Leipzig 1838 S.229) Mitten in die Probenarbeiten platzte die Nachricht vom Tode des bayrischen Kurfürsten Max III. Joseph.
Der Kurpfälzer Kurfürst Karl Theodor musste unverzüglich nach München. Staatstrauer auch in der Kurpfalz wurde angeordnet. Der Kurfürst befahl, dass die Proben fortgesetzt wurden “und blos vor Wieland das Stück bei verschlossenen Thüren
aufgeführt werden sollte.” (ebda.)Am 22. September 1776 hatten Karl Theodor und Max III. Joseph ihre Erbverbrüderung erneuert, die Bayern und Pfalz als unteilbaren Gesamtbesitz behandelte. Dass die Erbfolge so schnell eintreten sollte, war nicht abzusehen.
Als nun Bayern an die Pfalz fallen sollte, machte Österreich einen Anspruch auf Niederbayern und die Oberpfalz gelten. Das löste den Bayerischen Erbfolgekrieg aus. An Theaterstücke oder Opern war so natürlich nicht zu denken. Die Oper wurde nie aufgeführt.
Für Wieland war das alles zwar ziemlich chaotisch, aber es gab trotzdem auch positive Aspekte. Auf der Anreise nach Mannheim war vier Tage Gast bei Goethes Eltern in Frankfurt. Er war für Goethes Vater ein geduldiger Zuhörer (Böttiger S.216).
Außerdem zeigte dieser die Jugendwerke Goethes in “einem prächtig eingebunden Manuscript” In Darmstadt hatte er wieder persönlichen Kontakt zu Merck, der ja ein eifriger Mitarbeiter des Merkur war.Außerdem lernte er Wolfgang Amadeus Mozart
persönlich kennen, der zu der Zeit in Mannheim weilte. Wieland war in Mannheim mit großer Begeisterung aufgenommen worden, aber Mozart ließ sich davon nicht irritieren. Am 27. Dezember gibt er seinem Vater eine kurze Beschreibung
von dem Ereignis. “Nun bin ich mit Hrn. Wieland auch bekannt; er kennt mich aber noch nicht so, wie ich ihn, denn er hat noch nichts von mir gehört. Ich hätte ihn mir nicht so vorgestellt wie ich ihn gefunden. Er kommt mir im Reden ein wenig
gezwungen vor; eine ziemlich kindische Stimme, ein beständiges Gläselgucken, eine gewisse gelehrte Grobheit und doch zuweilen eine dumme Herablassung. Mich wundert aber nicht, daß er (wenn auch zu Weimar oder sonst nicht) sich hier zu betragen geruhet,
denn die Leute sehen ihn hier an, wie wenn er vom Himmel herabgefahren wäre. Man genirt sich ordentlich wegen ihm, man redet nichts, man ist still, giebt auf jedes Wort acht, das er spricht;- nur schade, daß die Leute so oft in der Erwartung seyn müssen,
denn er hat einen Defect in der Zunge, vermöge er ganz sachte redet und nicht sechs Worte sagen kann ohne einzuhalten. Sonst ist er, wie wir ihn alle kennen, ein vortrefflicher Kopf. Das Gesicht ist von Herzen häßlich, mit Blattern angefüllt, und eine
ziemlich lange Nase, die Statur wird seyn, beyläufig etwas größer als der Papa” (zitiert bei Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam 1931, S. 87-88.) Und im Januar schreibt
Mozart an seinen Vater “Der Herr Wieland ist, nachdem er mich nun 2 mal gehört hat, ganz bezaubert. Er sagte das letztemal nach allen möglichen Lobsprüchen zu mir; es ist ein rechtes Glück für mich, daß ich Sie hier angetroffen habe, und drückte mich bey der Hand. Heut ist die Rosamund im Theater probiert worden. Sie ist – – – – gut, aber sonst nichts; denn wenn sie schlecht wäre, so könnte man sie ja nicht aufführen? – –”
Wenn man diese Schilderung Mozarts liest, muss man Wielands Leistung als Erzieher umso mehr bewundern. Er hatte ja seit seiner Züricher Zeit junge Leute um sich. So ein Sprachfehler erleichterte seine Aufgabe sicher nicht, wird aber nie als Handicap erwähnt.
Wieland hat dann auch in Weimar die Beisterung der Herzogin für Mozarts Musik geweckt.
Goethe hat dann als Theaterdirektor in Weimar für häufige Aufführungen von Mozarts Werken gesorgt. Im Schlosspark von Tieffurt steht das erste Denkmal, das Mozart außerhalb von Österreich gewidmet wurde. Das war
immerhin schon 1799, also nur 8 Jahre nach seinem Tod am 5. Dezember 1791.
Am 24. Januar 1778 war Wieland endlich wieder zurück in Weimar. Am 26. Oktober 1778 wurde der Sohn Ludwig Friedrich August geboren.Er studierte später in Jena, war Bibliothekar bei Fürst Esterhazy in Wien, war auch als Dichter und Herausgeber tätig.
So gab er auch die Auswahl denkwürdiger Briefe heraus, aus der hier ja auch öfters zitiert wird.
Wieland lebte nun seine Neigung zum ländlichen Leben aus. Allerdings wurde die ländliche Idylle etwas getrübt wegen der Gesundheit. Seine Frau und seine Kinder hatten oft Scharlach. Wieland selbst war sehr wetterfühlig und wurde oft von starken Infekten heimgesucht. Vor allem aber machte ihm Der Teutsche Merkur zu schaffen. Die Auflagenzahl ging zurück. Am 28. September 1782 legte Bertuch Wieland einen “Entwurf über den Merkur” vor. Zwei Strategien wurden dabei vorgeschlagen, einmal
inhaltliche Erneuerung und zum andern Stabilisierung der Vertriebswege und Erschließung neuer Wege. In einer Sozietät sollte Wieland 2 und Bertuch 1 Drittel des Gewinnes erhalten. Der Vertrag wurde am 6. Oktober 1782 unterzeichnet.
Ab 1783 wurde der “Teutsche Merkur” als “eine gemeinschafftliche merkantilistische Entreprise” betrieben und war “gemeinschafftliches Eigenthum von Wieland und Bertuch. Der Merkur erfuhr wieder Auftrieb.Bertuch schied 1786
zugunsten von Karl Leonhard Reinhold (1758-1825)aus dem Vertrag aus. Leonhard war erst Novize im Jesuitenorden, bis dieser im September 1773 in Österreich aufgehoben wurde. Über Leipzig kam er nach Weimar, wurde von Wieland freundlich aufgenommen
und rasch Mitarbeiter beim Merkur. Am 18. Mai 1785 heirate er Wielands erste Tochter Sophie.
Kurz zuvor, am 27. Mai 1783, hatte der Dichter nochmals Familienzuwachs erhalten und zwar eine Tochter. “Sie ist, einer ewig theuren Abgeschiedenen Julie genannt worden”, wie er am 1. April Sophie von La Roche mitteilt.
