Hans Multscher

 

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Die Familie Multscher ist erstmals 1304 in Reichenhofen nachgewiesen. Sie gehörte zu den Königsfreien auf der Leutkircher Heide, d.h. sie waren nur dem König steuerpflichtig und ansonsten keinem Herrn untertan. Von 1405-1437 ist die Familie als Inhaber der Waibelhub bei Reichenhofen nachgewiesen. Hans Multscher ist um 1400 in Reichenhofen geboren. Über seine Jugend und Ausbildung ist nichts bekannt. Wahrscheinlich hat er im Allgäu eine Lehre gemacht. Danach begab er sich auf Gesellenfahrt in die Niederlande, Nordfrankreich und Burgund. Dabei hat er die aktuellsten Strömungen der französischen und niederländischen Bildhauerkunst kennengelernt. Möglicherweise hatte er dort auch bei Claus Sluter, einem Mitbegründer der burgundischen Kunstschule in Dijon gearbeitet. Eine Zeitlang hielt er sich auch in Paris auf. Nach seinen Meisterzeichen zu schließen hat er die Meisterwürde in Aachen erworben. Um 1424/25 kam er nach Ulm. Nach einer Wartezeit hat er 1427 in Ulm das Bürgerrecht erhalten. In diesem Jahr heiratete er auch die Ulmer Bürgerstochter Adelheid Kitzin. Die Werkstatt und Familie Kitzin ist in Ulm seit 1370 nachweisbar. Bei seiner Eheschließung besaß er in Ulm bereits ein Haus und dazu noch verschiedene Grundstücke.

8195f87e09c06132Der Ulmer Rat war an einer Ausweitung der Produktion und an der Steigerung des Fernhandels interessiert. Er stellte Hans Multscher vom Zunftzwang frei und da er die Freirechte der Leutkircher Heide besaß, musste er in Ulm zeitlebens keine städtischen Steuern bezahlen. Die Stadt bestellte ihn zum amtlich vereidigten Sachverständigen, zum “geschworenen Werckmann” Bald erhielt er vom Rat und Patriziat der Stadt anspruchsvolle Aufträge, was einen geregelten Werkstattbetrieb voraussetzte. Bald nach Erlangung des Bürgerrechts waren in Multschers Werkstatt mehrere Gesellen aus artverwandten Berufen beschäftigt. Auch sein Bruder Heinrich war wohl in der Werkstatt tätig. 1427-1430 gestaltete er ein Prunkfenster für das Ulmer Rathaus, dessen Figuren deutlich an Sluters König David in Dijon oder an den Propheten des Andre Beauneveu in der Ste. Chapelle in Bourges erinnern. Sein Schmerzensmann am Ulmer Münster zeigt, wie gut er den Realismus der Monumentalskulptur in Burgund studiert hat.

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1430 liefert er den Bozzetto in München, eine skizzenhafte Plastik für einen von dem Herzog Ludwig dem Gebarteten von Bayern-Ingolstadt in Auftrag gegebenes Hochgrab, das jedoch nicht ausgeführt wurde. Der Herzog bestand auf einer Ausführung in Rotmarmor. Der Künstler jedoch dachte eher an einen Bronzeguß, nicht zuletzt wegen der feinen Modellierung ähnlich der für Georg Truchsess von Waldburg ausgeführten Grabplatte. Bis 1433 erfolgte die Planung und der Einbau eines Retabels in die Stirnwand des südlichen Seitenschiffs des Ulmer Münsters. Bestellt hatte den Altar Konrad Karg, einer der einflußreichsten und dem reichsten Ulmer Patrizier seiner Zeit. Es hat allerdings den Bildersturm in Ulm von 1531 nur schwer beschädigt überstanden. Karg war unter anderem Finanzier des Bayernherzogs Ludwig dem Gebarteteten. Multscher hatte das Retabel wohl selbst entworfen und ausgeführt. Er griff dabei auf Anregungen zurück, die er in den Niederlanden und Frankreich erhalten hatte, z.B. das Motiv der Halbfiguren, die in den “Kapellenschrein” hineinsehen.

In seinem Wurzacher Altar von 1437 in Berlin zeigt sich sein Realismus in betonter Hässlichkeit. Er trat dabei als Meister an der Spitze seiner Werkstatt auf, der einen

wahrscheinlich vertraglich festgelegten Teil der Skulpturen und Malarbeiten selbst ausführte. Die erhaltene lebensgroße Hauptfigur der Mutter Gottes ist heute in der Pfarrkirche von Landsberg am Lech. Die Flügel wurden in acht Einzeltafeln zersägt und sind heute in Berlin.

b761ae2a5302ee34Multschers Ruf hatte sich mittlerweile weit in Deutschland verbreitet. Von 1456-1459 schuf er die Sterzinger Retabel in dem kleinen Südtiroler Städtchen, das  reich wurde durch Silberbergbau, der um 1400 in den Tälern um Sterzing begann. Es war ein wichtiger Knotenpunkt für den Nord-Südhandel und man konnte sich renommierte Künstler leisten. An der Sterzinger Retabel waren bis zu 16 Gesellen beschäftigt. Zu sehen sind die Altartafeln heute im Sterzinger Multscher-Museum.

Multscher führte den Werkstattbetrieb zu einem Großunternehmen durch, was dann auch die Syrlins, Hans Schüchlin, Friedrich Herlin, Jörg Töber und Nikolaus Weckmann machten. Er ist der bedeutendste Bildhauer in Deutschland in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Er wurde Wegbereiter für Jörg Syrlin, Gregor und Michel Erhart, Veit Stoss, Adam Krafft und Tilmann Riemenschneider.

Weiter Werke  von ihm sind die Stehende Mutter Gottes mit Kind um 1430, die Thronende Mutter Gottes 1435-1437 beide im Bayrischen Nationalmuseum in München, Die Heilige Barbara und Katharina 1435-1440 im Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart, die Heilige Barbara und Magdalena 1450-1455 aus Heiligkreuztal, heute im Dominikanermuseum in Rottweil

erhmagdamDie Grabmalsfigur der Gräfin Mechthild von Württemberg-Urach 1450-55 heute in der Stiftskirche in Tübingen, Der Heilige Johannes der Täufer 1456-1458 im Bayerischen Nationalmuseum in München, Die Bihlafinger Madonna um 1460 im Städtischen Museum in Ulm, Christus als Schmerzensmann um 1460 im Hessischen Landesmuseum in Kassel und Die Heilige Magdalena um 1456-1457 im Liebighaus in Frankfurt.

Hans Multscher starb 1467 in Ulm. An erinnert ein Sgraffitto an einem Haus beim Friedhof in Reichenhofen, der Name des Leutkircher Gymnasiums, eine Hans Multscher Schule in Ulm sowie Straßennamen in verschieden Orten Baden-Württembergs.

maria

Kommentar (1)

  1. Jürgen Rasemann

    Hallo, Franz-Karl,
    bist du „Deinen“ Burgen und Schlössern treu geblieben.
    Offensichtlich steckst Du viel Arbeit in Deinen Block.
    Prima. Ist der kleine Junge auf Deinen Beinen Alexander?
    Vor drei Tagen war ich zufällig bei Beate am Grab. Mein Gott, ist das alles lang´ her. Hubert ist öfters bei uns.
    Ich wünsche Dir fröhliche Ostern und
    viel Gutes.
    Jürgen Rasemann

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