In den nur knapp dreihundert Jahren seines Bestehens hatte das Kloster Güterstein eine wechselvolle Geschichte. Kardinal Konrad von Urach(um 1180-1227), der auch Generalabt des Zisterzienserordens war,
stiftete im Umkreis seiner Stammburg Hohenurach ein Kloster Zum Stein (ad lapidem). Es sollte ein Zisterzienserkloster sein. Konrads Bruder Johann, Zisterziensermönch in Bebenhausen hatte sich nach 1254
des Projekts angenommen. Die Klostergründung wird in einer am 30. Januar 1254 im Lateran ausgestellten Urkunde von Papst Innozenz IV. gestattet.
“Papst Innozenz IV. gestattet dem Bebenhauser Mönch Rudolf, früheren Grafen von Urach, die von dessen verstorbenem Bruder Bischof Konrad von Porto, damals apostolischem Legaten in Deutschland, begonnene Gründung eines Zisterzienserklosters in Güterstein zu vollenden und mit zweien seiner Ordensbrüder dort den Wohnsitz zu nehmen” (WUB Band V, Seite 50, Urkunde Nr. 1286)
Nach dem Rückzug der Grafen von Urach aus dem Ermstal am Ende der Stauferzeit konnte sich das Projekt aber nie richtig entwickeln. Rund 150 Jahre gibt es keine Quellennachrichten über das Kloster.
Es hatte sich dort aber zu einem nicht bekannten Zeitpunkt eine Marienwallfahrt entwickelt, die eine ständige geistliche Betreuung erforderte. Nach J.D. Memminger, Württembergische Jahrbücher, Jahrgang 1827 S. 353, stand dort eine Wallfahrtskirche,
die 1279 dem Kloster Zwiefalten überlassen wurde. Später richtete dort das Kloster eine rechtlich selbstständige Propstei ein. Zunächst waren dort ein Propst und vier Mönche tätig.Durch Stiftungen der Grafen von Württemberg aber auch durch den regionalen Niederadel entwickelte sich die Propstei sehr rasch. Eberhard der Greiner schenkte der Niederlassung eine einträgliche Pfründe der Pfarrei Dettingen. Die Herren von Steinhilben stifteten Güterstein ein großen Teil ihres Besitzes.
1384/85 wurde der Besitz des Klosters Blaubeuren in Ödenwaldstetten gekauft.1390 kauft die Propstei vom Kloster Allerheiligen in Schaffhausen 6 Lehenshöfe, die es in Bleichstetten besaß, für 210 Gulden. Allerheiligen hatte diesen Besitz 1102 von Eberhard von Metzingen und seiner Gattin Richinza geschenkt bekommen. Sein Sohn Adelbert war seit 1099 Abt des Klosters Allerheiligen.
1439 wurde auf Wunsch der Grafen Ludwig I. und Ulrich V. von Württemberg die bisherige zwiefaltische Propstei in ein Kartäuserkloster umgewandelt. Am 3. Juli 1439 war eine württembergische Abordnung nach Zwiefalten gekommen und zwar Meister
Heinrich Tegen, studierter Jurist und Kleriker, Stiftsherr und Probst in Sindelfingen und württembergischer Rat, Meister Georg Schienlin, Chorherr in Sindelfingen und dem Vogt in Urach Hans Keppeler. Sie forderten die Übergabe der Propstei Güterstein an die Kartäuser. Zwar wehrte sich Zwiefalten gegen das Ansinnen, aber Abt Johannes III. musste schließlich doch klein beigeben. Zwar hatten die Württemberger Grafen von 1365 die Vogtei über Zwiefalten vertragswidrig teilweise von den Habsburger überlassen
bekommen. De jure hatte Habsburg aber noch immer die Vogtei inne und die Württemberger Grafen befürchteten, dass die Habsburger ihren Machtbereich ausweiten wollten. Dann spielten bei den Reformbewegungen der Zeit die Kartäuser eine wichtige Rolle,
ein Grund für die Grafen Ludwig I. und Ulrich V., die Kartäuser ins Land zu holen. Nach der Landesteilung wurde das Kloster Grablege der in Urach residierenden Grafenfamilie.Die Kartause wurde mit Mönchen aus der Freiburger Kartause Johannisberg besiedelt.
Der erste Prior war Heinrich von Grüningen. Auf ihn folgte Konrad von Münchingen, dessen Amtszeit von 1453 bis 1455 unterbrochen war. In dieser Zeit leitete er die Kartause von Johannisberg. 1455 kehrte er nach Güterstein zurück, was die Generalkapitelsakten.
belegen. Seine Amtszeit endete 1478. Er starb 1481. In der Johannisberger Zeit von Konrad war Albert Rot Prior in Güterstein. Albert Rot ist vermutlich identisch mit einem Albertus Niffen, der 1405 in Heidelberg immatrikuliert war und dort 1407 Bakkalaureus wurde.
Er trat in die Kartause von Buxheim ein und kam etwa 1440 nach Güterstein.Von 1453 bis 1455 war er dann dort Prior. Von dort wurde er dann an die neugegründete Kartause nach Ittlingen geschickt. Er starb 1469 vermutlich in Güterstein. 1466 war Albrecht Hummel aus Donzdorf in Güterstein ins Kloster eingetreten. 1469 wurde er Prior in Nördlingen. 1476 wurde er Prior in Güterstein. Von 1495 bis 1497 war er dann noch Prior in Tückelhausen.Er war seit 1479 Ko-Visitator für die niederdeutsche Ordensprovinz der Kartäuser. Generalvisitator war der Erfurter Prior Heinrich Nemritz. 1482 übernahm Hummel dieses Amt. Sein Ko-Visitator war Johannes Göller aus Nördlingen, der ihn 1486 ersetzte. Albrecht Hummel starb 1501.
Die Gütersteiner Prioren spielten eine wichtige Rolle für die Reform der württembergischen Klöster. Am 6. März 1459 erhielten die beiden württembergischen Grafen Eberhard und Ulrich von Papst Pius II. eine Reformbulle für die württembergischen Klöster. Darin wurde die Visitation der Klöster den Äbten von Hirsau und Zwiefalten und dem Prior von Güterstein übertragen. Als die Bulle ausgefertigt wurde war das Johannes III. für Zwiefalten, für Hirsau Wolfram Maiser von Berg bis 1460 und dann von 1460-1482 Bernhard aus Gernsbach und für Güterstein Konrad von Münchingen ( + 1481) und später Albrecht Hummel aus Donzdorf (+1501). Das ist durchaus bemerkenswert, wenn man denkt, wie stark der Kartäuserorden auf die Abgeschiedenheit ihrer Mönche achteten.Sie waren ja immer in ihrer Zelle untergebracht, hatten einen eigenen kleinen, abgeschiedenen Garten für sich und die Zelle war so konstruiert, dass das Essen ausgeteilt werden konnte, ohne dass der Mönch jemanden zu Gesicht bekam- schön zu sehen in der Kartause Buxheim. Der Prior durfte sein Kloster eigentlich nur verlassen, wenn er sich zum Generalkapitel begeben musste oder sich um die wirtschaftlichen Angelegenheiten seines Klosters kümmern musste oder als Visitator im Dienst des Ordens unterwegs war.
Das zeigt aber drei Dinge, einmal war der Orden in der Auslegung der Regeln sehr flexibel und passte sich an Anforderungen immer gut an.Die Kartäuser waren von den Stiftern wegen ihres Rufes und des Ansehens, dass der Orden in dieser Zeit genoss und dass sich die württembergischen Grafen viel von den Kartäusern für die Reform der Klöster in Württemberg erhofften und die Berufung durch den Papst unterstreicht auch das Ansehen, das die Oberen des Kartäuserordens genossen.
Weiterer Prioren in Güterstein waren auch Antonius. 1523 war Benedikt Eichel Prior in Güterstein. Zuvor übte er dieses Amt Würzburg und Astheim, dann Buxheim aus. Seine letzte Station war Güterstein. Thilemann Mosenus war der letzte Gütersteiner Prior. Als das Kloster aufgehoben wurde, ging er nach Buxheim. Dort wurde er ebenfalls Prior. Eichel und Mosenus waren jeweils auch im Definitorium des Ordens vertreten. Es besteht aus acht gewählten Mitgliedern und dem “reverendus Pater”, das ist der Prior der
Großen Kartause und entscheidet über “Personen und Häuser”,wie es heute in den Statuten steht (Buch 4, Kap. 31)
Kartausen haben keine Äbte, sondern nur Prioren., da sich das mit der Demut der Kartäuser nicht verträgt. Der Prior trägt auch kein Zeichen seiner Würde, da das Amt als Bürde und Aufgabe gesehen wird und nicht als Ausdruck seiner Macht. Er ist verpflichtet, in den Grenzen seiner Kartause zu bleiben. Ausnahmen gelten eigentlich nur, wenn er sich zum Generalkapitel begeben muss oder wenn er sich um wirtschaftliche Angelegenheiten seiner Kartause kümmern muss, die ihn mehr und mehr zwingt, diese zu verlassen.
Er wird gewählt von den Mitgliedern der Kartause, wobei nur die Mönche das Wahlrecht haben. Novizen und Laienbrüder sind ausgeschlossen. Der Kandidat muss seine Profess schon mindestens seit drei Jahren abgelegt haben und ein Mindestalter von 25 Jahren haben.Gewählt werden kann jeder aus jeder Kartause, außer der Prior des Gesamtordens. Der neugewählte Prior muss zur Großen Kartause, wo er bestätigt wird, oder falls das nicht stattfindet durch einen Kandidaten ihrer Wahl ersetzt wird. Der Prior vertritt seine Gemeinschaft während der Sitzung des Generalkapitels. Innerhalb seiner Kartause ist er vor allem für die Disziplin seines Klosters verantwortlich. Er verkörpert die Ordensregel. Der Prior leitet die Novizen an, nimmt die Beichte ab. Deshalb muss er auch Priester sein. Er führt die Mitglieder seiner Gemeinschaft auf ihrem kontemplativen Weg und hilft ihnen Schwierigkeiten zu überwinden. Der Prior muss die Zustimmung zur Profess eines Novizen geben,da nur er die erforderliche Autorität hat, die Reife eines Kandidaten einzuschätzen. Ein wichtiges Instrument des Kartäuserordens ist die Visitation. Jedes Kloster wird in einem Turnus von zwei Jahren vom Visitator und einem Kovisitator besichtigt. Es werden Visitationsprotokolle erstellt, die vor der Sitzung des Generalkapitels an
die Große Kartause geschickt werden. Der Visitator hat zu überprüfen, ob die Normen des Ordens in den Gemeinschaften eingehalten werden eingehalten werden. Bei Regelverstößen kann er Strafen verhängen. Das kann bis zur Absetzung eines Priors gehen.
Auch die Wirtschaftslage eines Klosters wird überprüft. Der Visitator muss auch ein Netzwerk innerhalb seiner Provinz etablieren. Zum Visitator kann jeder Prior aus jeder Gemeinschaft gewählt werden. Wenn ein Kloster den Visitator stellt, strahlt das natürlich
immer auf das einzelne Kloster ab. Güterstein stellte in der relativ kurzen Zeit seines Bestehens drei Visitatoren, oben wurde schon Albrecht Hummel genannt, der das Amt des Visitator für 4 Jahre ausübte. In den Jahren 1523 und 1525 gab es nochmals Visitatoren aus Güterstein, diesmal jeweils für ein Jahr, nämlich erst Benedikt Eichel dann Thilemann Mosenus.
Die Funktion des Priors und der Visitation wurde hier ausführlicher dargestellt, da sie sich doch von anderen Orden unterscheidet, aber für andere Kartausen, z. B. Buxheim natürlich volle Gültigkeit hatte. (siehe dazu Blogbeitrag)
Die neue Kartause sollte auch für das Gedächtnis der Stifter, der “Memoria” sorgen, also für das dauerhafte Totengedenken in Messen und Gebeten für die Stifter. Mit der Stiftung verbunden war eben die Hoffnung verbunden,das ungewisse Los des Gebenden
im Jenseits zum möglichst Positiven zu wenden. Das Totengedenken für die Klosterangehörigen der Kartäuser war sehr umfassend. So musste nach dem Tod eines Mönches 30 Tage lang eine Messe gelesen werden. Bei dieser Messe sollte jeder Priestermönch
50 Psalmen und jeder Laie 150 Vaterunser beten. Die Statuten legten ausdrücklich fest, dass das auch für Laien gelten sollte. “Nihil pro monacho plus quam per laico”. Der Orden erhielt speziell für das Totengedenken so viele Stiftungen, dass das Totengedenken für
die Stifter bald auch extra in den Statuten festgelegt werden musste. Allmählich konnten sich außerhalb der Ordensgemeinschaft stehende “extranei” verdiente Wohltäter bald dasselbe Gebetsgedenken verschaffen wie für die Klosterangehörigen.
Besonders intensiv war das Totengedenken, wenn die Wohltäter im Kloster oder sogar in der Kirche bestattet wurde.
Das Kloster war als Grablege für das Grafenhaus vorgesehen. Schneller als das wohl geplant war, musste dieser Aspekt des Stiftungszweckes erfüllt werden.
1443 wurde in Güterstein Ludwigs neugeborener Sohn Andreas, der kurz nach der Geburt starb, bestattet. aber auch der Vater Ludwig starb früh, nämlich 1450 an der Pest. Auch er fand seine Ruhestätte in der Kartause. Der älteste Sohn, Ludwig II. starb auch sehr jung. Schließlich wurde auch die Gemahlin von Ludwig I. , Mechthild von der Pfalz nach ihrem Tod 1482 an der Seite ihres Mannes bestattet. Auch Prinzessin Anna, die Tochter Herzog Ulrichs, wurde nach ihrem Pesttod 1530 in Güterstein beigesetzt.
Ludwigs 2. Sohn Eberhard zeigte seine starke Bindung an Güterstein, als er vor seiner Pilgerreise nach Jerusalem im Mai 1468 sein Testament bei den Kartäusern in Güterstein hinterlegte und sich dort vor der Abreise seinen Reisesegen holte.
Die Kartause hatte viele Stiftungen erhalten. Um 1525 wurde das Einkommen des Klosters auf 1400 Gulden geschätzt.Das Kloster durfte zwar selbst keine Seelsorge ausüben. Es hatte aber viele Patronatsrechte inne und konnte so durch die
Besetzung von Pfarrstellen in der Umgebung des Klosters einen großen Einfluss ausüben.
Werfen wir nun einen Blick auf die Gütersteiner Bibliothek. Ihr Bestand ist im Gütersteiner Bücherkatalog aufgelistet, der sich heut in der Württembergischen Landesbibliothek unter der Signatur Codex theologicus und philosophicus 4°78 befindet.
Der Codex ist wohl von zwei Schreibern während der Amtszeit des ersten Gütersteiner Priors Konrad verfasst worden. Er ist wohl nicht als “klassischer” Bücherkatalog und als Bestandsnachweis verfasst worden, sondern diente wohl eher dazu,
Schenkungen festzuhalten. 13 Personen sind als Schenker aufgeführt. Die Bücherliste wie man sie wohl korrekter nennen sollte verzeichnet Bibelausgaben, Exegese, Predigten und Schultexte. Der Bestand ist vergleichbar mit den Bibliotheken in
Buxheim, Aggsbach und Schnals. Er verzeichnet wohl die Gründungsausstattung des Hauses. Bis zur Auflösung Gütersteins ist er erheblich angewachsen. Bei den Bücherschenkern handelt es sich um Personen mit meist universitärer Bildung, überwiegend
Geistliche.
Natürlich haben auch Gütersteiner Mönche Bücher geschrieben. So gibt es zwei libelli, die in der Bücherliste genannt werden. Sie haben Traktate des Nikolaus von Dinkelsbühl zum Inhalt. Namentlich ist als Schreiber Johannes von Messkirch auszumachen.
Von ihm stehen heute zwei Handschriften in der Bayrischen Staatsbibliothek in München. Diese Handschrift scheint in Güterstein sehr geschätzt gewesen zu sein, denn die Mönche nahmen sie nach buxheim mit, als sie Güterstein verlassen mussten.
Ein Großteil der Handschriften die, in Güterstein entstanden sind, stammt aus der Amtszeit Konrads. “Geistlichen Gespräch zwischen einer Fürstin und einer Krämerin” wurde 1447 in Güterstein niedergeschrieben.
Eine weitere wichtige Quelle ist für Güterstein vorhanden, nämlich das Gütersteiner Anniversar, ebenfalls in der Württembergischen Landesbibliothek verwahrt. Diese Handschrift ist ebenfalls nach der Gründung der Kartause Güterstein entstanden und dürfte um 1560-1565 angelegt worden sein, da bis dahin eingetragene Jahrtage in chronologisch falscher Reihung erscheinen und erst dann chronologisch korrekt werden, was den Schluss nahelegt, das ab dem Datum, an dem die Einträge korrekt werden, der terminus post quem liegen muss. Das Ende der Laufzeit liegt wohl im Jahr 1533. Zwei Jahre danach werden die Mönche aus Güterstein vertrieben. Das Anniversar nennt eine Vielzahl von Wohltätern
des Klosters und die beiden Quellen lassen sich gut abgleichen. Das Gütersteiner Anniversar führt die Wohltäter nicht alphabetisch wie z. B. Freiburg auf, sondern nach Ständen (sacerdotes, obiles, laiici). Die Mönche werden nach Prioren, Professmönchen,
Konversen, Redditen und Donaten aufgeführt. Im Gütersteiner Anniversar befinden sich etwa 340 Personen, 80 Kartäuser, 10 Benediktiner und etwa 250 Wohltäter.
Roland Deigendesch wertet diese Quelle in seinem Aufsatz “Memoria bei den Kartäusern-Auswertungsmöglichkeit kartäuser Memorialquellen am Beispiel des Gütersteiner Anniversars 15-16.Jahrhunderts” (Bücher, Bibliotheken und Schriftkultur der Kartäuser Festgabe zum 65. Geburtstag von Edward Potkowski S. 269-287) aus und zieht Rückschlüsse auf die Größe des Konvents. Er gibt für die Jahre vor 1470 eine Konventsstärke von 19 Mitgliedern an,1471-1500 50 und für die Jahre nach 1501 61.
In Güterstein war auch volkssprachliches Schrifttum entstanden so das 1447 niedergeschriebene“Geistlichen Gespräch zwischen einer Fürstin und einer Krämerin” Es gibt deutsche Heiligenleben und ein gedrucktes Rosenkranzgebet. Diese Bücher zielten darauf ab, gelehrte theologische Inhalte einem Laienpublikum nahezubringen. In Güterstein hatte auch Johannes Mickel seinen Lebensabend verbracht Der ehemalige Augsburger Benediktiner und Prior trat 1482 in die Kartause Buxheim ein. Er starb 1508 in Güterstein.
Er hatte den Traktat "Alphabetum divini amoris" ins Deutsche übertragen (1493 in Memmingen gedruckt). Ebenfalls seine letzten Lebensjahre verbrachte Dr. med. Thomas Finck in Güterstein. Nach dem Tod seiner Ehefrau trat er 1486 in das Benediktinerkloster Blaubeuren ein. Dort schrieb er das Büchlein über die Sieben Tagzeiten, das vor allem für die Nonnenseelsorge gedacht war. Er war einer der bedeutendsten volkssprachigen Schriftsteller Südwestdeutschlands.Zwischen 1506 und 1505 trat er in den Kartäuserorden ein.1515 vertrat er die Kartause Güterstein in einem Rechtsstreit. Er ist 1523 verstorben.
Oben wurde auf den guten Draht hingewiesen, den Eberhard im Barte zu Kloster Güterstein hatte. Aber kirchenpolitisch setzte er etwas andere Akzente. 1477 holte er die Brüder vom Gemeinsamen Leben nach Württemberg. Die Kartäuser betrieben ja keine Seelsorge, die Brüder vom gemeinsamen Leben sehr wohl. Sie sollten seelsorgerlich auf das Volk einwirken. 1477 gründete Eberhard auch die Universität Tübingen. Er verlegte das Chorherrenstift in Sindelfingen nach Tübingen. Acht der zehn ehemaligen Stiftsherren lehrten dann an der Universität Tübingen, darunter Johannes Vergenhans nach humanistischer Sitte nannte er sich Johannes Nauclerus. Er war der erste Rektor der Tübinger Universität.
In Urach übertrag Eberhard die Kirche St. Amandus an die die Brüder vom Gemeinsamen Leben. Probst wurde 1479 Gabriel Biel,vorher Probst des Brüderhauses St. Markus in Butzbach. Biel war Gründungsmitglied der Universität Tübingen und übernahm dort den
Lehrstuhl der via moderna.Ebenfalls aus Butzbach kam Wendelin Steinbach nach Urach. Er war ein Schüler von Biel, promovierte in Tübingen zum Doktor der Theologie. Er war sechs mal Rektor der Uni Tübingen und Beichtvater Herzog Eberhards.
Dies alles führte dazu, dass Güterstein nicht mehr die so bestimmende Rolle im kirchlichen Leben Württembergs und bei den Reformen der württembergischen Klöster spielte. Innerhalb des Kartäuserordens hatte das Kloster aber nach wie vor eine bedeutende Stellung inne.
Vor der Reformation hatte 20 Religiosenzellen und nochmals 10 für Laienbrüder. Wie oben gezeigt stellte Güterstein immer wieder Visitatoren und war auch im Definitorenkollegium vertreten.
1534 wurde in Württemberg die Reformation eingeführt und als Folge davon 1535 die Mönche aus Güterstein vertrieben. 17 gingen nach Buxheim, unter ihnen Thilemann Mosenus, der dann in Buxheim Prior wurde. Zurückgeblieben waren nur wenige kranke Knechte und der Prokurator Johannes Frey, der für die Gütersteiner Klosterökonomie zuständig war. Dieser trat zum lutherischen Glauben über. 1538 wurde er erster evangelischer Pfarrer in Metzingen.
Nach dem Sieg Kaiser Karls V. über den Schmalkaldischen Bund und dem danach stattfindenden Reichstag 1548 in Augsburg schien es kurze Zeit so, als ob das Kloster zu neuem Leben erweckt werden könne. Restitutionsversuche 1550/51 blieben ohne Erfolg.
Kloster Zwiefalten und der Visitator der niederdeutschen Kartäuserpovinz Dietrich Loher verhandelten zäh mit dem württembergischen Herzog Christoph um eine Rückgabe und um Entschädigungen. Dieser ließ aber gleichzeitig vollendete Tatsachen schaffen.
Die Kartause wurde bis auf die Grundmauern abgetragen. Die Gebeine von Christophs Vorfahren, soweit sie noch aufzufinden waren,sowie die Grabmahle wurden nach Tübingen in die Stiftskirche verbracht. So befindet sich dort heute das Grabbild Mechthilds
von der Pfalz, das Hans Multscher zugeschrieben wird. Nur noch ein Gedenkstein erinnert an das Kloster
1710-1715 ließ HerzogEberhard Ludwig durch den Ulmer Glockengießer Theodosius Ernst ein bemerkenswertes Wasserhebewerk zur Versorgung des Gestütshofes St. Johann errichten, was durchaus ein Vorläufer der Albwasserversorgung ist.
In Urach hat sich noch ein Pfleghof der Kartause erhalten.
Im Hirsauer Codex wird in Fol 34 erstmals der Gau Swiggerstal im Zusammenhang mit einer Wiese in Ruderchingen (Riederich)erwähnt. Swiggerstal, das ist das Ermstal.
Auch ein Graf Egino wird an dieser Stelle erwähnt. Graf Egino hatte einen Bruder, Rudolf, der die Achalm errichtete. Die Erben Eginos I. errichteten im oberen Ermstal
bei Urach zwei Burgen, eine Wasserburg im Tal und die Höhenburg. Die Höhenburg wurde wohl zwischen 1030 und 1050 möglicherweise von Egino II. (+ 1105) errichtet und
war der Stammsitz der Grafen von Urach, die Wasserburg, diente den Grafen als Stadtsitz. Als Burggründer kommt aber auch dessen Sohn Egino III. in Betracht.
Einige Familienmitglieder der Grafenfamilie von Urach machten vor allem in kirchlichen Ämtern Karriere. So wurde Gebhard II. von Urach (+ 1110) Benediktiner. 1091 wurde er Nachfolger
des Hirsauer Abtes Wilhelm. Von 1104-1107 war er Bischof in Speyer und gleichzeitig Abt in Lorsch. Sein Bruder Kuno war ab 1108 Kardinal und von 1114-1121 päpstlicher Legat. Gebhard von Urach,
(+1141) der Neffe der beiden war von 1131-1140 Bischof von Straßburg. Berthold von Urach (+1242)war Zisterzienser und von 1207-1221 Abt von Tennenbach, danach bis 1230 Abt von Lützel.
Am höchsten auf der kirchlichen Karriereleiter stieg Konrad von Urach. Er ist um 1180 geboren und starb 1227 in Bari. Er war auch Zisterziensermönch. 1209 ist er als Abt von Villers nachweisbar,
von dort wechselte er nach Clairvaux, wo er zum Abt gewählt worden war. Ab 1217 war er Abt von Citeaux und Generalabt des Zisterzienserordens. Anfang 1219 ernannte ihn Papst Honorius zum Kardinal. 1220-1223 war er päpstlicher Legat in Frankreich
und 1224-1226 in Deutschland.
Die Grafen von Urach waren Parteigänger der Staufer. Um 1250, als die Macht der Staufer verfiel, gingen auch die Grafen von Urach unter.Graf Egino IV, genannt der Bärtige, geboren um1160 in Urach, heiratete 1180 Agnes, die Tochter
des Zähringerherzogs Berthold IV. Als dieser 1218 starb, fiel das rechtsrheinische Hausgut der Zähringer an die Grafen von Urach. Allerdings geriet er in Konflikt mit dem Stauferkaiser Friedrich II. Dieser wollte mit dem Zähringer Erbe, Reichsgut wieder herstellen und seine Hausmacht vergrößern. Es kam zum Kampf zwischen Kaiser und Herzog. Allerdings musste Friedrich einlenken, da er auf das Wohlwollen Kardinal Konrads, des Bruders Eginos angewiesen war, da er auch in Querelen mit dem Papst verstrickt war.
Also einigte man sich auf einen Vergleich. Der Herzogtitel von Zähringen fiel aber nicht an den Uracher Grafen. Der Sohn Egino V. nannte sich nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1230 Egino I., Graf in Freiburg.
Ein Sohn Eginos, nämlich Heinrich von Urach, geboren um 1215, war zunächst Graf von Urach. Bei der Erbteilung von 1245 erhielt er mit seinem Bruder Konrad zähringische Besitzungen im Schwarzwald und in der Baar.Ab 1250 nannte er sich Graf von Urach und Fürstenberg, später nur noch Fürstenberg, das ist das heute noch bestehende Fürstengeschlecht in Donaueschingen. 1254 tauschte er die Hälfte von Urach gegen die Hälfte von Wittlingen und 1254 verkaufte er wohl aus Geldmangel Burg und die meisten Besitzungen um Urach an Graf Ulrich von Württemberg. Berthold IV. von Urach , ein Bruder Eginos V., des Grafen in Freiburg, starb 1261. Damit erlosch die Linie der Uracher Grafen. Urach war ab jetzt ein Teil der Grafschaft Württemberg.
Hohenurach
Das genaue Datum, wann die Burg erbaut wurde und auch ob sie Egino II. oder Egino III. erbaut hat ist nicht bekannt. Die erste urkundliche Erwähnung von Hohenurach ist 1235. In einem Schreiben an Kaiser Friedrich II., berichtet Konrad von Hohenlohe,dass
Graf Egino von Freiburg sich mit beträchtlicher Streitmacht in Urach festgesetzt habe. Es ist die Urkunde Nr. 387 datiert von Juli 1235 und im Fürstenbergischen Urkundenbuch. 1140 wird Comes Egeno de Hura in einer Schenkungsurkunde genannt. (Fürstenbergisches
Urkundenbuch Nr. 87. Es ist Graf Egino III. Das deutet auch auf eine Adelsburg hin, denn ab dem 11. Jahrhundert begann der Adel sich nach Burgen zu nennen. Also muss die Nennung von Urach wohl eher auf die Burg als auf die Stadt Urach bezogen werden.
Die zerstörte Burg besteht aus drei Teilen, die untere Festung mit der Burgkapelle. Von der unteren Festung stehen noch die Mauerreste. Die Burgkapelle war dem heiligen Clemens geweiht. Die genaue Lage der Kapelle ist wegen der späteren
Umbaumaßnahmen nicht bekannt.Das Patrozinium der Burgkapelle verwundert nicht, denn Gebhard II. von Urach, der Bruder Eginos II. und möglicher Erbauer von Hohenurach, war wie oben gezeigt ja Hirsauer Abt. 1091 kamen die Reliquien
des heiligen Clemens nach Hirsau und damit auch die Verehrung dieses Heiligen nach Süddeutschland. 1091 wurde in Hirsau die neue Kirche geweiht und dabei die Reliquien von Clemens an zwei Altären niedergelegt. Gebhard ging 1105 als Bischof nach Speyer. Das legt nahe, das dass Patrozinium der Burgkapelle in dem Zeitraum zwischen 1091 und 1105 übernommen worden ist, die Kapelle also nicht vor 1191 geweiht worden ist. Da de Burg ja im Zusammenhang mit der Kapelle steht, kann die Burg wohl nicht vor 1080 erbaut
worden sein, eher später. Die Kapelle wird 1236 erstmals genannt, das Patrozinium 1491.
1427 fand ein grundlegender Umbau und eine Erweiterung der Burg durch Graf Ludwig I. von Württemberg (1412-1450)statt. Die Grafen von Württemberg hatten aber wohl auf Hohenurach nie einen dauerhaften Aufenthalt genommen.
Als Herzog Ulrich in Konflikt zum Reich und zum Schwäbischen Bund geraten war, wurde er 1519 nach dem er die Reichsstadt Reutlingen überfallen hatte, wurde er vom Schwäbischen Bund unter Führung von Georg Truchsess von Waldburg aus dem Land vertrieben.
Die Festung Hohenurach wurde vom Schwäbischen Bund übernommen. Als Ulrich dann 1534 ins Land zurückkehrte, nahm er mir Unterstützung des Landgrafen Philipp von Hessen Hohenurach wieder ein.
Nach dem Sieg Kaiser Karl V. bei Mühldorf am Inn 1547 musste sich Stadt und Festung den Truppen des Kaisers und seinem Feldherrn Herzog Alba ergeben.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Festung neun Monate belagert und wurde erst eingenommen als der Hunger die Belagerten bezwang. Am 24. Juli 1635 wurde die Festung übergeben. Nun blieb Hohenurach in österreichischem Besitz und wurde
erst 1649 nach dem Westfälischen Frieden wieder zurückgegeben. 1694 flog der Pulverturm in die Luft. Aber noch bis 1767 hatte die Festung eine kleine Besatzung mit eigenem Kommandanten. Erst in diesem Jahr gab Herzog Carl den Befehl zum Abbruch,
weil er Ziegel und Steine für den Bau des Jagdschlosses Grafeneck brauchte. Seither ist Hohenurach eine Ruine. Wie auch andere Landesfestungen diente Hohenurach auch als Gefängnis.
Graf Eberhard im Barte ließ dort 1490 seinen Vetter Heinrich, den Vater des Herzog Ulrich wegen Geisteszerrüttung unterbringen. 1519 starb er auf der Festung. Nicodemus Frischlin, späthumanistischer Philologe und von Kaiser Rudolf II zum Poeta laureatus
gekrönt, machte er sich als Professor an der Universität auch wegen seiner Streitlust wenig Freunde. Eine ordentliche Professur wurde ihm verwehrt und er musste schließlich außer Landes gehen. Eine1590 gegen den württembergischen Hof verfasste Streitschrift
brachte auch diesen gegen den streitbaren Dichter aus. In Mainz wurde er von Fahndern des württembergischen Kanzler dingfest gemacht. Der Erzbischof bewilligte seine Auslieferung. Auf der Burg Wirtenberg wurde er zunächst unter Hausarrest gestellt und dann unter verschärften Bedingungen auf Hohenurach eingekerkert. Beim Fluchtversuch stürzte er ab und brach sich das Genick. Auf Geheiß des Herzogs wurde er aber nicht wie in solchen Fällen üblich annonym verscharrt sondern auf dem Uracher
Friedhof bestattet. Matthäus Enzlin (1556-1613),württembergischer Kanzler unter Herzog Friedrich von Württemberg und dessen juristischer Berater, wurde nach dem Tod des Herzogs auf Hohenurach eingekerkert und nach einem sehr fragwürdigen Prozess
16.13 in Urach hingerichtet.
Residenzschloss
Herzog Ludwig I. von Württemberg (1412-1450) wurde zusammen mit seinem Bruder Ulrich nach dem Tode ihres Vaters Eberhard IV. 1419 unter Vormundschaft gestellt. Die Vormundschaft wurde von Beamten, sogenannten Regentschaftsräten übernommen.
1426 wurde er im Alter von 14 Jahren für volljährig erklärt und regierte Württemberg zunächst allein. 7 Jahre später also 1433 wurde auch Ulrich volljährig und regierte nun mit. 1441 einigten sich die Brüder auf Landesteilung, die im Nürtinger Vertrag 1442
besiegelt wurde. Ludwig erhielt den Uracher Teil und nach dem Tod seiner Mutter Henriette von Mömpelgard (heute Montbéliard) auch die Grafschaft Mömpelgard.
Ludwig baute Urach zur Residenzstadt aus und hatte ja schon 1427 Hohenurach umgebaut.
Das ältere Schloss,das vorher auf dem Grund des heutigen Residenzschloss liegt, ließ er abreißen. Sein Sohn Graf Eberhard im Bart (1445-1496) wurde am 11. Dezember in Urach geboren. Nachdem sein Vater 1450 an der Pest gestorben war,
trat er 1459 ebenfalls minderjährig die Herrschaft über die Grafschaft Württemberg-Urach an. 1474 heiratete er Barbara Gonzaga von Mantua. Eberhard nahm aus diesem Grund Verschönerungen im Schloss vor.Das ist vor allem der “Palmensaal”.
Über eine Außentreppe konnte man auch zu Ross in den Saal gelangen, der im ersten Obergeschoss liegt. Der Palmensaal ist der zentrale Empfangs-und Festsaal.Der Saal ist mit einem anspruchsvollen Bildprogramm dekoriert. Wandhohe Palmen
zusammen mit Eberhards Motto “attempto”- ich wags zieren die Wände. Sie erinnern an Eberhards Pilgerreise 1468 nach Jerusalem. Dort wurde er in der Grabeskirche zusammen mit seinen Begleitern zum Ritter vom heiligen Grab
geschlagen. angeblich hat er auf seiner Pilgerfahrt das Gelübde abgelegt, sich in Zukunft nie mehr den Bart schneiden werde und erhielt so den Beinamen “im Bart”. Im Palmensaal ist auch sein Ahnennachweis ausgemalt. Er präsentierte damit die
Verwandtschaft des Hauses Württemberg mit den Fürstenhäusern Europas. Sie ist die älteste noch erhaltene heraldische Ahnenprobe nördlich der Alpen. Im 16. Jahrhundert wurde der Palmensaal zum Jagdsaal umgestaltet. Die Wappen
Herzog Ulrichs kamen dazu und in einer Fensternische Malereien aus dem Jahre 1611. Zu Zeiten Carl Eugens wurde der Saal in ein fürstliches Appartement mit Gardesaal umgewandelt.
Den Goldenen Saal ließ ebenfalls Eberhard im Bart erbauen. Ebenfalls einer Hochzeit verdankt der Saal seine heutige Ausgestaltung. Anläßlich seiner Hochzeit mit Barbara Sophie von Brandenburg ließ Herzog Johann Friedrich den Saal im Stil
der Spätrenaissance ausmalen. An verschiedenen Stellen im Saal kann man Initialen des Paares sehen. Die reich vergoldeten Decken und Wanddekorationen illustrieren den Namen des Saales. Vom ursprünglichen Inventar ist noch ein
reich verzierter goldener Ofen aus dem Jahre 1665 zu sehen.
Das Schloss beherbergt auch noch eine Sammlung von 22 Prunkschlitten.
Graf Eberhard brachte 1482 den Münsinger Vertrag zustande. Damit wurden auch die beiden Landesteile Württemberg-Urach und Württemberg-Stuttgart wiedervereinigt. Sein Vetter Eberhard der Jüngere überließ damit die Regierung seines Landesteils
dem Uracher Grafen. Die Residenz wurde nun nach Stuttgart verlegt. Kaiser Maximilian erhob
1495 die Grafschaft zum Herzogtum und Eberhard wurde herzog von Württemberg und Teck. Urach verlor seine Bedeutung als Regierungssitz, das Residenzschloss blieb aber beliebtes Jagdschloss der Herzöge von Württemberg.
Graf Eberhard im Bart
Am Anfang seiner Regierungszeit musste sich Eberhard vor allem gegen die Ansprüche seines Onkels, des Pfalzgrafen Friedrichs des Siegreichen wehren.Erst nach dessen Tod konnte er sich verstärkt der Innenpolitik zuwenden.
1477 gründete er die Universität Tübingen. Sie sollte die bessere Ausbildung der weltlichen diener und des Klerus sicherstellen. Erster Rektor und langjähriger Kanzler der Universität wurde Johannes Nauclerus.
Eberhard, selbst des Lateins unkundig ließ er viele Texte ins Deutsche übersetzen.
Das Stift Sindelfingen, ein Chorherrenstift, das seit dem 11. Jahrhundert bestand, wurde von Eberhard nach Tübingen verlegt. Von den zehn früheren Sindelfinger Chorherren wurden acht Professoren in Tübingen, darunter auch der erste Rektor.
Eberhards Politik war immer auf Ausgleich bedacht. Im 1488 gegründeten Schwäbischen Bund war Eberhard von Anfang an beteiligt und nahm neben Hugo von Werdenberg und Berthold von Mainz eine zentrale Stellung ein.
Wichtig war ihm die Reformierung von Klöstern. Er holte die von ihm geschätzten Brüder vom gemeinsamen Leben ins Land,eine Gemeinschaft der devotia moderna. Er ließ in Urach, Dettingen an der Erms, Tübingen und Herrenberg Stifte errichten.
Von Zeitgenossen geschätzt und geehrt, Maximilian verlieh ihm den Orden vom Goldenen Vlies, Papst Sixtus IV. die goldene Rose verstarb er 1496 in Tübingen. Auch die Nachwelt verehrte ihn. die patriotisch gesinnte württembergisch
gesinnte Geschichtsschreibung verklärte ihn als ersten württembergische Herzog. Seine Büste wurde in der Walhalla aufgestellt und Justinus Kerners “Preisend mit viel schönen Reden” besingt ihn als reichsten deutschen Fürsten, wobei sein Reichtum nicht im
Materiellen
Der Runde Berg
Der Runde Berg bei Urach ist ein Herrensitz mit zugehöriger Handwerkersiedlung. Er vom Dritten Jahrhundert p.C. bis in das erste Viertel des Sechsten. Jahrhunderts p.C. besiedelt, dann nochmals in bescheidenerem Maße vom letzten Viertel
des Siebten bis zur Mitte des Achten Jahrhunderts bewohnt. Während der zeit der Ungarneinfälle im Zehnten Jahrhundert war nicht kontinuierlich besiedelt sondern wohl eher als Refugium genutzt. Im Siebten Jahrhundert war bis zum umkreis von 15 Kilometern
mit einem Kranz von Siedlungen umgeben, deren Ortsnamen alle den Bestandteil-“hausen”aufweisen und die wohl der Versorgung der Burgsiedlung dienten. Im Elften Jahrhundert war der Sitz auf dem runden Berg sicher verlassen.
Man hat sehr viel Keramik auf dem Runden Berg gefunden. Die zweitgrößte Materialgrube ist das Glas. Es wurden aber auch Fibel, Gürtel und Waffengefunden.
Der Sage nach verirrte sich Graf Mangold von Wörth auf der Jagd im Wald. In der Wildnis traf er einen Einsiedler, der dort in einer Klause wohnte. Zu seiner Überraschung erfuhr er, dass dieser ein totgeglaubter Vorfahre
von ihm war, der in der Einsamkeit Busse für seine Sünden tun wollte. Nach dessen Tod ließ der Graf dort statt der Klause eine Kapelle errichten. Später zogen zwei adlige Kammerfräulein ein und errichteten
das Kloster Oberschönenfeld.
Tatsächlich gab es Anfang des 13. Jahrhunderts eine geistliche Frauengemeinschaft in Oberhofen-heute Weiherhof bei Gessertshausen, die von einer Meisterin geleitet wurden. Die erste Überlieferung nennt die Namen Gräfin Würga von Dillingen von 1186-1192 , die der Familie des Heiligen Ulrichs angehörte.Sie war die Gattin des in der Sage erwähnten Grafen Mangold, dann eine Hildegunde von Brennberg 1192-1211.Unter Willibirgis (1230-1251) trat die Beginengemeinschaft in den
Orden der Zisterzienser ein. Das Ministerialengeschlecht der Familie von Kemnat hatte den dortigen Beginen Grund und Boden geschenkt. Volkmar II. von Kemnat war bedeutendste Vertreter seines Geschlechts in dieser Zeit.
Er war Stadtvogt von Konstanz und auch an der Erziehung des letzten Staufers Konradin beteiligt. Er stiftete wohl Kloster Oberschönenfeld. Als Gründungsdatum wird das Jahr 1211 genannt und damit wäre Oberschönenfeld die
älteste Zisterzienserinnenabtei in Deutschland. Das Gründungsmuster verlief ähnlich wie das der fünf oberschwäbischen Zisterzienserinnenkloster, die in den folgenden Jahren als Tochterklöster von Salem gegründet worden sind.
Es hat sich eine Beginengesellschaft gebildet. Ein adliger Stifter stattet sie mit Grund und Boden aus. Ein im Umfeld befindliches Zisterzienserkloster gliedert die Gemeinschaft in den Orden ein.
Bei Oberschönenfeld war das die Abtei Kaisheim. Kaisheimer Abt war in der Zeit Konrad II. (1210-1228) Augsburger Bischof war Siegfried III. von Rechberg (1208-1227)
1248 bestätigt Papst Innozenz IV. (1243-1254) am 28. August dem Kloster alle Privilegien, die der Zisterzienserorden vom Heiligen Stuhl erhalten hatte. Das ist gleichzeitig die erste urkundliche Erwähnung des Klosters.
Die Eingliederung in den Zisterzienserorden festigte die junge Gemeinschaft wirtschaftlich und politisch. Sie beschränkte aber auch die Freiheiten, die den Beginen eigen gewesen waren.
Sie war nun einem Vaterabt unterworfen. Zur Zeit des päpstlichen Privilegs war das Richard (1239-1251). Der Nachfolger von Innozenz IV, Alexander VI. (1254-1261) nimmt das Kloster 1255 in päpstlichen Schutz und gewährt Exemtion von
der lokalen Bischofsgewalt. Aber auch Bischof Hartmann von Augsburg (1248-1286) der ja aus der Stifterfamilie stammt, verbrieft dem Konvent die Lebensweise der Zisterziensierinnen und auch er nimmt den Konvent in seinen Schutz.
Nachfolgerin von Willibirgis wird Adelheid von Kemnat, wohl eine Tochter des Stifters Volkmar von Kemnat. Das Kloster erhielt viele Stiftungen und schon 1262 konnte unter Äbtissin Adelheid die Klosterkirche Maria Himmelfahrt eingeweiht werden.
Als Schenker waren aufgetreten Volkmar,der dem Kloster die Kirche von Dietkirch geschenkt hat. Heinrich Reichsmarschall von Pappenheim schenkte dem Kloster sein ganzes Besitztum in Mödishöfen, aber auch Konradin
war unter den Gebern. Er “schenkt dem nonnenkloster OberSchönfeld den hof Vetinchoven welchen Conrad Spannagil von ihm trug” (Conradin – RI V,1,2 n. 4797 ).
Zur Kirchenweihe erhielt die Äbtissin Ablässe von den Bischöfen von Augsburg, Freising, Eichstädt, Würzburg und Speyer. Auf Heidelheid folgte Hilda. Sie regierte von 1271 bis 1279. Auch sie konnte den klosterbesitz hauptsächlich
durch Schenkung aber auch durch Tausch und Kauf mehren.
Ein Tauschgeschäft zwischen der Abtei Ellwangen unter Abt Otto von Wülzburg (1255-1269) und Graf Ludwig von Öttingen machte dann eine größere Schenkung für Kloster Oberschönenfeld möglich. Der Ort Munsterum, das heutige Altenmünster,
lag zu weit vom Kloster Ellwangen entfernt, um von dort verwaltet zu werden. Am 16. Juni 1262 tauschte das Kloster Ellwangen diesen Ort mit dem Grafen von Öttingen gegen verschiedene Güter im Ries. Noch im selben Monat schenkte
der Graf “als Seelgerät” die neuerworbenen Güter an das Kloster Oberschönenfeld unter Äbtissin Hilda. Unter der Äbtissin Adelheid II. von Kemnat erhielt das Kloster von Ritter Frass von Wolfsberg den Heszelinbach bei Munsterum.
Nun begann das Kloster alle Rechte über das Dorf an sich zu ziehen. Zum Ende des 15. Jahrhunderts hatte es die Vogtei und die Gerichtsbarkeit von Munsterum inne.Die Regierung der nächsten beiden Äbtissinnen Agnes und Hildegund
verlief ohne größere Ereignisse. Unter Äbtissin Elisabeth (1304-1316) konnte sich das Kloster die Pfarreien Munsterum und Messishofen völlig einverleiben. Allerdings musste die Abtei den Augsburger Bischöfen immer einen Säkularpriester präsentieren.
Die beiden übernächsten Nachfolgerinnen, nämlich Hildegund II. (1332-1342) und Agnes II. von Lutzingen begannen mit den Rodungsarbeiten im Munsterwald. Herzog Friedrich von Österreich hatte damals die Markgrafschaft Burgau inne.
Er musste die Rodeerlaubnis erteilen, was er 05.02. 1344 tat. (Sebastian Brunner, Ein Cisterzienserbuch, S.693). Vorher hatte schon Bischof Heinrich III. von Augsburg bestätigt, dass dem Kloster die zu erwartenden Einnahmen gehören werden.