(Briefe an Sophie von La Roche, nebst einem Schreiben von Gellert und Lavater …
von Christoph Martin Wieland,Franz Horn S. 241)
In der Zeit von 1773 bis 1775 hatte Wieland folgende Werke verfasst: Stilpon oder über dieWahl eines Oberzunftmeisters von Megara. Eine Unterredung1774); Das Urtheil des Midas. Ein komisches
Singspiel in einem Aufzug (1775); Geschichte des Philosophen Danischmende (1775); Unterredungen zwischenW** und dem Pfarrer zu *** (1775); Titanomachia oderas neue Heldenbuch (1775).Es folgten Gandalin oder Liebe um Liebe (1776)
Das Winter und Sommermärchen (1776) Pervonte (1778) Der Vogelsang (1778) wichtigste Werk aus dieser Zeit war aber der Oberon, sein vorletztes Versepos. Es erschien 1780 erstmals noch ohne Nennung des Namens des Dichters, dann 1783-1784
zunächst im Merkur, und 1784 als Separatdruck. Es ist ein Ritterroman. Ritter Hüon hat aus Versehen den Sohn seines Herrn erschlagen. Er geht aus einer Art Gottesurteil unversehrt hervor und kann nun von Karl dem Großen zur Sühne eine fast übermenschliche
Aufgabe aufgebürdet. Er soll nach Bagdad reisen, dort den Palast des Sultans aufsuchen und bei einem Festbankett denjenigen köpfen, der zur Linken des Sultans sitzt. Danach soll er die Tochter des Sultans dreimal küssen und sich mit ihr verloben.
Dann soll er von seinem Schwiegervater in spe vier Backenzähne erbitten, dazu eine Handvoll seiner grauen Backenhaare. Nur wenn er damit an den Hof Karls zurückkehre, sei ihm verziehen. Der Naturgeist Oberon hilft dem Helden bei diesem
aberwitzigen Unterfangen. Die Barthaare des Sultans und seine Backenzähne und auch die Tochter des Sultans, die schöne Rezia, rücken in erreichbare Nähe. Es zeigt Anklänge an den Sommernachtstraum von Shakespeare, den er ja auch übersetzt hatte,
bei Wieland “Ein St. Johannis Nachts Traum” Er überarbeitete sein Werk insgesamt sieben Mal. Es hatte auch Einfluß aus Goethes Faust II, Die Zauberflöte und Weber verarbeitete den Stoff in seiner Oper Oberon 1826.
Die politischen Schriften Wielands, die in diesen Jahren im Merkur erschienen waren, befassten sich hauptsächlich mit “Aufklärung”. Diese erscheinen später gesammelt als Vermischte Aufsätze. Im 2. Vierteljahresheft 1789 wird
“Ein paar Goldkörner aus Maculatur oder Sechs Antworten auf Sechs Fragen” veröffentlicht. Die Fragen sind “1. Was ist Aufklärung 2. über welche Gegenstände kann und muss sie sich verbreiten 3. wo sind ihre Grenzen
4. Durch welche mittel wird sie befördert 5. Wer ist berechtigt, die Menschheit aufzuklären 6. An welchen Folgen erkennt man ihre Wahrheit” Frage 1 beantwortet er so “ Das weiß jedermann, der vermittelst eines Paars sehender Augen erkennen gelernt hat,
worin der Unterschied zwischen Hell und Dunkel, Licht und Finsternis besteht. Im Dunkeln sieht man entweder gar nichts oder wenigstens nicht so klar, daß man die Gegenstände recht
erkennen und voneinander unterscheiden kann: sobald Licht gebracht wird, klären sich die Sachen auf, werden sichtbar und können voneinander unterschieden werden – doch wird dazu
zweierlei notwendig erfodert: 1) daß Licht genug vorhanden sei, und 2) daß diejenige, welche dabei sehen sollen weder blind noch gelbsüchtig seien, noch durch irgendeine andere Ursache
verhindert werden, sehen zu können oder sehen zu wollen. (S.97). Die zweite Frage beantwortet er, dass für ehrliche Leute im dunkeln nichts zu tun bleibt (“ein löbliches und gemeinnütziges Geschäft ausgenommen”) als zu schlafen.
und weiter führt er aus “Das Licht des Geistes, wovon hier die Rede ist, ist die Erkenntnis des Wahren und Falschen, des Guten und Bösen. Hoffentlich wird jedermann zugeben,
daß es ohne diese Erkenntnis ebenso unmöglich ist, die Geschäfte des Geistes recht zu treiben,als es ohne materielles Licht möglich ist, materielle Geschäfte recht zu tun. Die Aufklärung, d. i.
so viel Erkenntnis, als nötig ist, um das Wahre und Falsche immer und überall unterscheiden zukönnen, muß sich also über alle Gegenstände ohne Ausnahme ausbreiten, worüber sie sich ausbreiten
kann, d. i. über alles dem äußern und innern Auge sichtbare. “ (S.98) Die dritte Frage beantwortet er so: “Wo, bei allem möglichen Lichte, nichts mehr zu sehen ist.” Zu Frage 4 meint er
“Das unfehlbarste Mittel zu machen, daß es heller wird, ist, das Licht zu vermehren, die dunkelnKörper, die ihm den Durchgang verwehren, soviel möglich, wegzuschaffen und besonders alle
finstern Winkel und Höhlen sorgfältig zu beleuchten, in welcher das Nro. 2. erwähnte lichtscheue Völkchen sein Wesen treibt.” und weiter “Es gibt kein anderes Mittel, die Masse der Irrtümer und schädlichen Täuschungen, die den menschlichen
Verstand verfinstert, zu vermindern als dieses, und es kann kein anderes geben.” (S.101) Und auch 5 beantwortet er einfach “daß jedermann –
von Sokrates oder Kant bis zum obskursten aller übernatürlich erleuchteten Schneider und Schuster,ohne Ausnahme, berechtigt ist, die Menschheit aufzuklaren, wie er kann, sobald ihn sein
guter oder böser Geist dazu treibt. “ (S.103)und als Fazit die Antwort auf Frage 6 “Wenn es im ganzen heller wird; wenn die Anzahl der denkenden, forschenden, lichtbegierigen
Leute überhaupt, und besonders in der Klasse von Menschen, die bei der Nichtaufklärung am meisten zu gewinnen hat, immer größer, die Masse der Vorurteile und Wahnbegriffe
zusehends immer kleiner wird;” (S. 104) Damit fasst er eigentlich den Inhalt seiner späten Werke zusammen.
Am 27. Juli 1787 ist Schiller erstmals in Weimar und lernt dort Wieland und Herder kennen. Schon in Weimar meldete er sich bei Wieland brieflich an:
“Mein schönster Wunsch ist endlich erfüllt, ich bin dem Augenblike nahe, Sie, vortrefflichster Mann, von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Vorgestern traf ich hier ein, aber die Betäubung meines Kopfes von einigen schlaflosen Nächten untersagte mir diesen Genuß biß heute. Nicht gern wollt ich eine Freude nur halb empfinden, die ich mir schon so lange aufgespart hatte. Lassen Sie mich durch den Überbringer erfahren, zu welcher Stunde dieses Nachmittags ich Ihnen nicht ungelegen komme. Wenn ich mir noch eine Bitte an Sie erlauben dürfte, so wär es diese, daß Sie mir diese Stunde allein schenken möchten, weil ich nicht weiß, ob ich in Ihrer nähern Gegenwart für einen Dritten Sinn haben würde. Alsdann werde ich Sie auch bitten, mich in den Kreis Ihrer liebenswürdigen Familie einzuführen.
