Der Pfeifer von Niklashausen

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Weit beachtet wurde im Frühjahr 1476 ein junger Schweinehirt und Musikant, der in Niklashausen, einem kleinen Dorf im Taubertal, das noch heute 600 Jahre später gerade mal 460 Einwohner zählt, wirkte.  Er zog innerhalb kurzer Zeit Scharen von Menschen an. Nach zeitgenössischen Berichten lauschten bis zu 40.000 Menschen seinen Predigten. Keine 20 Jahre später war er schon in der Schedelschen Weltchronik mit Holzschnitten abgebildet. Die protestantische Historiographie sieht in Hans Böhm einen vorreformatorischen Reformator. Die sozialistische Geschichtsschreibung sieht in ihm einen ersten Höhepunkt der frühbürgerlichen Revolution und der DDR galt 1476 als Epochenjahr für den Beginn der Neuzeit.

Werfen wir erst mal einen Blick auf das 15. Jahrhundert. Das Konzil in Konstanz 1414-1418 war zu Ende gegangen. Es beendete die Zeit von Papst und Gegenpapst, die über Jahrzehnte die Christenheit in Europa in Atem gehalten und gespalten hatte. Im kirchlichen Bereich hatte das einen erheblichen Autoritätsverlust nach sich gezogen. 1415 war Johannes Hus als Ketzer in Konstanz verbrannt worden. Man hatte zwar seine Person vernichten können, nicht aber seine Ideen. Gerade in Bayern hatten diese durchaus noch Wirkung.

Zu der Unzufriedenheit mit den bestehenden kirchlichen Verhältnissen kam eine enorme Unzufriedenheit mit den sozialen und politischen Verhältnissen.

Die “Reformation Sigismundi” wurde 1439 von einem unbekannten Verfasser geschrieben, 1476 erstmals gedruckt, erlebte bis 1522 sieben Auflagen und wurde rasch zur verbreitesten Reformschrift ihrer Zeit.

In den Städten  mehrten  sich die Auseinandersetzungen. Oft war es eine Auseinandersetzung der Zünfte mit den Patriziern um die Herrschaft in der Stadt, sowie z. B. 1430 in Bamberg

In der Schweiz, in der Gegend um Salzburg, in Worms gibt es erste Erhebungen  der Bauern (1431/1432).

Die Fürsten versuchten ihre Herrschaft auszubauen. Der Umbau vom mittelalterlichen Domänenstaat auf den frühmodernen Finanzstatt wird forciert.

Das heißt die Landesherren führen Steuern ein und schaffen damit neben den

Domäneneinkommen ein neues Standbein für die Staatsfinanzierung.

Bußprediger haben Konjunktur. In Würzburg predigt Capistran (1386-1456)mit großem Erfolg. Vieles was er in Würzburg predigte, taucht auch bei Hans Böhm auf.

Das Niveau vor allem des niedrigen Klerus ist kaum zu unterbieten. Und Papst und Bischöfe standen ja auch stark in der Kritik. So predigte ein Straßburger Bußprediger über die Bischöfe:” mit viel Pferden reiten, gross Ehr einnehmen, den Säckel füllen, gute Hühnlein essen und den Huren nachlaufen”.

Nun wird im Mai 1476 Der Bischof von Würzburg Rudolf von Scherenberg (ca. 1401- 1495) vom Grafen Johann III. von Wertheim informiert, dass immer größer werdende Menschenmengen nach Niklashausen pilgerten, weil dort ein junger Hirte

220px-ScherenbergMarienerscheinungen gehabt habe und Predigten abhalte. Hans Böhm war um 1450 in Helmstadt, nahe Würzburg geboren. Der Würzburger Bischof hatte die geistige Herrschaft über Helmstadt inne, der Wertheimer Graf die weltliche. Noch ein dritter Akteur war mit der Angelegenheit befasst, nämlich der mainzer Erzbischof Diether von Isenburg (1412-1482), der für Niklashausen zuständige Diözesanbischof.

Man weiß wenig über Hans Böhm. Er ist in sehr ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, war wahrscheinlich Waisenknabe und musste schon als Kind seinen Lebensunterhalt bestreiten.Auf Grund seines Namens wird oft angenommen, dass seine Eltern aus Böhmen stammen. Der Name Böhm war aber in der Grafschaft Wertheim durchaus verbreitet. In seinen Predigten erzählt Hans Böhm von seinen Marienerscheinungen. Das ist nicht verwunderlich gilt der Taubergrund doch heute noch als Madonnenländchen und Marienfeste wurden in der Grafschaft Wertheim als besondere Feiertage gehalten. Nach  Lätare, dem 4. Fastensonntag trat Hans Böhm öffentlich auf, verbrannte seine Pauke und hielt seine erste Predigt. Er forderte zur Marienwallfahrt nach Niklashausen auf. Wenn man in Demut und Verehrung zum Gnadenbild nach Niklashausen wallfahre, erhalte man ebenso vollkommenen Ablass, wie wenn man zum Papst nach Rom pilgere.