Schon im Juni 1346 konnte die Äbtissin mit der Lehenverteilung beginnen. Laut Dorfbrief vom 15.6.1346 hat Äbtissin Agnes bestimmt, dass das neue Dorf Nivemunstrer heißen soll. Dann wurden vom Kloster 12 Lehen verteilt. Das Dorf bestand aus 12 Häusern mit je einem Ganzlehen von 51 Jauchert (1 Jauchert = 0,5ha) und einem Haus ohne Lehen, das dem Kloster gehörte. (Internetseite der Gemeinde Altenmünster) Beim Heszelinsbach entstand das Dorf Violau, das in dem erwähnten Dorfbrief erstmals genannt wird.
Bald nach der Ortsgründung ist hier wohl ein Zentrum der Marienverehrung entstanden. Eine Wallfahrt nach Violau ist seit 1466 verbürgt.
Unter der Nachfolgerin der Äbtissin Agnes, Katharina von Villenbuch (bis 1373), wurde der Aufstieg der Abtei erstmal gebremst.
Zwei Entwicklungen hatten sich im Umfeld der Abtei entwickelt. Einmal zeichnete sich wegen der Entwicklung der schwäbischen Landvogteien ein Konflikt zwischen Habsburgern und Wittelsbachern ab.
Bei der Doppelwahl von 1314 von dem Wittelsbacher Ludwig dem Bayern (1314-1347) und dem Habsburger Friedrich dem Schönen (1314-1330) neigte Bischof Friedrich von Augsburg zu Friedrich, während die Stadt Augsburg
sich frühzeitig auf die Seite des Wittelsbacher stellte. Es gab nun immer wieder militärische Auseinandersetzungen. 1319 wurde dabei das Augsburger Umland stark in Mitleidenschaft gezogen. Auch die Zeit nach Ludwig blieb kriegerisch.1376 war der Schwäbische Städtebund unter Führung Ulms gegründet worden. Entstanden war dies unter anderem als Abwehrreaktion von Verpfändungen von Reichsstädten, wie das Wenzel nach seiner Königswahl mit Donauwörth gemacht hatte. Er hatte die Stadt an die bayrischen Herzöge verpfändet. 1379 war die Stadt Augsburg dem Bündnis beigetreten. Dem Städtebund gegenüber standen die großen Rittergesellschaften wie der St. Georgenbund oder die Löwengesellschaft. 1381 erfolgte die Kriegserklärung des Städtebunds gegen die drei großen Rittergesellschaften.
Das Kloster konnte sich zwar irgendwie durch lavieren, war aber vor allem unter Äbtissin Katharina I.von Villenbach in schwere Not geraten. Der frühere Augsburger Bischof Marquard von Randeck (von 1348-1365) und spätere Patriarch von Aquileja verlieh Ablässe und linderte so die Not des Klosters ein wenig. Diese unruhigen Zeiten dauerten auch unter den drei folgenden Äbtissinnen Katharina II von Lutzingen (1373-1383), Anna II. von Schwenningen (1383-1390) und Katharina III. von Tettingen (1390-1398) an.
Die Zahl der Konventsmitglieder lässt Rückschlüsse auf die schweren Zeiten zu. 1309 waren 60 Nonnen, 3 Novizinnen, 9 Laienschwestern und 15 Laienbrüder im Kloster, 1353 waren es noch 37 Nonnen,8 Novizinnen, 8 Laienschwestern und 5 Laienbrüder.
(Zahlen nach Zisterziensisches Schreiben im Mittelalter Das Skriptorium der Reiner Mönche,Bern 2005, darin Nigel F. Palmer S. 243)
Erst unter Äbtissin Gertrudis von Freyberg (1398-1449) konsolidierte sich die Lage. Am 19. April 1417 stellte Kaiser Sigmund in Konstanz am selben Tag zwei Urkunden aus, eine für St. Ottilien bei Straßburg “bestätigt dem Augustinerinnen-Kl. Sanct Ottilien zu Ober-Hohenburg (Strassburger Bistum) die Privilegien” und danach für Oberschönenfeld “desgl. dem Frauen-Kl. Ober-Schönfeld (Augsb. Diözese)” (Sigmund – RI XI,1 n. 2203 ). Der in Konstanz neugewählte Papst Martin V. hatte dem gesamten Zisterzienserorden
die gewährten Privilegien bestätigt. Das bezog sich natürlich auch auf Kloster Oberschönenfeld. Das wichtigste aber war, dass Äbtissin Gertrudis das Bürgerrecht von Augsburg erwarb. Da Augsburg zu Anfang des 15. Jahrhunderts einen kräftigen Aufschwung erlebte,
hatte das sicher mehr praktischen Wert als alle Schirmbriefe von Kaiser oder Papst. Sie hatte das Bürgerrecht bis zur Ende ihrer Regierungszeit inne. Die Stadt stand der Äbtissin auch in Rechtsstreitigkeiten zur Seite und da gab es mehr als jede bisherige Äbtissin durchzustehen hatte.
Auch die Nachfolgerin Anna III. von Pappenheim (1449-1463) hatte das Augsburger Bürgerrecht für 10 Jahre erworben. Das kostete das Kloster jährlich 24 Gulden.
Auch Anna hatte eine Reihe von Rechtsstreitigkeiten durchzufechten.Nach Ablauf der 10 Jahre stellte sie die Abtei wieder unter den Schutz des Augsburger Bischofs Peter (Bischof seit 1424, ab 1450 Kardinal bis 1469) Dieser Bischof hatte zwei Synoden abgehalten, bei denen er zahlreiche Vorschriften für Klerus und Klöster
erließ.
Auf Anna folgte Äbtissin Dorothea von Laimberg (1463- 1492). Sie stellte sich am 12. Juni 1485 ebenfalls unter den Schutz des Augsburger Bischofs. Johann II. von Werdenberg war zu der Zeit Bischof (1469-1486). Die jährliche Schutzgebühr betrug 15 Gulden.
Auch unter der Regierung Dorotheas wurde der Besitz des Klosters und die Rechte wurden von vielen Seiten angefochten. Am 25. März 1474 bestätigte aber Papst Sixtus IV. alle früher erhaltenen Immunitäten,
Besitzungen und Inkorporationen von Pfarreien, dabei wurde die Pfarrei Messishausen namentlich aufgeführt. (Archiv für die Pastoral-Conferenzen im Bisthume Augsburg 1853, Band 3 S. 335) Besonders kümmerte sie sich um die Kirche von Violau, die unter den kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre stark gelitten hatte. Sie sandte einen Bruder aus, der Almosen für die Kirche erbetteln sollte.
Das Kloster galt unter ihrer Regierungszeit als sehr arm. Es musste bei der Erhebung der gewöhnlichen Ordenssteuer den kleinsten Beitrag zahlen, halb so viel wie das Kloster Niederschönenfeld. Die gewöhnliche Ordenssteuer betrug 460 Gulden. Auf Oberschönenfeld entfielen 5 Gulden.
Ihre Nachfolgerin war Barbara Vetter von Schwenningen. Sie regierte von 1492 bis 1508. Sie war die Erbauerein der Leonhardskapelle in Gessertshausen. Barbara Vetter stiftete eine Monstranz. 1504 ließ die Äbtissin ein prachtvoll illuminiertes Missale für die
gesungene Messliturgie herstellen.
Ihr folgte ihre Schwester Margarethe II. von Schwenningen nach. (1508-1517). Die Eltern der beiden Äbtissinnen waren Georg Vetter und Margarethe von Schwenningen aus Donauwörth. Aus der Regierungszeit der beiden Äbtissinnen stammen zwei Szenen aus dem Marienleben, Krönung Mariens und Tod Mariens. Gemalt sind sie vom Meister des Oberschönenfelder Altars (1. Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts) Es ist ungeklärt, welche der beiden Schwestern den Altar gestiftet hat. Er befindet sich heute im Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlung (Inv.-Nr.7692)
Im Jahre 1492 übernahm König Maximilian die Markgrafschaft Burgau. Am 3. Februar 1492 bestätigte er den Prälaten, den Städten und Gerichten dieser Markgrafschaft ihre Rechte Freiheiten und Privilegien.
Äbtissin Barbara hatte in ihrer Amtszeit nur wenig Streitigkeiten durchzustehen. Noch unter ihrer Regierungszeit hatte eine Viehseuche fast die gesamte Schafherderde des Klosters vernichtet.
Ihre Nachfolgerin Mathilde kaufte eine neue Herde und bat alle Grafen, Herren und Stände, die angekauften Schafe zollfrei passieren zu lassen.
Am 2. Mai 1510 bestätigte Kaiser Maximilian den Schutzbrief Kaiser Sigismunds vom 19. April 1417.
Äbtissin Ursula von Winzer regierte von 1517-1522. Sie erließ für Altenmünster eine Schmiedeordnung und sie ließ in der äußeren Kirche den Chor neu wölben. Außerdem ließ sie vier neue Altäre herstellen,
starb aber im Jahr 1522 vor deren Vollendung.
Ihre Nachfolgerin Ursula II. von Tanneck wurde im Beisein des Kaisheimer Abtes Konrad III. Reutter (1509-1540) und der Kaisheimer Konventualen Benedikt Wibel, Johann Bäumlin und Johann Saur gewählt.
Bei Amtsantritt waren 15 Nonnen im Konvent und die Vermögenslage des Klosters war gut. Unglücklicherweise fiel in ihre Zeit der große Bauernkrieg. Die Bauern der Dörfer Margershausen, Wollishausen, Anhausen,
Fischach,Grimoltsried, Walkertshofen und Gessersthausen überfielen das Kloster und vertrieben die Nonnen, die sich nach Augsburg in Sicherheit brachten. Dort hatte das Kloster ein Anwesen, den Schönefelder Hof,
den schon Bischof Hartmann dem Kloster als Zinslehen übertragen hatte. Zu normalen Zeiten diente er als Herberge für Äbtissin und Klosterfrauen, wenn sie in Augsburg ihren Amtsgeschäften nachgingen.
In Notzeiten war er Zufluchtsort und Verwahrstelle für Hab und Gut. Die Aufständischen misshandelten den Beichtvater und dessen Kaplan, vernichteten alles Glaswerk, Fenster und Öfen, raubten Getreide, Vieh,
Wein, Leinwand und alles Silbergeschirr und richteten im Kloster nach Angaben der Äbtissin einen Schaden von über 2000 Gulden an. Das übersteigt die Summe, die das Kloster an Barmitteln (688 Gulden) und
Außenständen (1242) zu Amtsantritt von Ursula II. gemäß der Erwählungsurkunde vorhanden war. 1532 erteilte sie ihrem Beamten Conrad Sailer die Vollmacht, mit dem Schwäbischen Bund über die Entschädigung
zu verhandeln.
Die konfessionelle und politische Landschaft in Deutschland hatte sich seit dem Jahre 1517 grundlegend geändert. Martin Luther soll da die Thesen an der Schlosskirche in Wittenberg angeschlagen haben. Das führte schließlich
zur Reformation. Die soziale und wirtschaftliche Situation hatte ja auch immer wieder zu Aufständen geführt, die dann im Großen Bauernkrieg von 1525 führten. Und auch dieser war ja durch religiöse Argumentation “unterfüttert”,
wie auch die Memminger Artikel zeigen. Die religiöse Spaltung des Landes manifestierte sich auch in politischen Bündnissen. Am 27. Februar 1531 wurde der Schmalkaldische Bund gegründet. Landgraf Philipp I. von Hessen, Kurfürst Johann von Sachsen, Herzog , Herzog Philipp von Braunschweig-Gubenhagen, Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg, Fürst Wolfgang von Anhalt-Köthen, dem Graf von Erbach sowie drei nieder- und acht oberdeutschen Reichstädteunterzeichneten den Vertrag. Es war ein zunächst
defensiv ausgerichtetes Militärbündnis mit der Verpflichtung zu gegenseitiger Hilfe im Falle eines katholischen Angriffs.
Kaiser Karl V. war in Kriege gegen Frankreich, Italien und gegen die Osmanen in Ungarn verwickelt.Er war in Deutschland auf die Reichsstände angewiesen und so immer wieder zu Kompromissen gezwungen und den Protestanten
religiös und politisch entgegenzukommen. Der Friede von Crépy 1544 beendete die Auseinandersetzungen mit Frankreich und auch mit der Türkei konnte ein Waffenstillstand geschlossen worden. Jetzt hatte er den Rücken frei,
sich aktiv um die Religionsfrage in Deutschland zu kümmern. Ein mögliches Konzil oder eine Reihe von Religionsgesprächen sollte die Glaubenseinheit wieder herstellen. Beide Seiten zeigten aber keine Neigung zu Kompromissen.
Der Kaiser hatte eine päpstliche Zusage, Truppen im Falle eines Krieges gegen die Protestanten gestellt zu bekommen. So sah er die Möglichkeit, den Schmalkaldischen Bund militärisch besiegen zu können. Den Führern auf protestantischer Seite,
Landgraf Philipp und Kurfürst Johann waren die Vorbereitungen des Kaisers nicht entgangen und so entschlossen sie sich zum Präventivkrieg, da der Kaiser wohl über größere finanzielle Mittel verfügte und somit auch in der Lage war, ein
stärkeres Heer aufstellen zu können. Der Bund zog im Juli 1546 rasch ein Heer von 12.000 Mann in Süddeutschland zusammen. An der Spitze stand Sebastian Schertlin von Burtenbach,ein bedeutender Landsknechtführer im 16.
Jahrhundert und 1532 der Oberkommandant des Fußvolkes des gesamten Reichsheeres. Im Kloster hatte man die neue Lage natürlich mit Sorge beobachtet. Bischof Otto Truchsess von Waldburg (1543-1573) hatte in einem Schreiben vom 30. Juni
1546 die Äbtissin und den Konvent zum Gebet aufgerufen, aber gleichzeitig geraten, die wertvollen Sachen in Sicherheit zu bringen. Denselben Rat hatte der Stadtgerichtsschreiber von Augsburg Caspar Tradel gegeben. Er meinte allerdings, die Nonnen könnten noch im Kloster bleiben. Diese zogen aber gleich nach Landsberg und kamen da bei der Witwe Albrechts von Freyberg unter. Landgraf Philipp und Kurfürst Johann beauftragten die Komissäre des Schmalkaldischen Bundes Christian Bruck,
Dr. Jakob Besserer, Georg Oestereicher und Martin Weikmann die Klöster zu schätzen, welche Summe sie an den Bund abzugeben hatten. Die Besitzungen des Hochstifts Augsburg hatten sie schon vereinnahmt und den Rat der Stadt Augsburg
mit der Verwaltung beauftragt. Den Klöstern Ochsenhausen und Kempten wurden je 20.000 Gulden auferlegt, dem Kloster Oberschönenfeld “nur” 1000 Gulden. Aber das Kloster hatte ja rund 20 Jahre zuvor schon 2000 Gulden verloren.
die Komissäre hatten übrigens den Auftrag, falls sie nicht genug Barmittel vorfänden, Getreide zu nehmen oder Grund und Boden zu verkaufen oder zu verpfänden. Vor allem aber sollten sie “unchristlichen und abgoterischen Messen und anderen
babstlichen Missbrauch gänzlich abstellen”abstellen (Archiv für die Pastoral.. S.349) Auch sandte der Rat von Augsburg seine Diener und Prediger in die Klöster Edelstetten, Wettenhausen und Oberschönenfeld, um dort die Lehre Luthers einzuführen.
Der Augsburger Rat forderte die Äbtissin und den Konvent brieflich dringend auf, Landsberg zu verlassen und ins Kloster zurückzukehren. Der Rat der Stadt beanspruchte mittlerweile die Einnahmen des Klosters. Die Nonnen blieben
im Exil, verarmten aber.
Am 24. April 1547 siegte Kaiser Karl bei Mühlberg über den Schmaldkaldischen Bund. Der sächsische Kurfürst geriet in Gefangenschaft. Der Krieg war entschieden. Nun war auch für den Oberschönenfelder Konvent die Rückkehr wieder möglich.
Nach 38 Wochen im Exil kehrte Äbtissin Ursula kränklich und auch gebrochen in das geplünderte Kloster zurück.
Auch Bischof Otto Truchsess von Waldburg (1543-1573) konnte sein Bistum wieder in Besitz nehmen. Er hatte gegenüber der Stadt Augsburg 95.000 Gulden Schadenersatz gefordert und diese Summe am 19. Januar 1548 als Vergleichssumme quittiert.
Darin enthalten war auch die Entschädigung für das Kloster Oberschönenfeld. Am 26. November 1450 stellte der Bischof der Priorin als Verwalterin an die Seite. Außerdem befahl er,”frommer und ehrbarer Leute Kinder wenn gleich ohne Vermögen”
aufzunehmen. Die Äbtissin war mit beiden Regelungen einverstanden. Sie verstarb im Jahre 1552.
Erst 8 Monate nach der Wahl wird Agnes III.von Burtenbach zur Äbtissin gewählt. Sie regierte von 1553 18 Jahre lang. Als sie ihren Dienst antrat, waren außer ihr gerade noch zwei Nonnen im Konvent. Unter ihrer Regierung wurden auch erstmals nichtadelige
Nonnen ins Kloster aufgenommen. Zum einen war das Klosterleben nicht mehr so attraktiv. Zum andern waren viele Augsburger Patrizier zum Protestantismus übergetreten. Das machte es für das Kloster schwer aus dem Adel Nachwuchs zu gewinnen.
Bei ihrem Tod war der Konvent um zwölf Schwestern angewachsen, alle nicht von Adel. Das erleichterte das Abschaffen der sogenannten Leibgedinge. Bisher hatten die Nonnen ein gewisses Einkommen, ihre eigene Magd und ließen sich
ihre eigene Speise bereiten. Nun wurde das Leibgedinge Eigentum des Klosters und das kam nun dem gesamten Kloster zugute. Die Mägde aber wurden abgeschafft. Das war eine ganz praktische Reform für das Kloster.
Bisher hatte das Kloster die Wege auf eigene Kosten erhalten. Als König Ferdinand 1555 in Augsburg war, bat Äbtissin Agnes, einen Wegzoll erheben zu dürfen. Ferdinand genehmigte das für Gessertshausen am 15. Mai 1555. Das Kloster durfte
für jedes Wagenross, das passierte einen Heller erheben, musste sich aber im Gegenzug verpflichten die Wege und insbesondere den Übergang über die Schmutter in gutem Zustand zu erhalten. Ihren Untertanen in Gessertshausen erließ sie den Zoll.
Dafür verpflichteten diese sich, bei der Ausbesserung der Wege zu helfen. Ihren Überreiter (Verwaltungsbeamter) Georg Weinhart belehnte sie ab 1556 mit dem Zoll. Dafür musste er jährlich an das Kloster 28 Gulden entrichten.
Die Äbtissin erhielt von Kaiser Ferdinand am 4. Juli 1559 in Augsburg folgende Bewilligung ausgestellt: “ Kaiser Ferdinand (I.) bewilligt dem Kloster Oberschönefeld (Äbtissin Agnes), daß die Juden den Klosteruntertanen ohne Wissen
der Äbtissin nichts leihen und niemand wegen Schulden vor das kaiserliche Hofgericht Rottweil oder vor ein anderes Gericht fordern dürfen.” (Urk. 522-Regest OSchöUB 571) Kaiser Maximilian stellte eine gleichlautende Urkunde
am 27. Juli 1574 in Wien für Äbtissin Barbara aus (Urk. 580 a -Regest OSchöUB 580 a) . Auch Kaiser Ferdinand II. bestätigte dies am 21. Januar 1621, sowie noch 7 weitere Kaiser bis zur letzten Bestätigung durch Kaiser Leopold II. (1790-1792)
Die Äbtissin ließ auch eine Wasserleitung für das Kloster bauen, die das Kloster für alle Belange, also Küche und Backstube,Badstuben, aber auch Fischkästen und Viehtränken mit Frischwasser versorgte.
Die Vermögensverhältnisse, Getreidevorräte und Viehbestand waren nach den vorhergegangenen Bedrängnissen wieder zufriedenstellend.
1571 resignierte sie,da sie krank und gebrechlich war und sich der Belastung des Äbtissinenamtes nicht mehr gewachsen sah. Sie lebte aber nach ihrem Rücktritt von ihrem Konvent hochgeehrt noch 8 Jahre. Sie starb 1578.
Auf sie folgte Äbtissin Barbara II. Elchinger. Barbara war eine Gastwirtstochter aus Lauingen und ist dort am 19. Dezember 1535 geboren. Als Lauingen protestantisch wurde, verließen sie die Stadt und zogen nach Jettingen.
Barbara wurde ins Kloster Oberschönenfeld gegeben, wo sie am 1. Februar 1557 die Ordensgelübde ablegte. Sie wurde die erste bürgerliche Äbtissin des Klosters. Gewählt wurde sie im Beisein des Kaisheimer Abtes
Johannes IV. Sauer am Tag des Rücktritts von Äbtissin Agnes am7. Juli 1571.
Das Konzil von Trient (in vier Sitzungsperioden von 1545-1563) einberufen unter Papst Paul III. (1534-1549) hatte unter dem Eindruck der Reformation in Deutschland wichtige Beschlüsse für die katholische
Kirche gefasst. In der letzten Sitzungsperiode wurden zwei Dekrete festgelegt, die vor allem die Orden betrafen. Im Dekret über die Orden wurden Normen für die Aufnahme neuer Mitglieder festgelegt,
Bestimmungen über die Wiederherstellung des Gemeinschaftsleben, die Klausur der Nonnen aber auch die ordnungsgemäße Wahl der Ordensoberen. Im Dekret über die Pflichten der Bischöfe wurden auch
Anweisungen für die Durchführung von Visitationen getroffen. Schon Äbtissin Agnes hatte mit der Durchführung der Reformen angefangen, die Barbara fortführte. Bischof Otto hatte Abt Johannes auch schon in der Regierungszeit von Agnes aufgefordert, eine Visitation in Oberschönenfeld vorzunehmen. Diese fand im Juli 1571 statt. Eine Folge war wohl die Resignation der altersschwachen Äbtissin. Kurz nach Amtsantritt der neuen Äbtissin verließen zwei unzufriedene Klosterfrauen
heimlich das Kloster. Die folgenden Visitationen verliefen nun zur Zufriedenheit der Ordensoberen. Papst Clemens VIII. (1592-1605)ordnete am 30. April 1593 an, für eine durchgreifende Reform des Zisterzienserorden Sorge
zu tragen. Der Abt von Citeaux Edmund (1584-1604) visitierte nun zwischen 1593 und 1594 sämtliche oberdeutschen Zisterzienserklöster. In Oberschönenfeld war er am 14. Januar 1594. Ausgehen und reisen der Klosterfrauen wurden nun streng geregelt.
So verbot der Abt von Kaisheim Ulrich zum Beispiel, dass Äbtissin Barbara den Oberschönefelder selbst in Augenschein nehmen wollte, als dieser neu gebaut werden sollte, den Besuch dort. Erst um 1600 wurde diese Regelung wieder flexibler gehandhabt.
1600 waren die Klöster Oberschöenfeld und Holzen (bei Donauwörth) ein geistliches Bündnis eingegangen. In ihrer Regierungszeit wurden viele Baumaßnahmen angegangen, so der Neubau des Oberschönenfelder Hofs in Augsburg ab 1589,
die Erweiterung der Kirche in Violau, vorher nur eine Kapelle. Im Kloster selbst ließ sie den neuen Abteibau errichten. Auch das Pfleghaus mit Gasthaus für Gäste die man im Kloster nicht aufnehmen wollte, wurde neu gebaut.
Dazu kam der Neubau von Bauhof mit Stallungen für Pferde und Ochsen. Auch die Leonhardskapelle in Gessertshausen wurde erneuert. Für die Klosterkirche wurden neue Ornate und Kirchengerät angeschafft. Sie ließ drei Choralbücher anfertigen,
alle mit Noten. Dabei legte sie auf ein großes, klares Schriftbild Wert, damit auch kurzsichtige Schwestern mitsingen konnten. Die wirtschaftlichen Verhältnisse hatte sie auch bestens geordnet. Sie konnte sogar andere Einrichtungen unterstützen.
als das Mutterkloster in Citeaux 1593 von einem Brand betroffen wurde, leistete Oberschönenfeld einen Beitrag von 100 Gulden.
Nach einer für das Kloster segensvollen Regierungszeit verstarb Äbtissin Barbara am 2. Mai 1601.
Auf sie folgte Äbtissin Walburga Schüssler, die aber nach nur zwei Jahren Regierungszeit 1603 verstarb. Aber trotz der nur zweijährigen Regierungszeit wurde bleibendes geschaffen. In Scheppach ließ sie eine lauretanische Kapelle erbauen.
In Altenmünster wurde der Pfarrhof neu gebaut und im Kloster selbst entstand neben dem Herrenhaus ein Gasthaus für den Abt von Kaisheim oder andere hohe Gäste.
Die neue Äbtissin Susanna Willemayr war schon unter ihren beiden Vorgängerinnen Priorin. Sie war eine Fischerstochter aus Donauwörth. Sie wurde am 30. November 1503 zur Äbtissin gewählt. Sie wurde 12 Jahre nach ihrem Amtsantritt
zusammen mit den Äbtissinnen aus Niederschönenfeld und Kirchheim im Ries, also den drei Kaisheimer Visitationsklöstern zur Äbtissin geweiht, was vorher nicht üblich war. Abt Johann VII. Beck (1608-1626), der diese Regelung eingeführt hatte, nahm auch die Weihe vor. Auch Susanna tat viel zum Wohlstand des Klosters. Auch eine rege Bautätigkeit war in ihrer Amtszeit zu verzeichnen.
Susanna führte Instrumentalmusik im Kloster ein. Sie ließ dafür vier Geigen in allen Stimmlagen einführen. Gegen alle Klausurvorschriften ließ sie sogar junge Klosterangehörige “draußen in der Welt” musikalisch fortbilden, was damals völlig unüblich
war. Das zisterziensische Leben scheint in Oberschönenfeld schon sehr streng beachtet worden zu sein. Als der Generalabt Nicolas II. Boucherat (1604-1625) das Kloster über Pfingsten 1616 zu einer Visitation im Kloster war,
fand er das Ergebnis so gut, dass die Nonnen eine Gnade für das Kloster erbitten durften. Sie wünschten sich, dass sie einmal im Monat vor das Kloster spazieren geführt wurden (!).
Die persönlichen Wertsachen, auch Schmuck wurden dem Gelübde gemäß eingesammelt und dem Gelübde gemäß zu gemeinsamem Nutzen verwendet. Susanna finanzierte davon eine Orgel. Unter Susanna wurden zehntägige Exerzitien eingeführt,
von denen auch die Äbtissin gerne Gebrauch machte.
Schwierigkeiten gab es auch durch die Schirmvogtei des Augsburger Bischofs. 1609 war in München die Katholische Liga gegründet worden. Sie sollte einen Gegenpart zur protestantischen Union bilden, die 1608 ins Leben gerufen worden war.
Ihnen gehörten neben Bayern alle Hochstifte in Bayern und Konstanz sowie die Reichsabteien Kempten und Ellwangen an. Später kamen fast alle katholischen Reichsstände im süddeutschen Raum dazu. Der Bund stellte eigene Truppen auf.
Die Finanzierungsbeiträge der Mitglieder orientierte sich an Reichsmatrikeln. Der Augsburger Bischof forderte nun auch von den Klöstern, die sich unter seinen Schutz begeben hatten, Steuern. Auch mussten sich die Untertanen des Klosters zu Musterungen
für die Musterungen der Mannschaft des Domkapitels einfinden. Da das Kloster auf den Schutz angewiesen war und der Bischof am längeren Hebel saß, musste die Äbtissin sehr oft notgedrungen auf die Forderungen eingehen.
Äbtissin Susanna verstarb am 13. Januar 1624. Sie wurde ihrem Wunsch gemäß nicht in einem bevorzugten grab bei den Äbtissinnen bestattet, sondern auf dem normalen Friedhof der Klosterfrauen.
Zu ihrer Nachfolgerin wurde Appollonia Wörl am22. Januar 1624 gewählt. Sie war eine Baderstochter aus Bruck bei Fürstenfeld. Bei ihrer Wahl lebten 28 Nonnen und 7 Laienschwestern im Kloster. Wirtschaftlich hatte die verstorbene
Äbtissin das Kloster in bestem Zustand hinterlasse,
Zwar herrschte schon seit 1618 Krieg, aber Schwaben war davon bisher verschont geblieben. Die Äbtissin ließ die neue Kirche in Violau mit einem Turm versehen. In Altenmünster wurde die Pfarrkirche vergrößert.
In Dietkirch ließ sie einen neuen Pfarrstadel bauen. In Gessertshausen wurde für Taglöhner und Holzacker ein Ziegelhaus gebaut. Der Bach, der durchs Kloster lief wurde eingefasst und neu gedeckt.
1629 verlor das Kloster wegen einer Viehseuche die Hälfte ihrer Schafe und büsste auch viel Hornvieh ein. Aber nun kam der Krieg auch in Schwaben an.
1630 hatten die Schweden in den Krieg eingegriffen. Im Frühjahr 1632 hatten die Schweden Nürnberg und dann Donauwörth eingenommen. Viel zu spät, und ohne ausreichende Vorbereitung machte sich der Konvent nun
in der Karwoche 1632 auf die Flucht. Nur die Klosterdokumente, das beste Silbergeschirr, Getreide und Wein, was in der Eile halt auf die Wagen gepackt werden konnte, wurde mitgenommen. Einige Kostbarkeiten waren
vorher eingemauert worden. Das ging aber später trotzdem verloren. Der Konvent floh über Füssen, Reutte, weiter nach Stams und kam dann schließlich weiter nach Hall.Der Bürgermeister von Hall, Balthasar Staudacher
vermittelte die Klosterfrauen weiter. In dem zum königlichen Frauenstift gehörenden Schloss Thurnfeld bei Hall kamen sie gut unter und wurden bestens aufgenommen. Von ihrem Heimatkloster bekamen sie aber nur schlechte
Nachrichten. Die zurückgelassen Dienstleute flohen, als die Schweden anrückten. Sigmund von Schlammersdorf war schon 1610 im Heer der Union. im Dreißigjährigen Krieg war er seit den ersten Kriegstagen dabei.
Ende 1830 trat er in schwedische Dienste. 1632 erhielt er von den Schweden Oberschönenfeld, das er ausplünderte. Die Beute ließ er nach Augsburg schaffen. Als er abzog, ließ er nur die nackten Mauern zurück.
Diese Nachrichten aus der Heimat waren zuviel für die Äbtissin. Sie fiel in eine gefährliche Krankheit und starb am 8. August 1633 in Thurnfeld. Schon vorher waren zwei Schwestern verstorben.
Auch Abt Johann von Kaisersheim befand sich im Exil. Er hatte Abt Paulus Gay (1631-1638)vom Kloster Stams zur Leitung der Äbtissinnenwahl beauftragt. Stams war ja ebenfalls ein Zisterzienserkloster.
Am 17. August 1633 wurde Maria Elisabeth Herold zur neuen Äbtissin gewählt. Sie war die Tochter des deutschmeisterischen Rat und Advokaten des Reichskammergerichts Johann Jakob Herold in Ellingen.
Schon mit elf Jahren war sie als sogenannte Schultochter ins Kloster Oberschönenfeld gekommen.
Die Schlacht bei Nördlingen am 6. September 1634 ging für die für die Schweden und ihre protestantischen deutschen Verbündeten unter Bernhard von Sachsen Weimar und Graf Horn verloren. Die Schweden
zogen sich darauf komplett aus Süddeutschland zurück. Die Stadt Augsburg war ebenfalls wieder in die Hände der Kaiserlichen gekommen.
Daraufhin entschloss sich die Äbtissin nach Oberschönenfeld zurückzukehren. Sie lieh bei dem Augsburger Kaufherren Georg Fargeth, der sich ebenfalls im Exil in Hall befand 4300 Gulden und verschrieb ihm dafür aus den
Einkünften des Klosters Getreide und Holz. 1635 kehrte sie mit einigen Schwester über München nach Augsburg zurück. Dort blieben sie noch einige Tage im Kloster St. Ursula, um dann in ihr Heimatkloster zurückzukehren.
Das aber war nur noch ein wüster Steinhaufen. Unter größter Mühe richteten sie das zerstörte Kloster allmählich wieder her. Dort lebten sie in bitter Armut und konnten oft ihren Hunger nicht stillen. Einen Teil der verbliebenen
Schwestern schickte sie in weniger schwer getroffene Klöster oder zu Verwandten. 9 harte Jahre verbrachten die verbliebenen 4 Schwestern in Oberschönenfeld. Trotz dieser extremen äußeren Bedingungen begann sie mit der Sichtung
der Archivalien und begann die Klosterchronik zu schreiben. 480 handgeschriebene Seiten umfasste sie und die Arbeit zog sich bis mindestens 1643 hin. Zwischen 1644 und 1645 mussten sie mehrmals nach Augsburg flüchten
und ihr weniges Eigentum in Sicherheit bringen. 1646 bis 1648 kehrten schwedische und französische Truppen wieder nach Schwaben zurück. Auch Augsburg wurde wieder belagert. Äbtissin Maria Elisabeth wollte sich wieder unter den Schutz der Stadt Augsburg stellen, was der Rat der Stadt jedoch ablehnte. Da die Lage in und um Oberschönenfeld nicht mehr sicher war, ging die Äbtissin erneut ins Exil, zunächst in das kleine Kloster Thalbach bei Bregenz, danach kam sie im Kloster Muri unter.
Am 29. November 1649 kam die Äbtissin endgültig aus dem Exil zurück. Die finanziellen Verhältnisse des Konvents besserten sich ganz allmählich. Auch Visitationen fanden wieder statt. Generalabt Claude Vaussin (1645-1670) visitierte 1654
das Kloster und befand den geistigen Zustand als vortrefflich.
Äbtissin Maria Elisabeth starb am 27. Mai 1657 nach einer harten und leidensvollen Regierungszeit.
Dann wurde Anna Maria Weinhart zur Nachfolgerin von Maria Elisabeth gewählt. Sie war die Tochter des Augsburger Juristen Dr. Leonhard Weinhart. Sie hatte als Novizin die Flucht nach Tirol miterlebt.Ihre Wahl fand am 8. Juni 1657 statt,
die Weihe und Amtseinsetzung zur Äbtissin wurde am 17. September von Abt Georg IV. Müller (1637-1667) aus Kaisheim vollzogen. Bei ihrem Amtsantritt waren 16 Nonnen, 3 Novizinnen und 5 Laienschwestern im Kloster. Es befand sich zwar mittlerweile ein
wenig Barschaft, nämlich 28 Gulden im Kloster. Aber nach den schweren vorausgegangenen Kriegszeiten waren vor allem die Altlasten abzutragen. So musste wöchentlich eine Fuhre Holz und Getreide nach Augsburg gebracht werden,
um die Zinsen des Darlehens zu bedienen, das Maria Elisabeth noch in Tirol aufgenommen hatte. Viele im Krieg zerstörte Gebäude mussten wieder hergestellt werden, damit sie noch gerettet werden konnten. Der Hof in Scheppach wurde völlig neu
gebaut, die Kirche von Violau wurde mit Eisenstangen unterzogen, weil das Gemäuer sich als nicht dauerhaft erwiesen hatte. Der im Krieg zerstörte Turm wurde höher gebaut und mit Kreuz und Kuppel versehen. An der Pfisterei wurde gebaut und die Schmiede
wurde wieder neu hergestellt. Trotz dieser Lasten konnte das Kloster seinen Güterbesitz sogar noch mehren. Kaiser Leopold verlieh dem Kloster einen Bezirk in dem der zur Markgrafschaft Burgau gehörenden Hochforst und die Jagd darin
gegen eine jährliche Abgabe von 60 Gulden an das Amt Burgau. Es ging streng und arm zu im Kloster Oberschönenfeld. In den ersten Amtsjahren von Anna Maria konnte kein Wein gereicht werden. Erst als der Vater einer Konventualin,
Sebastian Pott, Kanzler in Morgenthal, dem Kloster zu seinen Lebzeiten jährlich zwei Fuder Wein schenkte (das Fuder in der Markgrafschaft Baden war 1500 Liter) und nach seinem Ableben über eine reichliche Erbschaft zehn Fuder vermachte,
konnten die Klosterfrauen noch 5 Jahre Wein trinken. Für Violau spendete eine Hauptmannsfrau, die sich einige Zeit im Kloster ausgehalten hatte, spendete das Geld zum Guss von drei Glocken für die Wallfahrtskirche Violau.
Die Äbtissin verstarb nach 28 Regierungsjahren am 1. Mai 1685.
Die Abtei ließ die Verstorben in aller Stille beerdigen, damit der Todesfall nicht vorzeitig publik wurde, um zu vermeiden, dass der Fürstbischof von Augsburg für die Zeit der Erledigung der Abtei einen hochstiftischen Kastellan, also einen
Aufsichtsbeamten über die Abtei einsetzte, was nach den Schirmrechten möglich gewesen wäre. Der Kaisheimer Abt Elias Götz (1681-1696) wurde schnellstens zur Beerdigung von Anna Maria und zur Neuwahl einer Äbtissin herbeigerufen.
diese fand am 5. Mai 1885 am Tag nach der Beerdigung statt. Gewählt wurde die bisherige Subpriorin und Novizenmeisterin Maria Hildegardis Meixner. Der Generalabt von Citeaux Johann wünschte der neuen Äbtissin in einem Schreiben
Glück und Segen für ihr Amt, während der Augsburger Bischof Johann Christoph von Freyberg (1666-1690) sich ziemlich verschnupft zeigte und sich bitter beschwerte, dass die Wahl ohne sein Wissen stattgefunden hatte.
Sie war die Tochter des Augsburger Weinzahlers und Aufschläger Hans Georg Meixner (Beamter, der Abgaben auf den Wein aufschlägt).
Nur 70 Jahre nach der Flucht nach Tirol wurde das Kloster wieder von Kriegsfolgen betroffen. Der spanische Erbfolgekrieg von 1701-1714 hatte auch Bayern stark betroffen. Der bayrische Kurfürst Max Emanuel war 1703 auf die Seite Frankreichs
übergetreten. In den Jahren 1703 und 1704 fanden die Kampfhandlungen vor allem in Bayrisch-Schwaben statt. Die entscheidende Schlacht gewann das Heer mit kaiserlichen Truppen und Truppen des Reichsheers unter Führung des Duke of
Marlborugh John Churchill –ein Vorfahr von Winston Chruchill-, Herz Eugen von Savoyen und Markgraf Ludwig von Baden (“Türkenlouis”) gegen die vereinigten Truppen von Frankreich und Bayern unter Marschall Tallard und Max Emanuel.
Das war die 2. Schlacht von Höchstädt am 13. August 1704. Die erste Schlacht bei Höchstädt ein knappes Jahr zuvor, nämlich am 20. September 1703 hatten die Franzosen gewonnen. Höchstädt ist von Oberschönenfeld etwas mehr als 40 Kilometer
entfernt. In der ersten Schlacht kämpften rund 30.000 Soldaten gegeneinander. In der zweiten Schlacht waren allein 50.000 Mann auf Seiten der kaiserlichen Truppen und denen des Reichsheeres.
Diese Kämpfe praktisch “vor der Haustür” zogen natürlich auch das Kloster in Mitleidenschaft. Im September lagerten 4000 Mann bayrischer Truppen bei Gessertshausen. Gefordert wurden zunächst eine unverzügliche Liefrung von Bier und Brot ins
Lager. Dies wurde schnell geliefert. Der Beichtvater des Klosters P. Columban Mayr begab sich sofort zum bayrischen Oberkommandierenden Graf von Arco. Nach Fürbitten blieb das Kloster zunächst unbelästigt. Im September 1703
nahmen Reichstruppen überraschend das neutrale Augsburg ein. Marodierende kaiserliche Truppen überfielen und zerstörten Scheppach und den Oberhof. In Scheppach wurde auch die Kapelle geplündert. Die Äbtissin und ihr Konvent waren
bisher im Kloster geblieben, zumal ihnen der Abt von Kaisheim ausdrücklich untersagt hatte, ohne seinen Willen und seine Erlaubnis das Kloster zu verlassen. Der bayrische Hofkriegsrat hatte sein Ouartier in Ulm genommen und belegte
nun das Kloster mit Lieferungen an Heu, Stroh und Holz, die es gar nicht aufbringen konnte. Die Äbtissin wurde mit Haft bedroht und ging nun auf Rat des bischöflichen Generalvikars und dem Konvent nach Augsburg. Dort kamen sie im Kloster
Maria Stern unter. Nur die bejahrte Priorin und älteren Schwestern blieben im Kloster zurück. Am 6. Dezember 1703 überfielen etwa 200 französische Soldaten das Kloster und völlig geplündert. Nu Kirche und Archiv blieben verschont.
Den Schwestern wurde alles genommen,was irgendwie von Wert war. Sie flohen nun nach Mindelheim. Inzwischen hatten bayrisch-französische Truppen Augsburg übergeben bekommen. Nun vereinigte sich der Konvent wieder in Augsburg.
Maria Stern litt nun aber auch an Mangel. Der Oberschönenfelder Hof hatte die Belagerung nicht unbeschadet überstanden. Nun befahl der Abt dem Konvent, sich zu verteilen.Einige waren in Mindelheim geblieben,
andere kamen bei ihren Verwandten unter. Nach der 2. Schlacht bei Höchstädt kehrte die Äbtissin in das geplünderte Kloster zurück. Am 18. Oktober 1704
war der gesamte Konvent dann wieder vereint. Sofort begann man im Kloster die Kriegsfolgen zu beheben. Eine gute Verwaltung ermöglichte die Neuherstellung des Bauhofs, der Ställe und des Bräuhauses. Die Wallfahhrtskirche
Violau hatte den Krieg zum allgemeinen Erstaunen völlig unbeschadet überstanden. Die Kirche bekam Reliquien des Märtyrers Benediktus. Sie waren erst aus Rom nach Stams gebracht worden und dieses Kloster schenkte sie
weiter an Oberschönenfeld. Die Prälaten von Kloster Kaisheim und Kloster Fultenbach setzten diese feierlich in die Wallfahrtskirche ein.
Äbtissin Hildegardis hatte den völligen Neubau des Klosters geplant, erlebte diesen aber nicht mehr. Sie starb nach 22 Regierungsjahren am 24. März 1722 im Alter von 73 Jahren.
Franz Beer erhielt den Bauauftrag. Er war Mitglied der Vorarlberger Auer Zunft und von Kaiser Karl VI. geadelt worden. es gibt kaum eine Kirche in Süddeutschland, an der er nicht beteiligt war. Er baute auch Salem und Kaisheim.
Mitarbeiter waren wohl der Maurermeister Josef Dossenberger der Ältere und der Zimmerer Johann Georg Fertel. Die Weihe nahm der Augsburger Weihbischof Johann Jakob von Mayr am 25. Juli 1723 vor.
Äbtissin Mari Viktoria Farget wurde am 17. März 1722 zur neuen Äbtissin gewählt. Bei ihrer Amtseinführung waren 26 Schwestern und 10 Laienschwestern im Konvent. Unter ihr wurde der Kirchenbau vollendet. Aber auch in den zur Abtei
gehörenden Gemeinden wurden Pfarrhaus und Kirchenneubauten errichtet.
Auf Maria Viktoria folgte Maria Cäcilia Wachter. Sie regierte von 1742-1767. In der Regierungszeit dieser Äbtissin kam auch ein Figur des Prager Jesuleins in die Abteikirche, die so ab 1754 diese zu einem vielbesuchten
Wallfahrtsort machte.
Äbtissin Maria Charitas Karrner ließ die Kirche mit Altären, Fresken und Stuck neu ausstatten. Joseph Magges aus Imst, der in Augsburg als Künstler wirkte, begann mit dem Deckengemälde in der Kirche. Nach seinem Tod übernahm
Johann Joseph Anton Huber, ebenfalls aus Augsburg sie Arbeit. Von ihm stammen die Fresken Flucht nach Ägypten, seitlich hl. Bernhard im Speyrer Dom und mystische Umarmung Christi, Darstellung im Tempel, die Kirchenväter in den Zwickeln, Muttergottes und seitliche Zisterzienserbilder. Jakob Rauch aus Wessobrunn war für den Stuck verantwortlich.
Die Schuldenlast für die Baukosten waren erst kurz vor der Säkularisation abgetragen. Charitas Karrner hatte ihr Amt nur sieben Jahre inne. Sie starb 1774.
Die letzte Äbtissin wurde Maria Irmengardis Stichauer. Sie wurde am 22. Februar 1774 gewählt. Sie starb am 25. Februar 1803. Sie hatte klug gewirtschaftet, die Schulden waren abgetragen. Im März 1803 wurde das Kloster aufgehoben.
Die Schwestern durften jedoch auf Lebenszeit im Kloster bleiben. Schon 1819 gab es Bestrebungen, das Kloster formell wieder herzustellen. 1836 rekonstituierten die noch 5 verbliebenen Konventmitglieder das Kloster. Am 5. Juli 1836.
genehmigte König Ludwig von Bayern die Wiederherstellung. Die Gebäude gingen allerdings erst 1899 in den Besitz des Klosters über. Allerdings fiel nun auch die Baulast dem Kloster zu.
1899 wurde das Kloster wieder in den Zisterzienserorden aufgenommen. 1918 wurde es zur Abtei erhoben.
Zum Zeitpunkt des Klosterjubiläums 1998 lebten 34 Schwestern, davon eine Novizin und 2 Kandidatinnen im Kloster. Es gehört heute zur Mehrerauer Kongregation einem Zusammenschluss selbstständiger Zisterzierzienser klöster unter Führung
der Abtei Wettingen-Mehrerau. Äbtissin ist Maria Gertrud Pesch.
Das Kloster hatte bis in die 70-ger Jahre eine 140 ha große Landwirtschaft sowie einen Hof mit großem Viehbestand. Mangel an Arbeitskräften, sinkende Agrarpreise und steigende Löhne zwangen die Abtei zur Veränderung.
Ackerland und Wiesen wurden verpachtet. Es war unklar, was aus den Wirtschaftsgebäuden werden sollte. Der Bezirk Schwaben mietet die ganze Anlage an und seit 1982 ist dort das Schwäbische Volkskundemuseum untergebracht.
Das Kloster betreibt eine Klosterbäckerei in der das “Oberschönenfelder Holzofenbrot” gebacken wird und im Brotladen des Klosters verkauft wird. Das Kloster betreibt auch eine Paramentenstickerei.