Nicht wenig verlegen würde ich seyn, mich jetzt Demjenigen zu nähern, von dessen guter Meinung und Liebe die besten Freuden meines zukünftigen Lebens, wie ich mir oft träume, abhängen sollen, vielleicht würde mich diese Furcht für mich selbst um den reinen Genuß Ihrer Gegenwart bringen, wenn ich nicht hoffte, daß Ihre Güte mich jeder Aufmerksamkeit auf mich selbst überheben werde.F. Schiller (Schillers Briefe im Friedrich Schiller Archiv 23.Juli 1787)
Am 27. Juli stellte Wieland Schiller auch Herzogin Anna Amalia vor. Über seinen Eindruck, den er dort hinterlassen hat, wie er in seinen Erinnerungen schreibt. “Deshalb zweifelte ich daran, der Herzoginmutter überhaupt gefallen zu haben.”
(homepage zu Schiller Erinnerungen von Gisela Seidel). Am 30. Juli nahm Wieland ihn den “Club der Bürgerlichen” mit. Dieser stand nicht nur dem Adel, sondern auch Bürgerlichen offen. Man spielte dort Karten oder Billard.
Aktuelle Journale auch aus dem Ausland lagen aus. In den folgenden Wochen vertiefte Schiller seine Kontakte zu wichtigen Hofleuten wie Voigt oder Einsiedel. Im November denkt er daran, eine Beziehung zu Wielands zweiter Tochter
Maria Carolina Friederike einzugehen, wie er seinem Freund Körner am 19. November 1787 mitteilt. “Ich glaube wirklich, Wieland kennt mich noch wenig genug, um mir seinen Liebling, seine zweite Tochter nicht abzuschlagen, selbst jezt nicht, da ich nichts habe. Das Mädchen kenne ich nicht, gar nicht, aber siehst Du, ich würde sie ihm heute abfordern, abfordern, wenn ich glaubte, daß ich sie verdiente” (Friedrich Schiller @Wissen-im-Netz.info Schillers Briefwechsel mit Körner) Aberschon im Dezember schrieb er:
“Es ist möglich, daß ein interessanteres Mädchen mir aufgehoben seyn kann, aber das Schicksal läßt es mich vielleicht in sechs oder acht Jahren finden. (ebd.) Das interessante Mädchen, das ihn jetzt lockte war Charlotte von Lengenfeld, seine spätere Frau.
Die Affäre war also beendet, ehe sie überhaupt begonnen hatte.
Bei Schillers Räubern schloß Wieland sich Goethes Meinung an. Goethe hat einen so großen Greuel als ich an der seltsamen Hirnwut, die man itzt am Neckarstrom für Genie zu halten pflegt.” Aber er gewann ihn für die Mitarbeit am Merkur.
So erschienen im 1. Vierteljahr 1788 “Der Abfall der vereinigten Niederlande von Spanien” im 3.und 4. Vierteljahr 1788 “Briefe über Don Karlos” sowie 4 1789 “Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?”
Im 4. Vierteljahr 1788 schreibt Wieland im Merkur “Das Geheimnis des Kosmopolitenordens” (S. 121-143) Darin plädiert er dafür, gewaltfrei “gegen unerträgliche Mißbräuche der höchsten Gewalt, gegen politischen und religiösen Despotismus, gegen
erweislich ungerechte und unvernünftige Gesetze “ usw. (S. 124). Gewaltsame Veränderungen fährt er fort “alle tumultuarischen Wirkungen der Leidenschaften… wenn sie am Ende auch viel Gutes hervorbringen, zerstören auch zu gleicher Zeit so viel Gutes,
und richten, indem sie großen Uebeln steuern wollen, selbst so großes Uebel an, daß nur ein Gott fähig ist, zu entscheiden, ob das Gute oder Böse, das auf diese Weise gewirkt wird, das Uebergewicht habe.” (S.127) Es gibt schreibt er
weiter , nur eine Regierungsform, gegen die nichts einzuwenden ist, die Regierungsform der Vernunft. Da sah er den gegenwärtigen Zustand Europas noch auf gutem Weg.Als die Revolution dann 1789 ausbricht, veröffentlicht er im 3. Vierteljahr 1789 den Artikel “Ueber die Rechtmäßigkeit des Gebrauchs, welchendie Französische Nation dermalen von ihrer Aufklärung und Stärke macht” (S. 225-262) Hier diskutieren zwei Personen, Walter und Adelstan. Die beiden repräsentieren fiktive Positionen,wobei kein der beiden
Dialogpartner mit Wieland identisch ist. Walter sieht die Aktionen der Nationalversammlung als notwendige Reaktion auf eine politische Krise des Ancien Régime, die durch Missbräuche und eine schlechte Verwaltung der Staatseinkünfte verursacht worden sei.
Adelstan akzeptiert die Einberufung, findet aber, daß die weitergehenden Forderungen wie Verfassungsänderung und der politischen Gleichstellung des Dritten Standes dazu geführt hätten, dass die Ereignisse den Charakter eines Volksaufstandes angenommen
hätten . In der nächsten Ausgabe erscheint “Kosmopolitische Adresse an die französische Nationalversammlung von Eleutherius Philoceltes” (S. 24-60). Es ist eine direkte Reaktion auf die am 4. August 1789 beschlossene Abschaffung der Adelsprivilegien und
die Auflösung des französischen Feudalsystems. Diese Schrift wird oft als eine beginnende Ablehnung der Revolution interpretiert (Sengle, Bäppler) Die Göttergespräche, die von 1789 bis 1793 im Merkur erschienen, lassen die Entwicklung von Wielands
Verhältnis zur Französischen Revolution nachvollziehen.
Am 3. Dezember 1787 stirbt Wielands langjähriger Verleger Erasmus Reich. Die Rechtsverhältnisse ändern sich. Marie Louise Weidmann war Erbin und der Verlag nannte sich wieder “Weidmannsche Buchhandlung”. Nun trat Wieland mit dem jungen Leipziger Buchhändler Göschen in Leipzig in Verbindung. Wieland hatte im Jahre 1786 den noch sehr jungen Göschen kennengelernt. Er hatte sich in Leipzig etabliert und besuchte auch Wieland. Er sagte ihm, dass so lange Reich lebe, er nur dort verlegen
lasse. Sie kamen trotzdem ins Gespräch. Wieland erkannte, dass er keinen alltäglichen Buchhändler vor sich hatte, sondern einen begabten jungen Mann. Er wollte sein Geschäft führen, so wie es sich Wieland auch bei seinen Plänen vorstellte, als
er sich mit dem Gedanken trug, einen Verlag zu führen. Da kam seine Gattin herein und hatte ein paar Fragen. Wieland konnte auf solche Störungen äußerst ungnädig reagieren. Er nahm die Milde und heitere Gelassenheit , mit der Frau Wieland reagierte,
erstaunt zur Kenntnis und er sagte: “Herr Hofrath, welch einen Engel von Weibe haben sie!” und Wieland darauf “Junger Mann, sie sind fähig, den Werth dieses Weibes zu erkennen; damit haben Sie auch auch mein Herz gewonnen. Hier meine Hand!
Ist Reich gestorben, so wird kein anderer mein Verleger als Sie” (J.G. Gruber, C.M. Wielands Leben, Leipzig 1827, 7. Buch S. 13) Ob so geschehen oder eine schöne Anekdote von Wielands erstem Biographen, Göschen wurde auf jeden Fall der Verleger Wielands.
Kurz nach Reichs Tod schickte Wieland das Manuskript des Peregrinus Proteus an Göschen.Die Zusammenarbeit war auch nicht so anekdotenhaft. 1786 ging der “Haupt-und Meßdebit” an Göschen über.