357px-Niklashausen_liedDie Zuhörer wurden  aufgefordert, Schmuck, seidene Schnüre, spitze Schuhe und Brusttücher als Zeichen der Sühne zu opfern.

Die Marienkirche von Niklashausen war 1344 geweiht worden und seit 1353 im Besitz eines in Avignon ausgestellten Ablassbriefes.

Hans Böhm prangerte die Habgier des Adels an, forderte auf,  seinen Lebensunterhalt mit eigener  Hände Arbeit zu verdienen und mit Bedürftigen zu teilen. Standesunterschiede, Abgaben und Frondienste sollten abgeschafft werden.

Privater und hoheitlicher Besitz an Feldern, Wiesen, Wäldern und Gewässern seien

in die Allmende zu überführen. Die Wallfahrt erhielt bald einen ungeheuren Zulauf.

Aus der näheren Umgebung aber auch aus dem Rheingebiet, aus den Alpengegenden, dem Elsass, Thüringen, aus dem Harz ja bis aus Sachsen und Meißen strömten die Menschen herbei. Seine politischen und sozialen Forderungen verbunden mit seinen religiösen Ideen bargen ungemeinen Sprengstoff. Die Obrigkeit schritt ein. Zunächst waren bibelfeste Glaubensbrüder entsandt worden, die den Pfeifer als Scharlatan entlarven sollten. Obwohl ungebildet war der Pfeifer den gesandten Geistlichen rhetorisch und argumentativ überlegen. Mit Hohn und Spott vom Publikum bedacht zogen sie ab, um in Würzburg Bericht zu erstatten.

Ende Juni 1476 beschlossen die Mainzer und Würzburger bischöflichen Räte, die

Niklashausener Wallfahrt zu verbieten. Mit gezielten Falschmeldungen versuchte man, die bayrischen und schwäbischen Landesherren zu mobilisieren. Am 13. Juli wurde Hans Böhm von würzburgischen Reitern gefangen genommen, mit ihm zusammen ein Mönch, der wie Hans Böhm im Verhör sagte, ihn zum Predigen bekehrt habe. Als die Wallfahrer von der Verhaftung erfuhren, herrschte zunächst Verwirrung unter den Wallfahrern. Am 14. Juli zogen rund 16.000 Wallfahrer mit

Kerzen und Fahnen nach Würzburg und sangen christliche Lieder. Dort war man bei der Ankunft dieser Massen natürlich beunruhigt. Konrad von Hutten als Abgesandter konnte die Menge zunächst beruhigen. Die Masse zerstreute sich und zog ab. Als Konrad von Hutten aber ins bischöfliche Schloss zurückgekehrt war, wurde von den Wällen des Schlosses mit Kanonen in die Menge geschossen. Die Menge flüchtet in Panik, viele werden verwundet, einige getötet. Dem Pfeifer aber wurde der Prozess gemacht. Schon am  19. Juli wird das Urteil über ihn gesprochen. Er wird zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Zwei Bauern werden enthauptet.

Einige Adlige waren vorher Hans Böhm zur Seite gestanden. Die Herren von Thüngfeld und die Herren von Stetten. Kunz und Michael von Thüngfeld mussten dem Würzburger Bischof Urfehde schwören. Die zwei Bauern wurden enthauptet und

Hans Böhm auf den Scheiterhaufen gebracht, wo er laut Marienlieder sang, bis seine Stimme brach.

Das Singen der Lieder Böhms, die Verbreitung seiner Botschaft wir verboten und unter Strafe gestellt. Hans Böhm wird als leichtlebiger Musiker, als Sackpfeifenspieler und als Narr dargestellt.

Die drei Herren teilten sich die Opfergaben, die an Niklashausen entrichtet worden waren auf. Über die Kirche wurde ein Interdikt gesprochen. 1477 sollte sie abgerissen werden. Auf Bitten der Gemeinde und ihrer Fürsprecher wurde davon abgesehen. 1618 wurde für die baufällig gewordene Kirche ein Neubau errichtet.

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