Der Vorgängerbau des Hambacher Schlosses ist die Kastanienburg oder Kästenburg (Kestenburg), seit ihrer Frühzeit bis zum Ende der Feudalzeit im Besitz der Bischöfe von Speyer. 1842 erwarb ein Komitee von Pfälzer Abgeordneten die Ruine und machte sie dem bayrischen Kronprinzen zum Hochzeitsgeschenk. Dieser gab 1845 den Wiederaufbau der nun Maxburg genannten Ruine in Auftrag. Seit 1814 war sie immer wieder Schauplatz politischer Kundgebungen. Die bekannteste ist das Hambacher Fest von 1832 und heute trägt dieser für die Demokratiebewegung wichtiger Ort den Namen Hambacher Schloss. Eines der frühesten und umfassendsten Werke über diese Burg ist “Die Maxburg bei Hambach” von Franz Xaver Remling, einer der bedeutendsten pfälzischen Historiker in der Mitte des 19. Jahrhunderts und von 1833 bis 1852 Pfarrer von Hambach. Aus den Ruinenresten schließt Remling auf fünf verschiedene Bauperioden. Die älteste weist auf die Zeit Bischofs Johannes von Speyer, also um das Jahr 1100. Remling setzt die Entstehung der Burg in der Zeit Heinrichs II. (1014-1024 deutscher Kaiser) an.Sie kam wohl über Atzela aus dem Geschlecht der Grafen von Zeisolf-Wolfram in die Hand dieses Grafengeschlechts. Atzela war eine Schwester Heinrichs IV. und Mutter des späteren Bischofs Johannes I. von Speyer (1090-1104).Wolfram und Atzela hatten zwei Töchter, die zwar beide verheiratet waren, aber keine Kinder hinterließen. So fiel die Burg an Johannes, den Heinrich IV. am 7. März als Bischof in Speyer eingesetzt wurde. Bischof Johannes starb relativ jung, schon mit 41 und so kam die Burg ins Eigentum des Hochstifts Speyer. Der erste Burgmann Burkhard von Kestenburg. Er ist als staufischer Ministerialer im Reichsdienst von 1154 bis 1186 nachweisbar. Zusammen mit seinem Bruder Trushard ist er schon 1174 in einer Schenkungsurkunde für das Kloster Eusserthal als Zeuge, ausgestellt von Bischof Konrad II. von Speyer nachweisbar. Beide treten auch in einer Urkunde Friedrich Barbarossa als Zeugen auf.(Friedrich I. – RI IV,2,4 n. 3026.) In dieser Urkunde nimmt Friedrich Barbarossa das Kloster Eusserthal in seinen Schutz. Eine größere Karriere hatte sein Bruder Trushard.
In der Urkunde Friedrich I. – RI IV,2,4 n. 3194 vom 28. September 1187 wird “Trushard (von Kestenburg), kaiserlicher und königlicher Legat in der Lombardei sowie Podestà von Chieri und Ivrea” genannt. Später war er Kämmerer des Bischofs von Speyer. Die Nachkommen von Trushard und Burkhard hatten dann keine Verbindung mehr mit der Kestenburg. Unter Bischof Konrad von Eberstein (Bischof in Speyer von 1237-1245)wurden die Ritter Arnold und Ebelin von Deidesheim Burgmannen auf der Kestenburg. Dafür hatten sie jährlich 20 Malter von der Unteren Mühle in Speyerbach zugut. Unter Bischof Heinrich II wird ein Ritter Walter von Schnittlauch Burgherr auf der Kestenburg. Die Familie führen den Beinamen von Kestenburg noch bis ins 15. Jahrhundert. Gegen Ende der Regierung Heinrichs kam es zu einem heftigen Aufruhr in der Stadt, bei dem er Zuflucht auf der Kestenburg fand. Bischof Nikolaus von Wiesbaden (1381-1395) war 1380 von Papst Urban VI. zum Bischof von Speyer ernannt worden. Allerdings bestellte der Gegenpapst Clemens VII. im gleichen Jahr den Mainzer Bischof Adolf von Nassau zum Administrator des Bistums Speyer. Er musste natürlich um sein Amt kämpfen 1386 kam es zu einem Waffenstillstand zwischen den beiden. Am 29. Juni dieses Jahres belehnte ihn König Wenzel mit den Regalien. Am 12. Juni 1388 empfing er schließlich die Bischofsweihe in der Michaelskapelle der Kestenburg durch Bischof Eckhard von Worms. Die Kestenburg war praktisch sein ständiger Wohnsitz. Er ließ die Burg renovieren und vergrößern. Sein Amtmann auf der Kestenburg wurde Simon von Zeiskam. Unter Bischof Raban von Helmstatt (1438-1456) war die Kestenburg kaum Aufenthaltsort des Speyrer Bischofs, aber kostbare Gefäße und Kleinodien wurden dort aufbewahrt. 1464 ließ Bischof Matthias ein Verzeichnis aller beweglichen Sachen und Einkünfte des Stifts erstellen. Das geschah auch für die Kestenburg. Unter Matthias wurde auch die Kestenburg wieder ausgebessert. Im Jahr 1525 im Großen Bauernkrieg blieb auch die Kestenburg nicht verschont, sie wurde geplündert und gebrandschatzt.Die Bauten selbst schienen allerdings keinen zu großen Schaden genommen zu haben, denn diese wurden rasch wieder hergestellt. Im Zweiten Markgrafenkrieg (1552-1555) befehdete Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach die rheinischen Bischöfe von Mainz Trier und Speyer. Vom Speyrer Bischof Philipp von Flersheim verlangte er eine Brandschatzung von 150.000 Gulden und als diese nicht gezahlt wurde, verwüstete er die Madenburg und die Kestenburg. Die Madenburg wurde bald wieder instand gesetzt. Unter Bischof Marquard von Hattstein (1560-1581) wurde die Kestenburg zwar wieder notdürftig hergestellt. Sie war aber nur noch Sitz eines Waldförsters. Die auf der Burg haftenden Lehen wurden aber weiter vergeben.
Der erste Waldförster war Michael Bender. Im Zuge der Revolutionskriege wurde die Pfalz an Frankreich angegliedert und wurde als Département du Mont-Tonerre als integrierter Bestandteil Frankreichs verwaltet. Nach dem Wiener Kongress von 1815 kam das Gebiet als Rheinkreis an das Königreich Bayern. Schon 1814 feierten deutsche Patrioten den Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig auf dem Schloss. 1831 begingen Neustädter Bürger den Jahrestag der Julirevolution. Am 27. Mai 1832 kam es schließlich zum Hambacher Fest. 1830 war in Frankreich die Julirevolution ausgebrochen. Sie war Auslöser weiterer Unruhen vor allem in Polen aber auch in den Königreichen Sachsen und Hannover, im Kurfürstentum Hessen-Kassel und im Herzogtum Braunschweig. Vor allem der polnische Aufstand gegen die russische Herrschaft wurde deutschlandweit begeistert aufgenommen. Er genoß breite Sympathien vor allem in der Presse. Unterstützungsvereine wurden gegründet. König Ludwig I von Bayern verfolgte einen reaktionären Kurs. Am 28. Januar 1831 erließ er ein Edikt, dass die Presse verschärfter Zensur unterwarf. Das wiederum rief den Widerstand vor allem der pfälzischen Abgeordneten im bayrischen Landtag hervor und im Juni 1831 musste der König sein Edikt zurücknehmen und den Innenminister, der verantwortlich war , entlassen.
Die Publizisten Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Georg August Wirth gründeten 1832 als Reaktion auf die Druckverbote den Deutschen Preß-und Vaterlandsverein. Vorsitzender wurde der pfälzische Rechtsanwalt und Abgeordnete Friedrich Schüler. Dieser Kreis veranstaltete am 27. Mai 1832 ein “Volksfest”, da politische Kundgebungen von der bayrischen Obrigkeit verboten worden waren. 30.000 Menschen aus allen Ständen und vielen Nationen, vor allem Polen zogen vom Neustädter Marktplatz auf die Hambacher Schlossruine. Dies ging als “Hambacher Fest” in die Geschichte ein. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein und es kam zum Prozess vor dem Landauer Assisengericht ( 29. Juli 1833-16. August 1833). Die Hauptangeklagten wurden in diesem Prozess zwar freigesprochen. Diese wurden jedoch wegen angeblicher Beleidigungsdelikte vor Zuchtpolizeigerichte in Zweibrücken gestellt und verurteilt. 1842 vermachten königstreue Eigentümer der Burgruine diese dem bayrischen Kronprinzen und späteren König Maximilian II. Im Volksmund wurde das Hambacher Schloss dann auch Maxburg genannt. Es sollte im Stile Hohenschwangaus aufgebaut werden. Aus Geldmangel kamen die Bauarbeiten schnell ins Stocken und wurden nicht beendet. In den Revolutionsjahren 1848/49 kamen sie endgültig zum Erliegen. Zwischen 1980 und 82 wurde das Schloss zum 150 – jährigen Jubiläum des Hambacher Fests restauriert. Von 2006 bis 2010 erfolgten weitere Restaurierungen.
Das Kloster Weissenburg ist um 660 gegründet worden. Das Jahr seiner Gründung ist aber nicht überliefert und auch für den Gründer gibt es zwei Überlieferungsstränge.
Man geht heute davon aus, dass Bischof Dragobodo von Speyer der Gründer des Klosters im heutigen Unterelsass ist und nicht König Dagobert I., der ja ebenfalls als Gründer “gehandelt” wird.
Die älteste erhalten Urkunde ist eine Todesfallschenkung am 24. Februar 661. Ein Bonifacius schenkt dem Kloster St. Peter Güter seines verstorbenen Sohnes Gundebald. Darin heißt es,
dass Bischof Dragobert das Kloster gebaut hat (que ipse pontifex construxit). Der Ort, in dem die Güter liegen (Gairoaldo), ist vermutlich, Gerolsheim das nordwestlich von Frankenthal ist.
Der zweite Überlieferungsstrang gibt Dagobert I. als Gründer an. Allerdings liegt dieser Annahme eine zweifellos gefälschte Urkunde zugrunde. Die königliche Gründung wurde vom Kloster wohl
vor allem angegeben, um den Status einer Reichsabtei gegenüber bischöflichen Ansprüchen, also speyrischen Ansprüchen zu verteidigen. Das gilt dann auch vor allem für die Urkunde Kaiser Heinrichs.
Otto II. stellt dem Kloster am 25 Oktober 967 in Verona eine Urkunde aus und “ bestätigt dem Kloster Weissenburg unter seinem Abt Geilo über dessen Vorsprache und die Bitte seiner Mönche gleichwie seine Vorgänger Pippin, Ludwig und alle übrigen die namentlich angeführten Grenzen seiner Mark, die ihm einst der erstgenannte König übertragen hatte, und verleiht ihm die Immunität “ (Otto II. – RI II,2 n. 591) Diese Urkunde macht es wahrscheinlich,
dass Kloster Weissenburg während der Regierungszeit eines Königs Dagobert zu mindestens mit nomineller Genehmigung des Königs geschehen ist. (Heinrich Wagner in ARCHIVFÜR MITTELRHEINISCHE KIRCHENGESCHICHTE NEBST BERICHTEN ZUR KIRCHLICHEN DENKMALPFLEGE IM AUFTRAG DER GESELLSCHAFT FÜR MITTELRHEINISCHE KIRCHENGESCHICHTE IN VERBINDUNG MIT H. AM ERICH „M. -L. CRONE „J.MÖTSCH „W. SEIBRICH R. E. SCHWERDTFEGER . W. WEBER HERAUSGEGEBEN VON FRIEDHELM JÜRGENSMEIER 55. JAHRGANG 2003 )
In einer Urkunde, die Heinrich IV. am 11. Februar 1102 ausstellt, wird Dagobert als Gründer genannt. Urkunde 473 MG Diplomata Heinrich IV. “Heinrich stellt anläßlich der vor ihn zu Mainz gebrachten Klage des Abtes Stephan
von Weissenburg über die Übergriffe der Vögte nach Vernehmung der Hörigen des Klosters die Rechte des Vogtes entsprechend der Bestimmung König Dagoberts fest . Speyer 1102 Februar 11 . “
Zwei fränkische Adelsgeschlechter, nämlich das Geschlecht der Theodarde, dem auch Dagobert angehörte und das der Chrodoine bestimmte die Anfangszeit Weißenburgs entscheidend mit. Diese Adelssippe war auch in Thüringen begütert.
Dazu passt, dass das Erfurter St. Peterskloster zu Beginn des 8. Jahrhunderts von Weißenburg besiedelt worden ist. Beide Klöster haben mit St. Peter dasselbe Patrozinium und beide haben auch die Dagobert-Tradition gemeinsam. Nur führt Erfurt
seine Anfänge nicht auf den ersten, sondern auf den dritten Dagobert zurück.
In Weißenburg wurde zunächst die “Regula mixta” befolgt. Das ist eine Kombination aus der Columban-Regel und der Benedikt-Regel, so wie sie in Luxeuil gepflegt wurde. Dort hatte der spätere Trierer Bischof Numerian unter dem Abt Waldebert
die Satzungen des Columban durch die Benediktregel ergänzt. In diesem Umfeld bewegte sich auch der Speyrer Bischof Dragedo. Auch der erste bekannte Stifter für Kloster Weißenburg, nämlich der oben genannte Bonifacius, hatte Beziehungen
zu den fränkischen Bischöfen, die die Verbreitung dieser Regula mixta in den von ihnen gegründeten Klöstern verfolgten.
Um 820 begann nun Pirmin im südwestdeutschen Raum zu wirken. In den vom ihm gegründeten, bzw. reformierten Klöstern führte er die Regel des Heiligen Benedikt ohne die Zusätze Columbans ein. Von Kloster Hornbach aus sei er oft in Weißenburg
gewesen und habe den dortigen Mönchen die “norma sancti Benedicti” vorgetragen. In einer Traditionsnotiz des Kloster Weissenburg, die Kaspar Zeuss in seinen Traditiones et possesionesque Wizzenburgenses Nr. 193 überliefert, tritt ein Dekan Gerbert
als Zeuge auf. Die Stellung des Dekan in der Konventsstruktur als zweiter nach dem Abt entspricht der Struktur, die Pirmin nach der Vermutung Hallingers (Kassius, Gorze-Kluny) eingerichtet hat. Weissenburg wurde auch schon sehr früh in die Verbrüderung
der Reichenau aufgenommen. Alles zusammengenommen spricht schon dafür, dass die Pirminsche Reform, so wie die Vita Pirmins es berichtet, in Weissenburg angekommen ist. Auch die elsässische Herzogsfamilie der Etichonen, die Pirmin bei
seinen Reformen stark unterstützte, begann sich nun für Weissenburg zu interessieren. So gibt es eine 730 Schenkung des Herzogs Liutfrieds für das Kloster. Bis 737 gab es viele Mönche in Weissenburg, die sich bei ihrem Eintritt ins Kloster das Zurückbehalten
von Eigenbesitz vorbehalten hatten. Das war aber vom 5-bis 8. Jahrhundert weitverbreitet. Hallinger nennt diese Mönche “Halbkonversen”. Von 737 datiert nun die letzte Nachricht von zurückbehaltenem Eigenbesitz eines Weißenburger Mönchs (Zeuss Nr. 241).
Das zeigt, dass sich die Pirminsche Forderung auch nach völligem Eigentumsverzicht beim Eintritt ins Kloster in Weißenburg durchgesetzt hat.
Der fränkische Historiker und Theologe Kaspar Brusch schreibt 1551 seine Monasteriorum Germaniae praecipuorum ac maxime illustrium centuria prima, also seine Chronik deutscher Klöster, in der auch das Kloster Weissenburg abgehandelt wird. Darin
ist auch eine Äbteliste, die allerdings für die vor Dragobodo regierendenden Äbte wohl eher fiktiv ist. Sein erster Abt ist Principius, der übrigens auch in der Speyrer Bischofsliste unmittelbar vor Dragobodo steht.
Die Äbte Ehrwald und Ratfried werden mehrmals bei Zeuss im Zusammenhang mit Schenkungen von Mönchen bei ihrem Eintritt ins Kloster erwähnt. Über Ratfried gibt es auch ein Urkunde, die das Landesarchiv Baden-Württemberg verwahrt (Bestand
Baden-Baden Stadt, Bestellsignatur 37. Nr. 270). Am 1. August 712 vergabt Dagobert, König der Franken an Ratfried, Abt zu Weissenburg, die Bäder im Oosgau. Bernhard, der in Bruschs Abtliste als übernächster Abt auf Dragobodo folgt, war gleichzeitig
Bischof von Worms. In dieser Zeit muß die Verfügungsgewalt über das Kloster auf den König übergegangen sein. Schon ein einfacher Gütertausch, den die Abtei 820 vornehmen wollte, bedurfte der ausdrücklichen Genehmigung des Königs. (Zeuss Nr. 69).
Das war unter Abt Bernhard, der zugleich Bischof von Worms war. Von 743-759 war David Abt und in Personalunion Bischof von Speyer. Er nahm an der letzten bonifatianischen Reformsynode 747 in Mainz teil. Bei dieser Synode wurde Mainz Erzbistum und
Papst Zacharias bestätigte 748, dass Mainz vor den Bistümern Tongern,Köln, Worms, Speyer und Utrecht den Vorrang hat. Während Davids Amtszeit verstarben Pirmin in Hornbach und Philipp von Zell, der in der Diözese Speyer als Heiliger
verehrt wird. Auf David folgte Ermbert, in Personalunion Bischof in Worms. König Pippin erteilt im Jahre 764 wahrscheinlich bei dem in diesem Jahr abgehaltenen Reichstag in Worms der dortigen Basilika St. Peter und Paul die Immunität.
In einer Urkunde Ottos II., die am 25. Oktober 927 in Verona ausgestellt wurde (DD O II Nr. 15 S. 22-23), verleiht Otto dem Kloster Weissenburg die Immunität. In dieser Urkunde wird berichtet, dass auch Pippin dem Kloster die Immunität verliehen hatte.
Ermbert hatte für das Kloster Weissenburg eine große Zahl von Urkunden ausgestellt, alle bei Zeuss abgedruckt. Ermbert gehörte auch zu den fränkischen Bischöfen, die von Karl und Karlmann zur von Papst Stephan III. nach Rom einberufenen Synode
abgeordnet wurden. Die Synode fand vom 12.-14. April 769 in der Lateranbasilika statt. Erst der übernächste Abt, Bischof Bernhar von Worms ist quellenmäßig wieder belegt. Er reist im Auftrage Kaiser Karls im Jahr 809 zusammen mit Abt Adelhard vom
Kloster Corbie zur Synode nach Rom. Nicht nur Bischöfe aus den benachbarten Diözesen waren Äbte in Weissenburg. Es ging auch umgekehrt. Basinus,der Nachfolger Davids auf dem Speyrer Bischofsstuhl, war zuvor Diakon in Weissenburg. Er ist dort
durch zwei Traditionsnotizen belegt. (Zeuss Nr.149 und 221). Er war auch mit dem Laienbischof Milo in Trier verwandt. Auch der spätere Bischof Benedikt in Speyer (814-829) war zuvor Mönch in Weissenburg. Seine Teilnahme an der Synode von Mainz
ist in Concilia aevi Karolini Teil 2 604 zu ersehen. Zu Zeiten Ermberts musste im Kloster Weissenburg eine große monastische Disziplin bestanden haben. Aber auch eine kulturelle Höhe lässt sich ersehen. Um 772 schrieben Weissenburger Mönche
den Codex Weißenburgensis, der sich heute in Wolfenbüttel befindet.
Als der Wormser Bischof Bernhar in Weissenburg als Abt regierte, wirkte Benedikt von Aniane als Reichsklosterreformer unter Ludwig dem Frommen. Die Aachener Reichssynode von 816 machte die benediktinische Regel für alle
im Frankenreich lebenden Mönche verbindlich. Wie weit er das Kloster Weissenburg schon reformiert hat, ist angesichts der schwierigen Quellenlage nicht genau zu sagen. Aber wie Benedikt von Aniane das vorgesehen hat, hat Bernhar schon einen
Unterabt eingesetzt. (Zeuss Nr. 171,173,177). Bernhar hatte als Nachfolger Folkwich (826-832), der aus dem Weissenburger Konvent stammte, designiert. Der Kaiser bestätigte diesen in Worms und Weissenburg. Auch der Weissenburger Konvent
hieß diese Wahl gut. Unter ihm gibt es einen (Unter-)Abt Ratfried (Zeuss Nr. 51). Nun gibt es auch einen Praepositus, der als zweiter nach dem Abt an der Spitze der Brüder steht. (Zeuss 172). Das entspricht dem neuen Regelverständnis, der
diesem den Vorzug vor dem Dekan als durch die Benediktregel vorgesehenen höchstem Klosteramt gegeben hat. Auch die karolingische Klostergesetzgebung scheint sich in dieser Zeit in Weissenburg voll durchgesetzt zu haben.
830 sind im Kloster erstmals Vögte erwähnt. Diese Einrichtung hatte schon Karl der Große schon als obligatorisch erklärt. Der erste, der namentlich genannt wird, ist ein Gebold (Zeuss 198,251).
833 bis 839 war Grimald Abt von Weissenburg.Er war erst an der Klosterschule in Reichenau. Ab 824 war er an der Hofkapelle Ludwigs tätig. 833 bekam er die Abtei Weissenburg übertragen. Ab demselben Jahr war er auch Kanzler unter Ludwig dem Deutschen.
Über seine erste Tätigkeit wird im Weissenburger Klosterbuch nur gesagt, dass er nach einem Klosterbrand die Kirche wieder größer aufgebaut hatte. (Mooyer Nekrologium des Kloster Weißenburg in Archiv des Historischen Vereins für
Unterfranken und Aschaffenburg, Nr. 13. S. 53). Auch wissen wir, dass er ein Privileg für das Kloster erwarb.“bestätigt dem kloster Weissenburg auf bitte des abts Grimold die von seinem vorgänger Dagobert (M. G. DD. Merov. 41 vgl. Zeuss Trad. 266 no 278) geschenkten und dann an königliche vasallen zu lehen gegebenen warmen bäder im Ufgau. “ ( Ludwig der Deutsche – RI I n. 1417 ) Ludwig schenkte Grimald auch Güter in Oberschwaben, wie sein Sohn Ludwig der Deutsche in einer am 30.September 835 in Worms ausgestellten Urkunde . „bestätigt abt Grimald, seinem obersten kanzler, laut der vorgelegten schenkungsurkunde seines vaters k. Ludwig (deperd.) den von diesem übertragenen besitz in den villen Altheim, Riedlingen, Waldhausen und Ostheim im Apphagau in Alamannien als freies eigen.
(Regesta Imperii, I,1, Karolinger Regesten 751-918, Nr. 1351) Sonst wissen wir nichts über das Wirken Grimalds in Weissenburg.
Diese Schenkung war wohl Anlass für den Erwerb weiterer Besitzungen im für Weissenburg doch weit entfernten Oberschwaben. Diese werden in den Traditiones et possesionesque Wizzenburgenses Nr. 27 Waldsee, 28 Reute, 30 Holtzheim (= Oberholzheim bei Laupheim) 31 Baustetten und 32 Laupheim genannt. Dass Kloster Weissenburg tatsächlich Besitzungen in Oberschwaben hatte, die sonst unbekannt sind sprechen neben der Erwähnung der Hunneneinfälle auch das Patrozinium Peter und Paul. Die Weissenburger Klosterheiligen sind auch in Laupheim, Oberholzheim, Reute und Waldsee zu finden. Für diese oberschwäbischen Orte ist die Nennung in den Tradiriones vom Jahr 926 auch die erste urkundliche Erwähnung. Nur Laupheim wurde in einer St. Gallener Urkunde schon 778 genannt.
Nach innerdynastischen Auseinandersetzungen unter den Karolingern setzte Ludwig der Fromme Grimald als Weissenburger Abt 839 ab und übergab die Abtei an Erzbischof Otgar von Mainz. Es war der erste Bischof, der nicht mehr aus dem Kreis der Bonifatiusschüler hervorging. Er stammte aus dem Kreis der Reformer um Ludwig dem Frommen. Er stand in enger Verbindung zur Reichenau. Als Mainzer Erzbischof unterstütze er auch Einhard, den Biographen Karls, beim Ausbau seiner Abtei Seligenstadt.
Unter Otgar war nach wie der seit 819 bezeugte Unterabt Gerhoh tätig. Grimald war aber von Ludwig dem Deutschen schon 841 als Abt in St. Gallen eingesetzt worden. Als Otgar 847 starb, wurde Grimald wieder als Abt in Weissenburg eingesetzt. Außerdem war
er dann auch noch Abt eines dritten Klosters, wahrscheinlich Ellwangen. 870 zog sich Grimald von allen Ämtern , er war ja auch noch Erzkaplan, nach St. Gallen zurück, wo er 872 starb.
Die berühmteste Persönlichkeit aus dem frühen Kloster war Otfrid. Er ist wohl in den 20-iger Jahren des 9. Jahrhunderts geboren und wurde schon als Kind als puer oblatus nach Weissenburg gegeben. Er wurde später Mönch und Priester im Kloster.
Seine Priesterweihe erhielt er um 830. Er war auch einige Zeit im Kloster Fulda, wo Rabanus Maurus Abt war und immer noch an der berühmten Klosterschule unterrichtete. Er lehrte dort vor allem die zu der Zeit blühende Praxis der allegorischen Bibelauslegung.
Nach Otfrids Zeit in Fulda war er möglicherweise eine Zeit Schreiber in der Hofkapelle König Ludwigs. In Weissenburg wirkte er als Schreiber, Lehrer und Bibliothekar. Er ist dort ab etwa 845 nachweisbar (z.B. Zeuss 204). Die Bibliothek nahm in den folgenden
zwei Jahrzehnten einen beachtlichen Aufschwung, was nach dem Urteil der Forschung vor allem Otfrid zu verdanken ist. Sicher hatte auch Grimald in seiner zweiten Abtszeit seinen Anteil daran. Er war ja auch Abt von St. Gallen und die Sankt Gallener
Bibliothek hatte in der Regierungszeit Grimalds einen großen Zuwachs erlebt. Aus Fulda und Mainz kamen exegetische Werke vor allem von Raban nach Weissenburg. Und dann hat er selbst viel beigetragen. Acht oder neun Handschriften
gehen wohl auf ihn zurück. Sein Hauptwerk ist das Evangelienbuch. Otfrid hat einen wichtigen Beitrag zur althochdeutschen Literatur geleistet. Das Evangelienbuch ist die erste Großdichtung in deutscher Sprache. Otfrid hat eine Versform
entwickelt, die für die deutsche Dichtung des Mittelalters bestimmend wird und der deutsche Standardvers bleibt. Er schreibt eine Literaturtheorie mit dem erklärten Ziel,die fränkisch-deutsche Literatursprache zu etablieren.
Zu seinen weiteren Handschriftenzählen Bibelhandschriften mit lateinischen Kommentierungen Otfrids zu den Büchern Jesaja, Jeremia, den Zwölfprophetenbüchern, den Evangelien, der Offenbarung des Johannes und der Apostelgeschichte.
Außerdem hat er deutsche Worterklärungen zu einem Grammatikbuch für den Unterricht geschrieben. Sein Evangelienbuch widmete er König Ludwig dem Deutschen, Erzbischof Liutbert von Mainz, sozusagen seinem Dienstherrn und Bischof
Salomo von Konstanz, der ja in der Zeit von Otfrids Aufenthalt Mönch und Lehrer an der Klosterschule Fulda war und ihn dort auch unterrichtet hatte. Die Daten seiner Adressaten geben auch einen zeitlichen Rahmen für den Abschluss
des Evangelienbuchs. Liutbert trat sein Amt in Mainz 863 an und Bischof Salomo starb 871. In dieser Zeitspanne muss also das Evangelienbuch, die umfangreichste Dichtung der Karolingerzeit, entstanden sein.
950 besuchte Otto I. Kloster Weissenburg, wohl von Speyer aus. Am 26. Februar stellt er eine Urkunde für das Kloster aus “restituirt dem kloster Weissenburg um der daselbst von ihm angerufenen fürbitte der h. Petrus und Paulus willen (184a) auf bitte seiner tochter Luitgard und seines bruders Brun die durch verlehnung seit lange widerrechtlich entzogenen zinsleute und verbietet deren fernere entfremdung”.(Otto I. – RI II,1 n. 185)
Das war kurz vor der Zeit von Adalbert, der ab 966 Abt in Weissenburg wurde. Er ist um 910 in Lothringen geboren. Um 958 trat er in das Reformkloster St. Maximin in Trier ein. Als Großfürstin Olga von Kiew Otto I. um Missionare
bat, wurde Adalbert auf Rat des Erzbischof Wilhelm von Mainz 961 als Missionsbischof nach Russland geschickt. Das Unternehmen verlief nicht sehr glücklich. Adalbert entrann nur knapp dem Tode und kam schon 962 wieder zurück. Er war dann
in der Kanzlei Ottos II. tätig. 966 setzte ihn Otto I. als Abt in Weissenburg ein. 968 ernannte ihn Otto auf der Synode von Ravenna zum 1. Erzbischof von Magdeburg. Er blieb aber Abt von Weissenburg. In seinen ersten beiden Jahren als Weissenburger
Abt setzte er die Chronik Reginos von Prüm fort. Reginos Chronik hatte mit dem Jahr 908 geendet. Otto schenkte der Kirche des Heiligen Moriz zu Magdeburg das Kloster Weissenburg mit dem Vorbehalt des Rechtes der freien Wahl für die Mönche (DO I, 365).
In dieser Urkunde wird auf die Königsunmittelbarkeit Bezug genommen “nostro juri propria”
973 erbittet dann Adalbert für seine Abtei die neuerliche Gleichstellung in ihrer “libertas” mit den Klöstern Fulda, Reichenau und Prüm. Otto II. bestätigt dies mit der Urkunde ausgestellt am 27. Juni 973 in Worms.
Adalbert verstarb 981.
Auf Adalbert folgte Sandrad. 963 wird er als Cellerar von Kloster St. Maximin in Trier erwähnt. Er hatte enge Kontakte zum ottonischen Kaiserhaus und visitierte in seinem Auftrag das Kloster Sankt Gallen. Er war auch der Beichtvater von Kaiserin Adelheid.
Er hatte maßgeblichen Anteil an der Gründung des Gladbacher Klosters St. Vitus. Ab 979 war er Abt von Ellwangen und 981 soll er auf Fürsprache Kaiserin Adelheids die Abtei Weissenburg erhalten haben. In seiner Regierungszeit fand der sogenannte “Salische Kirchenraub” statt. Es war kein eigentlicher Raub, sondern eine von Kaiser und Führungselite abgesegnete Besitzumverteilung. Leidtragende war aber die Abtei Weissenburg. Herzog Otto, der aus dem Geschlecht der Salier stammte, hatte zugunsten des
Luitpoldinger Heinrich das Herzogtum Kärnten abtreten müssen. Otto fiel nun in Weissenburg ein. Wahrscheinlich wurde das Kloster gezwungen, einen Teil seiner Besitzungen an Otto als Lehen zu vergeben. Das Kloster sah das als Raub an, die Führungselite
als gerechtfertigte Umverteilung von Reichsgut. 985 kehrte Sandrad in das Kloster St. Vitus in Gladbach zurück. Es ist durchaus möglich, dass dies im Zuge des “Kirchenraubs” geschah.
In der Äbteliste von Brusch ist von 1002-1032 Abt Luithard verzeichnet, mit dem Vermerk das 1004 das Kloster abbrannte. Er bekommt von Kaiser Heinrich am 15. Januar 1003 die von Pippin erteilte Immunität bestätigt siehe Heinrich II. – RI II,4 n. 1526
Abt Arnold ist wieder klarer fassbar. Arnold von Falkenberg ist 1038 Abt von Weissenburg und Propst in Limburg. 1051 wurde er Abt von Corvey und wechselte 1053 nach Lorsch, vor er 1054 Bischof in Speyer (bis 1056) wurde.
Samuel, der nächste Abt, ist erstmals in einer Urkunde als Teilnehmer als eines Fürstengerichts unter Heinrich III. nachgewiesen und zwar vom 30. Juni 1056 (MGH H III Nr. 372 B)Hier wurde über Rechte von St. Maximin in Trier verhandelt.
Er sorgte für die wirtschaftliche Konsolidierung der Abtei. Er kümmerte sich auch um den Ausbau und die Ausstattung der Abtei. Er ließ den heute noch bestehenden romanischen Turm der Klosterkirche errichten (laut Bauinschrift).
Auch ließ er die Abtskapelle St. Willibrord, die sogenannte Peter und Paulskapelle erbauen.
Die Einkünfte der Abtei sicherte er durch genaue vertragliche Abmachungen. (Zeuss, Nr. 302, 304, 306, 307) 1067 bestätigte Heinrich IV. dem Kloster seine Mark und seine Immunität. (MGH H IV Nr. 195).
Die Abtei war durch vier Festungen in allen Himmelsrichtungen geschützt und zwar St. Remig im Osten, in der Gegend von Steinfeld, Vier Türme oder St. Panthaleon im Süden auf einem Berghügel gegen Steinselz hin gelegen,
St. German gegen Westen und St. Paul im Norden. Nach Michael Frey (Versuch einer geographisch- historisch- statistischen Beschreibung des königlich bayrischen Rheinkreises, Band 1, Speyer 1836, über Weissenburg ab Seite 461)
soll Abt Salomon um 1055 St. Panthaleon, St. Paul und German erbaut haben. Außerdem ließ er eine zu klein gewordene Kirche in Niederschlettbach, heute zur Verbandgemeinde Dahn gehörend, durch den Neubau einer
Laurentiuskirche ersetzen. Das Patrozinium der Vorgängerkirche, das auch auf den Neubau überging, lässt darauf schließen, dass die erste Kirche nach 955 dem Heiligen Laurentius geweiht wurde. Denn Kaiser Otto hatte am Laurentiustag
955 die Schlacht auf dem Lechfeld gewonnen. Nach diesem Sieg wurde Laurentius besonders verehrt. Die neue Kirche mit Apsidenchor war mehr als dreimal so groß wie der Vorgängerbau. Sie wurde am 13. Mai 1068 geweiht, wie aus einer Inschrift in der Taufkapelle hervorgeht. Die Weihe wurde von Bischof Ezzo von Osnabrück vorgenommen, einem Bischof, der in der Slawenmission in Wagrien in Ostholstein tätig war und der Heinrich IV. nahestand. Auch Samuel war ein treuer Gefolgsmann des Kaisers.
Er bekam auch die Abtei Murbach und Münster im Gregoriental übertragen.Er war 42 Jahre Abt in Weissenburg und starb 1097. Samuels Nachfolger wird Abt Stephan. 1111 ist er auch Abt in Limburg und Klingenmünster. In einer Urkunde von Heinrich IV.
vom 4. März 1103 in Speyer ausgestellt, in der er die Zelle St. Stephan auf dem Heiligenberg in seinen Schutz nimmt, tritt der Weissenburger Abt als Zeuge auf.(Heinrich IV. 2: 1077-1106 (DD H IV) 477).
Noch unter den Saliern wurde die Vogtei über Weissenburg und dem Hochstift Speyer der Familie der Staufer übertragen. Dies geschah noch in den letzten Regierungsjahren von Herzog Friedrich I. von Schwaben (um 1050-1105). Die Vogtei verblieb bis
unter Friedrich I. Barbarossa bei den Staufern.
Abt Kuno tritt in einer in Speyer am 28. Januar 1229 ausgestellten Urkunde als Zeuge (Heinrich (VII). – RI V,1,2 n. 4127) In der es um einen Streit zwischen Kloster Eusserthal und seinen Bauern in Godramstein geht. Nach Frey regierte
er “26 Jahre sehr löblich”, starb im September 1248 und ist im Kreuzgang begraben. Abt Friedrich regierte von 1251 bis 1262 und hat nach Frey mit der Ummauerung der Stadt Weissenburg begonnen. Auf Abt Friedrich folgte
Abt Edelin. Er regierte bis 1293. Er war angeblich der 45. Abt. Er hatte die Stadtbefestigung weiter geführt und er baute im Kloster und dessen Umgebung viel. Außerdem ließ er den Grundbesitz des Klosters erfassen. Er versuchte den Verlust
von Klostergütern zu stoppen und verlorengegangene wieder zurück zu gewinnen. Dieses Besitzverzeichnis, der Codex Edelinus, wird im Landesarchiv Speyer aufbewahrt.
Rudolf von Habsburg war oft in Weissenburg. In seiner Regierungszeit war zum ersten Mal 1273 dort. Sein letzter Aufenthalt ist 1289 nachgewiesen. Er stellte in Weissenburg gut 20 Urkunden aus.
Am 12. 4. 1275 eine für Weissenburg selbst und zwar entschied er in einer Streitsache zwischen Abt Edelin und dem Konvent einerseits und den Bürgern Weissenburgs andrerseits.
“entscheidet als gekorner schiedsrichter neben dem wildgrafen Emicho und Gottfried v. Weissenburg in einer umfassenden urkunde die vielfachen zwistigkeiten zwischen Edelin abt von Weissenburg (principem nostrum) und dem convent daselbst auf der einen, und den bürgern dieser stadt auf der andern seite, insbesondere in betreff von ungelt und weinverkauf, rathmannswahl, hauptrecht, hauptzins, buteteil, almende, waldrechte, muntad und austrag von streitigkeiten, münze und bann. Von abt und convent und stadt mitbesiegelt “(Rudolf – RI VI,1 n. 360 ) Unter Rudolf gab es auch Streitigkeiten um rechte im Mundatwald. Ebenfalls 1275 fällte Rudolf einen Schiedsspruch, in dem Regelungen für den Holzeinschlag, das Ahndungsrecht des Abtes bei
Überschreitung der Waldordnung, das Einsetzen der Waldhüter, der Waldweide usw. festgelegt werden. (nach Landesforsten Rheinland-Pfalz zum Forsthaus Erzgrube).
Am 17. November 1292 erklärt Adolf in einer Urkunde, dass ihm die Bürger von Weissenburg einen Treueid geschworen hätten. Der Treueid gegenüber dem Abt von Weissenburg auf Grund dessen Eigenherrlichkeit dürfe aber alle Rechte, Freiheiten,, Leute und Güter des Klosters nicht beeinträchtigen. (Die Regesten des Kaiserreichs unter Adolf von Nassau 1292-1298, Nr.127)
Abt Wilhelm I. war Nachfolger Edelins. Er regierte 8 Jahre. Von ihm ist urkundlich eine Übertragung der Stadt Kuppenheim überliefert.
“Abt Wilhelm und Konvent von Weißenburg Benediktinerordens beurkunden, dass Markgraf Friedrich von Baden ihrem Kloster seine Stadt Kuppenheim übertragen (civitatem sive oppidum in Cupenheim ad eum iure proprietatis pertinentem nobis resignavit et – – transtulit) und von ihnen zu Lehen genommen hat. Sie geben deshalb, weil dadurch ihr Kloster schadlos gehalten ist, ihre Zustimmung zum Verkauf des Dorfes Malsch, das ihnen gehört hat und Lehen des Markgrafen ist, und bestätigen diesen Verkauf durch den Markgrafen an Kloster Herrenalb. (Württembergisches Urkundenbuch Band XI., Nr. 5131, Seite 142)
Abt Egidius regierte von 1301-1312. Er weilte wohl auch am Kaiserhof. König Albrecht hatte das Weissenburger Gerichtsstandprivileg ( es ging um die Rechtsstellung der Stadt)am 25. Juli 1310 bestätigt. Abt Egidius erhielt ein Diplom im Lager vor Brescia.
Abt Johannes I. von Frankenstein hatte wieder eine längere Regierungszeit vorzuweisen und zwar von 1322-1337. Er starb am 3. November diesen Jahres und regierte wie es bei Frey heißt “löblich”. In seiner Regierungszeit gab es einen Vorfall, bei dem zwei Klosterherren erschlagen wurden. Dokumentiert ist das in einer Urkunde Ludwig des Bayern vom 6. August 1333. “Ks. Ludwig erklärt, daß er Abt Johannes, Dekan und Konvent des Benediktinerklosters Weißenburg [im Elsaß] mit der Stadt und der Bürgerschaft von Weißenburg wegen des Auflaufs und der Zwietracht, besonders der zwei erschlagenen Herren des Klosters und der Verletzung der Klosterfreiheit folgendermaßen lieplich vnd friuntlich verglichen hat: (1) Beide Parteien sollen wieder gute Freunde sein und sich wegen dieser Vorkommnisse gegen eynander verzigen ewiclich; (2) das Kloster hat Rudolf Boppelmann und die Stadt den .. von Fleckenstein, Deutschordenskomtur zu Weißenburg, als Ratmänner gestellt, denen er seinen Kanzler [Hermann von Lichtenberg, Bischof von Würzburg,] als dritten [Mann] hinzugefügt hat, die die besserunge schichen vnd machen sollen; den von diesen ausgesprochenen bund vnd pen sollen sie sich unterziehen; weitere, einstimmig oder mehrheitlich gefasste Beschlüsse der Ratmänner, die ihnen urkundlich mitgeteilt werden1, sollen von den Parteien eingehalten werden; (3) sollte einer der Herren [des Klosters] die Sühne verletzen, so haben die drei [Ratmänner] dem Abt und seiner Partei zu sagen, was sie unverzüglich tun sollen; hingegen hat der sich widersetzende Bürger den Befehlen der Ratmänner zu folgen; (4) sowohl Abt als auch Stadt sollen gegebenenfalls einen Ersatzmann für einen ausgefallenen Schiedsrichter stellen; (5) den Bau der wende soll sein Kanzler besichtigen und darüber entscheiden. — Geben […] ze Franchenfurt an vritag vor Laurentii 1333” (Regg. Ludwig d. B. H. 4 – n. 87).
Am 23. Juni 1330 verleiht Kaiser Ludwig Abt Johannes von Weissenburg die Regalien. “Ks. Ludwig (1) verleiht Johannes, Abt des Benediktinerklosters Weißenburg [im Elsaß], alle Regalien, Lehen, Temporalien, Ehren, Nutzen und Vergünstigungen, die dem Abt und seinem Kloster aufgrund Recht oder alter Gewohnheit zustehen, (2) bestätigt alle Freiheiten, Immunitäten, Befreiungen, Gnaden, Zugeständnisse, Gaben und Privilegien, die dem Empfänger, dessen Vorgängern und dem Kloster von ihm und seinen Vorgängern im Reich verliehen wurden, und (3) gebietet allen Königen, Herzögen, Markgrafen, Grafen, Baronen, Adeligen sowie allen Getreuen des Reiches, Städten, Grafschaften, Gemeinschaften, Kollegien und jedem einzelnen unter Androhung einer Pön in Höhe von 20 Pfund reinen Golds, die je zur Hälfte der kaiserlichen Kammer bzw. dem Geschädigten zufallen soll, die Beachtung seines Privilegs.
Das bedeutet, dass Weissenburg damit Reichsabtei war. Sie erschien auch in den Reichsmatrikeln. Das war ein Verzeichnis der
Reichsstände des Heiligen Römischen Reiches und gab an, wieviele Truppen für die Reichsarmee zu stellen waren. In den Reichsmatrikeln von 1422 ist die Abtei aufgeführt. In den Reichsmatrikeln aufgeführt zu sein, wird als Indiz für die
Reichsunmittelbarkeit angesehen.
Auch sein Nachfolger Eberhard Graf zu Saarbrücken regierte sehr lang, nämlich 43 Jahre von 1337 bis 1381
Ludwig der Bayer hatte ihm am 24. November 1339 in Speyer eine Urkunde ausgestellt,
“Ks. Ludwig befiehlt den Städten Hagenau, Selz und Landau [in der Pfalz], Abt Eberhard von Weißenburg [im Elsaß] in seinen Rechten zu schützen.” (Ludwig – [RI VII] H. 4 n. 167) und wichtiger für denselben
Tag gibt es eine Urkunde, in er Ludwig Abt Eberhard die Regalien verleiht.(abgedruckt in Schöpflin Alsatia Diplomatica,2 S.168). Auf Eberhard folgte Hugo von Nothfelden von 1381 bis 1402. Von ihm wurde die Lehensburg St. Remy erbaut. Sie wurde im Bauernkrieg zerstört und heute gibt es nur noch Mauerreste am Boden bei Altenburg.
Sein Nachfolger war Johannes II, Graf zu Veldenz. Er regierte insgesamt 32 Jahre von 1402 bis zu seinem Tod im Jahr 1432. Er hatte auch am Konstanzer Konzil teilgenommen.
Gegen Ende seiner Amtszeit erklärte Sigmund dem Abt Johann gegenüber, dass die Stadt Weissenburg reichsunmittelbar ist und ”erlaubt ihr einen Stadtzoll auf Wein, Brod, Fleisch u. s. w. zu erheben.” (Sigmund – RI XI,2 n. 8336)
Schon 1354 hatte Kaiser Karl IV. “den räthen und gemeinden der reichsstädte des Elsasses Hagenau, Weissenburg, Colmar, Schletstadt, Ehenheim, Rossheim, Mühlhausen, Kaisersberg, Türkheim und Münster, sich zusammen zu verbinden gegen männiglich mit ausnahme seiner, des reichs, seines landvogts und anderer seiner amtleute, sich einander zu rathen und zu helfen, wie das nun näher in dieser wichtigen urkunde bestimmt wird” (Karl IV. – RI VIII n. 1918). Das war dann der Zehnstädtebund (Dekapolis)
Dieser Bund wurde von einem kaiserlichen Landvogt verwaltet. .
1423 hatte Sigmund die Landvogtei Elsass an den Kurfürsten Ludwig Pfalzgraf am Rhein für 50.000 Gulden verpfändet.(Friedrich III. – Chmel n. 39 )
Das ist das Szenario, in dem sich dann die “Weissenburger Stiftsfehde” unter dem übernächsten Abt abspielt.
Auf Abt Johannes folgte Philipp Schenk von Erbach. Er war von 1434 bis 1467 Abt und ist im Kreuzgang bestattet. Philipp ist uns wieder urkundlich dokumentiert. Am 7. Juli 1441 bestätigt König Friedrich III. “Abt Philipp, dessen Nachfolgern sowie dem Kloster zu Weißenburg im Elsaß alle ihre von römischen Kaisern und Königen erworbenen Privilegien und Rechte.”( Friedrich III. – [RI XIII] H. 17 n. 8). 4 Tage später bestätigt er dem Abt, dass er die Regalien zunächst zwei Monate unbelehnt innehaben soll und danach von ihm empfangen soll. (Friedrich III. – [RI XIII] H. 17 n. 9). Wegen einer Streitsache mit der Stadt Weissenburg lädt ihn Friedrich ein Jahr später zum Rechtstag nach Frankfurt. (14. Januar 1442 Friedrich III. – [RI XIII] H. 17 n. 15)Es geht hierbei wohl um eine Huldigung und Gehorsam, die die Stadt dem Abt nach seiner Meinung schulde.