Der Meßdebit, das war die finanzielle Abrechnung während der Leipziger Buchmesse. Aber es ging bei diesem Debit auch um Verhandlungen mit Verlegern und Buchhändlern zwecks Akquirierung weiterer Abonnenten für die Zeitschrift.
Der Vertrag zwischen Wieland, Bertuch und Göschen wurde am 24./25. Oktober 1785 unterzeichnet. Sein Peregrinus Proteus erschien 1791 bei Göschen. Auch die Göttergespräche erscheinen dort. Um seinen Autor an sich zu binden und nicht unbedingt
wirtschaftlicher Vernunft entsprechend schlägt Göschen Wieland eine Gesamtausgabe seiner Werke vor.Er plante eine vierfache Ausgabe in vier Preisstufen. Eine sollte preislich so gestaltet sein, dass “ jeder Kaufmannsdiener, jeder
unbemittelte Student, jeder Landpfarrer, jeder mäßig besoldete Offizier” (Der Verlag Walter de Gruyter, 1749-1999 herausgegeben von Anne-Katrin Ziesak,Hans-Robert Cram,Kurt-Georg Cram, Berlin 1999 S.66) Wielands Werke kaufen
können sollte. Dann gab es noch die Prachtausgabe, eine “sogenannte Fürstenausgabe”. Sie sollte 250 Taler kosten. Damit diese nicht mit Billigangeboten unterboten werden konnte, wurde modernste Drucktechnik eingesetzt.
Für die teuerste Ausgabe hatte er eigens in Basel Velinpapier von der Mühle des Verlegers und Buchhändlers Johann Christoph Imhof-Burckhardt gekauft. Velinpapier ist handgefertigtes Papier, gleichmäßig strukturiert und glatt und galt seinerzeit
als Besonderheit. Die Prunkausgabe wurde durch Subskriptionen vorfinanziert. Zu den Subskribenten zählte der Weimarer Herzog Karl August und seine Mutter Anna Amalia bis hin zu denen der Könige von England und Neapel, Prinz Ferdinand von Preußen, des Kurfürsten zu Köln und diverser anderer Fürsten, Grafen und Herzöge aus Deutschland und Österreich. Dazu kommen zahlreiche Bibliotheken und Privatleute aus ganz Europa – Basel, Bern, Zürich, Triest, Amsterdam, Haarlem, Kopenhagen, Prag, Warschau, Lemberg, Riga, Reval, St. Petersburg, London, Lissabon. Es war eine europäische Sache und verdeutlicht den Stellenwert, den Wieland damals in der gebildeten Welt hatte. Ganz besonders hat ihn gefreut,dass auch der Rat seiner Vaterstadt Biberach subskribiert hatte. Dies
schreibt er an Göschen : “Meine Biberacher haben mir eine so unverhoffte Freude gemacht, daß ich nicht umhin kann, Ihnen eine Copie des Raths-Conclusi hiermit zu communicieren; womit sie mit einer bonne grace, die diesen wackern biedersinnigen
Schwaben eben so viel Ehre macht als ihrem Mitbürger, beschlossen haben, im Namen der Reichsstadt Biberach auf ein Exemplar der Quartausgabe meiner Werke zu pränumerieren. Seit langer Zeit hat mir nichts einen so frohen Tag gemacht,
als dieser Beweis der Achtung und Zuneigung meiner Compratioten” (zitiert bei Heinrich Döring S. 301 f.) Goethe und Schiller spotteten in ihren Xenien über dieses Verfahren.
“284. Göschen an die deutschen Dichter.
Ist nur erst Wieland heraus, so kommt’s an euch übrigen alle,
Und nach der Lokation! Habt nur einstweilen Geduld!”
Der Anfang lief allerdings nicht reibungslos, denn die Weidmannsche Buchhandlung hatte noch 17 Werke Wielands in Verlag. Und die Buchhandlung
war nicht geneigt, ihre Rechte an den Werken aufzugeben. Es folgte ein Prozess, bei dem es auch darum ging, ob ein Autor berechtigt sei, über sein geistiges Eigentum ein zweites Mal verfügen zu können. Göschen bekam schließlich Recht.
Die Vorschüsse auf das Projekt ermöglichten es Wieland, sich seinen Traum zu erfüllen und ein eigenes Haus zu erwerben. Er verließ sein Domizil, das Mietshaus vor dem Frauentor und verkaufte seinen Garten. Am Markt Nr. 18 kaufte er
ein dreistöckiges Gebäude zwischen Elephant und Erbprinz gelegen. Optimal war es allerdings auch nicht. Schweinequieken und Pferdegetrappel waren deutlich zu hören. Und wie Zeitzeugen berichten vervollständigten “Enten und Hahnengeschrei
das thierische Konzert” (Nach Zaremba S.207) Wieland war aber sehr lärmempfindlich.
Im Jahr 1791 war Karl August Böttiger auf Betreiben Herders nach Weimar gekommen und wurde Direktor des Gymnasiums und Oberkonsistorialrat für Schulangelegenheit. Der umfassend gebildete Mann wurde bald
auch mit Wieland bekannt, mit dem ihm dann eine lebenslange Freundschaft verband. Etwa ab 1794 gab er in Wielands Namen den Neuen Teutschen Merkur heraus. Nun hatte Wieland, was den Merkur anging, mal wieder den Rücken
frei und er konnte einer Einladung Göschens nach Leipzig Folge leisten. Am 30. Juli 1794 fuhr er zusammen mit seiner Frau, begleitet von seinem Diener nach Leipzig. Göschen verstand es, Auftritte zu inszenieren und die durchaus vorhandene Eitelkeit
seines Autors zu kitzeln. Göschen hatte in seiner Sommerwohnung einen großen Garten von einem Kanal durchzogen. Auf einer Insel hatte Göschen in einem transparenten Tempel eine Büste Wielands aufstellen lassen.Als Wieland dort ankam, überreichten ihm zwei in griechische Kostüme gekleidete Knaben dem überraschten Dichter den ersten Band der Prachtausgabe. Wieland war, wie Döring berichtet, zu Tränen gerührt. (S.305) Die Reise ging weiter nach Dresden. Dort wurde die
Gemäldegalerie besucht. Er ließ sich von Hofmaler Anton Graf porträtieren. Der aus der Schweiz stammende Künstler war seit 1766 kurfürstlich sächsischer Hofmaler. Es gibt kaum einen Großen seiner Zeit, den er nicht gemalt hat.
Auf Schloss Pillnitz erhielt er eine Audienz vom sächsischen Kurfürsten Friedrich August III. In Seifersdorf besuchte er die Tina von Brühl, sie im 18. Jahrhundert eine Seltenheit Landschaftsarchitektin war. Ihr wichtigestes Werk
ist der Englische Garten im Seifersdorfer Tal. Ihr Sohn Carl hatte von Goethe, Herder und Wieland Unterricht erhalten. Als wieland wieder in Weimar zurück war, schrieb er überschwänglich an Göschen: “Ihnen, lieber Göschen,
verdanken wir so viele Herz und Sinn vergnügende Tage, Stunden und Augenblicke, daß sie auch in der Erinnerung noch lange Heiterkeit und Frohsinn und herzerhebende Gefühle über unser Leben verbreiten werden. (bei Döring S. 305)
Ein Jahr vorher war Wielands 5. Tochter Charlotte Wilhelmine mit der der Familie Baggesen nach Bern gereist. Baggesen wird auch der “dänische Wieland” genannt. Er war mit Sophie von Haller, der Enkelin von Albrecht von Haller verheiratet.
Seit 1790 war er dem Kreis um Wieland in Weimar, und Schiller in Jena verbunden. Auf dieser Reise lernte Charlotte Wilhelmine Heinrich Gessner, den Sohn des inzwischen verstorbenen Salomon Gessners kennen. Es wurde ein Bund fürs Leben.
Im Auftrag von Gessner bat Baggesen Wieland um die Hand seiner Tochter. Am 18. 1795 fand auf Schloss Belvedere die Hochzeit statt. Herder traute das Paar. An Göschen schrieb er am 17. April 1795: “Mein Glaube an die Vorsehung ist
durch die höchst unerwartete Begebenheit, die dem Aufenthalt meiner guten Tochter Charlotte in der Schweiz gleichsam die Krone aufgesetzt hat, außerordentlich gestärkt worden.-Wenn je eine Ehe im Himmel geschlossen worden ist,
so ist es gewiß diese, die sich aus eine beinahe wunderbare Art, und wieder doch so natürlich durch die entschiedenste Sympathie der Herzen, Gemüthsart, Neigungen, Sitten-zwischen dem Sohne Salomo Geßners, meines liebsten und einzigen Jugendfreundes
und einer Tochter seines Freundes Wielands geschlossen hat” (bei Döring S. 310 f.) Das junge Paar sollte im Folgejahr in Zürich besucht werden. Herzogin Anna Amalia stellte zu diesem Unternehmen einen bequemen Reisewagen zur Verfügung.
Mit Frau und drei Kinder starte Wieland am 23. Mai 1796. In Ulm wollte Wieland einen Abstecher nach Warthausen und Biberach machen. Dort bahnte sich aber das an, was dann später als die 1. Schlacht bei Biberach in die
Geschichtsbücher eingegangen ist. Ganz Oberschwaben war voll mit Truppen des Erzherzog Karl. Außerdem wurden die Wege durch die Condéschen Freischärler, das war die französische Emigrantentruppe unsicher gemacht.Wieland verzichtete
deshalb darauf, Schloss Warthausen und seine Heimatstadt wieder zu sehen. Man reiste über Kempten und Lindau nach Zürich. In der Schweiz unternahm Wieland “Exkursionen und Land-und See-Parthien” (Zaremba S. 212).
Mit seinen Schwiegersöhnen Gessner und Reinhold besprach er auch ein neues Projekt “Das Attische Museum”. Es widmete sich der Antike. Im Neuen Teutschen Merkur im 1. Band kündigt er es an. (S 339-341) “Ich nenne dieses Museum
attisch, weil es größtentheils aus Übersetzungen auserlesener Werke der vorzüglichsten attischen Schriftsteller, hauptsächlich der Redner Isokrates, Lysias, Demosthenes, Aeschines, der Filosofen der sokratischen Schule, Xenofon und Platon,
und der Dichter Aschylos, Sofokles, Euripides und Aristofanes bestehen wird.” Damit ist das Programm skizziert und es sollte sich an einen kleinen Leserkreis von Kennern griechischer Geistesgrößen richten. Das Journal erschien in 4 Bänden von 1796
bis 1803 im Verlag Gessner in Zürich und Luzern und wurde später von den Mitherausgebern Hottinger und Jacobs in Leipzig fortgesetzt. In dieser Zeit lag der Schwerpunkt von Wielands literarischer Tätigkeit auf der Bearbeitung seiner Werke für die Göschen-Ausgabe und Übersetzertätigkeit.
Sein Aufenthalt in der Schweiz hat ihn auch wieder von den Vorzügen des Landlebens träumen lassen. Er wäre gerne “wie Horaz durch’s Leben weggeschlichen und der nichts mehr haßte, als Stadt-Hof-und Welt (Döring S.325)
1797 ergab sich die Möglichkeit das Gut Ossmanstedt nahe bei Weimar zu erwerben. Zwischen 1762 und 1775 hatte es Herzogin Anna Amalia als Sommersitz genutzt. Ab 1777 übernahm es ein Pächter.
Wieland kaufte das gut für 22.000 Taler von der Gemeinde Oßmannstedt, zahlbar in drei Raten gemäß Kaufvertrag vom 15. März 1797.(Zaremba S. 217)Kaufmännisch gesehen war das nicht die klügste Entscheidung. Göschen hatte schon
vor dem Kauf finanzielle Bedenken angemeldet. Wieland wollte sein Weimarer Haus verkaufen und erhoffte sich ein Darlehen von 14.000 Taler durch Vermittlung von Göschen (Döring S. 328) Göschens Spielraum war durch seinen Umzug
von Leipzig nach Grimma ebenfalls eingeschränkt und er konnte hypothekenfrei nur 3000 Taler beisteuern.
Ungeachtet der wirtschaftlichen Problem beendete Wieland in Osmannstedt den Agathodämon. Er revidierte die Texte seiner Tübinger und Schweizer Jahre für die Supplementbände seiner Werkausgabe. Für das Attische Museum übersetzte er
weitere Texte. Neben den finanziellen Sorgen trafen ihn in den Folgejahren rasch auch persönliche Schicksalsschläge. Am 29. April 1798 starb Wielands achte Tochter Wilhelmine Friederike mit 15 Jahren an Auszehrung.
Man hatte zwar versucht, ihn auf den Tod vorzubereiten. aber er war trotzdem tief getroffen. An Göschen schrieb er “Sie war eines der reinsten und liebenswürdigsten Geschöpfe; mein Herz hing vorzüglich an ihr, und ich versprach mir von
ihrer ungemeinen Anhänglichkeit an mich viel Trost und Freude für meine künftigen Jahre.-Sie ist nun in einer bessern Welt, und ich werde ihr folgen. In diesem Gedanken allein ist heilender Balsam für eine solche Wunde.”
(zitiert in Wissen – Erzählen – Tradition: Wielands Spätwerk herausgegeben von Walter Erhart,Lothar Laak S. 368)
Im Juli 1799 besuchte Sophie la Roche zusammen mit ihrer Enkelin Sophie Brentano in seinem “Osmantinum”. Sie schildert diesen Besuch in “Schattenrisse abgeschiedener Stunden in Offenbach,Weimar und Schönebeck” Ihre Schilderungen
des Parks zeigen den Park fast so, wie man ihn heute erleben kann. Mit seiner in jungen Jahren heiß angebeteten “göttlichen Sophie” kam Wieland jetzt nicht mehr besonders gut klar. Er fand ihre oft langatmige Sentimentalität oft einfach ermüdend ,
so wie ja auch die Weimarer Gesellschaft erhebliche Vorbehalte gegen Sophie Laroche hatte. Anders dagegen ihre Enkelin Sophie von Brentano. Die junge Sophie eroberte mit ihrem Liebreiz, den sie ausstrahlte, sehr schnell die Jugendliebe ihrer Mutter und empfand ihn als väterlichen Freund. Wieland bewunderte den klaren Verstand des Mädchens. Er tauschte sich mit Sophie über seinen Aristipp aus, an dem er gerade arbeitete. Der Aufenthalt der beiden Frauen dauerte einen Monat.