Abt Philipp war kein Ausbund an Tugend. Er hatte mehrere Kinder und verschuldete das Kloster mit über 30.000 Gulden (Adam Walther: Vaterländische Geschichte des Elsasses von der frühesten Zeit bis
zur Revolution 1789, Band II, Straßburg 1851, S.264.)
Auf Abt Philipp folgte Jakob Freiherr von Bruck. Er regierte 4 Jahre von 1467-1472. Auch er wurde im Kreuzgang bestattet. Unter ihm war Graf Anton von Leiningen Probst in der Propstei zu den Vier Türmen. Die Bestallungsurkunde des Abtes war noch
nicht aus Rom eingetroffen. Da griff der pfälzische Kurfürst Friedrich I. der Siegreiche(1425-1476) ein. An ihn war ja die Landvogtei verpfändet.
Zum einen hegte er eine große Abneigung gegen den Grafen von Leiningen-Hardenburg (siehe Adam Walther), den Bruder von Propst Antonius. Auch wollte er einige Burgen, die der Abtei gehörten unter seine Kontrolle bringen.
Am 7. Januar 1469 erschienen der Vogt von Heidelberg sowie der Vogt von Germersheim in Begleitung von Abt Jakob von Mainz und 4 Mönchen. Außerdem waren 24 Bauern vom Amt Kleeburg dabei. Diese besetzten alle Klosterpforten.
Der Abt musste die Klosterschüssel abgeben. Auch die Schatzkammer des Klosters wurde besetzt. Die Reform des Klosters sollte praktisch erzwungen worden. Ganz so einfach ging es aber doch nicht.Der Abt berief sich auf Urkunden,
die ihm der Pfalzgraf ausgestellt habe und ihm darin zugesagt habe,die hergebrachten Freiheiten zu schützen und zu schirmen. Man sagte dem Abt nun, er solle sich nach Heidelberg begeben und dort dem Grafen die Sache vortragen.
Darauf ließ sich der Abt nicht ein. Darauf bemächtigten sich die kurpfälzischen Beamten der Burg St. Paul, einer der vier weissenburgischen Befestigungen zum Schutz der Abtei. Die Weissenburger stellten sich allmählich auf Seiten des
Abtes. Sie sahen, dass das Vorgehen des Vogtes und Kurfürsten eigentlich nicht rechtens war. Dieser blieb aber weiter dem eingeschlagenen Weg. Abt und Propst entkamen. Vorher hatten sie noch Wertsachen und Urkunden auf Burg
Drachenfels bringen lassen können. Das Entkommen der beiden lag nicht im Plan des Kurfürsten. Den er wollte sie eigentlich zur Resignation zwingen. Die Feindseligkeiten setzten ihn aber der Gefahr aus, mit kirchlichem Bann belegt zu werden.
Es kam zu allgemeinen Unruhen. Die zehn Reichsstädte hatten sich mittlerweile auf Betreiben Weissenburgs in Straßburg versammelt. Der Rat der Städte sandte eine Botschaft an den Kurfürsten nach Heidelberg. Dieser sah verhängte aber
im Gegenzug eine Strafe von 3000 Gulden über Weissenburg. Das wieder verweigerte der Rat der Stadt. Mittlerweile war Erntezeit und die Erntearbeiter wurden von Bewaffneten geschützt. Der Kurfürst hatte mittlerweile einen
italienischen Rechtsgelehrten an den päpstlichen Hof nach Rom gesandt, um dort Anklage gegen den Abt und Probst zu erheben. Aber auch Abt Jakob hatte einen Vertreter dorthin gesandt, seinen Kaplan, einen Mönch namens
Stephan Widtman. Der schien die Sache des Klosters aber gut vertreten zu haben, denn der Abt des Kloster Gottesaue wurde zum päpstlichen Bevollmächtigen ernannt und beauftragt, auf gerichtlichem Wege, notfalls mit geistlichem und
weltlichen Bann so lange gegen den Kurfürsten vor zugehen, bis das Kloster wieder zu seinem Vermögen und seinen Einkünften gelangt sei. Auch an den Kaiser, der Abt Jakob ja als Reichsfürsten belehnt hatte, wandte sich der
vertriebene Abt. Dort war Peter Brentz aus Ugelnheim für die Sache tätig und auch er war erfolgreich. Der Kaiser befahl allen Lehensleuten des Stifts, dass sie ihr Lehen nur von Abt Jakob empfangen sollen.
Außerdem befasst er sich zweimal direkt mit dem Abt. Am 31 07.1469 “gebietet Weissenburg i. E. den vertriebenen Abt Jakob von Bruck wieder einzusetzen” (Friedrich III. in RR Literaturbeleg) und am 08.01. 1470 heißt es an den Kurfürsten
“gebietet Pfalzgf. Friedrich bei Rhein, Abt Jakob und Propst Anton von Weissenburg
im Besitz ihres Klosters zu lassen, sowie ihnen ihren Besitz usw. auszufolgen (Friedrich III. in RR Deperditum)
Am 24.1469 gingen die päpstliche und kaiserliche Entscheidung dem Stadtrat zu. Es war allerdings nicht ganz einfach, die Anordnungen in die Tat um zu setzen, den der Kurfürst hielt ja alle Wege nach Weissenburg besetzt. Der Abt war ja bei seinem
Lehensmann, dem Markgrafen von Baden in der Stadt Baden untergekommen. Ein dort ansässiger Bürger, der aus Weissenburg stammte, brachte den Abt nun als Frau verkleidet auf einem Karren nach Weissenburg. Der Abt gelangte unerkannt in die Stadt
und kam dort zunächst im Augustinerkloster unter. Am 1. November holte ihn der Stadtrat dann dort ab und er wurde feierlich wieder in sein Amt eingesetzt. Der Kurfürst befahl darauf, dass dem Stift keinerlei Zinsen mehr zu bezahlen seien, sondern alles
in St. Paul, das der Kurfürst ja besetzt hielt, abzuliefern sei. Am 27. November begann der Kurfürst die Stadt zu belagern. Für die Stadt kam das ziemlich unerwartet, den ihr Gegner war ja ihr Landvogt und hatte ihnen ja Schutz und Schirm geschworen.
Weissenburg wandte sich sofort an den Zehnstädtebund. Die Reichsstädte waren zusammen gekommen, hatten aber nur einen zehntägigen Waffenstillstand erreicht.
Der Kurfürst hatte sein Quartier in St. Panthaleon genommen,das im Zuge dieser Aktion stark beschädigt wurde. Bei weiteren Vermittlungsversuche blieb der Kurfürst unnachgiebig und er provozierte weiter, so ließ er bei Schweigen Kastanienbäume schälen.
Das schaukelte sich weiter hoch. Dörfer wurden angezündet, die Mühle bei St. Remig zerstört. Erst im Februar gab der Kurfürst schließlich nach. 71 Tage hatte er die Stadt belagert. Er versprach, den Abt und seinen Propst in ihren kirchlichen Würden zu
belassen. Doch schon zwei Monate später wurde erneut gekämpft. Der Kaiser hatte Herzog Ludwig von Baiern, Graf zu Veldenz zu seinem Feldhauptmann ernannt und er rief zum Krieg gegen den Kurfürsten auf. Der Propst von Gottesaue sprach
den Bann über den Kurfürsten, den Vogt von Germersheim und einige weiter Beamte aus, auch gegen Dörfer, die sich feindselig gegen den Abt gezeigt hatten. Dagegen erließ der Kurfürst eine Appellation, der sich auch der Speyrer Bischof
Matthias anschloss. Er gebot seinen weltlichen Priestern, vor allem denen, die vom Kloster unabhängig waren, sich nicht an den Bann zu kehren. Die Elsässer Städte, die zur Landvogtei gehörten, waren diesem immer noch ergeben, zumal er ihnen sagte,
daß, alle gegen ihn unternommenen Massnahmen ohne Wissen des Kaisers und gegen seinen Willen unternommen worden seien. Sie wandten sich nun an den Kaiser gegen den ergangenen Spruch. Es wurde trotzdem heftig gekämpft.
Von Weissenburg aus wurden über dreißig dreißig Dörfer des Kurfürsten oder seiner Anhänger gebrandschatzt. Am 6.November erließ der Kaiser folgende Anordnung “entbindet das Stift Weissenburg i.E. auf ein Jahr von allen Zahlungen und gibt ihm Pfalzgf. Ludwig von Veldenz als Schirmer” (Friedrich III in RR Literaturbeleg). Der neu ernannte Landvogt leistete am 28. März 1471 seinen Eid als Oberlandvogt in Hagenau. Als Kurfürst Friedrich von seiner Absetzung erfuhr, wandte er sich an den Kaiser
und machte sein Recht geltend, die Vogtei zu behalten, da sie ja der Kaiser (Sigmund) an ihn verpfändet habe. Die Reichsstädte im Elsass außer Weissenburg und Hagenau, setzten sich beim Kaiser ein, dass der Kurfürst die Landvogtei behalten kann.
Da das Verhältnis zwischen Kurfürst und Kaiser sehr angespannt war, beließ er Herzog Ludwig als Landvogt.Die Anhänger des Kurfürsten waren aber schon in das Gebiet des Herzogs eingefallen und hatten es mehrfach verwüstet. Herzog Ludwig,
sah sich genötigt, um Frieden nach zu kommen-ohne Wissen des Kaisers. Im Frieden von Heidelberg gab er am 2. September 1472 sein Amt als Landvogt auf. Straßburg vermittelte zwischen Kurfürst und Kaiser und so konnte Friedrich wieder seine Rechte als
Landvogt erlangen und behielt diese bis zu seinem Tod 1476.
Abt Jakob starb am 10. August 1472. Kaiser Friedrich übertrug am 3. Oktober 1472 den Schutz der Abtei dem Rat der Stadt Straßburg.
Heinrich war Abt von 1475 bis 1496. Unter ihm schloss sich das Kloster 1482 der Bursfelder Kongregation an. Er starb auf der Rückreise vom Papst in Florenz 1496. Der Sponheimer Abt Johannes Trithemius war in den Jahren 1488 –1502
vom Generalkapitel der Bursfelder Kongregation mehrfach mit der Visitation linksrheinischer Klöster und der Diözese Speyer beauftragt worden. In dieser Funktion war er auch für das Kloster Weissenburg zuständig. Er zeigte als
Bibliophiler auch Interesse für die Weissenburger Klosterbibliothek und so gelangte er auch zu einer Kenntnis von Otfridhandschriften. Seine detaillierte Kenntnis des Evangelienbuchs läßt darauf schließen, er vor 1494 eine Otfridhandschrift kennen musste.
Auf Heinrich folgte Wilhelm II, der nur 4 Jahre regierte. Unter seinem Nachfolger Rüdiger Fischer wurde das Kloster in ein weltliches Kollegiatsstift umgewandelt.
In die Zeit Abt Heinrichs fällt auch die Fehde, die Hans von Trotha oder Hans von Trapp, wie er in der Pfalz und im Elsass genannt wird, hatte. Die Burg Berwartstein war 1347 an Kloster Weissenburg gekommen. 1453 hatte das Kloster Kurfürst
Friedrich das Öffnungsrecht für die Burg eingeräumt. 1480 gab Philipp der Aufrichtige, der Neffe und Adoptivsohn von Friedrich dem Siegreichen, seinem Gefolgsmann Hans von Trotha die Burg Berwarstein. Dagegen protestierte das Kloster,
denn es sah sich weiter als Eigentümer von Berwartstein an. Ein Jahr später übergab Philipp auch das “Zubehör” von Berwartstein an Hans vom Trotha. Natürlich protestierte das Kloster auch dagegen. Daraufhin ließ der Burgherr auf Berwartstein
kurzerhand die Wieslauter aufstauen, worauf Weissenburg auf dem Trockenen sass. Nach dem zu erwartenden Protest des Abtes ließ der Ritter den Damm aufreißen, was zu einer erheblichen Überschwemmung und Zerstörung in Weissenburg
führte. Abt Heinrich beschwerte sich beim Papst und dieser, Alexander VI. sprach am 8. Juli 1493 den Bann über den Kurfürsten und Hans von Trotha aus, der inzwischen das Amt des Marschalls beim Kurfürsten begleitete,
Auch vor den König war die Sache gelangt. Dieser befahl dem Ritter bis Mai 1494 alle Feindseligkeiten gegen das Kloster einzustellen. Als das nichts fruchtete, wurde er zum nächsten Gerichtstag im September 1494 nach Köln einbestellt.
Der Ritter ließ sich nicht beeindrucken, auch nicht als die Reichsacht gegen ihn ausgesprochen wurde. Insgesamt 4 Verhandlungen vor den Reichstagen verliefen ergebnislos. Das Problem löste sich erst 1503, nämlich
als Hans von Trotha am 26. Oktober starb, übrigens im kirchlichen Bann. Die Sanktionen gegen ihn wurden erst zwei Jahre nach seinem Tod aufgehoben. Er ist in der St. Annakapelle von Niederschlettenbach bestattet.
Das Kloster Weissenburg war einst als Missionskloster gegründet worden. Es hatte über 260 Eigenkirchen, war im heutigen Rheinland-Pfalz, Baden und Elsass reich begütert.Als es in ein Kollegiatsstift umgewandelt wurde, war es völlig verarmt,
besaß gerade noch drei klostereigene Höfe, nämlich einen in Steinfeld, einen in Schweighofen und den Koppelhof. Mehrere Ursachen hatten zu dem Niedergang beigetrage. Die ersten Verluste brachte schon der “Salische Kirchenraub”.
Im 14. Jahrhundert waren es viele Auseinandersetzungen mit der Stadt Weissenburg. Dazu kamen zum Ende des 15. Jahrhunderts die kostenträchtigen Auseinandersetzungen mit dem Pfälzer Kurfürsten.
Vor allem der Übergang von der Eigenbewirtschaftung der Klostergüter zur Vergabe als Lehen, brachte die größten Verluste, denn die Lehensnehmer betrachteten dies mehr und mehr als Eigengut .
Auch der Anfang des 16. Jahrhunderts brachte weitere Verluste. 1511 erheben sich die Bauern gegen ihre geistlichen Herren in Weissenburg, Altenstadt, Schleithal und Seebach. Der Zehnstädtebund geht gegen diese Aufstände vor.
Kurz vorher war auf der rechtsrheinischen Seite im Fürstbistum eine Verschwörung unter Joss Fritz verraten und so vereitelt.Auch in den Reichsritteraufstand unter Franz von Sickingen ist Weissenburg verwickelt.
Dabei wurden die beiden Festungen St. Paul und St. German zerstört.Im Großen Bauernkrieg von 1525 wurde die Festung Vier Türme zerstört. Das Kollegiatstift auf dem Stephansberg wurde verheert und sämtliche Zinsbücher verbrannt.
Das Kloster selbst musste harte Bedingungen eingehen, kam aber sonst unzerstört davon.
1524 genehmigte Papst Clemens VII die Umwandlung in ein Kanonikerstift. An die Stelle eines Abtes setzte er einen Probst, einen Dekan und einen Custos und 12 Kanoniker. 1525 gelang noch die Inkorporation des Klosters Sankt Walburg im Hagenauer Forst, nachdem der
dortige Abt verstorben war. Abt Rüdiger Fischer starb 1545. Ihm folgte der Speyrer Bischof Philipp von Flörsheim nach. Kaiser Karl V. und Papst Paul III. genehmigten die Vereinigung der Propstei Weissenburg mit dem Hochstift
Speyer. Man erhoffte sich im Zeitalter der konfessionellen Spaltung für beide Einrichtungen eine notwendige Stärkung.
Martin Bucer predigte 1522 ein halbes Jahr in Weissenburg. Ab 1533 war Weissenburg weitgehend zum neuen Glauben übergetreten. Die Glaubenskriege der Folgezeit machten Stadt und Region schwer zu schaffen.
Im Laufe des 30-jährigen Krieges gerieten weite Teile des Elsasses unter französische Herrschaft. Die verschiedenen Friedensschlüsse bis 1714 bestätigten die französischen Eroberungen.
Während der französischen Revolution wurde das Stift aufgelöst.
Ludwig I. von Bayern hatte nach dem Tod seines Vaters Maximilian I. Joseph am 13. Oktober 1825 den bayrischen Königsthron bestiegen. Ab 1837 nannte er sich König von Bayern,
Herzog von Franken, Herzog in Schwaben und Pfalzgraf bei Rhein, um alle neu zu Bayern hinzugekommenen Gebiete zu fördern. Er hatte in Kronprinzenzeit viele Reisen nach Italien
unternommen und er hatte sich auch neben Französisch und Spanisch auch in Italienisch ausgebildet. Ein Zeugnis seiner Liebe zu Italien ist die Villa Ludwigshöhe oberhalb von Rhodt unter Rietburg.
Ab 1843 trug sich Ludwig mit dem Gedanken, in der Pfalz einen Sommersitz zu erbauen. 1845 wurden die notwendigen Grundstücke von den Gemeinden Rhodt und Edenkoben erworben.
Dann wurde Friedrich Wilhelm Gärtner, der neben Klenze bedeutendste Architekt in der Zeit König Ludwigs beauftragt, eine “Villa italienischer Art” zu planen. Baumeister Joseph Hoffmann aus Ludwigshafen
führte den Bau aus. Es war nicht nur eine Vorliebe, die Ludwig mit dem geplanten Bau zur Schau stellte. Die Pfälzer hatten durchaus ihre Schwierigkeiten mit der repressiven Politik der bayrischen Verwaltung
in München. So war das Hambacher Fest von 1832 nicht nur Ausdruck vom Wunsch nach Pressefreiheit oder einem einigen Deutschland. Es hatte seinen Ursprung auch in dem Missbehagen, das man mit der Politik
aus München empfand. Hambach und die Ludwigshöhe liegen ja ganz nah beieinander. Ludwig fuhr nun praktisch zweigleisig. Er führte ab den Jahren 1840 ein strenges politisches Regiment. Schon 1832 hatte er 142 “Unruhestiftern”
nach dem Hambacher Fest den Prozess machen lassen. Begleitet wurde die restriktive Politik aber von einem forcierten wirtschaftlichen Ausbau. Der Rheinhafen wurde ausgebaut und nach ihm “Ludwigshafen”
benannt. Eine Eisenbahnlinie von Neustadt ins Saarland wurde gebaut. Der Ausbau der Festung Germersheim oder die Restaurierung des Speyrer Doms war eines seiner Projekte. Auch ein Wiederaufbau der Burg Trifels oder des Hambacher Schlosses
war geplant. Mit dem Trifels wollte er seine Verbundenheit mit der Größe der Salier und Stauferzeit unter Beweis stellen und mit dem Ausbau von Hambach sollte ein Symbol der Demokratiebewegung demontiert werden.
Der Bau der Ludwigshöhe hatte allerdings einige Hindernisse zu überwinden. Zunächst verstarb 1847 der Architekt Friedrich Wilhelm Gärtner. Für ihn übernahm Leo von Klenze die Bauleitung. Gravierendstes
Ereignis, was die Ludwigshöhe betraf, war die Revolution von 1848. Vor allem seine Affäre mit Lola Montez hatte zunächst ausgehend von der Universität zu Unruhen geführt. Die Geliebte des Königs wurde ausgewiesen.
Das verhinderte weitere Unruhen aber nicht. Am 4. März erfolgte der Sturm aufs Zeughaus. Am 6. März unterschrieb Ludwig die sogenannte Märzproklamation, in der er erhebliche Zugeständnisse machen musste.
Am 16. März kam Lola Montez aus der Verbannung zurück. Am 20. März trat Ludwig zugunsten seines Sohnes Maximilian II. zurück. Die Bauarbeiten an der Ludwigshöhe waren immer wieder unterbrochen worden. Die Fertigstellung wurde nun nicht mehr aus der
Staatskasse finanziert. Jetzt musste sie Ludwig privat finanzieren. Erst 1852 war der Bau schließlich vollendet. Ludwig besuchte seine Villa erstmals 1852 zusammen mit seiner Frau. Er verbrachte jeden zweiten Sommer in der Pfalz,
um am 25. August dort seinen Geburtstag zu feiern. Nachdem Tod seiner Frau 1854 kam er immer alleine in die Pfalz. Bis zu seinem Tod 1866 kam Ludwig regelmäßig an seinen Sommersitz.
Der Ludwigshöhe verdankt die Stadt Edenkoben letztlich auch ihren Bahnhof. Zunächst war an der Maximiliansbahn, also der Bahnstrecke über Neustadt-Landau und dann verlängert nach Weissenburg im Elsass in Edesheim und Kirrweiler
Bahnhöfe gebaut werden, nicht aber in Edenkoben, was dort zu heftigen Protesten führte. Man argumentierte mit der Ludwigshöhe und wollte schließlich den abgedankten Monarchen angemessen empfangen. So bekam die Pfälzer
Stadt ihren Bahnhof. Das Empfangsgebäude lehnte sich historisch auch an die Villa Ludwigshöhe an.
Die Villa, obwohl Sommersitz, besitzt keinen Park oder Garten und das auf ausdrücklichen Wunsch Ludwigs. Er fand, ein besonderer Garten sei überflüssig, denn alles Land ringsumher sei, soweit das Auge reicht, ein einziger Garten.
In unmittelbarer Nachbarschaft der Villa ist ein Kastanienwald. Die Stadt Edenkoben wollte anstatt der Kastanien profitablere Weinberge anlegen lassen. Das war nicht im Sinne Ludwigs. Er bot an, die Waldgrundstücke zu kaufen,
der Preis erschien ihm aber viel zu hoch. Nun drohte Ludwig die Bauarbeiten an der Villa einzustellen. Die erschreckte Stadt gab nach und der Wald steht heute noch. Was heute noch bei jeder Führung mit Stolz gezeigt wird, ist die Küche.
Sie ist nahezu unverändert erhalten geblieben, was in deutschen Schlössern nur noch selten zu sehen ist. Auch damals schon war die Küche höchst energieeffizient. Der Hauptherd diente natürlich zum Kochen. Von dort gab es auch über einen Boiler fließend
heißes Wasser. Der Rauch zog durch einen durch den Fußboden verlaufenden Rauchabzug, heizte noch einen externen Backofen und stieg dann zur Räucherkammer auf.
Nach Ludwigs Tod war Ludwig II. Besitzer, der sich allerdings mehr um seine Märchenschlösser kümmerte. Auf ihn folgte Prinzregent Luitpold und dann schließlich Ludwig III. Die Wandgemälde schuf Adalbert Hock um 1900.
Im 1. Weltkrieg wurde die Villa als Militärlazarett genutzt. Nach dem 1. Weltkrieg setzte sich Kronprinz Rupprecht dafür ein, dass die Villa in den Wittelsbacher Ausgleichsfond kam und bewohnte sie mehrfach.
Auch nachdem 2. Weltkrieg ließ er die Villa wieder instand setzen und möblierte sie mit Möbeln aus dem Münchner Leuchtenberg-Palais.
1975 kaufte das Land Rheinland-Pfalz die Villa. In der Villa wurde dann der Gemäldenachlass des Malers Max Slevogt untergebracht, der auch dem Land gehört. Auch Sonderausstellungen werden veranstaltet. Konzerte und Vorträge
werden in der Villa veranstaltet und man kann dort auch heiraten, ein Angebot, das gerne genutzt wird.
Namensgeber der Burg oberhalb des Dorfes Rhodt sind die Herren von Riet. Das pfälzische Geschlecht stammte aus der Gegend zwischen Germersheim und Speyer. Sie waren erst
Lehnsleute der Benediktinerabtei Weissenburg. Erstmals taucht Konrad von Riet in einer Schenkungsurkunde auf. Es ist eine auf 1150 datierte und von Bischof Rapodo von Speyer in
Würzburg ausgestellte Urkunde. Dabei geht es um eine Schenkung des Bischofs und seiner Brüder Hartmann und Otto für das Kloster Eußerthal. Als Zeuge wird ein Konrad von Riet genannt.
Dieser tritt selbst als Schenkender auf und zwar schenkt er seine Güter in Offenbach dem Kloster Hördt. 1195 bestätigt Heinrich VI. diese Schenkung, als er das Kloster in seinen Schutz nimmt.
“Heinrich VI. “nimmt das Stift Hördt (ecclesiam in Herde) mit allen Besitzungen und allen Personen in seinen Schutz, wie es schon sein verstorbener Vater, Kaiser Friedrich, getan habe, und verbietet, das Stift in seinen Besitzungen zu belästigen, namentlich in denen zu Offenbach und Altheim, die Konrad von Riet dem Stift übertragen habe (in Offenbach et Altheim, que allodia Cůnradus de Riet eidem ecclesie contulit). “ (Heinrich VI. – RI IV,3 n. 473 vom 25. September 1195, in Kaiserslautern
ausgestellt). Konrad hatte mit seiner Gattin Adelheid 6 Söhne nämlich Konrad, Hermann, Bertold, Heinrich, Friederich und Eberhart. Der älteste Konrad baute zwischen 1200 und 1204 die Rietburg. In der Urkunde, die Philipp am
29. April 21200 in Spigelberg ausstellt, bestätigt er fast gleichlautend die Urkunde, die Heinrich VI. ausgestellt hatte (RI V,1,1 n. 47). Konrad, der hier als Zeuge auftritt, nennt sich in der Urkunde noch von Ried.
In einer Urkunde des Speyrer Bischofs Conrad III. wird er aber “von Riethberg” genannt. Man kann also annehmen, dass dort jetzt eine Burg steht. Aus den Lehensleuten des Kloster Weissenburg waren nun Lehensleute und Ministeriale
der Staufer geworden. Als Konrad II. starb, übernahm sein Vetter Hermann die Herrschaft über die Burg. Die Staufertreue der Herren von Riet brachte sie aber letztlich um Burg und Herrschaft. 1245 hatte Papst Innozenz IV. den Staufer
Friedrich II. für abgesetzt erklärt. Die deutschen Fürsten hielten aber bis auf wenige geistliche Fürsten zum Kaiser. Unter Führung der Erzbischöfe von Mainz und Köln wählten diese den Thüringer Landgrafen Heinrich Raspe zum Gegenkönig.
Er ließ 1247 Reutlingen und Ulm belagern, wurde bei einem Scharmützel verletzt und zog sich auf die Wartburg zurück. Dort starb am 16. Februar 1247. Die antistaufische Opposition gab aber noch nicht klein bei. Sie wählte nun Wilhelm von Holland zum Gegenkönig.
Wilhelm und seine Gemahlin Elisabeth von Braunschweig, eine Welfin, waren 1255 auf einer Fürstenversammlung. In Begleitung des Reichstatthalters Graf Adolf von Waldeck und ihrer Hofdamen reiste Elisabeth im November von Worms auf den Trifels. Hermann von Riet lauerte ihr und der Reisegesellschaft in Edesheim auf, nahm sie gefangen und brachte sie auf die Rietburg. Aber regionale Fürsten und Städte zwangen Hermann seine Gefangene freizugeben. Er selbst blieb am Leben, die Burg wurde möglicherweise 1255 zerstört.1256 wurde sie Reichsburg. Zusammen mit seiner Gemahlin Christina von Strahlenberg und seinen 3 Schwestern, Jutta von Magenheim, Elisabeth von Steinach und Susanna, Gemahlin Rudolphs von Batzendorf verkauft er den noch verbliebenen Rietburgschen Besitz um 700 Pfund Heller. Was weiter aus Hermann von Riet geworden ist, ist nicht bekannt.
Die Gefangennahme Elisabeths liest sich den Regesten zu Wilhelm so :”Befreiung der königin aus der gefangenschaft der Hermann von Rietberg. Dieser überfiel die königin, welche sich nach der abreise des königs mit graf Adolf von Waldeck nach Trifels begab, bei Edesheim (zwei stunden nördlich von Landau), beraubte sie ihrer kleinode, und führte sie gefangen auf seine nordwestlich von Edesheim gelegene burg Rietberg. Indessen wurden sie am 4 dec. wieder befreit, nachdem Ludwig herzog von Baiern, Friedrich graf von Leiningen, die Raugrafen, Philipp von Hohenfels, Philipp von Falkenstein und Werner von Bolanden mit den bürgern von Worms Oppenheim und Mainz vor die burg gezogen waren und den Hermann von Rietberg zur unbedingten übergabe genöthigt hatten. “
(Wilhelm – RI V,1,2 n. 5285a vom 4. Dezember 1255)
Rudolf von Habsburg übergibt die Burg an Otto III. von Ochsenstein. Rudolfs Schwester Kunigunde war in zweiter Ehe mit Otto verheiratet. Rudolf hatte seinen Verwandten zum Landvogt vom Elsass und Breisgau ernannt.
Otto III. Tochter, Agnes heiratet den Grafen Joffried von Leiningen . Dadurch kam die Rietburg wohl an Leiningen. Joffrieds Vater hatte diese zusammen mit den Orten Weiher, Fischlingen und
Schifferstadt an das Bistum Speyer verkauft. Wann genau das geschehen ist, lässt sich nicht sagen, aber 1325 befand sich dort der bischöfliche Burggraf Johannes. 1330 war Walram in Speyer Bischof. Wegen der finanziellen Schieflage des Bistums
verpfändete er in diesem Jahr die Burg und die Dörfer Weyher und St. Martin an die Witwe seines Neffen und deren Kinder, des verstorbenen Grafen Friedrichs von Veldenz um dreitausend Pfund Heller. Die Witwe verpflichtete sich aber, in einer
am selben Tag ausgestellten Urkunde, diese für dieselbe Summe wieder an den Bischof oder dessen Nachfolger auszulösen.Das schaffte dann aber erst sein Nachfolger, Bischof Gerhard. Er hatte dafür einen Teil des Ertrages des Bienwalds an Ritter
Eberhard von Kageneck versetzt. Es reichte nicht ganz. Er mußte noch zusätzlich Geld vom Propst Peter von der Mur zu Wimpfen aufnehmen. 1349 war die fürs Hochstift wichtige Burg wieder im Besitz des Hochstifts. Allerdings konnte der Bischof
die Finanznot des Bistums nicht dauerhaft lindern und so musste er weiter schauen, wie er zu Geld kam. Damit die Burg Rietburg nicht in fremde Hände kam, verkaufte er sie zusammen mit Weyher und St. Martin für 3000 Pfund Heller an das eigene Domkapitel mit dem Recht, diese für dieselbe Summe wieder zu kaufen. Erzbischof Gerlach von Mainz segnete 1366 diesen Handel ab. Die Zeiten blieben aber schlecht. 1349 wütete die Pest in Speyer, was unter anderem ein Pogrom gegen die Juden in der Stadt zur Folge hatte. Güter konnten nicht bestellt werden. Die Rietburg war in ziemlich schlechtem Zustand. Gebäude, Gräben und Mauern
hätten eigentlich renoviert werden müssen. Zwar hatte Kaiser Karl IV. am 19. April 1366 dem Bischof Lambrecht von Speyer alle Rechte und Besitzungen, die in einer umfassenden Urkunde aufgeführt sind bestätigt (Karl IV. – RI VIII n. 4298)
Lambrecht war enger Berater Kaiser Karls.
Das änderte aber nichts an dem Reparaturbedarf der Burg. Aber auch das Domkapitel hatte wegen ”wersals und kriege” nicht das dazu nötige Geld. Im Dezember 1373 besiegelte Bischof Adolf von Nassau seinem Domkapitel die Erlaubnis zum
Verkauf der Rietburg und der der Dörfer Weyher und St. Martin für 3800 Gulden an den “ehrsamen und frommen Ritter” Arnold von Engassen mit dem Vorbehalt des Rückkaufs für diese Summe. Der Ritter musste
sich verpflichten, 400 Gulden für die Ausbesserung der Burg einzusetzen, mit dem Recht, diese bei Rückkauf auf die Kaufsumme aufzuschlagen. Es wurde außerdem vereinbart, dass Arnold und seine Nachkommen stets Mannen des Stiftskapitels
sein müssen.
Inzwischen war Nikolaus Bischof von Speyer geworden. Dem neuen Speyrer Oberhirten fehlte das nötige Geld, die verpfändeten Burgen des Hochstifts einzulösen. Er genehmigte aber den Ankauf eines Drittels des Anteils an der Rietburg an Hans
Contzmann, den Vogt von Pforzheim. Er verwendete auch viel Geld, um die Speyrischen Burgen, darunter die Rietburg wieder auszubessern. Kurz danach konnte er auch die Verpfändung der Rietburg einlösen und so kam sie wieder ganz an das Hochstift.
Allerdings musste sein Nachfolger Raban die Burg wieder verpfänden und zwar an Graf Friedrich von Zweibrücken-Bitsch. Bis 1434 hatte Bischof Raban die Pfandsumme bei den Grafen von Zweibrücken-Bitsch abgelöst und nun setzte er seinen
Neffen Hanns von Helmstatt als Burgvogt ein. Bischof Reinhard, der Nachfolger aus der Familie von Helmstatt war der Sohn des Amtmanns Hanns von Helmstatt. Er setzte Simon von Zeiskam als Burgvogt auf der Rietburg ein.
In den Jahren um 1460 war es zu zahlreichen Fehden zwischen dem Kurfürsten Friedrich I. von der Pfalz und Herzog Ludwig von Pfalz-Zweibrücken gekommen. Die Pfalz hatte die Grafschaft Veldenz an Ludwig zu Lehen gegeben, war aber mit der
Vererbung in weiblicher Linie nicht einverstanden, war Ludwig in einen prinzipiellen Gegensatz zu seinem Vetter, dem Kurfürsten geraten, der auch in militärische Auseinandersetzungen ausgetragen wurden.
Auch die Rietburg wurde davon betroffen. Deer Speyrer Bischof war mit dem Kurfürsten verbündet. Auf der Gegenseite standen die Grafen von Leiningen. Die Haufen des Grafen von Leiningen nahmen die Burg ein. Zu dieser Zeit waren viele Vorräte und auch Geld auf der Burg. Bewohner der bischöflichen Dörfer zogen vor die Burg. Man einigte sich mit den Leiningern auf Abzug.Diese ließen die Burg leer und geplündert zurück.
Den Bauernkrieg von 1525 hatte die Burg unbeschadet überstanden.
Albrecht II. Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach war der Markgraf, der es auf kirchliche Güter abgesehen hatte auch in das Gebiet des Hochstift Speyer eingefallen und dort viele Orte gebrandschatzt. Er hatte auch die Rietburg besetzt. Auf die Kunde
vom Anrücken des Heeres von Karl V. zog er dann allerdings ab, ohne weiteren Schaden anzurichten.
Im Dreißigjährigen Krieg aber kam das Ende für die Burg. Sie wurde zerstört. In einem amtlichen Bericht von 1681 wird sie als Ruine genannt.
1822 kaufte Rhodt den Burgberg mitsamt der Ruine.
1931 errichte der Pfälzer Waldverein in den Ruinen eine Hütte.
1954 wurde der Sessellift erbaut. Die Talstation ist oberhalb der Villa Ludwigshöhe. Das ist das Schloss, das der bayrische König Ludwig I. von 1846-1852 errichten ließ.
Die Burg ist eine der populärsten Burgen der Pfalz, was mit ihrer wichtigen Rolle in der Zeit der Salier und Staufer zusammenhängt. Erstmals urkundlich wird 1081 und so sie für uns greifbar Ein Diemar von Trifels
wird 1081. genannt.Allerdings gibt es Funde aus der Kelten-und der Römerzeit, die belegen, dass es auf dem Sonneberg über dem heutigen Annweiler schon Wehranlagen gegeben hat. 1937 wurde ja intensiv
am Trifels gegraben und dabei wurden Reste einer hölzernen Burganlage entdeckt, die aus dem 10. Jahrhundert stammen, also schon in die Zeit der Sachsenkaiser zurückgehen.
Diemar von Trifels stammt aus der Familie der Reginbodonen, einem mittelrheinisch-fränkischen Adelsgeschlecht. Er war wahrscheinlich mit Adelheid,einer Schwester des Speyrer Bischofs Johann (1063-1104)
verheiratet.Ihre Mutter Azela war nach den Speyrer Annalen eine Schwester Kaiser Heinrichs IV. Diese Eheschließung brachte ihn auch in den Besitz der Burg Trifels. Dieser Diemar gehörte der Opposition gegen
Heinrich IV. an. Er übergab sein Erbgut an seine Neffen mit der Maßgabe, es an Kloster Hirsau weiterzureichen. Mit den Schenkungen an die Hirsauer Mönche, die damals gerade ihre Tochtergründung Reichenbach in der Nähe gründeten, wurde das einfacher.
So erscheint Diemar auch im Schenkungsbuch des Klosters, das zwischen 1099 und 1105 und ein zweites das 1145-1153 verfasst wurde. Dort wird der Trifels erstmals erwähnt und zwar im Jahre 1081. Als Besitzer wird Diemar genannt,
der sich schon nach dem Trifels nannte. Das Schenkungsbuch vermerkt auch, dass dieser Diemar in Hirsau ins Kloster eintrat. Die Burg hat er, wie das Schenkungsbuch berichtet, dem König übergeben. Das war allerdings Heinrichs Gegenkönig
Hermann von Salm (um 1035-1088). Die Sachsen und Schwaben haben ihn 1081 in Ochsenfurt als Gegenkönig zu Heinrich gewählt, während dieser in Italien weilte.
Die Schenkung wird auch im Hirsauer Codex angeführt: “Diemar von Trifels [gab] 12 Hufen und einen Weingarten und eine Mühle in Obernkeim und zehn Hufen und eine halbe Mühle in Zuzenhausen und drei Hufen in [Neckar-] Katzenbach mit dem ganzen Recht und Eigentum unter der Bedingung, dass dies den Brüdern des heiligen Gregor zugestanden wird [n.1082]”
Der Nachfolger von Bischof Johann, Bruno von Saarbrücken (1107-1123) gab Ansprüche auf den Trifels und die Madenburg an seinen Bruder Adalbert I. weiter, der Erzbischof in Mainz war. Kaiser Heinrich V. hatte diesen 1112 gefangen genommen und von ihm
die Herausgabe des Trifels erzwungen, der sich also in seinem Besitz befunden haben muss. Er war zunächst entschiedener Parteigänger des Königs. Er hatte ihn auch in seinem Kampf gegen seinen Vater Heinrich IV. unterstützt.
Heinrich V. hatte ihn 1110 zum Erzbischof von Mainz ernannt und war bis 1112 auch sein Kanzler. Dann allerdings kam es zu Bruch, wohl auch weil er zu eigenständige Territorialpolitik in seinem Bistum verfolgte. Vor allem aber ging es
um Besitzrechte und zwar auf der Madenburg und dem Trifels. Er setzte ihn auf dem Trifels fest. Die Gründe erschienen schon den Zeitgenossen fadenscheinig. Ihm wurde Hochmut, charakterliche Verkommenheit
aber auch eine Verschwörung vorgeworfen. Allerdings vermerkt der Chronist Ekkehard von Aura “quod vix quisquam crederet” (was kaum jemand glauben wollte). Er wurde 1113 kurz freigelassen, aber nur, um den Trifels zurückzugeben.
Das geschah an Ostern 1113, als Heinrich V. in Worms war. In Urkunden aus der Zeit von 1113 bis 1116 treten ein Konrad, Werner und Heinrich “von Trifels” als Zeugen auf.Wahrscheinlich waren sie von Heinrich auch mit der Burgverwaltung betraut
worden. Der Kaiser nutzte die Burg zu mehreren Zwecken. Sie war Gefängnis. Bischof Adalbert war ja dort inhaftiert, bis er die Burg übergab. Von 1113-1115 war Wiprecht von Groitzsch auf dem Trifels gefangen. Er hatte an der Seite Heinrichs IV.gekämpft,
war auch Gefolgsmann des Sohnes. Als er aber ein Bündnis mit dem Landgrafen Ludwig von Thüringen und Graf Siegfried von Orlamünde gegen Heinrich geschlossen hatte, wurde er 1113 bei Warnstedt unter der Führung Hoyers von Mansfeld geschlagen.
Über Wiprecht wurde die Todesstrafe verhängt, dies dann allerdings gegen Einziehung seiner Güter wieder aufgehoben. Er wurde dann auf dem Trifels inhaftiert.
Kurz vor seinem Tod in Utrecht am 23. Mai 1125 übergab Heinrich die Reichsinsignien seinem Gefolgsmann Friedrich von Schwaben. Dieser verbrachte sie auf den Trifels, wo sie bis 1298 dreimal verwahrt wurden.
Seine Hochzeit erlebte der Trifels in der Stauferzeit. Man liest zwar öfter, der Trifels sei die Lieblingsburg Kaiser Friedrich I. Gemessen an der Zahl seiner Aufenthalte scheint das nicht zu untermauern zu sein. Er war nur zweimal auf dem Trifels.
Auch gibt es nur zwei Urkunden, die auf dem Trifels ausgestellt worden sind, eine am 11.12. 1155. Sie betrifft das Augustinerchorherrenstift Hördt. Die andere ist 2.8. 1174 ausgestellt und dort wird den Bürgern Zollfreiheit gewährt.
Am 11,11.1186 stellte Friedrich das Kloster Eußerthal, das 1148 gegründet worden war, unter den Schutz des Reiches. Das ist im Zusammenhang mit dem Trifels interessant, da die Mönche als Burgkaplan auf dem Trifels tätig waren und während der
Aufbewahrungszeit der Reichskleinodien auf dem Trifels, diese auch zu bewachen hatten. Unter seine Sohn Heinrich rückte die Burg ins Zentrum des politischen Geschehens. Er suchte die Burg öfters auf. Auch er stellte Urkunden auf dem Trifels aus.
So nahm auch er das Kloster Eußerthal mit der Urkunde vom 12. Mai 1194 in seinen Schutz und den Abt Wichmann, wobei die besondere Frömmigkeit dieses Abtes gerühmt wir. Auch unter Heinrich gab es Gefangene. Da war einmal
der berüchtigte normannische Seeräuber Margeritos von Brindisi, der im Dienste von Wilhelm II. von Sizilien stand. Bei der Belagerung von Palermo wurde er gefangen genommen und geblendet.Mit ihm kam auch ein naher Verwandter seiner Frau,
ein Graf Richard in Haft. Er wurde ebenfalls geblendet. Beide waren bis zu ihrem Lebensende auf dem Trifels eingekerkert. Der prominenteste Häftling war aber sicher Richard Löwenherz. Der 3. Kreuzzug endete nicht nur für Friedrich Barbarossa
unglücklich, der ja 1190 im Fluss Saleph ertrunken war. Richard hatte sich bei Akkon mit Leopold von Österreich, der nun die deutschen Kreuzfahrer anführte, überworfen. Auch anderen Kreuzzugteilnehmern gegenüber hatte er sich recht undiplomatisch verhalten,
so gegen den französischen König Philipp II. Er handelte einen Waffenstillstand mit Saladin aus. Philipp war nach der Schlacht von Akkon schon nach Frankreich zurückgekehrt. Dort hatte er mit Richards Bruder Johann Ohneland, der England während Richards
Kreuzzug England verwaltete, einen Vertrag abgeschlossen. Dieser gab dem französischen König einen Teil der englischen Besitzungen in Frankreich. Im Gegenzug sicherte er Johann für die restlichen Gebiete Verwaltungshoheit zu.
Auf diese Nachrichten aus der Heimat hin, brach Richard den Kreuzzug ab. Auf der Fahrt übers Mittelmeer erfuhr Richard, dass der französische König alle Häfen sperren lassen hatte. Der Sage nach wurde Richards Schiff von Piraten angegriffen. Sein Schiffskoch und
der Piratenkapitän kannten sich aber. So konnte Richard auf das Piratenschiff umsteigen. Auf der Halbinsel Istrien wurde er zusammen mit einem Begleiter abgesetzt. Er zog nach Kärnten, wurde dort zwar erkannt aber nicht gefasst.
Er wollte weiter nach Bayern zu seinem Verwandten Heinrich dem Löwen. Er entschied sich, nicht über die verschneiten Alpen, sondern über den Semmering nach Bayern zu gelangen. Dazu musste er über Wien. In Erdberg, einem Vorort von Wien, fiel er wieder auf und
wurde dieses Mal gefasst. Er wurde Leopold vorgeführt und dann nach Dürnstein gebracht. Dort wurde er längere Zeit festgehalten. Inzwischen hatte Leopold Heinrich VI. über seinen Fang informiert. Dieser hatte mit dem französischen König
vereinbart gehabt, Richard gefangen zu nehmen.
Heinrich und Leopold schlossen nun einen Vertrag, dass Richard erst nach Zahlung einer stattlichen Lösegeldsumme frei kam. Richard sollte nämlich 100.000 “Kölner Mark” zahlen. Das entspricht 23 Tonnen Silber!
Das führte dazu, dass bis heute keine größeren Gegenstände aus Silber aus dieser Zeit in England vorhanden sind.
Außerdem sollte Richard Waffenhilfe für einen Feldzug Heinrichs nach Sizilien leisten. Es wurden noch einige Heiratsvereinbarungen getroffen. Richard sollte sich beim Papst, dafür einsetzen, dass Leopold nicht exkommuniziert wurde.
Einen Mann gefangen zu nehmen, der das Kreuz genommen hatte, noch dazu einen, der als Kreuzzugsheld galt, war ein schwerer Verstoß gegen den Kreuzzugsgedanken.
Leopold erklärte sich nun bereit, Richard gegen einen Anteil des Lösegelds nach Deutschland auszuliefern. Auf dem Reichstag von Speyer im März 1193 wurde Richard übergeben und danach auf dem Trifels in Gefangenschaft gebracht.
Richard wurde natürlich in allen Ehren behandelt. Er schmachtete keineswegs bei Wasser und Brot. Er konnte sich, zwar unter Bewachung frei bewegen, sogar Besucher und Abordnungen empfangen und Verhandlungen führen.
König Philipp von Frankreich und Richards Bruder Johann Ohneland wollten eine Freilassung natürlich verhindern. Das versetzte Heinrich in eine sehr komfortable Lage, die er rücksichtslos ausnützte. Neben der Fahrt auf dem Piratenschiff ranken sich auch sonst
einige Sagen um den Aufenthalts Richards auf dem Trifels. Die bekannteste ist die von dem Minnesänger Blondel. Er reiste auf der Suche nach seinem König von Burg zu Burg und sang dort immer ein Lied, das nur Richard bekannt war.
Auf dem Trifels erklang nun die Antwort des Königs auf die Erkennungsmelodie. So wusste der Sänger, dass Richard auf dem Trifels ist und konnte befreit werden. Das allerdings ist nicht die historische Realität.
Im Winter traf dann das Lösegeld ein und Richard Löwenherz wurde zu dem Reichstag nach Mainz eingeladen. Von dort konnte er in Begleitung vieler englischer Adliger das Land verlassen. Zuvor hatte er sein eigenes Land
aus der Hand des Staufers entgegennehmen müssen. Er wurde am 17. April 1194 in Winchester nochmals festlich gekrönt, um keinen Zweifel an der Souveränitat aufkommen zu lassen. Nach seiner nochmaligen Krönung musste Richard seine französischen
Besitzungen verteidigen. Er kam bei Kämpfen bei Limoges 1199 ums Leben. Heinrich aber war auf dem Höhepunkt seiner Macht angelangt. Er konnte nicht zuletzt dank des Lösegelds das Normannenreich erobern. Auch der dabei in die Hände der Staufer gefallene
Normannenschatz wurde auf dem Trifels verwahrt. Auch hochrangige sizilianische Gefangene, darunter Erzbischof Nikolaus von Salerno, kamen auf die Burg. Nikolaus war Berater von Tankred und Wilhelm II.von Sizilien. Er wurde der Verschwörung gegen Heinrich verdächtigt und kam auf den Trifels. Erst Philipp von Schwaben hatte die sizilianischen Gefangenen 1198 freigelassen. Nikolaus ist dann in der Umgebung des Papstes Innozenz III. (1198 bis 1216) nachzuweisen. Wezel von Berg, ein Reichsministerialer, war zu der Zeit Burgverwalter. Das muss er schon in Barbarossas Zeiten gewesen sein, den er tritt in Urkunden als Zeuge auf, zum Beispiel im
November 1186(RI IV,2,4 n. 3028) und wird dort als Wezel von Berg/Trifels aus der Reihe der Ministerialen aufgeführt.
1206 beherbergte der Trifels einen weiteren prominenten Gefangenen, den Kölner Erzbischof Bruno IV. Der Thronstreit zwischen Philipp und Otto zeigte sich im ganzen Reich. Als der Kölner Erzbischof Adolf I, bisher Parteigänger Ottos, die Seiten
wechselte und zu Philipp überging, wurde er exkommuniziert. Die welfische Partei wählte dann Bruno Graf von Sayn zum Kölner Bischof. Bei der Schlacht von Wessenberg 1206, bei der das welfische Heer vernichtet wurde, fiel er in die Hände Philipps.
Er wurde auf den Trifels verbracht und blieb dort für ein Jahr gefangen. Dann wurde er in Richtung Rom entlassen. Erst nach der Ermordung Philipps konnte er in sein Bistum nach Köln zurückkehren.
Heinrich VI. starb früh, schon im Alter von 32 Jahren 1197 im September 1197 wohl an Malaria. Allerdings ging auch das Gerücht um, seine Frau Konstanze habe ihn vergiften lassen.
Als Philipp 1208 in Bamberg ermordet wurde (siehe dazu auch Blog Andechs) verwaltete der Speyrer Bischof Konrad von Scharfenberg die Reichsinsignien. Er war kurz vor seinem Tod von Philipp zum Reichskanzler ernannt worden.
Er stammte von der Burg Scharfenberg, das ist die Burg, die direkt neben dem Trifels liegt. Das Königtum war zwischen Philipp von Schwaben und seinem Gegenspieler Otto IV. aus der Familie der Welfen bisher strittig.1198 waren mit Philipp und Otto
zwei Könige gewählt worden. Otto wurde am 12. Juli 1198 in Aachen zum König gekrönt. Die Insignien befanden sich allerdings in der Hand des Staufers Philipp. Zur Krönung hatte sich Otto von niederrheinischen und französischen Goldschmieden
neue anfertigen lassen. Reichsschwert und Reichsapfel sind bis heute erhalten. Nach der Ermordung Philipps wurde der Speyrer Bischof auch von Otto ausdrücklich als Reichskanzler bestätigt.
Daraufhin übergab er die Insignien an Otto, nun König ohne Gegenspieler. Allerdings machte nun auch Friedrich II., “das Kind von Pülle”, der Sohn Kaiser Heinrichs VI. seinen Anspruch geltend. Er war beim Tod seines Vaters erst 2 Jahre alt und kam somit für die Thronfolge natürlich noch nicht in Frage. 1211 hatte das Reich wieder zwei Herrscher, denn die Erzbischöfe von Mainz und Magdeburg, Siegfried und Albrecht, Landgraf Ludwig von Thüringen und der böhmische König Ottokar wählten ihm zum “anderen König”.
Von Italien aus begab sich Friedrich nach Deutschland. Am Bodensee konnte Friedrich mit Konstanz eine bedeutende Stadt im Südwesten gewinnen, nur weil er ein bisschen früher in Konstanz war und dort durch Bischof Konrad eingelassen wurde.
Bei Bouvines erlitt Otto eine vernichtende Niederlage als er zur Unterstützung seines englischen Bündnispartners Johann Ohneland mit seinem Heer nach Frankreich aufgebrochen war. Damit war die Partie für Friedrich entschieden.
1215 befand sich der Trifels in der Hand Friedrichs. Er maß der Burg und der Stadt, die sich unterhalb des Trifels befand, Annweiler große Bedeutung zu. 1219 erhob Friedrich II. Annweiler zur freien Reichsstadt. Es ist damit zweitälteste Stadt der Pfalz.
Außerdem verlieh er seiner neuen Stadt das Münzrecht. Zunächst hatten nur Bischofskirche und Abteien das Münzrecht. Annweiler war die erste Stadt überhaupt, die das Münzrecht erhielt. Der Ertrag aus dem Münzrecht sollte ausdrücklich für
den baulichen Unterhalt des Trifels verwendet werden. Es wurden dann auch wirklich umfassende Baumaßnahmen durchgeführt. Der 12111 geborene Sohn Friedrichs Heinrich war 1220, also mit 9, zum römisch-deutschen König gewählt worden.
Die Reichsverweserschaft übernahm der Kölner Erzbischof Engelbert von Köln. Als dieser 1225 starb, übernahm Ludwig der Bayer dieses Amt. 1228 wechselte er aber auf die Seite des Papstes. Nun übernahm Heinrich selbst die Regierung.
1232 kam es aber auch zum Bruch mit dem Vater. 1235 verweigerte Heinrich dem Vater die Herausgabe des Trifels und damit auch der Reichsinsignien. Im Swiggerstal schlug Friedrich seinen Sohn. Er musste sich in Wimpfen unterwerfen.
Er setzte mit Konrad von Osternohe einen Parteigänger als Burgverwalter auf dem Trifels ein. Er war ein Deutschordensritter und verwalte wohl auch das Amt Trifels mit. Laut Reichssteuerverzeichnis von 1241 war das Amt eines der ergiebigsten
Besitztümer des Reiches. Auf ihn folgte 1242 der Reichsministeriale Konrad Kropf von Flüglingen, der Konradin nach Italien begleitet hatte und in der Schlacht bei Tagliacozzo mit ihm als sein Marschall in Gefangenschaft geriet und dann in Neapel hingerichtet wurde. 1246 war Reichstruchsess Philipp I. von Falkenstein Burgverwalter. Dieser stammte aus der Familie von Bonlanden. Verwalter der Reichsinsignien auf dem Trifels war mit Unterbrechungen bis 1259. Konrad IV., der einzige Sohn Friedrichs aus der Ehe mit
dessen zweiter Ehefrau Isabella von Brienne war von 1235-1254 Herzog von Schwaben. 1237 war er als 8-Jähriger zum römisch-deutschen König gewählt worden.
In einer am 17. September 1246 auf dem Trifels ausgestellten Urkunde bestätigte König Konrad IV. “dass Isengard, die hausfrau seines truchsessen Philipp von Falkenstein, ihm geantwortet habe die burg Trivels und die kaiserlichen zeichen, mit namen unsers herrn holz mit einem goldnen kreutz, St. Johann baptisten zahn, St. Mauricien speer, unsers herrn nagel, das kreuz mit der ketten und dem heiligthum, die goldene krone mit goldenem kreuze, zwei schwerter mit zwei scheiden, den goldenen fingerring mit dem rubin und vier saphiren, den goldnen apfel mit einem kreutz, den kaiserlichen mantel, drei goldne sporn, eine albe von weissem sammt, zwei scharlachene hosen und zwei schuhe mit steinen geziert, und andere angegebene gegenstände” übergeben hat.
Der Ministeriale Wilhelm von Wimpfen wird 1251 von Konrad zum Burggrafen vom Trifels ernannt und in einer Urkunde vom 19. September 1253, die Bischof Hermann von Würzburg ausstellt (WUB Band V., Nr. 1269, Seite 33-34) wird Wilhelm als Hüter der Reichsinsignien in Trifels bezeichnet.
Auch nach dem Tod Konrads 1254 waren die Reichsinsignien auf dem Trifels. König Wilhelm von Holland “schreibt dem abt von Egmond seinem vicecanzler, dass als er kürzlich nach Oberdeutschland kam, er dort eine ihm sehr günstige stimmung gefunden habe, dass alle über seinen anblick sich freuen wie eine mutter sich freut über den ihres todt geglaubten sohnes, dass die burg Trifels mit den kaiserlichen zierden, den reichsheiligthümern, der lanze und der krone nunmehr in seinem besitze sei. “
(Regestae Imperii Wilhelm – RI V,1,2 n. 5239 )inzwischen war wieder Philipp I. von Falkenstein Burgverwalter. Nachdem Wilhelm von Holland 1256 in einer Schlacht fiel, gab es wieder eine Doppelwahl. Der Burgverwalter übergab die Insignien an
Richard von Cornwall. Er wurde dann wieder mit der Bewachung der Insignien betraut. Dieses Amt ging an seinen Sohn Philipp II. über. 1273 endete die Amtszeit der Falkensteiner. Auf ihn folgte Reinhard von Hohenecken. Reinhard übergab dem
neugewählten König Rudolf von Habsburg nach dessen Wahl Burg Trifels und die Reichsinsignien. Nun verlor die Burg ziemlich schnell die Bedeutung, die sie während der Stauferzeit gehabt hatte. König Rudolf ließ die Insignien auf Burg Kyburg in der Schweiz bringen, die sich in seinem Besitz befand. Dort wurden die Insignien von 1273-1325 verwahrt. Albrecht von Habsburg, der nach der kurzen Königszeit von Adolf von Nassau auf den Thron kam, ließ 1298 auch den Reichsschatz abtransportieren.
König Rudolf hatte die Burg nach wie vor von einem Burggrafen verwalten lassen. Er machte sie aber auch zu dem Sitz eines hohen Beamten, des Landvogts im Speyergau. Der erste Landvogt unter Rudolf war Graf Friedrich IV. von Leiningen.
Vom 28. Februar 1309 gibt es folgende in Speyer ausgestellte Urkunde: “König Heinrich teilt dem Adligen Raugraf Georg, seinem Getreuen (nobili viri Georgio comiti Irsuto fideli suo dilecto), mit, daß er den Grafen Georg von Veldenz zum Landvogt für den Speyergau ernannt hat (per Spirkowiam provincialem fecimus advocatum); daher befiehlt er ihm, diesem sämtliche Befestigungen und Burgen, die sein verstorbener Vater im Namen des Reiches innehatte, unverzüglich und ohne Widerspruch zu übergeben. – Nobili viro […]. Quia de circumspeccionis industria.” (Heinrich VII. – RI VI,4,1 n. 60)Raugraf Georg war der Sohn des Landvogtes im Speyergau. Er hatte sich in seinem Amt wohl Erpressungen zuschulden kommen lassen. Die Übertragung des Amtes auf den neuen Landvogt könnte durchaus eine Reaktion darauf sein. Am selben Tag hatte er die Ernennung auch den Schultheißen, Schöffen, Ratsherren und allen Bürgern von Kaiserslautern, Weißenburg, Landau, Selz, Hagenbach, Germersheim und Annweiler, seinen Getreuen “ mitgeteilt.
(Heinrich VII. – RI VI,4,1 n. 59#)
Ludwig der Bayer traf am 22. Januar 1330 eine für die Burg folgenschwere Entscheidung: “Ks. Ludwig verpfändet den Pfalzgrafen Rudolf [II.] und Ruprecht [I.] bei Rhein für 6000 Mark Silber die Städte Neckargemünd, Eberbach, Mosbach, Sinsheim sowie die Burgen Trifels, Neukastel, Germersheim, Annweiler, Guttenberg, Falkenburg, Wegelnburg und die Dörfer Haßloch und Böhl.” (Ludwig – [RI VII] H. 4 n. 33).
Die beiden Pfalzgrafen machten Ludwig auf den ungenügenden Bauzustand der als Pfand genommenen Reichsburgen aufmerksam. Da erteilte Ludwig den beiden die Ermächtigung, alles was an den Reichsburgen verbaut würde mit “rechter Kundschaft” zu dem Pfandschilling zu schlagen, also praktisch das Guthaben beim Reich um diese Summe zu erhöhen.Auch Karl IV. anerkannte 1359 eine Höhe der Reichsschuld um 1000 Gulden. Sicher reizten die Pfalzgrafen das auch aus, denn es lag ja durchaus in deren Interesse,
die Wiedereinlösung möglichst zu erschweren oder gar unmöglich zu machen. Die Pfalzgrafen betrachteten die Burg mehr und mehr als ihr Eigentum, wenn sie auch 1353 von Karl darauf hingewiesen wurden, dass der Trifels Reichseigentum war und
kein Erbgut der Pfalzgrafen. Aber einlösen konnte er die Burg nicht. Dazu hatte er schlicht das Geld nicht. Die Pfalzgrafen aber behandelten den Trifels ähnlich wie ihr sonstiges Eigentum. Sie ließen Burg und Amt durch ihre Burgverwalter verwalten.
Da auch die Pfalzgrafen klamm waren, nutzten die Pfalzgrafen 1402 und 1407 die Burg selbst als Pfandobjekt. Sie verpfändeten sie ebenfalls. 1410 gab es einen Besitzwechsel.
Kurfürst Ruprecht III. von der Pfalz, der 1400 zum deutschen König gewählt worden war, hatte 4 Söhne Ludwig (III.), Johann, Stefan und Otto (I.) Im Mai 1410 machte er sein Testament und verfügte die Aufteilung seines Familienbesitzes unter seinen
4 Söhnen. Er starb nur ein halbes Jahr nach der Erstellung seines Testaments und gemäß dem Testament wurde sein Herrschaftsgebiet unter seinen Söhnen aufgeteilt. Das ist die pfälzische Erbteilung von 1410. Der Trifels und die benachbarte Burg Scharfeneck fielen
an Stephan von Simmern- Zweibrücken. Für den Trifels änderte sich zunächst nichts. Nur die Verwaltung wurde ausgetauscht. Nun saßen Amtsleute von Simmern-Zweibrücken auf dem Trifels. Auch die Unterverpfändungen
gingen weiter, so 1427, 1432 und vor 1442.
Der 15. Februar 1486 ist ein weiteres wichtiges Datum für den Trifels. In einer in Frankfurt ausgestellten Urkunde bestätigt Friedrich III. den versammelten Fürsten und Kurfürsten alle vom Reich erhaltenen Ämter und Pfandschaften und zählt diese auf.
Darunter ist auch der Trifels. Das bedeutet für die Burg, dass sie nicht mehr Reichsburg ist. Die Bedeutung der Burg ging aber weiter zurück. Seit 1509 wurde Burg Trifels und Neukastel in Personalunion mit einem Burgverwalter verwaltet und der saß auf
Neukastel.Zwischen 1558-1565 wurde auch das Amt Trifels aufgehoben. Es wurde dem Amt Neukastel inkorporiert.
Im Bauernkrieg 1525 kam der Trifels vergleichsweise glimpflich davon. Die Nachbarburg Scharfeneck war zerstört worden. Der Nussdorfer Haufe hatte zwar Neukastel und den Trifels eingenommen. Da sie aber freiwillig eingelassen worden waren, kam es kaum zu Zerstörungen.Die Burg blieb acht Tage besetzt und die Bauern hielten sich an den Vorräten schadlos. Die geringen Schäden wurden noch im Jahr 1525 repariert.
Seit 1565 lag auch das militärische Kommando bei einem Hauptmann mit Sitz auf Neukastel.1568 ließ Herzog Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken die Räumlichkeiten der Burg wieder instand setzen, vor allem aber Fenster und Türen
diebstahlsicher machen. Aus dem Jahr 1595 ist eine Inventarliste überliefert, die die geradezu armselige Ausstattung der Burg belegt. 1602 wurde die Burg bei einem schweren Unwetter vom Blitz getroffen und brannte weitgehend aus. Die Schäden wurden wohl nur noch notdürftig behoben.
Im Dreißigjährigen Krieg waren um 1632 die Truppen des Grafen Mansfeld in der Gegend . Die Bevölkerung suchte in diesen Zeiten Schutz und Unterschlupf auf dem Trifels. Als dann 1635 die Pest ausbrach, wurde auch der Trifels aufgegeben.
Er wurde 1706 der Stadt Annweiler als Steinbruch überlassen. Schon 1660 ließ Herzog Friedrich Ludwig Marmorplatten und Marmorsäulen aus der Burg nach Annweiler in die dortige Kirche verbringen, weil ihr der Einsturz drohte.
Ab 1841 führte die bayrische Staatsregierung Sicherungsmaßnahmen durch. 1866 wurde der Trifelsverein gegründet. Der Verein hatte sich zur Aufgabe gemacht die Verbesserung der Aufgänge, die Aufräumung der Anlage, die Burgruine den Freunden der Natur und den Verehrern der historischen Vergangenheit näher zu bringen, die Beschwerden beim Bergsteigen zu mindern. Man begann dann auch mit den Aufräumarbeiten, wie es der Vereinszweck vorsah.
Zur Zeit des Nationalsozialismus traf der Trifels plötzlich wieder auf gesteigertes Interesse. Die Nazis sahen den Symbolwert dieser geschichtsträchtigen Burg und nutzten ihn für ihre politische Selbstdarstellung. 1935 wurden wissenschaftliche Grabungen durchgeführt und 1937/38 mit dem Wiederaufbau begonnen. Architekt war Rudolf Esterer. Von 1937 bis 1945 wirkte er als Berater des bayerischen Finanzministeriums in Baufragen. Von 1945 bis 1952 war er Präsident der Schlösserverwaltung .
Er orientierte sich nicht am historischen Bauzustand. Kriegsbedingt stockte der Aufbau sehr rasch und kam nicht zum Ende. 1966 war der Bau weitgehend abgeschlossen. Es erfolgten dann noch weitere Sanierungsmaßnahmen.
Der Ausbau erfolgte dann nicht mehr so, wie Esterer ihn geplant hatte. Man kann aber an dem heutigen Ausbau durchaus nachvollziehen, nach welchen Gestaltungsprinzipien in der Zeit des Nationalsozialismus gebaut wurde
Und das als solches zu dokumentieren, ist ja auch denkmalwürdig.
Christoph Martin Wieland verstarb am 20. Januar 1813 in Weimar.Und so ist es eigentlich folgerichtig, dass 2013 das “Wielandjahr” war und als solches in Biberach mit großem Programm begangen wurde.
Das Museum eröffnete den Gedenkreigen mit der großen Jubiläumsaustellung “Christoph Martin Wieland, der Voltaire der Deutschen”. Das “ Theater ohne Namen” brachte ein Theaterstück zu Wieland.
Eine Abendführung “Nächtliche Annäherung an Wieland” auf den Spuren Wielands folgte den Spuren, die Wieland in Biberach hinterlassen hatte. Ganz zufällig kam für mich noch eine Führung
im Schloss Warthausen dazu, das ja auch sehr eng mit Wieland verbunden ist. Eine Fahrt nach Weimar und ein Besuch von Oßmannstedt rundete mein persönliches Wielandjahr ab.
Als ehemaliger Schüler des Wielandgymnasiums bietet es sich natürlich an, sich mit Wieland auch in einem Blog näher zu befassen. Hingewiesen sei auf die beiden Blogs Sophie La Roche und die Familie von Stadion,
die mit dem Dichter verknüpft sind. Amüsiert hat mich bisher immer, dass der “große Sohn Biberachs” eigentlich gar nicht in Biberach, sondern in Oberholzheim(siehe oberes Bild, das Geburtshaus von
Christoph Martin Wieland in Oberholzheim) zur Welt kam. Ich hab das immer als Hilfskonstruktion gesehen. Oberholzheim war ein spitälisches Dorf, gehörte also Biberach. Bei meinen Recherchen zu Wieland habe ich allerdings
verblüfft festgestellt, dass “Wieland stets Biberach als seinen Geburtsort genannt hat” (in Johann Gottfried Gruber, C.M.Wielands Leben, Leipzig 1827, S.4). Und Wieland ist durchaus stolz auf seine Abstammung.
Im Neuen Teutschen Merkur in der Aprilausgabe von 1800 schreibt er “so findet sich, daß ich, Dank sey dem Himmel! von einer uralten, seit Kaiser Ruperts Zeiten im Gebiete meiner Vaterstadt angesessenen Bauernfamilie
abstamme..” S. 265 und auf der gleichen Seite schreibt er kurz vorher, “waren meine Voreltern seit zweyhundert Jahren bloße Bürger einer freyen Reichsstadt, die (wie ich) von der Feder Profession machten”
Die Familie Wieland war im Schwäbischen weit verbreitet, mit Wielands eigenen Worten eine alte Bauernfamilie. Die Sippen, denen Christoph Martin Wieland entstammten, übrigens auch die seiner Cousine Sophie Gutermann
waren seit der Reformation in Augsburg und Biberach beheimatet. Beide Städte sind etwa zur gleichen Zeit Reichstädte geworden. In Augsburg ist seit 1231 die Heranziehung zur Reichssteuer belegt. Seit 1241 wird Augsburg in den Reichsmatrikeln geführt.
Am 9.3.1276 verlieh Rudolf von Habsburg Augsburg das Stadtrecht und Biberach wurde 1281 zur freien Reichsstadt erhoben. Noch eine Gemeinsamkeit haben beide Städte, nämlich die Parität. Dies ist im Westfälischen Frieden in Artikel V § 3 festgehalten:
“ Die Städte Augsburg, Dinkelsbühl, Biberach und Ravensburg sollen ihre Güter, Rechte und Religionsübung {nach dem Stand} des besagten Jahres und Tages behalten; aber hinsichtlich der Ratsstellen und anderer öffentlicher Ämter soll unter den Anhängern beider
Religionen Gleichheit und gleiche Anzahl sein. “ Dies hatte durchaus eine Auswirkung auf das Lebensgefühl seiner Einwohner. Die Familien gehörten zur Oberschicht der Stadtrepubliken.
Beginnen wir die Ahnenreihe von Christoph Martin mit Georg Wieland. Er war Gastwirt in Biberach und Büchsenmeister der Bauernzunft gewesen. Er hatte auch das Wappen der Familie erworben. Sein 1588 geborener Sohn Sebastian war wie der Vater
Gastwirt auf dem Schwarzen Bären (Marktplatz 2) und war Senator in Biberach geworden. Er begründete auch die Familientradition, ein reichstädtisches Amt zu übernehmen. Aus seiner ersten Ehe mit Apollonia Spät (1590-1622) hatte er sieben Kinder.
Hans Ulrich Wieland, der aus dieser Ehe hervorging, wurde in Augsburg ansässig, daraus wuchs der Augsburger Familienzweig der Familie Wieland. Aus der zweiten Ehe mit Barbara Zoller entstammte Martin Wieland. Dieser studierte in Tübingen,
Straßburg und Basel die Rechte und promovierte zum Dr. utr.jur. Er schlug in Biberach die Ämterlaufbahn ein. Er wird als kräftiger Esser und starker Zecher überliefert und verkörperte wohl durchaus barockes Lebensgefühl. Er war dreimal verheiratet.
Seine erste Frau war Maria Walpurga Wern. Ihr Vater und Großvater waren jeweils Mitglieder des Inneren Rats der Reichsstadt. Das Ehepaar hatte sieben Söhne und fünf Töchter. Der dritte Sohn war Thomas Adam Wieland d.Ä., später Pfarrer in
Oberholzheim wie sein Sohn Thomas Adam d. J., der Vater von Christoph Martin. Dr. Martin Wieland war Geheimer Rat und Spitalpfleger in Biberach. Im Dezember 1674 wurde er zum evangelischen Bürgermeister gewählt. 1674 hatte er auch
das Haus in der Gymnasiumstraße 27 erworben und umgebaut. Die Portalumrandung und die Haustüre ist jetzt noch in Biberach zu bewundern.
Seine zweite Ehe mit Barbara Lay,der reichen Witwe des Biberacher Handelsmann Johann Jakob Altensteig währte nur kurz. Denn Barbara Lay war schon kränklich. Sie starb nur ein Vierteljahr nach der Eheschließung am 6.5.1669.
Sie war auch die Tochter eines reichen Ulmer Handelsmanns und hatte nach Dr. Wielands Worten “ein großes Vermögen hier eingebracht” Kurz nach dem Tode seiner zweiten Ehefrau heiratete Martin Wieland in Augsburg die Witwe seines Halbbruders,
Johann Ulrich, Anna Maria Wieland. Er nahm sich auch der Kinder seines Halbbruders an.
Thomas Adam Wieland studierte Theologie in Tübingen. Seine Dissertation und Disputation mit dem Thema “Disputatio Theologica Contra Fatuum Ignem Purgatorii Papistarum” erfolgte 1676 in Tübingen und ist digitalisiert bei der UB Uni Heidelberg
abzurufen. In der Uracher Stiftspflege Münsingen / 1670-1806 ist 1689 die Bestellung von Thomas Adam Wieland als Pfarrer in Mundingen (heute Teilgemeinde von Ehingen) vermerkt. 1693 tritt er die Pfarrerstelle in Oberholzheim an
und behält diese bis kurz vor seinem Tod 1729. Als 1680 in Biberach eine Predigerstelle neu besetzt wird konnte Dr. Martin Wieland seinem Sohn nicht zu dieser Stelle verhelfen.Es scheint aber auch, dass Thomas Adam sehr zufrieden war, mit
seiner Pfarrerstelle in Oberholzheim. So schreibt L.F. Ofterdinger in ”Christoph Martin Wielands Leben und Wirken in Schwaben und der Schweiz” auf Seite 3: ”Allein es gefiel ihm in dem freundlichen, von blumenreichen Gärten und Wiesen umgebenen Pfarrhause
so wohl,dass er alle Anerbietungen, in seine Vaterstadt zu kommen, ausschlug; lieber “als kleiner Papst” in Oberholzheim hauste und sich mit dem von seinem Vater überkommenem und von seiner Frau mitgebrachten Vermögen heitere Tage machte”.
Thomas Adam Wieland war mit Anna Maria Brigel verheiratet und hatte mit ihr 12 Kinder, von denen mehrere studierten. Dass die Söhne ihm doch auf der Tasche lagen, konnte ihn nicht verdrießen. Er nannte sie seine “Batzenschmelzer”. Zwei waren in
Halle. Sie schrieben ihm nur, wenn sie neues Geld brauchten, was er ihnen aber immer anstandslos schickte. Der ältere studierte Theologie, der jüngere, er hieß Thomas Adam (1704-1772)wie der Vater, studierte Jura in Tübingen. Da starb der ältere und Thomas
Adam d.J. brach sein Jurastudium ab und begann in Halle ein Theologiestudium. Dort lehrte August Hermann Francke, der Begründer des Pietismus. Laut Jutta Heinz im Wieland-Handbuch war Franckes Frau Anna Magdalena eine Verwandte der Wielands in
Biberach. Insofern bestanden also familiäre Verbindungen nach Halle. Thomas Adam d. J. war stark vom Pietismus geprägt. Francke weilte 1717 zu Besuch in Biberach. Er war vom evangelischen Rat eingeladen worden und er hielt am zweiten Adventssonntag eine
Predigt in der Martinskirche. Thomas Adam hörte diese als Dreizehnjähriger und diese beeindruckte ihn so tief, dass er noch im Alter davon erzählte.
Der nächste Sohn Georg Christoph konnte nicht studieren. Er wurde Goldschmied und ist 1684 erstmals in Augsburg nachweisbar. Von ihm sind nur wenige Arbeiten überliefert. Diese weisen ihn aber als handwerklichen Könner und bedeutenden Künstler aus.
Erwähnt sei hier auch, dass es enge Familienverbindungenzwischen den Familien Wieland und Dinglinger gab. Johann Melchior Dinglinger war der bedeutendste Goldschmied und Juwelier des Barock und arbeitete zusammen mit seinem Bruder Georg Friedrich, der
Emailleur war, am Dresdner Hof von August dem Starken.(siehe dazu Blog Die Goldschmiedefamilie Dinglinger)
Zurück zu Thomas Adam. Er wurde am 5. April 1714 in Halle immatrikuliert. Francke war damals Prorektor. 1724 promovierte er in Halle. Seine Dissertation hatte das Thema “De Haeresiologia Secvli Post Christvm Natvm Primi Et Secvndi “. Er folgte seinem Vater auf der Pfarrerstelle in Oberholzheim nach. Kurz nach seiner Anstellung heiratete er Regina Katharina Kick, deren Vater Christoph Martin Wieland in dem oben erwähnten Artikel im Teutschen Merkur beschreibt. Johann Christian Kick habe sich “unter Eugen von
Savoyen und Prinz Ludwig von Baden vom gemeinen Soldaten bis zum Oberwachtmeister hinaufgearbeitet” aber von seinem martialischen Geist sehr wenig auf seine Tochter und seinen Sohn fortgepflanzt” (s.o.). Sie war von pietistischer Frömmigkeit
geprägt. Sie war lebhaft,geistreich und elegant. Sie putze sich auch gerne, soweit das für eine Pfarrersfrau statthaft war.
Am 5. September 1733 kam Christoph Martin als zweites Kind der Familie zur Welt. Insgesamt hatte die Familie fünf Kinder (Johann Gottlieb,Justin Sebastian,Maria Justina Regina) wobei allerdings nur zwei das Erwachsenenalter erreichten, nämlich Christoph Martin
und Thomas Adam, der nach Vater und Großvater benannt war. Er kam am 13.12.1735 noch in Oberholzheim zur Welt. Der Taufschein von Christoph Martin belegt, dass die Familie Wieland gut in Biberach vernetzt war. Taufpaten waren der Spitalpfleger und
Geheime Rat in Biberach Johann Gottlieb Gaupp und Maria Christina Rauch Tochter des Biberacher Apothekers und Oberbaumeister Georg Ludwig Rauh. Diese war in zweiter Ehe mit Major Kick dem Vater Regina Katharina verheiratet und somit ihre Stiefmutter.
Über Georg Ludwig Rauh war die Familie Wieland auch mit der Familie Gutermann verwandt.Thomas Adam hatte das Angebot bekommen, Spitalprediger in Biberach zu werden und anders als sein Vater nahm er dieses Angebot sofort an. Die Familie
zog also 1736 nach Biberach in das Haus in der heutigen Waaghausstraße 3 (Bild siehe oben) Kurz nach dem Umzug erkrankte Christoph Martin an Blattern und zwar so schwer, dass man um sein Leben fürchten musste. Er selbst schrieb später dieser
Erkrankung in Kindertagen sein reizbares Nervensystem sowie eine Schwäche am linken Auge zu. Das Kind erholte sich und sein Vater begann, ihm Lateinunterricht zu erteilen. Da war der kleine Christoph Martin grade mal drei Jahre alt!
Er wechselte dann an die Biberacher Lateinschule, die er von 1739-1742 besuchte. Dort war Johann Jakob Doll Rektor. Er war klein und dick. Seine Frau war “ein kleines,dickes,unförmliches Weibchen, eine streng gebietende, leicht zu erzürnende Trutschel”,
wie Wieland sie beschreibt. Auf die Ehefrau seines Rektors brachte er lateinische Verse zu Papier “in genere adonico”. Da zeigte sich wohl auch schon Wielands satirisches Talent. Er nahm eine Juvenal-Stelle zum Motto: “Et levis erecta consurgit ad oscula
planta” (Leicht mit erhobener Sohle hebt sie sich auf zu seinem Kusse).Von seinem 7. bis 14. Lebensjahr hatte Wieland bereits viele Verse in deutsch und lateinisch geschrieben, die viele Schachteln füllten und die seine Mutter sorgfältig als
“Dichterwindeln” aufbewahrte. Als seine Mutter ihm stolz die Sammlung überreichte, als er von Erfurt zurückkam, verbrannte er sie aber einfach kurzerhand, so dass von seinen dichterischen Gehversuchen nichts übrig ist. Ein Gedicht des 13-Jährigen
ist per Zufall entdeckt worden. 1746 feierte Johann Jakob Gutermann sein 50-jähriges Jubiläum als Prediger. Er hatte in Tübingen und Wittenberg studiert und war dann Pfarrer in Zaberfeld geworden. Ab 1701 kam er als Siechenprediger wieder in seine Heimatstadt
Biberach. Wieland hatte zu diesem Jubiläum ein Preisgedicht auf Gutermann verfasst. Es ist im oben erwähnten “Christoph Martin Wielands Leben und Wirken in Schwaben und der Schweiz” auf Seite 22/23 abgedruckt.
Christoph Martin las mit 8 schon die vita des Nepos, wie er in einem Brief an an Leonhard Meister am 28. Dezember 1787 schreibt. Auch Rektor Doll scheint die liebe Not mit diesem begabten Schüler gehabt zu haben, und als Christoph Martin 13 war
las er Horaz und Virgil und kam damit besser zurecht als sein Lehrer. Mit 14 hatte er eine fundierte Ausbildung in Latein, Griechisch und Hebräisch.Aber auch in Mathematik, Logik und Geschichte war er gut ausgebildet. Fortschritte hatte er auch
in Zeichnen und der Musik gemachte. Der Vater hatte das Talent seines Sohnes früh erkannt und nach besten Kräften gefördert- eine Parallele übrigens zu seiner späteren Verlobten Sophie Gutermann, die ebenfalls hochbegabt war
und die auch von ihrem Vater unterrichtet worden war.
Vor wir auf einen Blick auf seine weitere schulische Laufbahn werfen, einen Blick darauf, was der junge Wieland gelesen hat. Für seine frühen lateinischen Versuche hatte er ja durchaus Vorbilder wie z.B. Juvenal. An deutschen Schriftstellern befasste er sich schon
früh mit Johann Christoph Gottsched (1700-1766). Sein Lieblingsautor aber wurde der Hamburger Barthold Heinrich Brockes (1680-1747). Dessen wichtigstes Werk war eine Gedichtsammlung “Irdisches Vergnügen in Gott”, die zwischen 1721 und 1748 in 9 Bänden
erschien.Dieses Werk machte ihn schnell weit über Hamburg hinaus bekannt und er wurde mit seiner Dichtung das Vorbild der Naturlyrik von Haller bis Klopstock. Aber er wurde auch schnell kritisiert, so von Breitinger und Gottsched und schon zwei Jahrzehnte
nach seinem Tod konnte man ihm nicht mehr viel abgewinnen. Aber schon der junge Wieland wurde mit 10 Jahren von diesem Dichter stark beeindruckt und das hielt sein ganzes Leben an. Sein Vater hatte sämtliche Werke Brockes in seinem
Besitz, allerdings lange an einen Biberacher Patrizier ausgeliehen. Als er alle auf einmal zurückgab, wurde der junge Wieland mit Brockes bekannt, nachdem er bis dahin seine Sprache nur aus der Bibel und dem Gesangbuch kannte.
Noch 1797 schrieb er im Merkur (1.Stück 1797 S. 96,”Ich bewunderte oft und bewundere noch jetzt, die Gewandheit, den hartnäckigen Fleiß und die ungemeine Sprachfertigkeit, die dieser in der Geschichte unserer Literatur so merkwürdige Mann
in seinen Bruchstücken eines großen, aber nicht ganz zu Stande gekommenen physikalischen Stanzenwerkes bewiesen hat.” und er schreibt weiter zu seinen Naturschilderungen “steht ihm immer unsre ganze Sprache mit allen ihren damals
bekannten und von ihm selbst ansehnlich vermehrten Schätzen zu Gebot.” Ebenfalls stark beindruckt das philosophische Lexikon von Schneider, wie Ofterdinger in seinem Buch auf Seite 24 schreibt. Allerdings habe ich leider nichts über dieses Lexikon
herausbekommen auch woher das Wielandzitat stammt geht aus dieser Stelle leider nicht hervor.
Mit 13 war Wieland intellektuell soweit entwickelt, dass das Biberacher Bildungsangebot die Fähigkeiten des jungen Christoph Martins nicht mehr ausreichend gefördert hätte. Für den Vater war wichtig, dass auch der religiöse Hintergrund
stimmte. Zwei Bildungsanstalten kamen in Betracht. In Halle hatte Francke eine Vorbereitungs-Anstalt für die Universität gestiftet. Und für Thomas Adam, selbst Francke-Schüler, war das natürlich zunächst erste Wahl. Aber etwa gleichzeitig machte
ein anderes Institut, nämlich Kloster Bergen bei Magdeburg, von sich reden.
Johann Adam Steinmetz war evangelischer Geistlicher und einer der bedeutendsten Schulmänner des 18. Jahrhunderts. Steinmetz war zunächst Prediger in Teschen. 1738 kam er als Abt nach Kloster Bergen.Sein Vorgänger Abt Breithaupt hatte dort eine Schule
eingerichtet, die zur zweiten Bildungsstätte des Pietismus wurde und unter Abt Steinmetz ihre volle Blüte erreichte.
Lehrer und vor allem die Rektoren wählte er mit größter Sorgfalt aus. Er machte häufige Klassenbesuche. In seiner Amtszeit erlebte die Schule einen enormen Zulauf und wurde zur gesuchten Bildungsstätte angesehener Familien des Adels und des gehobenen Bürgertums.Jährlich wurden 30-50 Schüler aufgenommen und unter Abt Steinmetz absolvierten dort 930 junge Menschen ihre Schulausbildung. Neben Wieland gingen eine Reihe von Schülern aus Kloster Bergen ab, die später in Staat oder Kirche Karriere machten.
Erwähnt sei noch Johann Christoph Adelung, der nachdem er das Gymnasium in Klosterbergen absolviert hatte, in Halle Theologie studierte und später Bibliothekar der kurfürstlichen Bibliothek in Dresden wurde. Bekannt ist er vor allem für seine grammatischen
und lexikographischen Schriften. Er hat aber auch historische, naturwissenschaftliche, pädagogische und journalistische Arbeiten veröffentlicht.
Für Wielands Besuch von Kloster Bergen sprach, dass das Leben dort nicht zu sehr von dem Leben unterscheiden würde, das er bisher geführt hatte. Auch bot Kloster Bergen die Möglichkeit, die schon in Biberach erworbenen Kenntnisse auszubauen.
In Bergen wurde großes Gewicht auf Cicero gelegt, und ebenso große Fortschritte machte er im Hebräischen. Noch in späteren Jahren las Wieland die Psalmen in hebräischer Sprache und er hatte sie immer als Taschenbuch auf seinen Spaziergängen dabei.
Die Abiturienten hielten nicht nur Abitursreden. Sie verfassten förmliche Abhandlungen und Disputationsschriften. Das hatte schon durchaus akademischen Charakter.Über Wielands Zeit in Kloster Bergen hatte Goethe später einmal gesagt,
Wieland habe dort in allen konzentrierten jugendlichen Zartgefühlen gewandelt und er habe dort zu höherer literarische Bildung den Grund gelegt. Wieland selbst fasst seine Zeit in Kloster Bergen in einem Brief an einem Brief an Leonhard Meister
Weimar am Dez.1787 so zusammen: “Mit 13 1/2 Jahren ward ich nach Kloster Bergen bey Magdeburg, eine damahls unter des bis zur Schwärmerei devoten Abts Steinmetz Aufsicht stehenden berühmten Schule geschickt. Ich blieb dort zwey Jahre, machte
starke Progressionen in litteris, schwärmte anfangs mit, kam aber bald wieder durch mein damahliges Lieblingsstudium, nähmlich durch eine poetische Manier in den metaphyischen Terris incogniti herum zu vagiren, ins freye und von einem System aufs andere.”
In Bergen kam Wieland auch mit Voltaire in Kontakt, obwohl der Freigeist im Kloster natürlich verboten war. Dort lernte er auch die Schriften des Schweizer Kritiker Johann Jacob Breitinger kennen. Und er las Albrecht von Hallers Gedichte. Seine Gedichtsammlung
“Versuch Schweizerischer Gedichte” war 1732 erschienen. Darin befand sich das von Haller auf 1729 datierte Gedicht “Die Alpen”. Es gab zu der Zeit keinen deutschen Dichter, der dieses Gedicht nicht kannte. Wichtig waren aber “Neue Beiträge zum Vergnügen
des Verstandes und Witzes”, da diese in Bremen erschienen meist nur Bremische Beiträge genannt. Im 4. Band waren die drei ersten Gesänge des Messias von Friedrich Gottlieb Klopstock. Sie erregten sofort großes Aufsehen. Und auch Wieland wurde von
der Klopstockbegeisterung erfasst. “Als ich den Klopstock las, glaubte ich erst mich selbst zu verstehen.” (zitiert nach L.F. Ofterdinger S.31). Seine ersten Dichtungen zeigten auch, wie stark er von Klopstock beeinflusst worden war.
An Ostern 1749 verließ Wieland Kloster Bergen, ohne einen Abschluss gemacht zu haben. Er ging weiter nach Erfurt und lebte dort für ein Jahr bei Johann Wilhelm Baumer, einem Verwandten der Familie Wieland. Baumer hatte in Halle und Jena Philosophie
und Theologie studiert. In Jena hatte er den Grad eines Magister der philosophischen Wissenschaften erhalten. Von 1742 – 1746 war er Pfarrer in Krautheim, heute Ortsteil von Volkach. Diese Stelle gab er aus gesundheitlichen Gründen auf und ging wieder nach
Halle. Dort promovierte er 1748 zum Doktor der Medizin. Danach unternahm er eine Gelehrtenreise und ließ sich dann als Arzt in Erfurt nieder. Zu der Zeit kam dann Wieland zu ihm. Baumer muss ein durchaus universal gebildeter Mann gewesen sein.
In Erfurt wurde er 1754 Professor der Physik und 1757 Professor der Medizin. 1764 wechselte er als Professor der Medizin nach Gießen und wurde dort zugleich Bergrat und Landphysikus. 1777 wurde er in Gießen ordentlicher Professor der Mineralogie und
der Chemie. Vor allem als Mineraloge hatte er sich einen Namen in der Wissenschaft gemacht. In Erfurt war er zum geistigen Vater der 1754 gegründeten “Churfürstlich-Mayntzischen Gesellschaft oder Academie nützlicher Wissenschaften” geworden.
aus der die heutige Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt hervorgegangen ist. Bei Baumer studierte Wieland Philosophie.Er Wurde mit Wolff vertraut gemacht. Als Thomas Adam in Halle Theologie studierte, herrschte dort gerade der Streit zwischen Wolff und seinem aufklärerischen Rationalismus
und pietistischen Dozenten an der Universität. Diese setzten sich durch und Wolff musste sein Amt aufgeben. Wolff war Universalgelehrter, Jurist und Mathematiker. Er entwickelte sich zu einem der wichtigsten Philosophen der Aufklärung zwischen
Leibniz und Kant. Er war ein bedeutender Vertreter des Naturrechts. Er gilt als der eigentliche Begründer der Begriffsjurisprudenz. Ihre Grundlage ist die Anwendung logischer Methoden auf das Recht. Für die deutsche Philosophie schuf Wolff die terminologische
Grundlage. Für einen 16-Jährigen durchaus schwerverdauliche Kost, wie Wieland das selbst empfand oder wie er sich ausdrückte “schwere Seelenspeise”. Aber Baumer legte bei Wieland einen soliden Grund in der Philosophie.
Wichtig war für Wieland auch das Privatissimum, das er von Baumer über Don Quijote erhielt. Wieland sagt später darüber,dass Baumer ihn aus Quijote heraus Menschen-und Weltkenntnis gelehrt habe. Baumer stellte Don Quichotte und Sancho Pansa
als die Repräsentanten des Menschengeschlechts dar. Sicher war dieses Jahr bei dem umfassend Gebildeten für den jungen Wieland enorm wichtig, wenn gleich er einige Zeit brauchte, um das richtig einzuschätzen. In einem Brief an Friedrich Justus Riedel
schreibt er am 10. August 1768 “weil ich das Glück oder Unglück hatte, das ganze Jahr 1749 unter seinen (Baumer) Augen zu leben, an seinem Tische zu hungern (denn vom Essen war nicht viel die Rede) und von seiner Philosophie eine so abscheuliche Menge
von Seelenblähungen zu bekommen…” Und als er in Erfurt Professor wird, liest er über den Don Quijote. In einem seiner Romane, der “Geschichte des Don Sylvio von Rosalva“ übernimmt er das Muster des Don Quijote.
Im Frühjahr 1750 kehrte Wieland nach Biberach zurück. Im Sommer kam es zu einer folgenreichen Begegnung. Der Augsburger Arzt Georg Friedrich Gutermann schickte seine Tochter Sophie Marie zu seiner Cousine nach Biberach, nämlich
der Mutter von Christoph Martin. Er hatte gerade durchgesetzt, dass die Verlobung von Sophie mit Giovanni Ludovico Bianconi, der Leibarzt des Augsburger Fürstbischofs war, gelöst worden war. Der zukünftige Gatte war katholisch, Sophie aber evangelisch.
Die zukünftigen Töchter Sophies sollten evangelisch erzogen werden, darauf ging Bianconi aber nicht ein. Die Verlobung platzte. (Siehe Blog Sophie von La Roche). Das Verhalten ihres Vaters verletzte Sophie zutiefst. Sie fügte sich zwar, vergaß das ihrem Vater aber
nie. Dieser Aufenthalt in Biberach sollte Sophie helfen, ihren Geliebten zu vergessen, aber auch ihrem Vater aus den Augen zu kommen. Schließlich war das Verhältnis massiv gestört. Sophie war 19, Christoph Martin 17. Was aber nie und nimmer im Plan der Eltern
war, die beiden verliebten sich aufs heftigste. Zum Entsetzen beider Elternteile verlobten die beiden sich sogar. Am Morgen dieses Tages,es war der 23. August 1750, hörte Sophie zufällig den jungen Wieland Klavier spielen, was tiefen Eindruck auf sie gemacht
haben muss. In ihren “Schattenrissen abgeschiedener Stunden” erzählt sie auf Seite 44, wie sie Wieland am Abend ihrer Ankunft in Ossmannstedt Klavier spielen hört und erinnert sich an diese Szene in Biberach und das war ja immerhin 49 Jahre zuvor. L.F.