Aber ein Jahr später kam Sophie von Brentano allein nach Ossmannstedt zurück. Ab 25. Juli 1800 war Sophie wieder auf dem Wielandgut. Wielands Sekretär Christoph Abraham Lütkemüller schreibt dazu: “Wieland liebte Sophie Brentano
zugleich als seine Tochter und Freundin, und sie wirkte auf seinen Aristipp als eine Muse und Grazie” (ebd. S. 368) und an Karl August Böttiger schreibt er “Wenn die liebenswürdige Sofie Brentano nicht wäre, so weiß ich nicht, was aus meinem
allmählich verglühenden Lämpchen werden könnte“ (ebd. S. 369) Aber Sophie wird Anfang September von einer Nervenkrankheit befallen und stirbt 16 Tage später am 19. September 1800. Sie ist nur 24 Jahre alt geworden. Aber Wieland hatte
noch einen weiteren Todesfall zu verkraften, den seiner Ehefrau Anna Dorothea. Sie starb am 8. November 1801 nach 36-jähriger Ehe. Sie ist nach außen kaum in Erscheinung getreten, war aber immer Halt und Stütze für ihn.
An Göschen schrieb er am 31. Dezember 1801 “Mit mir geht es wie es kann leidlich wenigstens; leidlich wenigstens.Ich arbeite viel; aber es ist, als ob mit die Schwungfedern gestutzt wären. Sonst arbeitete ich mit Freude, mit
Munterkeit, jetzt mühsam, entgeistert, schwerfällig”(Döring S.373)Wohl tat ihm in dieser Zeit die mitfühlende Anteilnahme der Fürstin Anna Amalia
Die wirtschaftliche Situation aber sicher auch diese Todesfälle bringen Wieland dazu, dass er Ossmannstedt 1803 aufgibt und wieder nach Weimar zurückkehrt. Er verkaufte das Gut an den Hamburger Hofrat Kühn für 30.000 Taler.
Nur “der Garten soll, so lange es nur immer möglich sein wird, bei meiner Familie bleiben, und dies umso mehr, da er das Grab meiner Geliebten, und dereinst auch das meinige, neben ihr, in sich schließt.” (Döring S.380)
Das war zwar eine Wunschvorstellung, doch der neue Besitzer achtetet das Grabmal.
Als Wieland 1796 gerade bei seinem Besuch in der Schweiz war, kam der junge Jean Paul zum ersten Mal nach Weimar, traf ihn aber leider nicht an, da Wieland ja in Zürich weilte. Aber am 25. August 1798 lernten die beiden sich persönlich
kennen und zwar in Osmannstedt. Sie hatten große Erwartungen an diese Begegnung geknüpft und wurden nicht enttäuscht. Sie fanden so rasch einen gemeinsamen Nenner, dass Wieland dem 30 Jahre jüngeren Dichter spontan vorschlug,
zu ihm nach Osmannstedt zu ziehen. Nach reiflicher Überlegung kam Jean Paul aber zu dem Schluss, dass das wohl doch nicht so gut sei. Er meinte, dass zwei Dichter wohl nicht ewig zusammen passen würden. Außerdem war Jean Paul Junggeselle,
Junge Frauen aber gab es auf dem Wielandgut nicht, wohl aber ein Dutzend Kinder.Man traf sich nun in Weimar. Wieland Herder und Jean Paul sahen eine Aufführung der Zauberflöte. Auch mit Schiller und Goethe traf Jean Paul
zusammen auch hier in Begleitung Wielands. Das letzte Mal trafen sich Jean Paul und Wieland am im Juli 1802. Jean Paul erlebte Wieland als trüben Witwer und ziemlich gealtert. Jean Paul hat dieser Anblick zu schaffen gemacht.
Im Folgejahr verkaufte Wieland sein Gut. Danach sahen sich Jean Paul und Wieland nicht mehr.
In Ossmannstedt war Heinrich von Kleist im Januar 1803 vierzehn Wochen zu Gast. Er hatte Wieland über dessen Sohn Ludwig kennengelernt und war von ihm nach Osmannstedt eingeladen worden, nachdem er erfahren hatte, dass er in Weimar sehr schlecht untergebracht war. Er arbeitet an einem Stück und nach dem Wieland einige Teile davon zu hören bekommen hatte, ermutigte er ihn auf jeden Fall daran weiter zu arbeiten.
Auch der aus Schwäbisch Hall stammende Nordist Friedrich David Gräter war für einige Zeit Gast in Osmannstedt. Auch Friedrich Gottfried Seume (Spaziergang nach Syrakus), der im Auftrag Göschens den Aristipp redigierte, war dort. Nie in Osmannstedt
war dagegen Schiller.
Aistipp und einige seiner Zeitgenossen sowie die politische Schrift Gespräche unter vier Augen waren die wichtigsten Werke seiner Osmannstedter Zeit
Am 11. Mai 1801 erließ der Rat der Helvetischen Republik folgendes Dekret: “ Dem Hofrath Christoph Martin Wieland in Weimar ist das helvetische Bürgerrecht ertheilt.” (Tageblatt der Gesetze und Dekrete der gesetzgebenden Räthe der helvetischen
Republik Band 5) Das hatte für Wieland zwar keine praktischen Auswirkungen, war aber eine Auszeichnung der Republik, die ja praktisch unter Napoleons Patronat stand. Sie diente aber auch dazu “dem Vaterland wahrhaft ausgezeichnete Bürger
zu verschaffen” wie der Schweizer Historiker und Politiker Johann Anton von Tillier schreibt. (Geschichte der helvetischen Republik, von ihrer Gründung im Frühjahr 1798 bis zu ihrer Auflösung 1803, Band 2, Bern 1843 S. 354)
Nach Weimar zurückgekehrt, bezog er ganz in der Nähe der Nähe des Wittumspalais mit Blick auf das Schauspielhaus er eine Wohnung. Während des Sommers weilte die Fürstin in Tieffurt und dort erhielt Wieland sogar einen Ehrenplatz
in der herzoglichen Loge. Am 18. Dezember 1803 hatte er sich allerdings wieder mit dem Tod auseinanderzusetzen. Johann Gottfried Herder verstarb. An Sophie von Laroche schrieb er: “Er war mein bester und gewissermaßen
einziger Freund in Weimar-ich habe sehr viel an ihm verloren.” (Döring S. 384) Die Hochzeit des Erbprinzen Carl Friedrich mit der russischen Zarentochter Maria Palowna fand am 3. August 1804 in St. Petersburg statt. Natürlich wurde in Weimar auch nochmals gefeiert und zwar im November. Das Paar traf am 9. November in Weimar ein. Schiller hatte auf Bitten Goethes “Die Huldigung der Künste” verfasst. Es wurde am 12. November als Vorspiel des Theaterabends am Hoftheater von Weimar uraufgeführt.
Aber nur ein paar Monate später war auch Schiller tot. Er verstarb am 9. Mai 1805. Nicht nur im eher privaten Bereich gab es einiges zu ertragen.
Im Oktober 1806 fand die Schlacht von Jena und Auerstedt statt. Weimar war von diesem Ereignis stark betroffen. Es musste 60000 plündernde französische Soldaten beherbergen und verköstigen. Zwar war auch bei Wieland Einquartierung.