Ofterdinger erzählt wie Sophie im weiteren Tagesverlauf eine Predigt von Thomas Adam Wieland über den Text “Gott ist die Liebe” hört. Die beiden jungen Leute unterhielten sich über diese Predigt. Sophie bat Christoph Martin, die von ihm vorgebrachten
Gedanken zu ordnen und auf zuschreiben. Das Ergebnis wurde 1752 in Halle in Druck gegeben: “Die Natur der Dinge in sechs Büchern”
Thomas Adam sah das etwas pragmatischer. Der junge Christoph Martin sollte erst mal einen Brotberuf erlernen. Die Mutter arbeitete aber gegen das junge Paar. Als Wieland erst in Tübingen war und später in Zürich, hielt sie Briefe
an Sophie zurück. Als Wieland in Zürich bei Bodmer weilte, schrieb seine Mutter am 10. Oktober 1753 an diesen “Sie mag ihr nicht ein Loch an dem Strumpf vernähen, sie reisst es lieber zusamen und wirfft es in einen Winkel. Wann mein Sohn das Mensch zu seiner
Frau bekomt, so ist er sein Lebtag ein armer Mann und Märtherer, er möchte so viel Einkommen haben als er wollte, so würde sie vorher allemal mehr verliederlichen, als er einzunehmen häte …“ Der Brief ist heute im Besitz der Zentralbibliothek Zürich.
Christoph Martin soll nun ein Studium beginnen. Er geht nach Tübingen. Der Vater hatte eigentlich gewünscht, dass Christoph Martin Theologie studiert. Da aber der Junge ja von nicht allzu kräftiger Gesundheit war, sprach das eigentlich gegen eine solche
Laufbahn. Also sollte er Jurisprudenz studieren, wie schon sein Großvater, der es ja zum evangelischen Bürgermeister in der Stadtrepublik gebracht hatte. Die Unterkunft war praktischerweise schon vorgegeben, nämlich das Hochmannium in Tübingen.
In der Tübinger Pfleghofstr. 13 hatte der 1528 in Biberach geborene Johann Hochmann und spätere Professor des kanonischen Rechts und Universitätsrektor ein Wohnheim gestiftet, in dem Studierende aus seiner Familie und der seiner Frau
dort freie Kost und Logis bekamen. Auch Wieland hatte durch Familienansprüche das Recht auf ein solches Stipendium, was mit ein Grund war, dass er in Tübingen studierte. Vorlesungen über Jurisprudenz besuchte er nur am Anfang. Da er aber bald
den Eindruck hatte, dass Vorlesungen ihm seine beste Zeit kosteten, ging er bald gar nicht mehr hin. Statt sich mit Rechtswissenschaften zu befassen, las er Pierre Bayle, einen französischen Schriftsteller und Philosophen, der zu den Zentralfiguren der
französischen Aufklärung zählt. Sein wichtigstes Werk ist das “Dictionnaire historique et critique” erstmals erschienen 1697. Leibniz stand ebenfalls auf seinem Leseplan, dann Lucrez und der Anti-Lucrez von Polinac.Das ist eine Widerlegung des Lucrez
in metrischen Versen, die von Voltaire gelobt wurde und auch von Goethe sehr geschätzt worden sein soll. Und er dichtete selbst. Die oben erwähnte Natur der Dinge schrieb er in nur drei Monaten. Das Manuskript schickte er an Professor Georg Friedrich Meyer
in Halle. Ich bin mir nicht ganz schlüssig, wie ich das bewerten soll –naiv oder frech. Meier war ordentlicher Professor der Philosophie in Halle und lehrte dort Philosophie und Ästhetik. Meier hatte in dem poetologischen Streit, der in der Zeit zwischen Gottsched
und den Schweizern Breitinger und Bodmer die Intellektuellen im deutschen Sprachraum beschäftigte (s.u.), Partei für die beiden Schweizer ergriffen. Seine sehr positive Stellungnahme “Beurteilung des Heldengedichts der Messias” von Klopstock trug wesentlich zu dessen Anerkennung und auch zur Begeisterung für
sein Werk beim Publikum bei. Dies war sicher auch der Grund, weshalb Wieland sein Manuskript gerade an Meier schickte. Wieland legte ein anonymes Begleitschreiben bei und Meier wusste tatsächlich nicht, wer der Verfasser dieses Lehrgedichts war.
Er hielt ihn für einen Adligen aus dem Schwäbischen und wäre wahrscheinlich mehr als überrascht gewesen, wenn er gewusst hätte, dass das das Werk eines 17-Jährigen ist. Meier veröffentlichte das Werk und versah es zudem mit einem sehr positiven Vorwort.
Er schreibt darin, dass er das Werk anonym erhalten hat, ohne Unterschrift und Angabe des Ortes und dann wörtlich “Weil es uns Deutschen bis itzt an großen Original-Lehrgedichten fehlt, und mir dieses Gedicht gefallen hat: so habe ich kein Bedenken getragen,
dasselbe zum Druck zu befördern.” Seite 4 der Vorrede. Die gute Aufnahme seines Manuskripts spornte ihn an, weiter Neues zu schreiben. Man besang damals gerne Helden der deutschen Urzeit. Und so fasste er den Plan, das Heldengedicht Hermann zu verfassen.
Auch dieses schickte er ein, diesmal an Bodmer in Zürich. Er bittet den “Hochedelgebornen und Hochgelehrten Hochzuverehrenden Herrn Professor”(Ausgewählte Briefe Von C.M.Wieland an verschiedene Freunde in den Jahren 1751-1810 geschrieben, Brief vom
4.8.1751 an Bodmer) das übersandte Gedicht, eben den Hermann, zu beurteilen.Bodmer nahm dieses Gedicht positiv auf, scheint aber einige Anmerkungen gemacht zu haben. In einem Antwortschreiben an Bodmer macht er nun Angaben zu sich “Ich bin eines
Predigers Sohn aus Biberach, ohnweit dem Federsee” (ausgewählte Briefe Seite 7). Am 20. Dezember 1751 schreibt er aus Tübingen, dass das Gedicht nur dazu gedient habe, seine Bekanntschaft zu machen und habe damit seine Bestimmung erreicht.Er gedenke
nicht,diese jugendliche Arbeit umzuarbeiten oder zu verbessern. In Tübingen entstehen insgesamt 6 Werke und zwar 1.“Die Natur der Dinge” ein Lehrgedicht in 6 Büchern, Halle 1751, 2. “Zwölf moralische Briefe” in Versen, Heilbronn 1752
3. “Anti-Ovid oder die Kunst zu lieben” Amsterdam (Heilbronn) 1752. Erzählungen, Tübingen 1752, 5. Der Frühling Tübingen 1752, 6.Lobgesang auf die Liebe Tübingen 1753.
Daneben verfasste er Oden, die er auch an Bodmer schickte.
Vom Briefwechsel an Sophie, damals noch Gutermann, aus seiner Verlobungszeit sind nur vier Briefe erhalten. Der erste, den es noch gibt, stammt vom 5. Juni 1572 – ein flammender Liebesbrief, darin angehängt die Ode, die er auch an Bodmer schickte.
Darin heißt es unter anderem: “Englische Sophie, mein Herz, mein Licht
Du bist selbst, ja Du bist selbst die Tugend;
Aus der Anmuth aufgeblühter Jugend
Reizt sie selbst in Dir ein klug Gesicht.
O wie strahlt aus Deinen Blicken
wo sich weiser Ernst mit Anmuth paart,
eine Seele von Seraph’scher Art,
Fähig mehr als Weise zu entzücken“ (Briefe an Sophie von La Roche von Christoph Martin Wieland, hsg von Franz Horn S.7).
Im Juni 1752 verließ Christoph Martin Tübingen und ging zurück zu seinen Eltern natürlich auch in der Hoffnung, dort mit Sophie zusammen zu kommen. Christoph Martin gab sein Studium auf, was natürlich nicht im Sinne des Vaters lag.
Er schlug ihm vor, in Göttingen Jurisprudenz zu studieren. Christoph Martin bemühte sich aber um eine Tutorenstelle in Braunschweig. Dort war der evangelische Theologe Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem als Berater Herzog Karl I. in Verwaltungsangelegenheiten
aber auch für das Kirchen-und Bildungswesen tätig. Er schlug dem Herzog eine neuartige Bildungseinrichtung vor, die eine vertiefte Kenntnis der schönen Wissenschaften und vor allem der griechischen und lateinischen Kultur vermitteln und so
einen leichteren Anschluss an das Universitätsstudium zu ermöglichen. 1745 wurde dann das Collegium Carolinum gegründet, aus dem später die Technische Universität Braunschweig hervorgegangen ist. Genau für diese Einrichtung bewarb sich Wieland.Allerdings, ein
junger Student mit 19 Jahren, der gerade dabei war, sein Studium abzubrechen, hatte natürlich nicht die besten Karten. Im Sommer 1752 wurde er aber von Bodmer nach Zürich eingeladen. Wieland reiste am 15. Oktober in die Schweiz ab, zu einem
Aufenthalt der dann aber 8 Jahre dauern sollte.
Um diese Zeit bewegte eine spannende Auseinandersetzung das literarisch interessierte Deutschland. Auf der einen Seite stand Johann Christoph Gottsched (Bild links), auf der anderen Seite Johann Jakob Bodmer (Bild rechts) und Johann Jakob Breitinger.
Gottsched studierte in Königsberg. Er erwarb dort den Magister Artium. Nachdem er aber von den brutalen Methoden preussischer Militärwerber gehört hatte ging er lieber nach Leipzig, das ihm in dieser Hinsicht sicher erschien.
Dort freundete er sich mit dem Historiker Johann Burckhardt Mencke an, der ihn als Hauslehrer für seine Söhne engagierte. Über ihn fand er Aufnahme in die “Teutschübende Poetische Gesellschaft”. 1727 wurde er zum Senior gewählt.
Er wandelte sie um zur “Deutschen Gesellschaft”. Die Deutsche Gesellschaft sollte auf eine überregionale, von mundartlichen Färbungen und Fremdwörter gesäuberte deutsche überregionale Einheitssprache hinarbeiten. Der deutsche Sprachraum
war in dieser Zeit nicht nur konfessionell sondern auch sprachlich gespalten. In der protestantischen Mitte Deutschlands und im Norden hatte sich ein auf Martin Luther basierendes Früh-Neuhochdeutsch durchgesetzt. Im katholischen Süden
wurde die oberdeutsche Schriftsprache verwendet. So stand “Lutherdeutsch” gegen “Jesuitendeutsch”, beides bewusst abwertend verwendet. Dazu kam noch mit der reformierten Schweiz alemannisch als dritte Sprache dazu.
Gottsched stand zu der Zeit auf dem Höhepunkt seiner Popularität und Autorität. Er hatte mit “ Die vernünftigen Tadlerinnen” 1725 die erste Frauenzeitschrift herausgegeben. Seine Bekanntschaft und Zusammenarbeit mit Johann Neuber und
dessen Frau Friederike Caroline ließ ein regelgerechtes deutsches Nationaltheater entstehen und mit seinen “Beyträge zur critischen Historie der deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit” verschaffte ihm schnell überregionale Bekanntschaft.
Er war maßgebender Lehrbuchautor. Er war Theoretiker und Gesetzgeber. Er glaubte alle Bereiche der Kunst in erlernbare Regeln systematisieren zu können. Wie oben gezeigt wurde, hatte sich ja auch der junge Wieland mit Gottsched auseinandergesetzt.
Als Theaterreformer orientierte er sich vor allem am französischen Theater, was ihm dann Lessing entschieden vorhielt. “Niemand sagen die Verfasser der Bibliothek, wird leugnen,dass die deutsche Schaubühne einen großen Theil ihre erste Verbesserung dem
Herrn Professor Gottsched zu danken habe. Ich bin dieser Niemand. Ich leugne es geradezu” (Lessing in “Briefe die neueste Litteratur betreffend, Berlin 1759, S. 97) und er fährt dann fort “ er wollte nicht sowohl unser altes Theater verbessern, als der Schöpfer eines
ganz neuen seyn. Und was für eines neuen? Eines Französierenden ohne zu untersuchen, ob dieses französisierende Theater der deutschen Denkungsart angemessen sey oder nicht” (ebd. S. 99). Und dann schreibt er weiter, dass wir mehr in den Geschmack
der Engländer einschlagen als der Franzosen”und weiter “ dass das Große, das Schreckliche, das Melancholische besser auf uns wirkt, als das Artige, das Zärtliche, das Verliebte” und das bedenkend würde geradewegs auf das englische Theater führen.
Die Übersetzung des Shakespeare hätte weit bessere Folgen für das deutsche Theater gehabt “ als dass man sie mit dem Corneille und Racine so bekannt gemacht hat” Und dies wurde fast durchgängig so von den Literaturgeschichten übernommen.
In Zürich war Bodmer als Professor für helvetische Geschichte und Politik am Gymnasium tätig. Dort arbeitete auch sein Freund als Professor für die hebräische und später für die griechische Sprache. In den Jahren 1732-1739 stand man in Briefwechsel und ging fast
freundschaftlich mit einander um. 1740 erschien Bodmers “Critische Abhandlung vor dem Wunderbaren”, die als Verteidigung Miltons angekündigt war.Er plädierte darin für für eine erweiterte Geltung der Einbildungskraft, des Wunderbaren und der Phantasie.
Und es erschien Breitingers zweibändige “Critische Dichtkunst”. Da zeigte sich schon im Titel die Rivalität zu Gottscheds gleichnamigen Lehrbuch. Gottsched ging 1742 auf das Buch Breitingers ein. Er vermisste hilfreiche Regeln zur Abfassung von Gedichten.
Die Schweizer waren die ersten, die auf Shakespeare hinwiesen, der auf Gottsched sicher barbarisch wirkte. Aber seine Vormacht kam ins Wanken. Die Schweizer plädierten nun für eine Hinwendung zu den neueren englischen Dichtern statt der Geschmacksdiktaturdes französischen Klassizismus, die Entdeckung poetischen Neulandes statt der Bestätigung eines Kanons. Bodmer gewann immer mehr Freunde und Anhänger aus der deutschen Literaturszene. In Norddeutschland standen Brockes mit ihm Kontakt; aber auch Johann Ulrich von König, der aus Esslingen stammte, und über Hamburg-dort gründete er mit Brockes die Teutschübende Gesellschaft zur Pflege der deutschen Sprache und Literatur- und Leipzig nach Dresden, wo er Hofpoet am Hofe August des Starken wurde. In Dresden war er zunächst Förderer von Gottsched, überwarf sich aber mit ihm und stand dann in enger Verbindung mit Bodmer. Der in Durlach geborene Karl Friedrich Drollinger. Er war als Archivar der Markgrafen von Baden nach der
Einäscherung Durlachs tätig. In seiner Dichtung war er ein Vorläufer von Haller und stand ebenfalls auf Seite der Züricher. Auch Friedrich von Hagedorn gehörte zu diesem Kreis. Hagedorn seinerseits stand wieder mit Klopstock und Gleim in Verbindung, aber
auch zu Lessing hatte er Kontakt. Bodmer gab an Hagedorn im Tausch in Zürich erschiene Werke weiter und erhielt dafür von Hagedorn englische Werke, vor allem Shakespeare, die in Hamburg leichter erhältlich waren.
Gleim, der Gründer des Halberstädter Dichterkreis, pflegte einen Briefwechsel mit Bodmer und schließlich bat der Züricher auch Professor Meier in Halle den Messias zu beurteilen. Diese Beurteilung hatte ja Wieland veranlasst, sein Erstwerk an
Meier zu schicken. Gottsched wurde schließlich zum Inbegriff lächerlich geistloser Pedanterie und Zeitgenossen sahen die Züricher als Sieger in dieser Auseinandersetzung.
1750 hatte Bodmer Klopstock nach Zürich eingeladen. Kurz zuvor waren die ersten Teile des Messias in den Bremischen Beiträgen erschienen. Danach dichtete er seine ersten Oden, die vor allem bei den Gegnern von Gottscheds “vernünftiger” Poetik, also in
Zürich einen regelrechten Begeisterungssturm entfachten. Kontakte nach Zürich wurden geknüpft und das Resultat war die Einladung. Allerdings lag schon von Anfang an ein gewisses Missverständnis vor. Bodmer erhoffte sich Vervollkommnung seines eigenen
Gedichtes Noah. Und Bodmers Moral und Wertvorstellungen standen denen Klopstocks ziemlich diametral entgegen. Dazu kam sicher noch Eifersucht und Enttäuschung. Der junge Dichter zog nämlich die Gesellschaft von “Jünglingen” und “Mädchen” der seinigen vor. So etwas war für die zentrale Figur der Züricher Aufklärung sicher eine völlig neue Erfahrung. Auslösendes Moment für den Bruch war wohl die Fahrt auf dem Züricher See, zu der Klopstock “von einem halben duzend Galopins (französisch Schlingel, Spitzbube) entführt”
worden war, was dem sittenstrengen Züricher Mäzen Erklärung genug war, dass Klopstock mit seinem Messias nicht vorankam. Es kam zum Bruch und Klopstock reiste aus Zürich ab. Erleichtert wurde ihm das, da er vom dänischen König ein Jahresgehalt von
400 Reichstalern ausgesetzt bekommen hatte und die Reisekosten nach Kopenhagen. Nach diesen sehr ernüchternden Erlebnissen war man in Zürich natürlich vorsichtig geworden.Wieland hatte sich ja sozusagen in Zürich selbst beworben. Zum einen wird
ein Briefwechsel mit dem Theologen Heinrich Schinz eingefädelt. Schinz stand auch mit Bodmer in sehr engem Briefkontakt. Zwischen Wieland und Schinz entwickelte sich bald sehr reger Briefverkehr. Das wurde noch ausgeweitet. Auch auf Anregung Bodmers
führten die die beiden Verlobten Sophie von Wieland und Barbara Meyer von Schinz ebenfalls einen Briefwechsel. Zudem wurden im Mai noch der Theologe Johann Kaspar Hess, der Arzt Hans Caspar Hirzel und der Theologe Johann Georg Sulzer
nach Tübingen geschickt. Sie sollten Wieland besuchen und prüfen, ob dieser der Förderung durch Bodmer würdig sei. Man hatte über Martin Künzli auch noch Erkundigungen bei dem Professor der griechischen Sprache Johann Adam Osiander eingeholt.
Dieser beurteilt Wieland als”ingenium praecox”, weiß aber nur Gutes über Wieland zu berichten. Er sagt, der Jüngling stecke immer zu Hause und studiere. Dies schreibt Künzli in einem Brief an Bodmer am 14. April 1752 (in Thomas C. Starnes: Christoph Martin
Wieland- Leben und Werk, Sigmaringen 1987, Bd. 1-3 I,S.22). Wieland selbst hält sich mit vielen Briefen an Bodmer im Gespräch.Und er macht natürlich auch einige Angaben über sich, die Bodmer bestimmt gefallen “Ich bin ein großer Wassertrinker, und ein
geborener Feind des Bacchus” ( Am 4. Februar 1752 an Bodmer in ausgewählte Briefe S. 30)Die Einladung erfolgt und Wieland schreibt am 8. Juni 1752 überglücklich an Bodmer zurück “Ich danke der Vorsehung mit innigster Rührung für ihre Freundschaft und ich
müsste sehr unglücklich seyn, wenn ich mich in der Hoffnung betröge, in etlichen Wochen mehr durch ihren Umgang gebessert werden, als es bisher in ganzen Jahren geschehen konnte” (ebd. S.83).
Die Abreise Wielands nach Zürich verzögerte sich noch ein bisschen, weil er unbedingt noch mit Sophie zusammen treffen wollte. Wieland hatte inzwischen schon einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Dass solch in der gesamten literarischen Welt
angesehenen Männer wie Bodmer und Breitinger einen Briefwechsel mit dem noch sehr jungen Mann unterhielten, dass sie ihn sogar nach Zürich einluden, versöhnte auch den Vater damit, dass er allmählich Abschied von den Vorstellungen nehmen musste,
die er vom beruflichen Werdegang seines Sohnes hatte. Ofterdinger erzählt in seinem bereits öfter erwähnten Buch auf Seite 78 von dem Abschiedsfest, das er für seinen Sohn in Birkendorf gab. Am 15. Oktober reiste Christoph Martin ab und wurde
am 18.Oktober von Schinz in Schaffhausen abgeholt. Dann blieben sie für eine Woche in Wespersbühl bei Johann Christoph Billeter. Das war der Onkel der Braut von Schlinz. In seinem Tagebuch vermerkt Bodmer die Ankunft Wielands am 25. Oktober.
Als Wieland nach Zürich kam, erlebte das literarische Leben in der Schweizer Stadt eine absolute Blütezeit und der Streit zwischen Zürich und Leipzig fand ja im ganzen literarisch interessierten deutschsprachigen Raum große Anteilnahme.
Die beiden Gelehrten Bodmer und Breitinger, hatten einen literarisch produktiv tätigen Kreis um sich gesammelt. Und man hatte ja auch die Szene beobachtet und interessante Talente nach Zürich geholt, eben erst Klopstock, dann Wieland.
Ewald von Kleist bemerkt zum Geistesleben Zürichs “Statt daß man indem großen Berlin kaum 3-4 Leute von Genie und Geschmack antrifft, trifft man in dem kleinen Zürich mehr als 20-30 derselben an.” (Kleist an Gleim in Sauer II, S 213)
Der junge Wieland wurde im Klopstockzimmer untergebracht. In einem ersten Brief an Sulzer schreibt Bodmer dazu ”Jetzt ist der Verf(asser) der Natur der Dinge in meinem Hause. Ich kann sowohl in Absicht auf den moralischen Charakter als auf die
Gelehrsamk (eit) ohne poetische Entzückung sagen: hier ist mehr als K (lopstock) ohne Vergleichung mehr. … Er ist fähig in der Kritik und der Poesie die größten Verrichtungen zu vollführen. …Er trinkt so wenig Wein als ich, raucht nicht Tabak und brauset und tanzt
nicht ..” (Bodmer an Johann Georg Sulzer, 29. Oktober 1752, in Starnes I, S.33. Wieland ist gleich überaus produktiv. Er schrieb die “Ankündigung einer Dunciade für die Deutschen”. Er schickte sie anonym an Gleim, der sie in Halberstadt drucken ließ. Sie war eine
Antwort, auf die Schriften, die in der Auseinandersetzung zwischen Zürich und Leipzig kursierten, hier vor allem “Die ganze Ästhetik in einer Nuss, oder neologisches Wörterbuch” von Christoph Otto Freiherr von Schönaich, einem “geschworenen
Gottschedianer”, wie in Lessing einordnete. Gleim war darin auch angegangen worden und ließ dieses Werk mit Vergnügen drucken. Erst viel später gestand Wieland Gleim, dass er der Verfasser war. Im Neuen Teutschen Merkur schreibt er dann auch auf Seite 201
“ Ich erinnere mich noch zu gut, was für eine Gemüthstimmung und welche Beweggründe mich im Jahre 1752 zum Verfasser der Ankündigung einer Dunciade für die Teutschen machten, um nicht zu wissen, zu welchen Excessen die schwärmerische Verehrung
und Liebe eines wirklich oder vermeintlich großen Mannes einen sonst gutartigen und edeln, aber feurigen und unbesonnen Jüngling hinreißen kann”. (Neuer Teutscher Merkur 1. Band 1797). Außerdem schrieb er eine “Neue Vorrede zu Bodmers Syndflut”,
“Anmerkungen zu Bodmers Milton-Übersetzung” und die “Vorrede zu J.J. Bodmers Gedichten”. Bodmer hatte Wieland auch zu seinem einzigen biblischen Epos veranlasst, das 1753 erschien: “ Der gepryfte Abraham, ein Gedicht in vier Gesängen”.
Er wirkte an der Herausgabe der “Sammlung Züricherischen Streitschriften zur Verbesserung des deutschen Geschmacks wider die Gottsched’sche Schule” mit. Auch das “Schreiben von der Würde und Bestimmung eines schönen Geistes” kam heraus.
Das “Gebet eines Christen”, “Das Gebet eines Deisten” und “Die Briefe von Verstorbenen an die hinterlassenen Freunde” waren die letzten Schriften, die er sehr pietistisch angehaucht, verfasst hatte. Sowohl Nicolai, als auch Lessing verwiesen auf die
Hohlheit von Wielands Schreiberei- Nicolai schreibt im siebten Brief “ Über den itzigen Zustand der schönen Wissenschaften in Deutschland” auf Seite 66 “ Die Muse des Herrn Wielands ist ein junges Mädgen, das auch die Betschwester spielen will,
und sich der alten Wittwe zu Gefallen in ein altväterisches Käppgen einhüllet, welches ihr doch gar nicht kleiden will” im Gegensatz zur Muse Bodmers, “eine betagte Matrone, die die Welt vergisst, weil die Welt sie vergessen hat, die beständig von der Kasteiung
des Fleisches redet, und auf die böse verderbte Welt und die verschlimmerten Zeiten schilt”. (ebda)Und Lessing schreibt im 7. seiner “Briefe, die neueste Literatur betreffend” dass Wieland gerne aus dem Gedächtnis getilgt habe, dass er der Verfasser der Natur der
Dinge ist und dann ”So viel ist unwiedersprechlich,dass jenes Lehrgedicht und die Moralischen Briefe uns den Herrn Wieland auf einem ganz anderen Wege zeigen, als ihm hernach zu betreten beliebt hat (Seite 15) und weiter im 8. Brief
“Auch mir sind die Empfindungen des Christen das anstößigste gewesen. Er bringt dann Beispiele aus den Empfindungen und schreibt dazu ”Schön! – aber sind das Empfindungen? Sind Ausschweifungen der Einbildungskraft Empfindungen?
Wo diese so geschäftig sind, da ist bestimmt das Herz leer, kalt (Seite 17). Er vergleicht dann Wieland mit Johann Wilhelm Petersen, “Stimmen aus Zion” und er bringt ebenfalls Beispiele und urteilt dann “Könnte ich nicht die Verehrer des Herrn Wielands
(seine Anbeter; er hat dergleichen) mir erhabenere und pathetische Stellen in seinen ganzen Empfindungen zu zeigen ? Herr Wieland ist reich an Blühmchen, an poetischem Geschwätz; Petersen an starken Gedanken, an großen Gesinnungen; ohne Zwang,
ohne Schwulst” (Seite 18).
Am Anfang verkehrte Wieland nur mit ganz wenigen Leuten Bodmer, Breitinger, Hess und Schinz. Das war ganz im Sinne Bodmers. Er sah schließlich Klopstock verführt von den jungen Leuten, mit denen er Umgang hatte. Es kommen dann noch
der Züricher Stadthauptmann Hans Blarer von Wartensee dazu sowie der Ratsherr und spätere Züricher Bürgermeister Johann Conrad Heidegger. Aus dem Bodmer Umkreis kam dann der Arzt Laurenz Zellweger aus Trogen in den Freundeskreis,
der von Bodmer über Wieland brieflich informiert war. Auch Martin Künzli aus Winterhur wurde in den Freundeskreis einbezogen. Wieland lernte ihn im Frühjahr 1753 persönlich kennen. Künzli hatte bei Osiander in Tübingen Erkundigungen über Wieland
eingezogen.Ein weiterer Arzt aus dem Umfeld Bodmers, nämlich Johann Georg Zimmermann, gesellte sich zum Kreis um Wieland. Wichtig wurde schließlich auch Salomon Gessner. Dieser war nicht nur Maler und Dichter von Idyllen, er war auch Teilhaber des
Züricher Verlags Orell, Gessner, Füssli und Comp.und brachte über Jahre hinweg viele Werke von Wieland heraus. So erschien der Agathon bei OGF & Comp. oder die Shakespeare-Übersetzungen.
Wieland, nun im Hause Bodmer untergebracht, war nun der finanziellen Sorgen enthoben. Allerdings musste er für Bodmer gegen Gottsched Partei ergreifen. Wie wir aber oben bei der Dunciade gesehen haben, bereitete ihm das keine Probleme.
Aber auch für seine Dichtung waren Regeln vorgegeben, Tabus, die zu beachten waren. So erlaubte ihm Bodmer bei der Sujet-Wahl nur biblische Themen und für die Verswahl nur Hexameter. Diese poetische Bevormundung war doch eine Kreativitätsblockade.
Wieland hatte sich Bodmer so angepasst, dass “die Sprache seiner Zürcher Dichtungen oft kaum von derjenigen seiner Freunde und Bewunderer zu unterscheiden ist” wie Martin Bircher feststellt. Ja es geschah sogar, dass einige seiner anonym erschienen
Werke mit Bodmers verwechselt wurden. 1760 ließ Wieland alle seine “poetischen Werke, die seit 1751 einzeln und ohne Namen erschienen” waren in “3 Oktavbänden zusammen herausgeben, teils sie dem Publico in einer verbesserten korrekten Gestalt zu
zeigen, teils um zu verhindern, daß man mir nicht länger Sündfluten, Patriarchen und Parzivale zur Last legt,an denen ich keinen Anteil habe.” (Wieland in einem Brief an seinen späteren Verlege Phillipp Erasmus Reich, 30. März 1760 in BW 6.1,S.18)
Mit Bodmers und Breitingers Hilfe vertiefte Wieland seine klassischen Studien. Bodmer hatte ja Homer übersetzt und er wurde für Wieland Vorbild als Übersetzer klassischer Schriftsteller. Aber er hat Wieland ja auch an die mittelalterliche Dichtung herangeführt,
wobei Bodmer nicht der Entdecker der Nibelungenhandschrift C war. Das war der Wundarzt Jacob Hermann Oberreit aus Arbon, mit dem Wieland später eng befreundet war. Als Milton-Übersetzer hat Bodmer Wieland auch auf englische Literatur
gebracht. Wie wir oben gesehen haben, hatte sich Bodmer über Hagedorn ja Shakespeares Werke kommen lassen.
Bodmer sorgte rührend für seinen Schützling. Er warb für ihn einen Freundes-und Verehrerkreis quer durch Deutschland. Er wies seinen Schüler Johann Georg Sulzer, der seit 1747 in Berlin tätig war und seit 1750 Mitglied der Königlichen
Akademie der Wissenschaften war, auf das junge Talent hin, dies schon gleich nachdem er den Hermann erhalten hatte. Er hielt ihn über Wielands Arbeiten auf dem Laufenden. Sulzer wiederum war mit Johann Wilhelm Ludwig Gleim befreundet.
Und er machte sich bei Gleim für Wieland stark. Bodmer selbst hatte Gleim Wieland als “den zweiten Klopstock” gepriesen. Er besorgte auch die Hymne mit einer Vorrede in Berlin zum Druck. (Fritz Budde in Wieland und Bodmer S. 30)
Wieland weilte nun schon ein Jahr bei Bodmer. Der Freundeskreis suchte für Wieland eine passende pädagogische Betätigung.
Von Bodmer angeregt entwarf Wieland den Plan einer Akademie zur Bildung des Verstandes und junger Leute zu entwerfen. Er schrieb da am 5. Juni 1753 auch Sophie davon. “ Die Sache selbst, die ich darin geschrieben habe, indeß verdient alle
Aufmerksamkeit, sonderlich das project des Herrn B…” (C.M. Wielands Briefe an Sophie von La Roche, herausgegeben von Franz Horn S 24/25). Genaueres über dieses Projekt erfährt in einem Brief an Müchler (abgedruckt in der Nr. 32 des Morgenblatt für gebildete
Stände vom 7. Februar 1814) Johann Georg Müchler war zu der Zeit Hauslehrer bei Herrn von Arnim auf Suckow. Und von dort hatte Wieland eine Angebot erhalten, als Lehrer an einem vom brandenburgischen Adel zu gründenden Erziehungsinstitut
mitzuwirken.. In diesem Brief lehnt er das Angebot ab und erzählt gleichzeitig von seinen Akademieplänen. “Ich habe mit einigen Freunden ein Projekt einer Akademie gemacht, welche ein Antipode der deutschen Akademien und Gymnasien.
Pädagogien und wie sie heißen, seyn sollte. Die Wissenschaften, die darin gelehrt werden sollten, wären Philosophie, Geschichte und Mathematik, vor allen die Moral und Politik und die nöthigste Kunst, die Kenntnis der Menschen.”
Mit “einigen Freunden” ist mit Sicherheit Bodmer gemeint aber natürlich auch Künzli. Er war es, der kurz zuvor ja in Winterthur diesen Plan dort in Druck gegeben hat. (nach L.F. Ofterdinger S. 92). Zwar war der Plan ohne Namensnennung veröffentlicht worden. Aber es war doch bald ruchbar geworden, dass er von Wieland stammte. Und so erhielt er vier Schüler, den Sohn des Amtmann Grebel, einen Sohn des Zunftmeister Waser zwei Söhne des Kaufmanns Ott. So konnte er daran denken, bei Bodmer auszuziehen. Er wohnte zunächst bei Doktor Gessner, dem Schwager Bodmers. Vorher war aber etwas für Wieland unfassbares geschehen. Sophie hatte ihre Verlobung gelöst und Wieland mitgeteilt, dass sie Frank La Roche heiraten werde.
Es war ja schon oben gezeigt, dass Wielands Mutter alles andre als begeistert war mit Christoph Martins Wahl. Ludmilla Assing, die erste Biographin von Sophie (Siehe Blog Sophie von La Roche) bemerkt dazu in “Sophie von La Roche, die Freundin Wielands”
auf Seite 61 “Das Betragen von Wieland’s Mutter erreichte einen unerträglichen Grad der Gehässigkeit.” Sophie ging also zurück zu ihrem Vater nach Augsburg. Aber auch dort hatte sich die Situation total geändert. Sophies Vater hatte sich wieder verheiratet.
Das ohnehin schon schwierige Vater-Tochter Verhältnis wurde noch zusätzlich dadurch belastet, dass er seinen Stiefsohn bei seiner Wiederverheiratung als Erben eingesetzt hatte. Sophie stand nun auch unversorgt da. Sie war “schon” 23 und die gelöste
Verlobung mit Bianconi und die eigentlich wenig zukunftsträchtige Verbindung mit dem jungen Dichter, der wie Vater Gutermann meinte, nie “Brodwissenschaft” studieren wollte, erhöhte ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt keineswegs.
Als sie auf Drängen ihres Vaters die Verlobung mit Bianconi gelöst hatte, wollte ihr Bräutigam Sophie zur Flucht überreden. Christoph Martin hätte diese Kraft und Entschlossenheit, die zu einem solchen Entschluss nötig gewesen wäre,
nicht aufgebracht und Sophie wusste das. Und Wieland saß ja auch völlig glücklich in Zürich und ahnte nicht, was sich in Biberach und Augsburg anbahnte. Sophie schrieb nun an ihre Stiefmutter in Augsburg und erklärte ihr, dass die Verbindung mit Wieland gelöst
sei und kündigte ihre Rückkehr nach Augsburg an. Zu dieser Zeit war Frank von La Roche, der kurmainzische Rat und Sohn des Grafen von Stadion in Augsburg. Er lernte die Familie Gutermann und damit auch Sophie kennen. Er warb um sie. Vater und Stiefmutter
setzten Sophie stark unter Druck und schließlich gab sie nach. Auch Frank La Roche war katholisch. Aber bei Georg Friedrich Gutermann spielte das diesmal keine Rolle mehr. Es gab auch keinen Ehevertrag wie bei Bianconi, der die Verbindung zum
Platzen brachte. Man hat den Eindruck, dass der Vater einfach froh war, dass die Tochter aus dem Haus kam, zumal der künftige Gemahl ja auch keine schlechte Partie war. Für Sophie musste es eigentlich schon befremdlich sein, dass ihr Vater diesmal
seinen protestantischen Religionseifer nicht herauskehrte, obwohl sie ja mit Christoph Martin verlobt war und der ja protestantisch war.
Wieland erfuhr das alles erst im Dezember 1753 eben über den Brief, den Sophie an ihre Stiefmutter geschickt hatte. Diesen hatte die Stiefmutter an Wieland geschickt begleitet von der Mitteilung, dass Sophie Herrn von La Roche ihre Hand geben würde.
Der junge Wieland ist natürlich aus seinen schönsten Träumen gerissen. Er zertritt Sophies Bild, lässt das Glas allerdings gleich am nächsten Tag wieder reparieren. Er fasst sich und schreibt am 12. Dezember 1753 an Sophie:
“Erlauben sie mir, meine Wertheste, Sie daran zu erinnern, dass wir uns tausendmal in dem Angesicht Gottes zugesagt haben, uns so lange zu lieben, als wir die Tugend lieben und wir meinten damals, dass das soviel sey, als ewig. Sollte diese Zusage
itzt ungültig seyn?” (C.M. Wielands Briefe an Sophie von La Roche, herausgegeben von Franz Horn S. 25/26) 6 Wochen später, nämlich am 30. Januar 1754 schreibt er wieder an Sophie. Er rekapituliert sein Schreiben vom Dezember “Ich kam also dann
zu dem mir sehr angelegenen Punkt, daß ich nicht einsehen könne, daß die zärtliche Verbindung unserer Seelen, oder unserer Freundschaft um Ihrer Vermählung willen gebrochen werden müsse; indem eine herzliche, edle Freundschaft, welche zugleich
mit vielen unterhalten werden kann, sich mit der ehelichen Liebe zu Einem gar wohl verträgt, und ich Ursache habe zu glauben, daß ich Ihrer Freundschaft noch so würdig bin als vor einem Jahr” (ebda S. 29). Am 19. März 1754 schreibt er
direkt an La Roche. Er bringt darin zum Ausdruck, dass er sich sehr freut, dass Sophie, “dieses außerordentliche werthe Geschöpf” an einen “so edelmüthigen und seinen Werth so gut empfinden Besitzer gekommen ist, wie Sie mein vortreffleicher Freund”
(ebda S 32.)Natürlich teilt er seinem väterlichen Freund Bodmer mit, dass die Beziehung nicht mehr besteht. Er schreibt ihm am 2. Juni 1754 von Winterthur aus. Er sieht das Aus nicht als Sophies Schuld, sondern “daß es ein Schicksal ist, das mich
des redlichsten und liebenswürdigsten Mädchen beraubt hat” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 1, Zürich 1815 S. 132)
Am 24. Juni 1754 verläßt er Bodmers Haus. In seinem Brief an Bodmer mit diesem Datum bringt er seine tiefste Dankbarkeit zum Ausdruck und sagt, dass er eigentlich noch weit mehr sagen wollte, dies aber “aus Furcht der geringsten Ähnlichkeit mit einem
Schmeichler” nicht tut und dann weiter “Sie haben die ganze Güte Ihres vortrefflichen Herzens über mich ausgebreitet; Sie waren väterlich für mich besorgt und nahmen den zärtlichsten Antheil an meinen unglücklich scheinenden Begebnissen”
(er spielt dabei auf Sophie an) er bezieht in seinen Dank auch Bodmers Frau ein wie wohl er sagt “ich bin nicht im Stand mit Worten so viel als ich wünsche, alle zärtliche Dankbarkeit auszudrücken, die ich für die ausnehmende Güte der Frau Professorin
gegen mich in vollem Maße empfinde” (ebda S. 135 ff.)
Außer den schon erwähnten Werken schrieb Wieland während seines Aufenthalts bei Bodmer “Der Frühling” (im Mai des Jahres 1752 aufgesetzt und in Band 1 der Poetischen Schriften s.o. gedruckt.) Der Fryhling in Bodmerscher Schreibweise müsse
Klopstock in den Schatten stellen. Er schrieb an Zellweger “ein allerliebstes Werk, das bei Klopstock den Gedanken erwecken muss, es sei einer da, der ihm gleichkommen oder in gewissen Stücken übertreffen könne” am 17. Mai 1752.
Zurück zu Wielands Tätigkeit als Erzieher. Er nahm diese Tätigkeit sehr ernst und er hatte diesbezüglich schnell einen enormen Ruf in Zürich. So erzählt Georg Gessner in seiner Johann Kaspar Lavaters Lebensbeschreibung, Winterthur 1802 Bd. 1
auf Seite 63 von der Zeit als Wieland nach Zürich kam, dass auch Lavater von dem Aufsehen erfuhr, das Wieland erregte. “Da erzählten sich die Knaben unter einander von dem Manne, der so viele Sprachen verstühnde, der mit dem blossen Blick
ein Zimmer ausmessen, und sagen könnte wie viele Linsen d’rin Raum hätten. Der Mann nähme Schüler an aber nur vornehme und ausgesuchte Köpfe; er lehr’ in Einem Tag mehr als andere in Wochen u.s.w” . Natürlich erregte “dieses Gerede” über Wieland
auch Lavaters Interesse ohne dass er zu der Zeit zu näherer Bekanntschaft mit ihm kam.
Ab Juni 1754 lebte Wieland im Haus des Amtmann Grebels, dessen Sohn ja schon zu seinen Zöglingen zählte. Nach Ofterdinger wurde Wieland als höheres Wesen betrachtet und Frau von Grebel unterstützte ihn in allem.
Es war dies eine Zeit großer Veränderung in Wielands Leben. Er war von seinem väterlichen Mentor weg gezogen. Er war nun als Erzieher tätig und vor allem , er musste die Trennung von Sophie verarbeiten. In diesen Jahren von 1754 erschienen teils poetische, teils
philosophische Werke. Über die Kritik an diesem Werk von Nicolai und Lessing ist ja oben schon geschrieben worden.
Wieland studierte die Schriften der griechischen Philosophen, um sich in der griechischen Sprache gründlich auszubilden. Auch englisch lernte er, was er schon in Tübingen am 26. März 1752 in einem Brief an Schinz angekündigt hatte. “ Ich werde
nächstens das Englische zu lernen anfangen. Ich brenne vor Begierde, Milton, Pope, Addison, Young, Thomson in ihrer Sprache zu lesen.” (Ausgewählte Briefe, S.55).
Sein neuer Wirkungsbereich war zeitaufwendig für Wieland. In einem Brief an Johann Georg Zimmermann vom 15. Dezember schildert er seinen Tagesablauf. Er steht morgens um 7 auf, braucht aber nach eigenem Bekunden etwa eine Stunde,
bis er in die Gänge kommt. “Um acht Uhr dejeunire ich und lese insgemein etwas dazu.” Von neun bis elf unterrichtet er und bis zwölf erledigt er kleinere Arbeiten. “Bis nachmittags um zwey pflege ich nichts zu arbeiten”. Dann folgt wieder Unterricht.
Danach muss er seinen Freundeskreis pflegen, das heißt er bekommt Besuche oder er macht Besuche. Auch seine Hausherren (“Hauspatrone”) bekommen Besuch und er muss der Höflichkeit halber dabei sein. Auch gesellschaftliche Pflichten fordern ihren Tribut.
“Ueberdem sind etwan ein halb Dutzend Häuser, wo ich um allerley Verbindungen willen von Zeit zu Zeit einen Besuch machen muss.” Er beklagt sich im weiteren, dass zu seinen Arbeiten nur ein paar Abende und “die Stunden der Nacht, die ich dem Schlaf zu
entwenden pflege”(Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 1, Zürich 1815 S. 230 ff.) Die wenige Freizeit, die ihm blieb, verbrachte er in Damengesellschaft. In seinem männlichen Bekanntenkreis stieß sein seraphischer Gedankenflug, auf dem er seit seiner
Trennung von Sophie war, auf leise Ironie. Aber dankbare Zuhörerinnen fand er unter Damen reiferen Alters. Da war zum einen eine ältere Verwandte im Hause Grebel,”welche schon längst mit dieser Welt abgeschlossen hatte und sich nur mit dem Jenseits
befasste”. (zitiert nach L.F. Ofterdinger S. 106). Wieland sagte selbst “er lebte in platonisirenden Morgenträumen” harmonierte gut mit “der Devotin”. Ihr zu Gefallen dichtete er die “Empfindungen eines Christen”, die auf so herbe Kritik Lessings stießen. In
Weimar äußerte er sich später dazu: “Als mir später die Schuppen von den Augen fielen, ergrimmte ich besonders über diese heilige Prüderie und affectirte Züchtigkeit und die Marter, die mir damals jene tantalisirende Fromme, mit der ich unter Einem Dache
wohnte, angethan hatte, die Erfahrungen, die ich damals gemacht hatte, haben gewiß vorzüglich viel dazu beigetragen, daß ich zu meinen Gedichten dem Anschein nach so wollüstige und lockende Themen genommen und con amore (aber immer mit dem reinsten
sinne) ausgemalt habe.” (Historisches Taschenbuch, Band 10 von Wilhelm Maurenbrecher,Friedrich ¬von Raumer S. 398 Wieland über seine Geliebten). Wichtig war für Wieland aber vor allem Frau von Grebel-Lochmann. Ihr verstorbener Mann war ein Vetter
des Amtmann Grebel, bei dem er wohnte. Wieland selbst sagt über Frau Grebel “Meine feurigste Liebe in Zürich war zu einer Frau von Grebel,
einer jungfräulichen Witwe von 40 Jahren” ( Historisches Taschenbuch S. 399)und ab S. 401 “Nur hielt es sehr schwer, Sie unter vier Augen zu sprechen. Zu ihr zu gehen, wäre nach zürcher Wohlstandsgesetzen ein Staatsverbrechen gewesen.
Nun hatte sie einen Neffen und man kam überein, dass Wieland diesem ein Privatissimum in Philosophie erteilte. Dadurch erhielt Wieland das Recht, ihr Rechenschaft über die Fortschritte ihres Neffen zu geben. Dieser fungierte praktisch als Postillon
d’Amour. “Der Herr Vetter brachte nur immer ein zugesiegeltes Buch von seiner Tante und ich schickte ihr eines durch eben diesen Botschafter. Aber in diesen Büchern lagen immer gegenseitige zärtliche Briefchen. Bald kam es soweit, dass fast kein Tag,
ohne in einem Briefchen uns gegenseitig gestreichelt zu haben verfloß.” (Historisches Taschenbuch S. 402). Beiden war klar, dass ihre Beziehung keine Zukunft hatte. “Die Ungleichheit des Alters war das größte Hindernis (ebda.) Die Beziehung
dauerte 4 Jahre. Dann warb ein Züricher Witwer um sie. Frau Grebel machte Wieland “zum Vertrauten dieses Antrags” und er riet “selbst herzlich zu dieser neuen Verbindung” zumal Alter und Vermögen dafür sprach. Und Wieland konstatierte
“So endigte diese Liebe”. Natürlich hatte dem sittenstrengen Bodmer diese Frauenbekanntschaft missfallen. Aber Wieland verteidigte diesen Umgang. “Ich verdiene keine Vorwürfe wegen meines Umgangs mit Frauenzimmern. Es sind wenige,
und Personen von gutem Charakter und bekannten edlen Sitten, mit denen ich umgehe oder umgegangen bin.” (im Brief an Bodmer vom 22. November 1754 Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 1, Zürich 1815 S. 144). Bodmer war wohl
einfach eifersüchtig. Er fühlte sich zurückgesetzt und war eben nicht mehr einziger Vertrauter des Dichters. Auch befürchtete er, dass Wieland seine Zeit vergeude statt sich um Poesie und guten Geschmack zu kümmern. Zwar blieb der Verkehr immer noch rege.