Und die Franzosen ließen sich seinen Wein schmecken, aber er erhielt eine Leibwache und im Namen Murats wurde ihm der unmittelbare kaiserliche Schutz zugesichert. Anna Amalia hatte Tiefurt verlassen müssen und
Maria Pawlowna musste in dieser Zeit im Ausland ein Asyl suchen. Am 10. April 1807 verstarb Herzogin Anna Amalia. Die Todesnachricht verarbeitete er, wie er das meist tat, wenn vieles von außen auf ihn einstürmte. Er arbeitete hart
und diszipliniert. Er übersetzte Ciceros Briefe. Fürst Carl August bot ihm Belvedere als Sommeraufenthalt an. Dort las er viel, meist griechische oder römische Schriftsteller. Seine philosophische Grundhaltung gab ihm einen ruhigen Gleichmut, so daß er
trotz der Schicksalsschläge seinen Lebensabend gelassen verbringen konnte. Aber das Abschiednehmen ging weiter. Am 18. Februar starb seine Jugendliebe Sophie Laroche. An die Fürstin von Neuwied schrieb er: “Ich hielt nichts für sicherer,
als daß sie mich um viele Jahre überleben würde. Aber es scheint mein Schicksal, daß ich alles überleben soll, was ich am meisten und innigsten liebe. Bald habe ich außer meinen größtentheils weit von mir entfernten Kindern,nichts
mehr zu verlieren…..(und weiter über Sophie)Aber die Welt kann zufrieden sein, eine so außerordentliche Frau- die von ihrer Kindheit an für diese Welt viel zu gut war” (Döring S. 394)Doch es gab immer wieder auch schöne
Momente. Sein 76. Geburtstag wurde am 8. September 1808 auf Schloß Belvedere groß begangen. Nur einen Monat später war in Erfurt der Fürstenkongress vom 27. September bis 14. Oktober. Zar Alexander I und Napoleon waren zugegen.
In Weimar wird täglich Theater gespielt. Napoleon hat die besten Schauspieler aus Paris mitgebracht. Aber auch Carl August will mit der kulturellen Bedeutung Weimars glänzen. Er hat dafür Goethe und Wieland nach Erfurt bestellt,
damit sie dem Korsen vorgestellt. werden. Goethe trifft Napoleon erstmals am 2. Oktober in Weimar und zeigt sich als Kenner Werthers. Am 13. Oktober wird ein Hofwagen zu Wieland geschickt. Er hat vor dem Kaiser zu erscheinen.
Wieland erscheint so wie man ihn gerade vorfindet, ungepudert, sein schwarzes Samtkäppchen auf dem Kopf in einfachen Tuchstiefeln.
Wie schon auf Goethe machte der Kaiser der Franzosen auch auf Wieland einen mächtigen Eindruck. “In meinem Leben habe ich keinen einfachern, ruhigern, sanftern Menschensohn gesehen. Keine Spur, daß der Mann, der mit mir sprach, ein
großer Monarch zu sein, sich bewußt war. Er unterhielt sich mit mir wie ein alter Bekannter
s e i n e s Gleichen und (was noch keinem andern meines Gleichen widerfahren war) an anderthalb Stunden in Einem fort und ganz allein,
zu großem Erstaunen aller Anwesenden.” (Döring S. 396). Man unterhielt sich über Cäsar, d.h. der Kaiser deklamierte meist oder wie Wieland sagt, Napoleon nahm “die frais de la conversation” fast allein auf sich. Nachdem
das ja ziemlich lange gegangen war, konnte Wieland kaum mehr stehen konnte, bat er, “was kein anderer Deutscher oder Franzose sich unterstanden hätte” darum entlassen zu werden mit dem Hinweis, dass er sich nicht stark genug
fühle, das Stehen länger auszuhalten-und wurde in Gnaden entlassen.
Zwei Tage später werden Goethe und Wieland nach Erfurt geladen um den Kaiser “frühstücken zu sehen” Auch das wird bei Döring (und Gruber) ausführlich geschildert. Wieder zurück in Weimar wurde Wieland der Orden der Ehrenlegion verliehen.
Goethe erhielt seinen am 14. Oktober. Von Zar Alexander wurde beiden dann noch der St.Annen-Orden verliehen, wozu Gruber bemerkt:”Sonderbar genug, daß es zwei Kaiser des Auslands waren, und nicht ein teutscher Kaiser oder König,
die auf solche Weise sein Verdienst ehrten” (C.M. Wielands sämmtliche Werke. Herausg. von J.G. Gruber, 9. Band S. 428)Auch daß Wieland zwar Mitglied des Französischen Nationalinstituts war aber außer der Antiquarischen Gesellschaft
keiner deutschen Akademie angehörte. Wieland hatte zu seinem Orden allerdings gemeint, daß ihm eine mäßige Pension lieber gewesen wäre.
Im Jahre 1809 trat er noch in die Freimaurerloge Anna Amalia ein. Bertuch hatte zu der Zeit den Logenvorsitz inne. Und auch sein Schwiegersohn Reinhold war Logenmitglied. Das und auch die Tatsache, dass es doch sehr ein sam um den Dichter geworden war, dürften ihn zu diesem Schritt veranlasst haben
Allmählich plagten ihn auch körperliche Gebrechen. Im Herbst 1809 hatte er ein solches Augenleiden, daß er mehrere Wochen nicht lesen und schreiben konnte. Auch sonst war er recht schwach geworden. Er konnte kaum mehr stehen und seine Hand war fast unbrauchbar.So nach 1810 ging es ihm aber wieder besser. Allerdings leistete er sich nur noch kleine Ausflüge nach Jena oder beschränkte sich auf Spazierfahrten. Bei einer solchen kippte der Wagen
und er brach sich das Schlüsselbein. Schlimm fand er, das Übel seiner “Celebrität”. Man kann sich nicht mal den kleinen Finger brechen, geschweige denn das Schlüsselbein, ohne daß es sogleich in den öffentlichen Blättern verkündet wird.
Glücklicher Wieland, dem Fernsehen und Internet erspart blieben!
In der Nacht vom 10. auf den Januar 1813 erlitt er einen Schlaganfall.Dazu kam heftiges Fieber. Es konnte zwar kurzfristig gesenkt werden, stieg aber 10 Tage später wieder stark an. In der Nacht vom 20. Januar entschlief er.
Er wurde in Weimar aufgebahrt. Die Logenbrüder geleiteten ihn am 25. Januar 1813 zu seiner letzten Ruhestätte. Goethe ließ sich von seinem Sohn vertreten. Am 18. Februar fand das Totengedenken in der Loge Anna Amalia statt.
Goethe hielt dabei die Rede “Zu brüderlichen Andenkens Wielands” Er zeichnete Wielands Lebensweg nach. Zu Wielands Wirkung sagte er: “Die Wirkungen Wielands auf das Publikum waren ununterbrochen und dauernd. Er hat sein
Zeitalter sich zugebildet, dem Geschmack seiner Jahresgenossen sowie ihrem Urteil eine entschiedene Richtung gegeben, dergestalt, daß seine Verdienste schon genugsam erkannt geschätzt, ja geschildert sind. Er spricht vor allem vom Einfluß
Shaftesbury auf Wieland. Zur seiner Übersetzertätigkeit vermerkt er”Niemand hat vielleicht so innig empfunden, welch verwickeltes Geschäft eine Übersetzung sei,als er. Wie tief war er überzeugt, daß nicht das Wort, sondern der Sinn belebe.