Wieland kam jeden Sonntag auf Besuch zu Bodmer oder traf ihn bei Breitinger. Er lieh sich nach wie vor Bücher bei Bodmer für sein Studium. Aber die Beziehung war doch brüchiger geworden. Über Frau von Grebel kam Wieland in vielerlei Gesellschaften und
sein Bekanntenkreis weitete sich. Er nahm Kontakt auf mit dem Fabeldichter Meyer von Knonau. Schon von Tübingen aus erkundigte sich Wieland bei Bodmer über Meyer von Knonau. Dass Wieland jetzt den Kontakt suchte, verwundert nicht. Wilhelm Scherer
arbeitet in der Zeitschrift für Deutsches Altertum in Heft 20 das Beziehungsgeflecht heraus. (S. 320 ff). Er bezieht sich auf Wielands Brief an Bodmer vom 29. Mai 1754, indem er mitteilt, dass er einen Brief “von der Frau Gr. G.” erhalten habe und gesagt bekommt,
dass er im Constanzer Haus Unterkommen erhalte. Und dann erläutert Scherer, dass Frau Amtmann Grebel die Frau des Amtmann Hans Georg Grebel im Constanzer Haus ist. Er wird Erzieher des Sohnes des Amtmann und Frau Grebel ist wie eine zweite Mutter zu
ihm. Sie ist die 1713 geborene Verena Meyer von Knonau, eine Schwester des Fabeldichters Johann Ludwig Meyer von Knonau, der ja auch mit Bodmer befreundet war. Der Dichter bewohnte das Schloss seiner Gerichtsherrschaft von Weiningen, wo dann Wieland
auch oft zu Gast war. Auch Salomon Gessner wollte Wieland schon lange kennen lernen. So lange er bei Bodmer wohnte, hielt er es allerdings für nicht opportun. Gessner hatte einen großen Ruf als Idyllendichter. In Frankreich wurde er fast noch mehr bewundert
als in Deutschland. Sein Vater Konrad war Verleger. Salomon war seit 1761 Teilhaber des Verlagshauses Orell, Geßner & Cie bei dem ja auch Wielands frühe Werke erschienen. Schließlich gab es später familiäre Verbindungen, den Salomon Gessners Sohn Heinrich
heiratete 1795 Wielands Tochter Lotte. Die wichtigste Bekanntschaft die Wieland in dieser Zeit machte, war die mit Johann Georg Zimmermann, der zu der Zeit Stadtarzt in Brugg war. Über Breitinger hatte Wieland von dem Arzt in Brugg gehört. Was er von ihm
hörte, ließ ihn auf Seelenverwandtschaft schließen. Der Brief vom 11. Mai 1756 ist der erste erhaltene Brief an Zimmermann. Da schreibt er “Es war mir ausnehmend erfreulich, von Ihnen eine Betätigung meiner eigenen Beobachtungen zu erhalten,dass wir
in vielen Stücken mit einander sympathisieren. Wie kann ein Mann, dessen Empfindungen so zart und edel sind, anders als mit mir verwandt seyn.” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 1, Zürich 1815 S. 175 f.) Über Breitinger hatte Wieland
auch von Zimmermann Gedicht “Die Zerstörung Lissabons” gehört, dass dieser über alle Maßen gelobt hatte. Wieland bot sich im Brief von 19. Mai 1756 an, “die Correktur des ersten Probebogens besorgen zu dürfen” (S. 178) Daraus entwickelte sich eine beständige
Korrespondenz. Sie schickten sich gegenseitig ihre Werke zu und kritisierten sie. Zimmermann hatte in Göttingen Medizin studiert, wo er Schüler seines Schweizer Landsmanns Albrecht von Haller war, der Mediziner, Botaniker und Wirtschaftspublizist
war. Aber auch als Dichter tat er sich hervor. Auf diesem Gedicht war sein Werk “Die Alpen” das wichtigste. Zimmermann schreibt immer wieder an Haller, gibt ihm Hinweise auf Wielands Werke und möchte auch Hallers Meinung zu Johanna Gray erfahren.
Hallers Urteil hat sicher Zimmermanns Einschätzung zu Wieland beeinflusst. Beide beeinflussten sich sehr positiv. Der Spott Zimmermanns brachte Wieland dazu, den “platonischen und seraphischen Mantel abzuwerfen” (Rudolf Ischer, Johann Georg Zimmermanns
Leben und Werke Bern 1893 S. 65). Natürlich erweiterte der Briefwechsel mit einem Arzt und Naturforscher Wielands Horizont beträchtlich.Auch andere Lektüre kam allmählich auf Wielands Leseplan. Er las jetzt Xenophon und Lucian, englische Schriftsteller,
Shaftesbury und vor allem Shakespeare. 1758 erscheint das Trauerspiel Lady Johanna Gray. Wieland verfasste es nach Nicolas Rowe. Lessing bemerkt in seinem 64. Literaturbrief, dass Wieland sich bei Rowe bedient habe. Aber im 63. Brief von 1759
schreibt er auch auf Seite 242 “Freuen sie sich mit mir! Herr Wieland hat die aetherischen Sphären verlassen und wandelt wieder unter den Menschenkindern”. Er schreibt dann weiter mit leicht ironischem Ton,
dass es in der Schweiz aufgeführt worden sei. Es wurde von der Ackermannschen Theatertruppe am 20. Juli 1758 in Winterthur uraufgeführt. Wieland war bei der Aufführung anwesend. Wieland hat mit diesem Werk erstmals in der deutschen
Literatur den Blankvers, übernommen,der damals auf der englischen Bühne üblich war. Gleichzeitig arbeitete er an einem Epos, nämlich “Cyrus”.Es war von Xenophon inspiriert. Cyrus war der persische Herrscher, der das jüdische Volk aus der
babylonischen Gefangenschaft entließ.Das Vorbild aber war Friedrich II. von Preußen, der im Kreise Bodmers als Streiter gegen den Katholizismus gefeiert wurde.Wieland hielt den Cyrus für sein erstes Hauptwerk. Es folgte das Trauerspiel Clementina von Poretta,
das er nach einer Erzählung von Samuel Richardson dramatisiert hatte. Es erschien 1760 in Zürich.
Inzwischen waren Wielands Zöglinge im Hause Gröbel so groß geworden, dass seine Aufgabe dort zu Ende ging. Er musste sich also nach einer neuen Existenzgrundlage umsehen. Vor einem akademischen Lehramt “grauete und ekelte es sich ihm” wie er sagt
Er denkt daran, nach Biberach zurück zu kehren dort seine angefangenen Werke, vor allem den Cyrus zu beenden und sich eventuell um eine Magistratsstelle zu bewerben, wenn sich die Gelegenheit ergibt oder anderswo als Literat zu leben und eine gelehrte
Zeitschrift zu redigieren. Ganz unverhofft bekam er aber ein Angebot für eine Hofmeisterstelle in Marseille. Zimmermann war 1752 nach Bern gekommen, um dort eine Praxis zu eröffnen. Er hatte ein Empfehlungsschreiben seines Lehrers an den Schultheißen
Sinner bekommen.Und das war auch der, der einen Erzieher für seinen Sohn suchte. Wieland schwankte zwischen Marseille und Bern. Er entschied sich aber für Bern. Sein doch schon längerer Aufenthalt in der Schweiz und die Freundschaft zu Zimmermann
haben wohl den Ausschlag gegeben.
Wieland kam 14. Juni 1759 in Bern an. Er war jetzt 26 und hatte auch in Bern einen guten Ruf und jeder wollte ihn kennen lernen. Friedrich Sinner, dessen Kinder der Dichter erziehen sollte, war Ratsherr in Bern und später amtierender Schultheiss.
Er hatte eine große Bibliothek, wie Wieland seinem Freund Zimmermann erzählt und auch eine bedeutende Gemälde-und Kupferstichsammlung. Über seine neue Aufgabe ist er aber nicht sehr glücklich. Am 25. Juni 1759 schreibt an seinen Freund:
“Die Knäblein * * sind so unwissend, ungeschickt, kindisch und ungelehrig, daß ich nie aufhören werde, mich und meine verlorene Zeit zu bedauern.” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S. 41) und am 4. Juli schreibt er ““:
“Wenn das Amt , alle vier Tage vier Stunden in den Elementen der Grammatik zu unterweisen, lange fortdauerte; so würde der Geist, der den Cyrus denken, und mit Shaftesbury Diderot und Rousseau wetteifern soll, gänzlich verlöschen oder
wenigstens zum Pygmäen werden.” (ebda S. 47) Wieland hatte rasch Freunde gewonnen so die Ratsherren Bonstetten, Fellenberg und Tscharner sowie Professor Stapfer aus der Berner Theologenfamilie Stapfer. Diese sahen, dass die neue Tätigkeit dem Dichter
Wieland nicht förderlich war. In diesem Sinne wirkten sie auch auf Herrn von Sinner ein. Das Verhältnis im Hause Sinner wurde schon im Juli freundschaftlich gelöst. Sie verschafften ihm dafür ein Kollegium in Philosophie. Er hielt vier jungen Patriziern mit
Vorkenntnissen täglich zwei Stunden Vorlesungen. Dafür erhielt er 200 Kronen. Seine Existenz war so gesichert und er behielt genug Zeit für sich, zu arbeiten. Wieland wurde gleich von Beginn an in der Berner Gesellschaft herumgereicht. Das war zwar
erfreulich aber eben auch mit sehr viel Ablenkung verbunden. Auch auf zwei Damen wird er hingewiesen und zwar die Freundinnen Marianne Fels und Julie Bondeli. Beide zeichneten sich durch Geist und Gelehrsamkeit aus. Marianne Fels zeigte nach Ofterdinger
allerdings einen so ausgeprägten Männerhass, dass sich daraus keine bleibende Beziehung entwickeln konnte, anders Julie Bondeli. Allerdings war Wielands erster Eindruck nicht besonders gut. Über sie schreibt er an Zimmermann : “ Mademoiselle Bondeli
a parfaitement réussi à m’ennuyer pendant deux heures continues. C’est une fille éffroyable que cette Mademoiselle Bondeli (ebda. S 49 f.). Aber bei der ersten Begegnung wollte eben jeder einen möglichst günstigen Eindruck machen oder wie Ofterdinger
das schildert: “sie wollte durch ihre Gelehrsamkeit imponiren, was bei einem Manne wie Wieland lächerlich herauskam; er aber zeigte sich als ein berühmter Dichter ,“der alle Frauen durch die Superiorität seines Genies zwingen könne, ihn bon gré mal gré
zu lieben” (Ofterdinger S.130) Das änderte sich aber rasch. Wieland sagte später dazu “ Meine leidenschaftlichste Liebe war die Bernerin Julie Bondeli, die älteste Tochter eines Patriciers von sehr vornehmen Stamme und die witzigste und klügste ihres Geschlechts in der Schweiz. (in Historisches Taschenbuch 10 S. 403 f.) Wer war diese Frau, die Wieland sehr schnell völlig anders beurteilte? Julie Bondeli wurde im Dezember 1731 geboren. Die Kirchenbücher geben nur den Tauftag aber nicht den Geburtstag an.
Julie wurde am 1. Januar 1732 getauft. Sie war also ein Jahr älter als seine große Liebe Sophie. Sie war in ihrer geistigen Entwicklung ähnlich frühreif wie Sophie und auch Christoph Martin. Mit zehn hatte sie den katholischen und den protestantischen Katechismus
auswendig gelernt “ da sie in einem paritätischen Land lebte” (in Julie Bondeli: Die Freundin Rousseaus und Wielands von P. J. J. Schädelin Bern 1838 S.8) Ihre Jugend verbrachte sie auf dem FamiIiengut Buchsi in Köniz bei Bern. Dort wurde sie von Samuel Henzi
unterrichtet, ein außerordentlich gebildeter Mann, der auch Bodmer in seinem Streit mit Gottsched unterstützte. Henzi wurde 1749 als einer der Henzi-Verschwörer hingerichtet. Julies Vater musste Henzi als dieser in Burgdorf war, in seiner Eigenschaft als
Schultheiss von Burgdorf verhaften und nach Bern überführen, obwohl er auf sein sehr freundschaftliches Verhältnis zu Henzi hingewiesen hatte. Als ihr Vater Friedrich Landvogt in Burgdorf wurde, kam sie auch nach Burgdorf. Dort wurde sie von
Pfarrer Johann Rudolf Gruner unterrichtet. Er war Sammler und Chronist. In Burgdorf führte er ein Schulfest ein und begründete die Stadtbibliothek. In 386 Bänden trug er topografische, historische und genealogische Quellen zusammen u. a. die für die
Anfänge des Pietismus in Bern unentbehrlichen “Acta pietistica”. Mit 15 wollte Julie Philosophin werden. Sie entwickelte sich zu einer Intellektuellen. Sie stand in Austausch mit intellektuellen Männern und Frauen und galt in der europäischen Gelehrtenrepublik als
weibliches Genie. In Bern stand sie in Verbindung mit Bernhard Tscharner, den wir oben schon im Freundeskreis von Wieland sahen, dann Johann Rudolf Tschiffeli, der Mitglied der Helvetischen Gesellschaft war, ein Kreis aufklärerisch gesinnter Schweizer
Persönlichkeiten, wo es auch wieder viele Querverbindungen zu Wieland gibt. Tschiffeli hatte 1759 die ökonomische Gesellschaft begründet. Dieser gehörte auch Nicolaus Anton Kirchberger an. Und auch er zählte zu Julie Bondelis Freundeskreis und war seinerseits
wieder eng mit Rousseau, aber auch mit Wieland befreundet. Mitbegründer der Ökonomischen Gesellschaft war auch Samuel Engel. Er war Bibliothekar, Geograph und Ökonom und war auch in diesem erlesenen Kreis. Hier wurden historische, philosophische und
dichterische Arbeiten vorgelesen und besprochen. Julie beherrschte diesen Kreis. Tscharner schrieb an Zimmermann “Mademoiselle Bondeli ist ohne Widerspruch die Seele dieser liebenswürdigen Gesellschaft, welche Freundschaft und Übereinstimmung des
Geschmacks zusammenhält.” (Julie von Bondeli und ihr Freundeskreis von Eduard Bodemann Hannover 1874 S.10).Wieland entflammt für Julie, sie aber hält sich zurück, wie er Zimmermann am 24. Juli 1759 schreibt “Die Jungfer Bondeli ist eine prude par
principes, und will nichts von Liebe hören. Sie ist meine Freundin und ich soll ihr Freund seyn. So Sey es denn so” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S.59).
Er schreibt an Zimmermann auch über die Schwierigkeiten die er sieht, eine Ehe mit Julie einzugehen.”Sie würde mich unaussprechlich glücklich machen.Aber ich sehe keine Möglichkeit.Ich müßte auf eine sehr anständige und vorteilhafte Weise etablirt sein,
wenn ich berechtiget seyn sollte, eine solche Prätension zu machen, und bisher ist kein solcher Anschein zu einem solchen Etablissement”(an Zimmermann ohne Datum Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S 109.)
Eine Zeit lang hoffte er, in Biberach eine Stelle zu erhalten. Wegen des damaligen Bürgermeisters ließ sich diese Hoffnung nicht realisieren. Wieland wollte auch auf Zuraten seiner Berner Freunde eine Buchhandlung in Zofingen zu erwerben, die dort zum Kauf
angeboten wurde. Eine Buchdruckerei sollte mit angelegt werden. Da wollte er eigene Werke sowie Sammlungen interessanter Stücke aus Philosophie, der schönen Literatur und Übersetzungen der schönsten Schriften des Altertums und Auslands verlegt werden.
Er dachte zum Beispiel an Xenophon und Shaftesbury. In einem Brief an Zimmermann erzählt er davon (1. Mai 1760).
Aber noch ehe der Kauf getätigt werden konnte, erfährt er von seinen Mutter, dass der Bürgermeister, der Wieland nicht wohl gesonnen war, verstorben sei. Sein Vater teilte ihm dann mit, dass er in Biberach zum Senator gewählt worden ist und zwar einstimmig
und wie der Vater erwähnt, “zur Freude aller evangelischen Bürger” (nach Gruber S.308). Beide Elternteile ermahnen ihn, die Stelle anzunehmen. Julie befand sich da gerade in Neufchatel. Die Abreise erfolgte so schnell, dass sich Wieland nicht einmal
verabschieden konnte. Nach seiner Aussage hatten sie sich aber vorher ewige Liebe geschworen und der Briefwechsel wurde fortgesetzt. (in Historisches Taschenbuch 10 S. 408). Der Briefwechsel kam aber sehr rasch zum Erliegen, wohl auch durch Wielands Schuld.
Allerdings bedeutete sein neues Arbeitsfeld sicherlich auch eine enorme Umstellung für ihn, so dass Briefwechsel-egal mit wem- auch zwangsläufig zunächst mal eher hinten anstand. Wieland schildert auf der gleichen Seite auch wie er nach Biberach kam.
“Ein Herr von Hiller, der Nächste nach dem Bürgermeister in Biberach ein roher Mann, der aber gewisse äußere Talente und männliche Schönheit hatte, bewarb sich um Cateau (die jüngere Schwester von Sophie La Roche). Sophie wünschte ihre jüngere Schwester in der Nachbarschaft in Biberach zu haben und beförderte diese Heirath. Dies war alles während meiner sechsjährigen Abwesenheit in der Schweiz vorgegangen. Die Frau von Hiller hatte eine Stieftochter und legte mit ihrem Manne den Plan an, mich aus der Schweiz nach Biberach zurückzuangeln und mit ihrer Tochter so zu verkuppeln, daß ich ihr Schwiegersohn und Anbeter zu gleicher Zeit würde. Darum erhielt ich die Stelle als Stadtsecretair in Biberach und mußte sie auf dringendes Bitten meiner Aeltern auch annehmen”. (ebda.S. 407 f.) Die Stelle eines Senators war zwar ehrenvoll und auch mit großem Einfluss versehen, eine Lebensgrundlage bot sie aber nicht. Doch wurde kurz nach Wielands Wahl die Stelle des Kanzleiverwalters frei und Wieland bewarb sich und erhielt die Stelle zum 27. Juli 1760. Das war nun mit erheblichen Vorteilen verbunden. So erhielt er eine geräumige Amtswohnung direkt neben dem Rathaus (heute Kugler-Maurer, mit einer Gedenktafel versehen, die wegen des Umbaus des Hauses in den 50-iger Jahren so hoch angebracht ist, dass man sie nur bemerkt, wenn man sie sucht), ein für die damalige Zeit gutes Einkommen. In einem Brief an Bodmer sagt er dazu am 1.10. 1760 “Unterdessen befinde ich mich im Besitz eines der bequemsten Häuser unserer Stadt, bey einer Besoldung von 1000 Gulden, und bey Geschäften, die, wenn nur einmal die jetzigen Troublen vorüber sind, mir sehr wenig Mühen machen werden” (ebda S. 148)(um 1700 hatte ein Gulden die Kaufkraft von zwischen 40 und 50 €) Laut Ofterdinger erfährt Wieland erst später während der Prozesse, wie er zur Stelle des Kanzleisekretärs gekommen ist. Und Wieland erwähnt in seiner Erinnerung nicht, dass seine Mutter in dieser Angelegenheit wohl im Verbund mit
Cateau von Hillern tatkräftig mitgemischt hat. Wieland erinnert sich, dass die jüngere Schwester, “als er mit Sophie umging” schon mit ihm kokettierte. Sie sah auch jetzt, als sie verheiratet war, immer noch gut aus. Aber ihre Ehe war nicht glücklich.
Ihr Mann betrank sich damals fast täglich. Wieland wurde nun zum Seelentröster. Sie wurde für ihn durch “ihre reizende Figur ebenso gut als durch ihr Unglück” interessant und all das schrieb er “in der Aufrichtigkeit meines Herzens immer feuriger und
lobpreisender” an Julie.Sie sah das anders und wohl auch klarer. “und was sie nicht sah, “enthüllte ihr Marianne Fleiß” (Wieland in Historisches Tagebuch S. 408)An Zimmermann schreibt Julie am 4. August 1761”Eine Schwester der Madame Laroche ist die Schuld
seines ganzen Unglücks. Er wurde verliebt in sie, sobald er sie sah; nachdem er drei Wochen in Biberach war, hielt er sie schon für ein Modell der Vollkommenheit und nannte sie eine zweite Panthea. Sie wusste ihn geschickt zu gewinnen und er hätte nicht
Wieland sein müssen, um ihr zu widerstehen.(zitiert nach Bodemann S.64 f). Und Wieland resümiert ernüchtert ”so endete unsere Liebe” (Historisches Tagebuch S. 409) Zwar brachte Zimmermann nochmals eine Versöhnung zustande. Aber seine
Anstellung als Stadtschreiber blieb zunächst nur vorläufig und das dauerte bis 1764. Ein katholische Ratsherr hatte einen Prozess angestrengt, bei dem es um die Gleichstellung der Kanzlei und des Syndikats ging. In einer Stadt, die streng auf Parität achtete, natürlich ein Politikum ersten Ranges. Während des Prozesses war seine Stellung unsicher und zudem musste er des öfteren auch Erfahrungen mit dem Wankelmut seiner Gönner und Freunde machen. Am 7. April 1762 klagt er Zimmermann sein Leid “Ach! mein liebster Zimmermann, wenn Sie wüßten, was ich hier ausstehe, und in was für einem Labyrinth von Verwirrung und verdrießlichen Händeln ich ohne Ausgang herum irre oder vielmehr herumgetrieben werde…Der verdammte Prozess unserer beyden Magistratsanteile über die Parification der Canzley und des Syndicats um dessentwillen ich nun schon zwanzig Monathe lang wie eine Seele im Fegefeuer leide, ist nun dahin gediehen, daß es mich meine Stelle vermuthlich gänzlich kosten wird.” (ebda. S. 174)Ganz so schlimm kam es nicht, aber der Prozess zog sich noch zwei Jahre hin und ging wohl erst dann positiv für Wieland aus, als sich Graf von Stadion in Wien sehr energisch eingesetzt hatte. (Ofterdinger S. 154)
Als Bürgermeister von Hillern 1765 ganz plötzlich verstarb, dachte Wieland eigentlich “durch diese unerwartete Auflösung des Knotens die schöne Witwe meine Frau werden würde” (Historisches Tagebuch S. 410) Allerdings erklärt ihm Sophie, die so Wieland
“nie mit der Eitelkeit ihrer Schwester zufrieden gewesen war”, dass Cateau “zu stolz sei von der Frau Bürgermeisterin zur Frau eines blossen Officials (dazu gehörte der Stadtschreiber) herabzusteigen. (ebda. S. 411)Im Rückblick meint er,dass bei einer
Heirat mit Julie Bondeli “wäre ich im ruhigen Selbstgenusse nie der Schriftsteller geworden, der ich bin” (Ebda. S. 412) und weiter “Ganz unglücklich wäre ich aber gewesen, wenn ich die Hiller zur Frau bekommen hätte. Sie war eine imposante
herrschsüchtige Frau, die in Weimar überall Unmut und Missvergnügen erregt hätte.”
1761 war Wieland Direktor der Evangelischen Komödiantengesellschaft geworden Diese Position war mit seinem Amt als Stadtschreiber verbunden. Im ersten Jahr seiner Theaterleitung lernte er auch die 19-jährige Christine Hogel kennen. Am 22 .
November, dem Fest der Heiligen Cäcilie wurde in Biberach immer ein großes Musikfest veranstaltet, das zwar vom katholischen Teil der Biberacher Bevölkerung ausging. Doch auch die evangelische Bevölkerung beteiligte sich rege. Es war
ein wirklich gemeinsames Fest. Zunächst wurde immer ein Konzert gegeben und zwar ein Teil instrumental und ein Teil vokal. Danach erfolgte ein Ball. Christine war als Solosängerin dabei. Die beiden verliebten sich. Allerdings bezweifelt Michael Zaremba
in “Christoph Martin Wieland,Aufklärer und Poet, Köln 2007” auf Seite 118 diese Datierung, da Obereit (der Entdecker der Handschrift C des Nibelungenlieds) Bodmer über die neue Beziehung Wielands schon im September informiert hat.
Der anbahnenden Beziehung stellten sich gleich zwei Hindernisse in den Weg. Christines Eltern waren nicht wohlhabend. Der Vater war Säcklermeister und katholischer Mesmer. Eine erzkatholische Familie der künftigen Braut und eine nicht weniger strenggläubige protestantische Familie des Christoph Martin machte die Lage nicht einfacher. Dazu waren weitere konfessionelle Verwicklungen sozusagen auf höherer Ebene zu erwarten. Die Taufpaten Christines waren Hieronymus Eberhard von Brandenburg und Maria Anna Christina von Settelin, beides einflußreiche katholische Patrizier. Christines Vater war Mitglied der vom katholischen Patriziats gegründeten Bruderschaft vom Heiligen Blut Christi, die die Biberacher Blutreiter beim Weingartner Blutritt
stellten. Wielands Vater wieder war der höchste evangelische Geistliche der Stadt. Wieland stellte nun Christine als Haushälterin bei sich ein. Das beflügelte natürlich in dem kleinen Städtchen den Klatsch. Der Dichter aber erlebte einen wahren Schaffensrausch.
An Zimmermann schreibt er am 20. Dezember 1762 “Es wundert sie billig, daß ich in den unbegreiflich tollen und ermüdenden Umständen des 1761 und 1762 Jahrs den Agathon schreiben konnte. Verwundern Sie sich weniger oder mehr, wenn ich
Ihnen sage, daß es eine kleine Zauberin war, die dieses Wunder wirkte. Ohne sie würde ich tausendmahl unter der Last der Verzweiflung erlegen, oder in Anstößen von Trübsinn, Unmuth und Wildheyt auf verderbliche Extremitäten gefallen seyn….
aber ich bitte Sie, lassen Sie mir meine Zauberin, ich will Ihnen dafür aber auch gewiß versprechen, daß ich nicht bey meiner Haushälterin schlafen will” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S. 203 f.)
Allerdings hat er sich nicht daran gehalten, denn Christine wurde schwanger.Aber eine Heirat war aus beruflichen, konfessionellen und gesellschaftlichen Gründen heikel. Der katholische Magistrat wollte keine Verbindung katholischer Mädchen mit
Männern anderer Konfession dulden. Die Protestanten, denen Wieland sein Amt verdankte, waren wegen des Skandals verärgert. Wieland hätte wohl nur in einem Prozess gegen beide Magistrate die Heirat erzwingen können und das hätte ihn wahrscheinlich
Amt und Bürgerrecht gekostet. Über Sophie bat er den Grafen von Stadion, ihm eine Dispens zu erwirken. Sophie brachte Christine erst mal bei den Englischen Fräulein in Augsburg unter. Durch eine Indiskretion war Christines Zustand dort bekannt geworden
und sie konnte nicht länger bleiben. Wieland wollte sie durch einen Vertrauten abholen lassen, aber Christines Vater war ihm zuvorgekommen. Über Kloster Rot reisten sie zurück.Dort war ihr Bruder als Pater Sigismund im Kloster. Er vermittelte
Vater und Tochter beim Abt, das war Mauritius Moriz, eine Audienz. Wieland war wohl von seinem Vertrauten über die neue Situation informiert. Wieland eilte sofort nach Rot, doch Vater und Tochter waren schon auf dem Weg nach Biberach.
Aber Wieland erhielt nun seinerseits eine Audienz beim Abt. Dieser, ein gebürtiger Biberacher, war mit den verzwickten konfessionellen Verhältnissen in der kleinen Reichsstadt vertraut. Abt Mauritius brachte Wieland großes Verständnis
entgegen und sah eigentlich keinen Hinderungsgrund für eine Ehe unter der Voraussetzung, dass Christoph Martin die Kinder in der katholischen Religion erziehen ließ, was ja auch alles andere als einfach gewesen wäre. Und dann wies er
darauf hin, dass dieses nicht seiner Kompetenz unterliege, sondern ausschließlich dem Dechanten in Biberach. Er habe auch schon Vater und Tochter geraten, sich ausschließlich an diesen zu wenden. Wieland hatte nun auch eine
Unterredung mit dem Dechanten, die der Büchsenmacher Johann Daniel Dettenrieder vermittelte. Dieser war auch Amateurschauspieler. Er entwickelte unter Wieland sein Talent und machte zusammen mit seiner Frau Felicitas unter dem
Künstlernamen Abt eine große Karriere. Wieland machte noch einen zweiten Besuch beim Roter Abt. Da wurde er von dem Kenner der Biberacher Verhältnisse davon überzeugt, dass es das beste wäre, auf Christine zu verzichten. Wieland
sagte zu und hielt sich daran. Christine kam in Ulm nieder. Wieland hatte Sophie die Patenschaft angeboten. Die kleine Tochter wurde auf den Namen Cäcilia Christine Sophie getauft, starb aber bald nach der Geburt.
Wielands Mutter sah nun dringenden Handlungsbedarf, zumal es im “Wielandschen Prozess”, wie Ofterdinger das nennt, zu einem Vergleich gekommen war und damit Wielands finanzielle Situation gefestigt war.
Zudem war Christoph Martins Bruder gestorben, was ein weiterer Grund war, auf eine Ehe zu drängen. Er erzählt am 29. August 1764 Gessner vom glücklichen Ende des ihn sehr belastenden Prozesses und fährt dann fort:
“nun geht mir von den Bedürfnissen des menschlichen Lebens nichts ab, als ein Weib, und da ich durch den Tod meines Bruders die Ehre habe, der einzige von meiner Familie zu seyn, so werde ich von meinen lieben alten Eltern
über diesen Punkt so sehr in die Enge getrieben,daß ich bald genöthigt seyn werde, in die ganze Welt um ein Weib auszuschreiben.” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S. 252) Am 5. November 1765
schreibt er ebenfalls an Gessner: “…ich habe ein Weib genommen oder eigentlicher zu reden, ein Weibchen, denn es ist ein kleines, wiewol in meinen Augen ganz artiges, liebenswürdiges Geschöpf, das ich mir, ich weiß nicht recht wie,
von meinen Eltern und guten Freunden habe beilegen lassen. Es ist nun so, ich bin zufrieden; meine Mitbürger auch, denn diese können nicht wol leiden, wenn ihre Vorgesetzten unbeweibt sind.-“ (abgedruckt bei J.G. Gruber, C.M.Wielands
Leben, Leipzig 1827 S. 400)Anna Dorothea Hillenbrand wurde am 28.07. 1746 als Tochter des Augsburger Bankiers und Kaufmanns geboren. Zwar schreibt Zaremba, dass die neunzehnjährige Anna Dorothea nicht mit Geld aber mit neun Geschwistern gesegnet
war. Zu den Armen Augsburgs hat sie aber sicher auch nicht gezählt. Ihr Vater war Patrizier und Ratsherr und zählte so zur Augsburger Führungsschicht und Peter Fassl sagt in seinem Buch Konfession, Wirtschaft und Politik, dass die Augsburger Kaufleute Laire,
Hillenbrand und Obwexer, die führende Stellung im Textilgroßhandel innehatten und 1757 erhielten sie von Kaiser Franz den Adelstitel und im Wappenbrief steht: “Sie drey GebrüderDavid, Johann Balthasar und Johann Hillenbrand selbsten aber haben sich von
Jugend auf angewendet, in allen und jeden wohlanständigen Sitten, Tugenden und besonders in dem Wechsel- und Mercantil-Negotio sich wohl erfahren, tauglich und geschickt zu machen; in Betracht dessen auch herrn David Hillenbrand von dem Magistrat
mehrbenandterStadt Augsburg eine bürgerliche Stadt Hauptmanns-Stelle ertheilt worden, welche Er zu jedermanns Zufriedenheit, mit allem Ruhm und unermüdeten Eifer verwaltet, sofort nebst Seinen zweyen Brüder Johann Balthasar und Johann Hillenbrand
durch die Gnade Gottes, und mit Ihren unaussezlichen Fleiß es dahin gebracht, daß Sie sowohl in ganz Deutschland, als Italien, sonderlich aber in Toskana ein starkes Wechsel und ein gros Mercantil-Negotium treiben, und dabei in bester Reputation und Credit
stehen, auch andurch bey dem Publico sich vieles Lob erworben” (abgedruckt in www.heinle.news.de) Am 21. Oktober 1765 fand die Heirat in der Biberacher Stadtkanzlei statt. Christoph Martins Vater vollzog die Trauung.
Gehen wir aber, nachdem wir wie im Historischen Tagebuch 10 ein Kapitel lautet “Wieland über seine Geliebten “ , Wielands Frauenbeziehungen betrachtet haben, wieder chronologisch vor. Ein wichtiges Ereignis gleich
zu Beginn von Wielands Biberacher Zeit war sicher der Kontakt zu Friedrich Graf von Stadion in Schloss Warthausen. Am 11. Februar 1763 schreibt er an Zimmermann:” Biberach ist, ungeachtet verschiedner nicht geringer Vortheile,
die mir selbst gewiss sind, schlechterdings der Ort nicht, wo ich bleiben kann…” und dann weiter ” Hier gehen meine Talente für das Publikum verloren. Unter solchen Zerstreuungen, bey einem solchen Amte, ohne Bibliothek,
ohne Aufmunterungen, was kann ich da thun?” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S.209 f). Als er Cateau von Hillern diesbezüglich sein Leid klagte, erzählte sie ihm, wie geistreich das Leben auf
Warthausen sei. Ihre Schwester Sophie war ja Gesellschafterin am Hof des Grafen. Er hatte zwar in dem oben zitierten Brief vom 12. Dezember 1753 geschrieben “und uns ungeachtet wir uns, wie ich hoffe, in dieser Welt nimmer sehen werden”.
Aber das war ja in Anbetracht der geplatzten Verlobung. Er rang sich zu einem Brief an Sophie durch und erhielt postwendend Antwort. Er wurde aufs Schloß gebeten und bald auch dem Grafen vorgestellt. Man wies ihm ein Zimmer zu
seiner Disposition an und bot ihm an, nach Belieben von der Stadionschen Bibliothek Gebrauch zu machen. Und nun hatte er alles, über dessen Fehlen er sich bei Zimmermann beklagt hatte, einen geistreichen Kreis zur Unterhaltung,
eine Bibliothek, die noch heute ein Schmuckstück ist (siehe blog Die Familie Stadion). In seiner Trauerrede auf Wieland, die Goethe in der Freimaurerloge Anna Amalia zu den drei Rosen am 18. Februar 1813 hielt sagt er zu Wielands Kontakt zu dem gräflichen
Hof in Warthausen : “ In diesem angesehenen, wöhleingerichteten Hause wehte ihn zuerst die Welt- und Hofluft an;”(Text nach Wernekke, Hugo: Goethe und die Königliche Kunst. Leipzig: Poeschel 1905)
Gervinus bemerkt im 4. Band seiner “Geschichte der poetischen National-Literatur der Deutschen” im 4. Band Kapitel über Wieland (Seite 270-318) zur Bedeutung der Bekanntschaft mit Graf Stadion (ab Seite 273)”Hier nun lernte er eine
Bildungssphäre kennen, die ihm bisher ganz fremd, und die der grellste Gegensatz gegen jene andere war, an der er sich in Bodmers Haus übersättigt hatte. Der Graf imponirte ihm durch Rang, Weltkenntniß und Hofton weit mehr, als es
Bodmer mit Frömmigkeit gekonnt hatte; die geistreiche Unterhaltung erfahrener Männer, feiner Gesellschafter und einer gebildeten Dame sagte ihm ganz anders zu, als der einförmige Verkehr mit den Zürichern; jene verständige Richtung
gegen alle Phantasterei und Empfindsamkeit, alles Excentrische und allen Aberglauben…” Und Gervinus weißt auch auf die Bedeutung der Stadionschen Bibliothek für Wielands weitere geistige Entwicklung hin.
Wir haben oben gesehen, dass sich Wieland nun in einem wahren Schaffensrausch befand und er selbst das “auf die kleine Zauberin” zurückführt. Aber das völlig andere Umfeld, der geistige Austausch und die Möglichkeit, eine Bibliothek
zu benutzen – über diesen Mangel hatte er sich ja gegenüber Zimmermann beklagt- taten sicher ein übriges.
1764 erscheinen “Der Sieg der Natur über die Schwärmerey, oder die Abentheuer des Don Sylvio von Rosalva. Eine Geschichte worinn alles Wunderbare natürlich zugeht”. Wieland stand wegen seiner Affäre mit Bibi Hogel unter großem
finanziellen Druck. Laut Zaremba (s.o. S. 120) hatte er Kanzleigelder zu privaten Zwecken entnommen, die er schnellstens erstatten musste. An Gessner hatte er am 24.6. 1762 geschrieben: “Ich muß von itzt an bis nächster Ostern
wenigstens 40 bis 50 Louis haben oder ich bin unwiderbringl. verlohren. Ohne diesen harten Umstand würde ich nimmermehr ein Buch geschrieben haben wie Don Silvio ist…” (Wielands Briefwechsel Bd. 3 S. 197)Kaum hatte er den Brief abgeschickt,
bot ihm der Ulmer Verleger Bartholomäi 500 Gulden an. Daraufhin schrieb Wieland an Gessner, ihm binnen 14 Tagen 30 Louis zu schicken “so soll der Sylvio Ihnen seyn. Darauf ging Orell & Partner nicht ein. Darauf erschien das Buch in dem Ulmer Verlag. Den Don
Sylvio hatte Wieland auch noch Julie Bondeli geschickt . Gegenüber Zimmermann sagte sie darüber “Der erste Teil des Don Sylvio war noch ein unschuldiger und selbst geistreicher Scherz, der zweite erscheint mir nichts als eine indecente Platitüde; abgesehen von der lasciven Geschichte des Prinzen Biribinker ist das übrige kalt und langweilig…” (in Julie von Bondeli und ihr Freundeskreis von Eduard Bodemann S. 287). Ähnlich scheint sie das auch Wieland direkt mitgeteilt zu haben. Er war darüber wohl ziemlich verschnupft,
was wahrscheinlich auch dazu beigetragen hatte, dass der Briefwechsel zum Erliegen kam.
Der Don Sylvio erschien 1764. Ein Jahr darauf erschienen die Komischen Erzählungen jetzt wieder in Zürich. Er bringt damit die komischen Romantraditionen von Cervantes in die deutsche Literatur ein. Er war ja in Erfurt durch Baumer auf Don Quichote hingewiesen
worden. Nachdem Don Sylvio bringt er die Verserzählungen heraus. Aber das wichtigste und umfassendste Werk an dem er in dieser Zeit arbeitete, war die Übersetzung von Shakespeares Werken. 1759 hat Sulzer in einem Brief an Wieland hingewiesen,
dass man sich mit Shakespeare befassen sollte, als er ihm einen Teil des Werkes zurückschickte:” Wenn doch ein geschickter Kopf die Arbeit übernehmen würde, diese Schauspiele im Deutschen so zu analysiren, wie Père Brumoy mit dem griechischen Theater
gethan hat…und weiter “Ich glaube, dass ein solcher Übersetzer vielen Dank verdienen würde. Wie kommt es doch, dass unter so vielen engländischen Übersetzern sich noch keiner daran gemacht hat? Es ist wahr, dass ein wenig mehr, als etwas Englisch, Feder und
Dinte dazu erfordert wird.” (Briefe von Wolfang Dieterich Sulzer, weiland Stadtschreiber von Winterthur von W. D. Sulzer, Winterthur 1866, S.9). Wielands Aufenthalt bei Bodmer, der ja Milton übersetzt hatte und im Streit mit Gottsched auf den Vorbildcharakter
des englischen Dramas hingewiesen hatte, hatte seine Aufmerksamkeit auf Shakespeare gelenkt. Auch Julie Bondeli war große Shakespeare-Verehrerin. “Sie verkündete den Leuten die Wiedergeburt eine Shakespeares, der für die Welt schon fast zwei Jahrhunderte todt lag” (Julie von Bondeli und ihr Freundeskreis
von Eduard Bodemann Hannover 1874 S. 27). Im September 1761 bringt Wieland erstmals Shakespeare in deutsche Sprache auf die Bühne und zwar den Sturm. Als Direktor der Evangelischen Komödiantengesellschaft hatte er das Stück in seiner Übersetzung
vorgeschlagen. So wurde also im Komödienhaus ein Stück deutscher Theatergeschichte geschrieben. Die Aufführung war ein finanzieller Erfolg wie das “Einschreib-Buch der Comoedien” ausweist (Zaremba S. 112)
Es ist nicht zufällig,dass Wieland den Sturm auf die Bühne brachte. Der Sturm und der Sommernachtstraum waren die Lieblingsstücke “der Schweizer”, also dem Kreis um Bodmer.
Vor Wieland gab es nur zwei Einzelwerke Shakespeares auf Deutsch. Das war einmal Caspar Wilhelm von Borcks “Trauerspiel von dem Tode Julius Cäsar” aus dem Jahre 1741 und dann “Romeo und Julia”
von Simon Grynaeus, 1758 .
Zur Herbstmesse 1762 erschien dann der erste Band von Wielands Shakespeare-Übersetzungen. Zwar stand ihm jetzt die Stadionsche Bibliothek zur Verfügung. Seine philologischen Hilfsmittel waren aber eher bescheiden. Die Ausgangsbasis
war die Edition von Pope und Warburton (London 1747). Diese ist allerdings recht freizügig mit Shakespeares Text umgegangen. Dann hatte er noch zwei Wörterbücher, nämlich ein “Dictionnaire Royal Francois-Anglais et Anglais-Francois”,
sowie eines zur Idiomatik Shakespeares. Das führte aber zu vielen neuen Wortschöpfungen, die auch heute noch geläufig sind, so Milch-Mädchen (milk-maid)Steckenpferd (hobby-horse). Aber auch Kriegserklärung, Weltliteratur oder das
politische Barometer gehen auf Wieland zurück. Zwar gab es vor Wieland schon drei Texte, die ins Deutsche übersetzt worden waren, aber erst seine Übersetzung, die von 1762-1766 in acht Bänden erschien und 22 von Shakespeares 38 Werken
umfasste, machte den englischen Dramatiker in Deutschland bekannt und löste eine regelrechte Shakespeare-Begeisterung aus. Lessing, Herder und Goethe entdeckten den Dichter nun als Naturgenie.
Auch für Verlag und Übersetzer hatte sich die Herausgabe gelohnt. Als die Edition 1766 abgeschlossen war, hatte Wieland etwa ein Jahresgehalt seiner beruflichen Tätigkeit erhalten.
Aber Wieland hatte diese Übersetzung auch als sehr anstrengend empfunden, wie er in einem Brief an Gessner am 24. Juni 1762 wissen lässt. “ Ich glaube nicht, daß irgendeine Art von gelehrter Arbeit der GaleerenSklaven-Arbeit ähnlicher
sey, als diese” (in Wielands Briefe 3)Da es dabei auch ums Honorar ging, war seine Klage wohl auch bewusst leidend formuliert.
Lessing war im 15. Stück seiner Hamburger Dramaturgie auf Wielands Shakespeare-Übersetzung eingegangen und hatte dazu bemerkt: “Wir haben eine Übersetzung vom Shakespeare. Sie ist noch kaum fertig geworden, und niemand bekümmert sich schon mehr
darum. Die Kunstrichter haben viel Böses davon gesagt. Ich hätte große Lust, sehr viel Gutes davon zu sagen. Nicht, um diesen gelehrten Männern zu widersprechen; nicht, um die Fehler zu verteidigen, die sie darin bemerkt haben: sondern, weil ich glaube, daß man
von diesen Fehlern kein solches Aufheben hätte machen sollen. Das Unternehmen war schwer; ein jeder anderer, als Herr Wieland, würde in der Eil noch öftrer verstoßen, und aus Unwissenheit oder Bequemlichkeit noch mehr überhüpft haben; aber was er
gut gemacht hat, wird schwerlich jemand besser machen. So wie er uns den Shakespeare geliefert hat, ist es noch immer ein Buch, das man unter uns nicht genug empfehlen kann. Wir haben an den Schönheiten, die es uns liefert, noch lange zu lernen, ehe uns die
Flecken, mit welchen es sie liefert, so beleidigen, daß wir notwendig eine bessere Übersetzung haben müßten”.
Wieland hat sich schon sehr früh mit Shakespeare beschäftigt. 1757 schrieb er “Die Theorie und Geschichte der Red-Kunst und Dicht-Kunst” Das war, als er Erzieher im Hause Groebel war. In seiner Theorie nimmt im Kapitel “Von den tragischen Poeten” nimmt
Shakespeare den größten Raum ein. Da heißt es “Vielleicht ist kein Scribent in der Welt, den man weniger aus Beschreibungen kann kennen lernen, als dieser dramatische Poet. Man findet weder unter den Alten noch Neuern jemand, mit dem er verglichen werden
könnte; er hat keinen seiner Vorgänger nachgeahmt, und es ist wahrscheinlich, dass er die Alten nur nicht gelesen hat. Niemals hat einer den Namen eines Originals mehr verdient als er. Die Natur war die einzige Quelle, woraus er schöpfte. Sein Genie war seine
einzige Muse und seine Poesie war, wie Pope sagt, in der That Begeisterung. Der weite Umfang, die Stärke und die Delicatesse seines Genies sind fast unbegreiflich” (zitiert in Shakespeare- Rezeption, Die Diskussion um Shakespeare in Deutschlands,
hsg von Hansjürgen Blinn, Berlin 1982 S. 68)
Wielands Beschäftigung mit Shakespeare und deren Einfluss lässt sich auch in anderen Werken, die gleichzeitig mit den Übersetzungen entstanden, erkennen, wie Friedrich Gundolf in “Shakespeare und der Deutsche Geist” (Berlin 1920) zeigt.