Über seine Biberacher Kanzleitätigkeit sagt er: “Und so war auch Wieland, als Kanzleiverweser einer der kleinsten Reichsstädte, in dem Fall, Patriot und im besseren
Sinne Demagog zu sein, wie er denn einmal über einen solchen Gegenstand die zeitige Ungnade des benachbarten Grafen Stadion, seines Gönners, lieber auf sich zu ziehen als unpatriotisch
nachzugeben die Entschließung faßte.” Auch seine Tätigkeit beim Merklur und die Bedeutung dieses Journals spricht er an”Was den Wert und die Würde des Teutschen Merkurs viele Jahre hindurch erhielt, war die dem
Herausgeber desselben angeborene Liberalität. Wieland war nicht zum Parteihaupt geschaffen; wer die Mäßigung als Hauptmaxime anerkennt, darf sich keiner Einseitigkeit schuldig machen. “
(Goethes Rede Text nach Wernekke, Hugo: Goethe und die Königliche Kunst. Leipzig: Poeschel 1905)
Wieland wurde an der Seite seiner Gemahlin und Sophie Brantanos bestattet. Die Inschrift hatte er schon 1806 entworfen : “Lieb’ und Freundschaft umschlang die verwandten Seelen im Leben; Und ihr Sterbliches deckt dieser gemeinsame Stein.”
Nachtrag Artikel aus der Schwäbischen Zeitung vom 11.9.09 2014 Lokalausgabe Biberach
Wieland erhält seinen Platz in der Stadtgeschichte
Am Freitag eröffnet die komplett neu gestaltete stadtgeschichtliche Abteilung im Museum Biberach
„Wir sind total glücklich, dass Wieland jetzt im Museum seinen Platz hat“, sagt Museumsleiter Frank Brunecker. In einer Vitrine lassen sich bekannte Zitate des Dichters entdecken, Gemälde von Wieland und seiner Verlobten Sophie von La Roche schmücken die Rückwand. Hinter Glas ist eine prachtvolle Wieland-Gesamtausgabe in 42 Bänden zu sehen. Diese erwarb die Stadt Biberach 1794 und machte sie später König Wilhelm I. von Württemberg zum Hochzeitsgeschenk. In den 1920er-Jahren kam sie wieder zurück nach Biberach und war seither im Wielandarchiv gelagert.
„Die Schwierigkeit besteht darin, Wieland in einer Vitrine mit zwei Quadratmetern Grundfläche darzustellen“, sagt Kerstin Buchwald, Geschäftsführerin der Wieland-Stiftung. So kann die Vitrine für alle Besucher des Museums auch nur ein Appetithäppchen sein, die paar Schritte an die Saudengasse hinüber zu gehen, um dort das Wieland-Museum zu besuchen. Einen Hinweis darauf gibt es ebenfalls in der Vitrine.
Wieland findet seinen Platz in einer völlig neu gestalteten Stadtgeschichte-Abteilung im Erdgeschoss des Museums. Wer es betritt, sieht jetzt an der Wand ein riesiges Luftbild von Biberach prangt, das der Biberacher Motorschirmpilot Armin Appel im März fotografiert hat und auf dem jedes Haus zu erkennen ist.
Eine von Anja Heinzel gestaltete, türkisfarbene Bibertapete leitet den Besucher entlang der einzelnen Vitrinen, die alle neu gestaltet wurden. „Diese Tapete ist quasi unser Mantel der Geschichte“, sagt Brunecker.
In den einzelnen Vitrinen sind Epochen der Stadtgeschichte in Collagen verschiedener Objekte anschaulich dargestellt. So sieht man beispielsweise ein Faksimile einer prächtigen Urkunde von 1488, mit der Kaiser Friedrich III. der Stadt ihr heutiges Wappen verlieh.
Als weiterer Teil der Umgestaltung der Stadtgeschichte-Abteilung werden im kommenden Jahr noch Vitrinen folgen, die sich mit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschäftigen. „Denn diese Zeit ist bislang noch gar nicht gewürdigt“, sagt Brunecker.
Die Eröffnung beginnt um 18.30 Uhr, der Eintritt ist frei. Ab 20 Uhr gibt es im Foyer eine Rokoko-Tafel mit Kulinarischem aus dieser Zeit. Der Dramatische Verein spielt dazu
Zur Eröffnung kommt Wieland höchstselbst
Museum Biberach präsentiert umgestaltete Stadtgeschichte-Abteilung mit neuer Wieland-Vitrine
Klaus Pfalzer (Violine) und Sabina Mark (Flöte) hatten den Abend mit einem Duo von Mozart eröffnet, und Kulturdezernent Jörg Riedlbauer leitete seinen Vortrag mit einem Bonmot ein: „Was Anna Amalia in Weimar nicht geschafft hat, haben wir in Biberach fertig gebracht, nämlich Mozart und Wieland künstlerisch zusammenzubringen.“
Riedlbauer ging auf die in Teilen bereits vorgenommene und die noch anzupackende Modernisierung des Museums ein, die in einem „überschaubaren Kostenrahmen“ erfolgen soll. Einzelne Maßnahmen bislang waren unter anderen die Neugestaltung des Lese- und Medienbereichs in der Abteilung Naturkunde und eine moderne Veranstaltungs- und Beschallungstechnik im Foyer.
Der Kulturdezernent hob die Ausstellungseinheit zu Wieland hervor, lobte die lebendig-kreative Weise der Neugestaltung: „Literatur zu visualisieren gehört zum Schwierigsten, was es an kulturellen Vermittlungsaufgaben gibt.“ Ein neues Farbkonzept für die stadtgeschichtliche Abteilung und das Foyer wurde von Anja Heinzel und Sebastian Schröter geschaffen. Dazu gehören die elegante und anmutige Biber-Tapete, und das neue Alpenpanorama, fotografiert von Armin Appel und bearbeitet von Simon Gallus, hängt raumbeherrschend im Foyer.
Die stadtgeschichtlichen Darstellungen enden derzeit etwa bei 1945. Das heutige Biberach wird folgen. „Damit“, so Museumsdirektor Frank Brunecker, „wird dann die Präsentation unserer Stadt komplett sein.“
Die Geschäftsführerin der Wieland-Stiftung, Kerstin Buchwald, wandte sich dann Wieland zu: „Wieland war ein Dichter von Weltrang, der bereits zu Lebzeiten in 13 Sprachen übersetzt wurde, zu seiner Zeit der meist gelesene deutsche Schriftsteller.“
Zitate schweben im Raum
Sie erläuterte den Zweck der Vitrine mit ihren kostbaren Exponaten und den ausgewählten kurzen und präzisen Zitaten, die wie ein Mobile den Luftraum der Vitrine dominieren. „Es war das Ziel, Wieland als größten Sohn der Stadt und Bestandteil der Stadtgeschichte zu positionieren, seine Bedeutung zu unterstreichen.“ Buchwald: „Da es uns wichtig war, spielerisch einen Fokus zu setzen, steht die Vitrine unter dem Wieland-Zitat, das Sie alle kennen: Die Herren dieser Art blendt oft zu vieles Licht, sie sehn den Wald vor lauter Bäumen nicht.“
Wielands Verlobte Sophie Gutermann, spätere La Roche, fehlt nicht in der Vitrine. Ihr Gemälde hängt ebenbürtig neben dem Bild des Dichters. Kerstin Buchwald schließt mit Wieland: „damit das Ganze seine gehörige Wirkung tue, muss es aus einem gewissen Standpunkt betrachtet werden.“
Darsteller des Dramatischen Vereins spielten ein kurze zum Anlass passende Szene, die Edeltraud Garlin geschrieben hatte, und Wieland höchstpersönlich (Volker Angenbauer) durchschnitt das rote Band, das die Besucher vom Raum mit der Vitrine noch getrennt hatte. Eine Rokokotafel mit Pasteten und Wein rundete die Feier ab.
Theaterszenen.
19 Jul 2014