Er sagt, dass im Don Sylvio von Rosalva Shakespeare “als seelische Substanz spürbar bis in die Tonfälle hinein” ist (S.179) Sachmotive, die Furcht des Pedrillo vor dem nächtlichen Wald (Sommernachtstraum), die Wahrsagung der Zigeunerin aus Pedrillos Hand
(Der Kaufmann von Venedig) aber auch die Requisiten wie nächtlich tanzende Feen oder Kobolde verweisen auf Shakespeare (ebda).
Den zweiten Paukenschlag (Heinz Wielandhandbuch, Stuttgart 2008) in seiner Biberacher Zeit ist die Geschichte des Agathon in Zürich 1766/67 in zwei Teilen erschienen. Schon 1762 hatte er “sub rosa” Teile an Salomon Gessner, Zimmermann,
Tscharner und Julie Bondeli geschickt. Und Julie Bondeli hatte Wieland auch auf Tristram Shandy von Laurence Sterne und dessen digressive Poetik aufmerksam gemacht. Hier konstituiert sich der Weg aus Abschweifungen. Sie scheinen so
etwas wie eine Haupthandlung zu verhindern um aus möglichst vielen Blickwinkeln zum Ziel zu führen. Sternes Erzähler (22. Kapitel 1. Buch)sagt, er setze zwei entgegengesetzte Bewegungen ins Spiel, die das Werk gleichzeitig abschweifend
und vorwärts schreitend gestalten. Wieland verarbeitet das sofort und so heißen Kapitel “Ein oder zwo Digressionen oder Eine kleine Abschweifung”.
Der Agathon ist der erste moderne deutschsprachige Roman. Er spielt im hellenistischen Zeitalter und ist eine Piraten und Entführungsgeschichte. Aber bald wird aus der Seeräubergeschichte ein philosophischer Dialogroman. Das Mittelmeer und der angrenzende
Lebensraum sind Kulisse für geistreiche Diskurse. Die Dialoge die der Titelheld mit dem Sophisten Hippias führt, gehören nach Zaremba (Ebda S. 116) in jedes gute Lehrbuch der Philosophiegeschichte.
Der Agathon begründete eine ganze Reihe von Bildungs-Erziehungs-und Entwicklungsromanen. Goethes Wilhelm Meister folgt der Struktur des Agathon, verändert sie aber auch und dieser wird dann zum entscheidenden Muster des
deutschen Bildungsroman. Der Agathon ist aber auch der Prototyp des “history-Romans”, der eigentlich von Henry Fielding, Die Geschichte des Tom Jones eines Findlings (1749) geschaffen wurde.
Lessing, der ja Wielands Entwicklung immer beobachtete, schreibt im 69. Stück der Hamburgischen Dramaturgie “so kommen sie auch wohl einmal über den »Agathon« . Dieses ist das Werk, von welchem ich rede, von welchem ich es lieber nicht an dem
schicklichsten Orte, lieber hier als gar nicht, sagen will, wie sehr ich es bewundere: da ich mit der äußersten Befremdung wahrnehme, welches tiefe Stillschweigen unsere Kunstrichter darüber beobachten, oder in welchem kalten und gleichgültigen Tone sie davon
sprechen. Es ist der erste und einzige Roman für den denkenden Kopf, von klassischem Geschmacke. Roman? Wir wollen ihm diesen Titel nur geben, vielleicht, daß es einige Leser mehr dadurch bekömmt. Die wenigen, die es darüber verlieren möchte, an denen ist
ohnedem nichts gelegen.”
Das Verhältnis zum Hause Stadion wurde allerdings eingetrübt. Zunächst ging es um eine rein private Angelegenheit. Graf Stadion besaß das Recht, das Pfalzgrafendiplom zu verleihen. Am 28. September 1765 verlieh er Wieland eine Bestallungsurkunde
zum comes palatinus. Er konnte nun bürgerliche Wappenbriefe ausstellen, Notare ernennen, auch unehelich Geborene legitimieren und er konnte “der Freyen Künste Magistros, Baccalaureos und Poetas laureatos” ernennen. Nur sich selbst,
das ging nicht, denn Selbstbegünstigung war hier untersagt. Wieland wähnte sich vorschnell im Besitz dieses Titels und er trug sich ohne Absprache mit dem Grafen im Adressbuch des Schwäbischen Kreises ein. Dies verärgerte den Grafen
so, dass er seinen Warthausener Verwalter von La Roche anwies, den noch nicht rechtskräftigen Verwaltungsakt sofort zu annullieren. Wieland reagierte entsetzt und lamentierte. Auch Sophie wurde eingeschaltet. Graf Stadion beließ es bei der
internen Demütigung und erlaubte Wieland nun die öffentliche Führung des Titels. Schwerer wog eine Auseinandersetzung zwischen Warthausen und der Stadt Biberach, in der sich La Roche als Oberamtmann und Wieland als städtischer Kanzleidirektor
sozusagen von Amts wegen gegenüber standen. Zunächst ging es um einen Handelsboykott um die Einkünfte der Biberacher Handwerksgilden zu sichern. Verschärft wurde der Streit wegen Meinungsverschiedenheiten wegen umstrittener
Gemarkungsrechte beim Holzeinschlag. Wieland verhielt sich in dieser Angelegenheit ziemlich ungeschickt. Mit nichtabgesprochenen Briefen verärgerte er Bürgermeister und Magistrat. In Warthausen zieh man ihn der Undankbarkeit und
erwog, den Pfalzgrafentitel abzuerkennen. Sophie versuchte zwar zu vermitteln, aber auch sie war verärgert und Wieland saß zwischen allen Stühlen. Der Graf aber zog sich nach Bönnigheim zurück. Wieland hatte nun keinen Zugang mehr
zur Warthausener Bibliothek und auch der Musenhof mit seiner intellektuellen Atmosphäre entfiel. In dieser Zeit mietete sich Wieland ein kleines Gartenhaus, ganz nah bei der Stadt gelegen.
Es beherbergt heute das Wielandmuseum in Biberach. Er schreibt “Nur ein kleines Tusculum geht mir noch ab, und bis ich erben werde (wozu vor den nächsten zwanzig Jahren wenig Hoffnung ist), sehe ich auch keine Möglichkeit eines zu bekommen.
In Ermangelung dessen habe ich ganz nahe an unserer Stadt, aber doch in einem etwas einsamen Orte, ein artiges Gartenhaus gemiethet, wo ich die angenehmste Landaussicht von der Welt habe, und, so nahe es meinem Hause in der Stadt ist,
doch völlig auf dem Lande bin.” (Am 24. August 1768 an Riedel in Auswahl denkwürdiger Briefe, Band 1von Christoph Martin Wieland S. 274)
In diesem Wielands Tusculum vollendete er den 2. Teil des Agathon und hier begann er mit Idris und Zenide.
Auch dem Grafen von Stadion ging der geistreiche Umgang mit Wieland ab. In seinem letzten Lebensjahr kam der Graf nach Warthausen zurück. Und dort versöhnte man sich auch wieder. Auch hier trat Sophie als Vermittlerin auf.
Sein letztes Biberacher Werk war Musarion oder die Philosophie der Grazien. Es erschien 1768 und zwar erstmals im Verlag Weidmann. Wieland hatte im Januar 1768 eine Korrespondenz mit Justus Riedel begonnen, der zu der Zeit Professor in
Erfurt war. Dieser knüpfte auch den Kontakt zu dem Leipziger Verleger Philipp Erasmus Reich. Es gab sicher einige Gründe zu der Trennung von Züricher Verlag Orell Gessner & Co. Zum einen hatte Wieland seine Wünsche und Erwartungen
unverblümt zum Ausdruck gebracht, aber dem wurde nicht entsprochen. Das führte zu Mißstimmung. Aber er zweifelte auch an der Konkurrenzfähigkeit des Verlages. Er war zum Beispiel auch unzufrieden mit dem stockenden Absatz seines
Agathons, wie er 1771 aus Erfurt Gessner vorrechnete und darauf verwies, dass in 6 Jahren nur 1100 Exemplare verkauft worden. Reich habe in einem Drittel der Zeit doppelt so viel umgesetzt (Wieland an Gessner Erfurt 13.12. 1771)
Außerdem hatte ihm Reich ein weitaus höheres Honorar geboten. Nicht zuletzt sprachen auch die Rahmenbedingungen für Leipzig. In Zürich griff die Zensur viel stärker ein. In München, Wien und Zürich war der Agathon
verboten, in Leipzig nicht. Dem trug Wieland insoweit Rechnung, als er die Werke, die bis 1768 erschienen waren, in Zürich beließ, die neuen Werke aber bei Weidmann drucken ließ. Wielands neue Werke erschienen auch in neuer Ausstattung.
Adam Friedrich Oeser, Maler Bildhauer und Buchillustrator (Goethe zählte von 1765-1768 zu Oesers Schülern) zeichnete die Vignetten und Christian Gottlieb Geyser, auch ein Schüler Oesers stach die Kupfer und Vignetten. Verskunst und Ausstattung ergänzten sich
so ideal. In der zweiten Auflage ist das Dedikationsschreiben an “An Herrn Creyßsteuereinnehmer Weisse in Leipzig” abgedruckt. Die Datierung Warthausen den 15. März 1769 ist sicher auch als Dank an Warthausen zu sehen.
Wieland konnte eigentlich zufrieden sein. Seine Position in Biberach war gesichert. Sein literarischer Ruhm stieg. Und seine Frau hatte nach einer Fehlgeburt, die beide sehr belastet hatte, am 19. Oktober 1768 das erste Kind, die Tochter Sophie
Anna Katharina zur Welt gebracht. Aber Wieland hatte, schon vor der Briefwechsel mit Riedel begonnen hatte, über eine Professur in Erfurt nachgedacht. Der alte Graf von Stadion hatte Besuch aus Mainz, seinen früheren Sekretär Franz Wilhelm von Loskant,
der jetzt für Kurmainz als Assessor am Reichskammergericht in Wetzlar war. Dann war zugegen der kurfürstliche mainzische Kämmerer Philipp Ernst Freiherr von Großschlag, der erste Minister des Mainzer Erzbischofs Joseph Emerich, dem Nachfolger vom
Dienstherrn des Grafen von Stadion. Beide waren erklärte Verehrer des Agathons. Graf von Stadion und La Roche fanden, dass Wieland gut nach Erfurt passen würde. Loskant machte dann in Warthausen gedeckt durch Minister Großschlag den Vorschlag einer
Professur in Erfurt. Wieland war nicht abgeneigt. Er erklärte nach Ofterdinger (S.232) “daß, wenn er irgend in der Welt eine academische Stelle begleiten wollte, so wäre es in Erfurt.” Von Großschlag war für Wieland kein Unbekannter. Der Mainzer
Großhofmeister war aus von Stadions Schule hervorgegangen.Vor allem La Roche hatte besten Kontakt zu von Großschlag. Laut Schulze-Maizier (Wieland in Erfurt, 1769-1722 S. 18) “galt La Roche bei Großschlag alles”.Bei den weiteren Unterhandlungen war
von La Roche ein hervorragender Ratgeber. Dank seiner langjährigen Tätigkeit in Mainz war er bestens mit den kurmainzischen Verhältnissen vertraut. Er verfügte ja aber auch über den notwendigen diplomatischen Verstand.
Im Gegenzug verschaffte ihm Wieland den Kontakt zu Salomon Gessner. Der Sohn Fritz kam zur Erziehung zu Wieland nach Erfurt. Die “Briefe über das Mönchswesen” erschienen dann ja auch in Zürich. Schnell hatte Wieland aber auch Bedenken.
Zum einen besorgte ihn der Abschied von seinem betagten Vater. Auch die Tatsache, dass er keinen akademischen Grad hatte, was von ihm ja eine Magisterpromotion erfordert hätte, machte ihm zu schaffen, zumal er ja Dank seines Pfalzgrafentitels
selbst Magister der freien Künste kreieren könne. Den Ausschlag gab ebenfalls nach Ofterdinger (S. 224) ein Reichsratsbeschluss, der Kanzleidirektoren eine hohe Verantwortlichkeit in finanziellen Angelegenheiten aufgebürdet hatte,
etwas, was Wieland verhasst war. Nachdem der Erfurter Senat auch Hindernisse wegen des fehlenden akademischen Grads aus dem Weg geräumt hatte, wurde Wieland im Februar 1769 zum ersten Professor der Philosophie ernannt. Verbunden
war das mit der Ernennung zum kurmainzischen Regierungsrat. Diese Stelle wurde mit 600 Talern dotiert. Gleichzeitig wurde ihm bedeutet, dass er keine Vorlesungen halten müsse, dass er über seine Zeit frei verfügen könne und dass man ihn vor allem
seines Namens wegen geholt habe. Dass Wieland gut zu verhandeln wusste, hatte er schon bei seinen Verhandlungen mit seinem Verlag gezeigt. Die 600 Reichstaler waren seine Bedingung gewesen. Aber er vergaß auch nicht die
Erstattung der Umzugskosten, die er pränumerando “ in einem ehrlichen Wechselbrief à vue zu Augsburg” (Schulze-Maizier , S. 19) zu erhalten wünscht.
Die Universität Erfurt ist zwar die älteste in Deutschland. Ihr Gründungsbelegung stammt aus dem Jahr 1379. Heidelberg folgt dann erst mit 1385 und Köln mit 1388. Die große Zeit der Erfurter Universität war
im Humanismus. 1664 war Erfurt eine kurmainzische Landesuniversität geworden, deren Aufgabe hauptsächlich darin bestand, Beamte auszubilden. Die Universität sollte im Geist er Aufklärung nochmals neu belebt werden. Vor allem Karl Theodor von Dalberg
machte Erfurt wieder zu einem Zentrum von Kultur und Bildung. Er holte die großen Geister der Zeit an seine Statthalterei. Eine durchgreifende Erneuerung gelang aber nicht und so verließ auch Wieland nach drei Jahren Erfurt schon wieder.
Geradezu enthusiastisch begrüßte Riedel in der Erfurtischen gelehrten Zeitung , die er seit 1769 herausgab, in der Ausgabe vom 3. März im achtzehnten Stück “In dieser Zeitung habe ich noch keine so interessante und für alle, die sie lesen und nicht
lesen, so wichtige Nachricht ankündigen können, als folgende: Derjenige unsrer Teutschen Schriftsteller, mit dem wir am meisten gegen Ausländer trotzen können, dieses vaste Genie, wie es der selige Meinhard nennte, der Verfasser
der Natur der Dinge, der Sympathien, des Agathon, der komischen Erzählungen, des Don Silvio von Rosalva, der Musarion, des Idris- mit einem Worte Herr Wieland ist von Sr. Churfürstlichen Gnaden zum ersten Professor der Philosophie..
ernennt worden.” (in Christoph Martin Wieland Sämtliche Werke Bd. 50/51 Leipzig 182 S. 517)
Kurz vor Wielands Ernennung war Graf von Stadion am 28. Oktober 1768 in Warthausen gestorben. Zum Leichenzug war der gesamte oberschwäbische Adel zugegen. Die drei oberschwäbischen Prälaten von Ochsenhausen, Rot und Schussenried nahmen
die Aussegnungen vor und auch die Reichsstadt Biberach war mit einer Abordnung vertreten.
Wieland reichte nach seiner Ernennung zum Professor seinen Amtsrücktritt ein, dem der evangelische Rat am 30. März 1769 entsprach. Das Bürgerrecht blieb dem nun doch schon recht berühmten Sohn erhalten. An Pfingsten verließ er Biberach.
Die einfachen Bürger waren mit dem Weggang Wielands unzufrieden. Am 31. Mai schreibt er an Riedel. In dem Brief regelt er zunächst Dinge für seinen bevorstehenden Umzug. Seinen Weggang vermerkt er so: “ Hier zu Lande
ist großer Lerm über mein Fortgehen, und zu Biberach glaubt das Volk, welches mich liebte, daß Gog und Magoz, als die Vorläufer des Antichrists, unmittelbar, sowie ich bey dem einen Thor ausziehe, bei dem gegenüberstehenden einziehen werde.
Unsäglich ist der Unwille, den die guten Leute über ihre Herren haben, weil man mich, wie sie meinen nicht gehen lassen sollte.” (Auswahl denkwürdiger Briefe S. 278)Und auf der vorherigen Seite schreibt er, “daß ich mein ganzes
Domestique mitbringe. Ich kann nicht ohne eine schwäbische Köchin seyn.”
Obwohl ihm bei der Anstellung bedeutet wurde, dass er mehr als Aushängeschild dienen sollte, entwarf er für die Universität ehrgeizige Lehrpläne, wobei er von der Kenntnis Schweizer Schul-und Unterrichtspläne profitierte.
Wieland war Gründungsmitglied der 1754 gegründeten Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. Er arbeitete an der Erfurtischen gelehrten Zeitung mit.
Seine Lehrtätigkeit begann er am 3. Juli 1769 mit Vorträgen über die” Philosophie der Geschichte, oder über Iselins Geschichte der Menschheit” Er las außerdem “Über griechische, lateinische,englische und französische Schriftsteller” “Gelehrte Geschichte:
griechische Dichter, Redner und Geschichtsschreiber”, “Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften nach einem eigenen Grundrisse”,. Es gab “Geschichtskunde, was“Geschichte von Karl dem Großen bis zum Westfälischen Frieden” umfasste.
Die Berufung neuer Lehrkräfte lag nicht in der Verantwortung der Universität sondern war, wie ja auch bei Wieland ein hoheitlicher Akt des Landesherrn. Der Lehrkörper galt als überaltert und sehr konservativ und zog Studenten nicht unbedingt an.
Den Studentenschwund konnte auch Wieland nicht stoppen. Um Wielands Freund, Friedrich Justus Riedel, der in Erfurt einen Lehrstuhl für Ästhetische Wissenschaften innehatte, gab es eine Gruppe freigeistig orientierter Professoren
wie die protestantischen Theologen Carl Friedrich Bahrdt und Johann Christian Lossius, der ab 1770 einen Lehrstuhl für Philosophie in Erfurt hatte und ab 1772 zusätzlich für Theologie. Johann Georg Meusel lehrte in Erfurt Geschichte.
Johann Christian Schmid war dort seit 1769 außerordentlicher Professor der Rechtswissenschaften. Auch Johann Friedrich Herel, Altphilologe gehörte zu diesem Kreis. Als Anführer der konservativen Gruppe galt Andreas Nunn, Professor für
Medizin und Philosophie. Er war auch der Hauptgegner der Berufung Wielands zum Professor. In seinen Briefen an Sophie La Roche berichtet Wieland schreibt er ihr von gegen ihn und Riedel gerichteten Kabalen. Aber Der Kurfürst habe seine Gegner mit
einem “schrecklichen” Dekret belegt. Er selbst und Riedel seien aber zu Beisitzern des akademischen Senats und der kurfürstlichen akademischen Kommission ernannt worden.Was böses Blut verursacht hatte und was man ihnen zum Vorwurf
machte, war, dass Wieland und Barth ihre akademischen Grade nicht auf reellem Wege erlangt hätten. Natürlich war auch die Berufung eines Verfassers komödiantisch-lasziver Schriften nicht die Traumvorstellung der katholisch-orthodoxen Fraktion
des Erfurter Lehrkörpers. Nunn und andere Professoren mussten 1769 die Universität verlassen. Allerdings trat damit keine Ruhe ein, die Relegierten denunzierten nun. Pater Jordan, vorher Professor in Erfurt, war vor seiner Relegation einer der
übelsten Verleumder, wenn es darum ging, die freigeistigen Professoren zu bekämpfen. Nach seiner Entlassung wandte er sich sogar direkt an den Kaiser, um Bahrdt, Meusel, Riedel und Wieland als Gotteslästerer zu denunzieren.
Der Vorwurf der Gotteslästerung galt zu der Zeit als schwere Straftat, die entsprechend bestraft werden konnte.
Gleich nach seinem Amtsantritt hatte er sich auch damit ganz konkret zu befassen. Ein Student Joseph Schwarz und Schüler Wielands war anonym wegen Gotteslästerung denunziert worden und zu Kerkerhaft verurteilt worden. Wieland konnte den Studenten aber
frei bekommen, ihm eine Hofmeisterstelle bei von Laroche in Ehrenbreitstein als Erzieher der Kinder von Laroche verschaffen. Als allerdings Kurfürst Emmerich am 11. Juni 1774 verstarb, wurde versucht, das Rad zurückzudrehen. Auch Nunn und Jordan bekamen ihre Stellen in Erfurt wieder. Josef Schwarz, mittlerweile Lehrer am Emmerizianischen Gymnasium in Mainz wurde wie zwei seiner Kollegen verhaftet und er kam sogar zu einem Inquisitionsprozess gegen sie. (Siehe dazu Bernd Seuffert,
Wielands Erfurter Schüler vor der Inquisition, Euphorion 3 S. 376-389 und 722-) Der Nachfolger Emmerichs Carl Friedrich erwies sich bald als noch freisinniger als sein Vorgänger. Schwarz erhielt eine Anstellung am Lehenshof in Mainz.
Es kamen noch weitere Probleme im unmittelbaren Umfeld Wielands vor, die ihm sein Arbeit an der Universität nicht erleichterte. Eine Schrift des Theologen Bahrdt war als ketzerisch verleumdet worden und er musste die Universität verlassen.
Sein Freund Riedel hatte Gelder aus der Universitätskasse entnommen und konnte diese nicht zurückzahlen. Schuldhaft und Universitätsverweis waren die Folge.
Dies und der ständige Widerstand der katholisch-orthodoxen Fraktion an der Universität dürften ihn zum dem Stoßseufzer veranlasst haben, “ daß man leichter einen Mohren weiß waschen, als die Erfurter Universität empor
bringen könnte”
Wie auch in Biberach reagierte Wieland auf diese misslichen äußeren Umständen mit starker literarischer Produktivität. Parallel zum ersten Vorlesungssemester erschien Sokrates Maimonemos oder die Dialogen des Sokrates von Sinope,
eine philosophische Erzählung. Zur gleichen Zeit beendete er den zweiten Teil des Versepos Der neue Amadis, der schon in Biberach begonnen wurde. Er knüpft an das populäre Genre der Ritterromane an. Es ist eine Verserzählung und Wieland erklärt
im “Vorbericht zur gegenwärtigen Ausgabe” (das ist die Wiederveröffentlichung des Neuen Amadis in der Werksausgabe von 1794 ff.) welches Versmaß er verwendet hat und warum er es verwendet hat. Das zeigt dass eine wohlbedachte
Komposition zugrunde liegt. Dabei kommt es so leicht und locker daher und erweckt den Eindruck von locker aus dem Ärmel geschüttelten Zeilen. Es gezeugt auch wie die Grazien Wielands Affinität zum Rokoko.
Es folgte 1772 Der goldene Spiegel oder die Könige von Seschian. Es war das Hauptwerk seiner Erfurter Zeit. Der Goldene Spiegel ironisiert die Tradition des Fürstenspiegels. Es ist sein “Staatsroman”. Er illustriert Wielands anthropologische Skepsis.
Ein vollkommener Staat im ewigen Frieden ist unter Menschen nicht denkbar. Versucht mans trotzdem muss das zur Katastrophe führen.
Wieland unternahm mit jedem seiner Werke etwas Neues. Keines folgte einer Tradition, die in der deutschen Literatur schon vorhanden war. Darin liegt auch seine Bedeutung. Er hatte an der Entwicklung der deutschen Literatur im
18. Jahrhundert sowohl literarisch als auch publizistisch einen maßgeblichen Einfluß. Er ist nach Heinz (Wielandhandbuch Stuttgart 2008). Er ist für Epik und Vers das, was Klopstock für die Lyrik und Lessing für das Drama bedeutete.
Am 11. Mai 1770 wurde seine zweite Tochter Maria Carolina Friederica geboren. Kurz nach der Geburt reiste er, zeitlebens reiseunlustig, nach Leipzig um dort seinen Verleger Philipp Erasmus Reich persönlich kennen zu lernen.
Er kam da auch mit Personen in Kontakt, die an der Herstellung seiner Oktavbände beteiligt waren. Auf Adam Friedrich Oeser wurde bei der Musarion schon hingewiesen. Er war Leipziger Akademiedirektor und kursächsischer Hofmaler.
Oesers Schüler Friedrich Heinrich Füger fertigte eine Porträtminiatur Wielands an.
Ein Jahr später am 7. Mai 1771 begann er mit Fritz von La Roche eine 35 tägige Reise in die Rheingegend. Grund der Reise war, dass Fritz aus der Wielandschen Obhut wieder zu seinen Eltern nach Ehrenbreitstein zurückkehren sollte.
Allerdings waren die Bemühungen für die Bildung von Fritz nicht besonders erfolgreich. In seinem Brief an Sophie La Roche vom April 1770 schreibt ihr Wieland, dass Fritz nicht viel mehr gelernt habe, als er vor 10 Monaten wusste
“aber freylich hat er von der Gelegenheit, bey mir zu , wenig profitirt” und vorher hatte er festgestellt “ da es aber unmöglich ist, einen jungen Menschen mit Gewalt gelehrt zu machen” aber er macht Ihr trotzdem Hoffnung.
“Erwarten Sie von dem guten Naturell des jungen Menschen viel Gutes und ich hoffe, sie werden sich nicht betrogen finden.”(Neue Briefe Christoph Martin Wielands, vornehmlich an Sophie von La Roche, Stuttgart 1894 S.192 f.)
Man besuchte Gießen, Frankfurt, Wetzlar, Darmstadt, Koblenz, Mainz und Düsseldorf. Für Wieland war es die Gelegenheit,
wichtige Leute aus dem Mainzer Hofstaat persönlich zu treffen. In Mainz besuchte er Carl von Dalberg kurz nach dessen Ernennung zum Statthalter in Erfurt. Das hochkarätigste Treffen für Wieland war drei Tage später am 30. Mai
1771 eine Audienz beim Mainzer Kurfürsten Emmerich Joseph in Höchst. Bei dieser Gelegenheit besichtigte man auch die Gemäldesammlung vom Grafen von Stadion. Sechs Tage verbrachte Wieland bei seinem wichtigsten Gönner und Förderer,
dem Großhofmeister von Groschlag in Dieburg. Das persönlich bedeutendste Treffen war für Wieland sicher das Wiedersehen mit Sophie von La Roche am 13. Mai 1771 in Ehrenbreitstein (siehe dazu auch Blog: Sophie von La Roche).
In seiner Erfurter Zeit ergab sich ein intensiver Briefwechsel zwischen Erfurt und Halberstadt. Im brandenburgischen Fürstenturm war damals Johann Wilhelm Ludwig Gleim Sekretär des Halberstädter Domkapitels. Gleim unterhielt Korrespondenz mit allen
literarischen Größen seiner Zeit. Er hatte auch den Halberstädter Dichterkreis begründet, einem Bund junger Literaten. Zu Gleims Protégés gehörte auch Johann Georg Jacobi, der in Halberstadt ebenso anakreontische Dichtungen verfasste, wie
sein Gönner Gleim. Jacobi hatte Wieland brieflich die Freundschaft angetragen,was dieser freudig annahm. Dem schloss sich noch der jüngere Bruder Johann Georgs an, der Dichter Friedrich Heinrich Jacobi. Man bildete einen literarischen Zirkel,
man las gegenseitig Manuskripte. Man tauschte sich aus. Gleim und die Brüder Jacobi befassten sich mit Wielands jüngsten Werken. Bei dieser Reise nun lernten sich die vier endlich persönlich kennen.
Am 11. Juni 1770 kehrt Wieland von seiner Reise zurück. Am Tag zuvor wurde seine dritte Tochter Regina Dorothea geboren.
Der Dichterbund kam kurz nach der Rückkehr in eine heftige Krise, die fast sein Ende bedeutet hatte. Wieland hatte nun mal nicht den Gleichmut, den er in seinen Werken propagierte. Auch bei Fritz hatte er ja eingestehen
müssen, dass er mit seiner Geduld überfordert war. Eine Schrift, die der anakreontische Dichter Johann Benjamin Michaelis verfasst hatte, hatte Wieland sehr bissig rezensiert. “Pastor Amor” hatte in Wielands Augen die Ehre
von Gleim und Georg Jacobi verletzt. Die beiden reagierten jedoch gelassen. Sie bekundeten sogar Verständnis. Das wiederum konnte Wieland nicht verstehen. Der Streit eskalierte. Und als Jacobi auch noch Sophie um Vermittlung
bat, reagierte Wieland noch verbohrter. Der “Grazienbund” war ratlos und verstummte.
Als Wieland in Ehrenbreitstein war, ging auch die Veröffentlichung von Sophie von La Roches “Fräulein Sternheim” voran. Wieland hatte sich ja für die Veröffentlichung stark gemacht.
”Allerdings beste Freundin, verdient Ihre Sternheim gedruckt zu werden; und sie verdient es nicht nur; nach meiner vollen Überzeugung erweisen sie Ihrem Geschlecht
einen wirklichen Dienst dadurch. Sie soll und muß gedruckt werden, und ich werde Ihr Pflegevater seyn” (zitiert nach MDZ Reader Bayrische Staatsbibliothek digital, Briefe an Sophie von La Roche, S.125)
“Die Geschichte des Fräulein von Sternheim” erschien dann 1771 in Wielands Leipziger Verlag. Er selbst fungierte als Herausgeber. Wieland ist ja der Schöpfer des modernen deutschen Romans. Doch als “Pflegevater”
verantwortete er auch den ersten deutschen Erfolgsroman, der von einer Frau geschrieben wurde. Er hatte den Kontakt zum Verleger hergestellt. Ohne Datum schreibt er 1770 an Sophie von La Roche “ Reich soll sie
in einer nicht üppig gezierten aber simpel schönen Ausgabe verlegen..” (C.M. Wielands Briefe an Sophie von La Roche, herausgegeben von Franz Horn S. 125)Und auch sonst steht er ihr hilfreich zur Seite “ Bekümmern Sie
sich nicht um Correction, ich will das Nöthige schon besorgen…Sie machen der Welt und besonders Ihrem Geschlechte ein Geschenk mit einem Originalbuche, das in seinem Wert unschätzbar ist.” (Brief vom 24. November 1770
ebd. S 141). Wieland schreibt das Vorwort und tritt als Herausgeber auf.
Wielands Goldener Spiegel war durchaus auch mit der Absicht verbunden, nach Wien zu kommen. Er hoffte, in die Nähe von Joseph II. berufen zu werden. Sein Roman war aber in unmittelbarer Nachbarschaft sehr aufmerksam zur Kenntnis genommen,
nämlich in Weimar. Im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach war die Herzogin Anna Amalia (1739-1807) seit dem 28. Mai 1758 verwitwet und hatte zwei Söhne, Carl August beim Tod seines Vaters 14 und Konstantin 13.
Sie war von ihrem Mann Herzog Ernst August II. Konstantin testamentarisch mit der vormundschaftlichen Landesadministration betraut worden. 1762 setzte sie den Grafen Johann Eustach von Schlitz genannt Görtz ein. Die Beziehung war aber beständig von
Misstrauen geprägt. Sie befürchtete, dass Görtz ihr ihre Söhne entfremden wolle. 1772 holte sie Wieland in die Gruppe der Prinzenerzieher und hoffte wohl auch, in ihm einen Verbündeten gegen Görtz zu finden.
Im März 1772 war Wieland erstmals für einige Tage in Weimar. Wieland wurde mit großen Ehren bedacht. Er war täglich an der fürstlichen Mahlzeit dabei. Man veranstaltete einen Maskenball für ihn
mit einer Aufführung tänzerischer Szenen aus dem Neuen Amadis. Der Geehrte bedankte sich mit einem ausführlichen Brief an die Fürstin und fügte einen Erziehungsplan für den Erbprinzen bei. Die Antwort der Herzogin
kam eine Woche später. Wieland sandte einen weiteren Brief an Anna Amalia. Darin erläuterte Wieland der Herzogin seine erzieherischen Pläne. Man empfand gegenseitige Sympathien, aber Wieland blieb abwartend.
Als Wieland im April wieder nach Weimar reiste, wurde man in Erfurt hellhörig. Es gab aber auch Debatten im höfischen Staatsrat wegen der Prinzenerziehung. Es herrschte durchaus Skepsis, ob ein “Bürgerlicher” für das Hofleben
geeignet sei. Und auch um Honorarfragen ging es. Aber schließlich setzten sich die Befürworter einer Anstellung Wielands durch, wohl auch weil sowohl die Herzogin als auch der Erbprinz zeigten, dass sie Wieland als Erzieher wollten.
Dann erhielt Wieland das Angebot einer Anstellung als Hofrat. Das war naturgemäß befristet, denn am 3. September 1775 wurde der Erbprinz volljährig und so lange sollte die Unterweisung dauern. Geboten waren 1000 Taler Gehalt und
600 Taler Rente bis ans Lebensende. Ein Problem stellte sich allerdings für Wieland, nämlich wie er “von guter Art von Erfurt loskommen könne”. Nachdem die Universitätsreform in Erfurt nicht sehr erfolgreich verlaufen war, hatten viele Professoren
Erfurt wieder verlassen. Und natürlich wollte Wieland seinen Förderer, den kurmainzischen Großhofmeister von Groschlag, nicht vor den Kopf stoßen. Er hatte ja einigen Anteil am glücklichen Ende des “Wielandschen Prozesses “, er hatte bei seiner
Berufung zum Professor mitgewirkt, er hatte ihm das Privileg der Postfreiheit verschafft und auch versucht, nicht autorisierte Nachdrucke zu verhindern. Wieland stand also durchaus in der Pflicht.
Nun hatte sich Görtz an Groschlag gewandt, die Herzogin Anna Amalia an den Kurfürsten. “Sie wage zwar viel durch diese Bitte, da sie wisse, wie sehr der Churfürst auf Wieland hinsichtlich der Aufnahme der Erfurter Universität rechne,
werde aber die Gewährung dieser Bitte als einen zuverlässigen Beweis von der Wirklichkeit und Fortdauer der freundschaftlichen Gewogenheit des Churfürsten betrachten.” (zitiert bei Heinrich Döring Christoph Martin Wieland ein biographisches Denkmal,
Sangerhausen 1840 S. 213) Am 25. Juli 1772 bat Wieland den Kurfürsten Emmerich schriftlich um seinen Rücktritt und am 4. September 1772 bestätigte ihm der Weimarer Hof seinen Eintritt in “Obervormundschaftliche Dienste.”
Am 17. September 1772 kam er schließlich in Weimar an.Vorher hatte er in zähen Verhandlungen noch seine Ernennung zum Hofrat auf Lebenszeit durchgesetzt, die Erstattung seiner Umzugskosten und das Ursprungsangebot noch erhöhen
können. Kurz nach seiner Übersiedlung starb sein Vater Thomas Adam am 26. Dezember 1772 in Biberach. Seine Mutter holte er kurz danach nach Weimar.
In seinem Brief an Sophie La Roche vom 7. August 1772 erläutert er seinen Beweggrund, der ihn zum Wechsel nach Weimar veranlasste und auch in seinem Entlassgesuch an Kurfürst Emmerich bringt er dies als Hauptgrund vor.
“dass die wenige Verbesserung des Einkommens der Beweggrund nicht gewesen ist, der mich vermögen konnte, einen Entschluß zu fassen, wobei ich in mehr als einer Betrachtung so viel risquiere. …Aber da wider mein ehemaliges Vermuthen,
und ohne, daß ich den kleinsten Schritt gethan hätte, sie Sache zu befördern, der Antrag an mich kam, den Verstand und das Herz eines jungen Fürsten ausbilden zu helfen, der in wenigen Jahren regieren soll, so konnt’ ich unmöglich anders,
als denken, dies sey eine Gelegenheit, mehr Gutes zu bewirken, als ich in meinem ganzen bisherigen Leben zu thun im Stande gewesen bin.” (C.M. Wielands Briefe an Sophie von La Roche, herausgegeben von Franz Horn S. 162 f.)
Und an Kurfürst Emmerich schreibt er zunächst, dass eine “schuldige ehrfurchtsvolle Zurückhaltung gegenüber dem Kurfürsten, ihm verbiete, alle Beweggründe darzulegen. “ Nur dies sei mir erlaubt zu sagen, daß in der Verlegenheit, worin mein
Gemüth durch diesen völlig unerwarteten Antrag (das Angebot der Herzogin, den Erbprinzen zu erziehen) gesetzt ward, nichts als die völligste Überzeugung meines Gewissens, daß ich die Gelegenheit durch Theilnahme an der Erziehung und Bildung
eines hoffnungsvollen und mit seltenen Fähigkeiten begabten jungen Fürsten einen vorzüglichen Nutzen zu stiften, ohne Verletzung meiner wesentlichen Pflichten gegen Gott und Vaterland, nicht von mir abweisen könne…”
(zitiert bei Heinrich Döring S.215).
Wieland war noch in Weimar gebeten worden, literarisch zum Geburtstag der Herzogin am 24. Oktober 1772 beizutragen. Er brachte den Text zum Singspiel Aurora mit, das von Anton Schweitzer vertont wurde und zum Geburtstag der
Herzogin seine Uraufführung erlebte. Ein knappes halbes Jahr später folgte die Oper Alceste, der Text wieder von Wieland und die Musik von Anton Schweitzer . Sie wurde am 28. Mai 1773 am Hoftheater von Weimar erstmals
aufgeführt.Sie machte ihren Komponisten,der schon seit seinem Singspiel “Die Dorfgala” kein Unbekannter mehr war, berühmt. Alceste wurde allein in Weimar 25 mal aufgeführt, danach in Dresden, Leipzig, Mannheim, Frankfurt/M., München, Berlin,
Hamburg aber auch in Danzig und Prag.Sie war in dieser Zeit dann die meistgespielte Oper auf deutschen Bühnen. Sie gilt als Meilenstein auf dem Weg zu einer deutschen Oper. Nach Döring hatte Christoph Willibald Gluck Wieland schriftlich
aufgefordert,ihm ebenfalls eine ähnliche Oper zu schreiben (S. 225)
In einem Brief an Gluck vom 13. Juli 1776 schreibt er:“Ich habe Augenblicke, wo ich eifrig wünschte, ein lyrisches Werk hervorbringen zu können, das werth wäre,von Gluck Leben und Unsterblichkeit zu empfangen. Zuweilen ist mir aber auch, ich könnt es. Aber dies ist nur ein vorübergehendes Gefühl,nicht Stimme des Genius.” (In Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode, 1815, S. 261).
Wichtigste Projekt aber wurde der Teutsche Merkur. Eine Zeitschrift war das publikumswirksamste Medium der Zeit und auch dafür hatte Wieland schon Erfurt aus die ersten Impulse gegeben. Vorbild war der seit 1762 in Paris erscheinende
“Mercure de France”, ein literarisch-politisches Journal. In einem Brief an Riedel vom 17. September erläutert er seine Pläne genauer. “Ich bin entschlossen, eine Art von Journal zu entrepreniren, welches quo ad formam einige Ähnlichkeit mit
dem Mercure de France haben soll. Prosaische Original-Aufsätze,Litterarische Nachrichten, Recensionen und Revisionen unrichtiger Urtheile über interessante Schriften, sollen die Hauptartikel davon ausmachen” (Auswahl denkwürdiger Briefe S.302)
Es sollte auch eine Bühne für junge Schriftsteller werden, wie Wieland in seiner Vorrede zur ersten Ausgabe sagte. “ Die Unternehmer wünschen also Beyträge zu erhalten, und laden dazu nicht nur die Schriftsteller ein, welche bereits im Besitz der
allgemeinen Hochachtung sind: Sie sind gar nicht ungeneigt, auch für angehende Schriftsteller einen Schauplatz zu eröfnen, wo sie sich dem Publico zeigen können, und es würde ihnen sehr angenehm seyn, wenn sie durch diese Unternehmung Gelegenheit
erhielten, ein hier und da noch schlummerndes Genie aufzuwecken, oder ein vielleicht unentschlossenes in die ihm angemeßne Laufbahn einzuleiten.” Weiter später bittet der Herausgeber, die Erwartungshaltung nicht zu hoch werden
zu lassen.”Alles was ich noch hinzuzufügen habe, ist eine Erklärung an einige meiner Freunde, welche mir zu erkennen gegeben haben, dass sie Meisterstücke, und was für den Herausgeber noch fürchterlicher ist, lauter Meisterstücke vom Merkur erwarteten.”…
und weiter “Dem sey aber wie es wolle, ich meines Orts verlange von keinem Verfasser, so wenig als von irgend einem Künstler ein vollkommenes, ein untadeliges Werk.” (Vorrede zum Teutschen Merkur 1. Bd. 1773, ab S. IV).
Friedrich Heinrich Jaobi hatte Wieland wohl auf diese Idee gebracht. Einiges hemmte das Projekt. Da war einmal die zu knapp bemessene Planungs-und Vorbereitungsphase, was am Anfang einen chronischen Mangel an Textbeiträgen bewirkte.
Wieland hatte sich ein enormes Arbeitspensum aufgebürdet. Die Korrespondenz war kaum zu bewältigen. Probleme mit den Papierlieferanten, säumige Abonnementzahlungen oder die unzuverlässige Auslieferung der Bände waren zu bewältigen.
Ein Netz von Kollekteuren in möglichst vielen Teilen des deutschen Reiches musste aufgebaut werden, die als Werber von Abonnenten, Inkassostellen, Distributoren und Ansprechpartner fungierten. Der Leiter der Weimarer Schauspieltruppe Abel Seyler
war Wielands erster Assistent und da er beruflich viel unterwegs war, auch einer der ersten Kollekteure. Zu ihnen kamen später Gleim und Goethe dazu. Aber 1774 sind schon 121 Kollekteure belegt, unter anderem sein alter Freund
Zimmermann, der mittlerweile in Hannover war, aber auch das Kayersl. Real Zeitungs-und Intelligenz Comptoir in Wien. Um die Attraktivität seines Merkurs zu steigern, suchte er Immanuel Kant, Lessing, Garve, Herder oder Möser zu gewinnen.
De Letztgenanten waren aber zu stark mit eigenen literarischen Arbeiten beschäftigt, als dass sie ihm dauerhafte Mitarbeit zu sichern hätten können. Kant konnte als Ersatz einen ostpreussischen Buchhändler vermitteln
Trotzdem hatte der Teutsche Merkur zum Start 2500 Abonnennten. Dafür sorgte natürlich der prominente Name des Herausgebers und die populäre überkonfessionelle Konzeption des neuen Journals. Das hatte er ja auch in seinem
oben zitierten Brief an Riedel herausgestellt. “Ein Hauptgesetz soll seyn, alles was irgend einer in Deutschland recipirten Religion anstößig seyn könnte, zu vermeiden; denn mein Merkur soll in den katholische Staaten ebenso gangbar werden,
als in den protestantischen.” (S.303). Um die Kundschaft an sich zu binden, versprach Wieland die Erstveröffentlichung sämtlicher seiner neuen Werke im Merkur. Zudem brachte er eine Fortsetzungsästhetik. An besonders interessanten
Stellen wurde unterbrochen und der Leser auf die nächste Lieferung vertröstet, also praktisch modernes Literaturmarketing vorweggenommen. Er hatte erkannt, dass man die Leute auf den nächsten Band begierig machen musste.
Er hatte die Konkurrenzunternehmen im Blick. Das waren damals “Die Allgemeine deutsche Bibliothek” von Friedrich Nicolai herausgegeben. Das war eine damals maßgebliche Rezensionszeitschrift, die vierteljährlich erschien.
Wie oben gezeigt wurde Wieland in seinen Anfängen als Autor von Nicolai kritisch begleitet. Die Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste“ , die Christian Felix Weiße von 1759 von Nicolai übernommen hatte
und bis 1765 weiterführte. Ab 1765 erschien sie dann als “Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste” 1776 hatte Boie “Das Deutsche Museum” gegründet.
Die ersten Ausgabe des Merkur startete mit “Flüchtige poetischen Stücke”, Gedichte und Übersetzungen der Brüder Jacobi. Es gab zwei ausführliche Beiträge von Wieland über das Singspiel Alceste. Wieland hatte seinen Merkur in den ersten Ausgaben
auch als Forum für die Weimarer Theaterverhältnisse genutzt.Auch in den Folgeheften kamen die meisten Beiträge von den Brüdern Jacobi und Wieland selbst. Auch Gottfried August Bürger lieferte einige Beiträge.
Als es gelang den damals 26 Jahre alten Friedrich Justin Bertuch anzuwerben, entlastete das Wieland ganz enorm. Trotz bescheidener Bezahlung war das ein Geschäftspartner wie ihn Wieland sich besser nicht hätte wünschen können.
Bertuchs weitere Laufbahn zeigt, welch universales Talent sich um den Merkur kümmerte. Als der Hofmeister Görtz entlassen worden war, wurde er Geheimsekretär und Schatzmeister des jungen Herzogs Carl August. Er war von Anfang an in den
in den Kreis um Carl August eingebunden,in dem Goethe die zentrale Figur war. Bertuch war Schriftsteller und Übersetzer. Die Bekanntschaft mit Wieland hatte er als sein glühender Verehrer selbst geschlossen, als dieser noch Professor in Weimar war.
Er legte dem großen Dichter seine ersten dichterischen Versuche vor. Wieland war vom Enthusiasmus des jungen Mannes gerührt. Er wurde sein väterlicher Freund und ermunterte ihn zu weiterem kreativen Schaffen.
Als Bartuch nun für den Merkur tätig wurde, wechselte auf seinen Rat hin der Druckort des Journals von Rudolstadt nach Weimar. Der Vertrieb wurde an den Weimarer Carl Ludolph Hoffmann vergeben. Damit war eine professionelle
verlagsbuchhändlerische Betreuung gesichert. Im November 1774 starb Wielands Sohn Carl Friedrich im Alter von nur sieben Wochen. Wieland, der seine Kinder liebte, litt darunter sehr. In dieser Phase schwerer seelischer
Belastung übernahm Bertuch die Druckaufsicht, Textrevision und die ständig wachsende Korrespondenz. Ab 1775 war der statt der bisherigen quartalsweisen Erscheinung eine monatliche Publikation sichergestellt.
Auf der politischen Bühne änderte sich einiges. Hofmeister Görtz war von Herzogin Anna Amalia entlassen worden. Er hatte, auch von Wieland kritisch beobachte, bei seinem Zögling ständig gegen Anna Amalia intrigiert.
Auch Bertuch sah diese Intrigen mit wachsender Enttäuschung. Görtz sah durch die Toleranzpolitik der Herzogin die Privilegien des Adels bedroht und arbeitete auf eine vorzeitige Regierungsübernahme von Carl August hin.
Er wurde zwar ihn Ehren entlassen, bekam als wirklich Geheimer Rat ein lebenslanges Jahresgehalt von 1500 Talern. Die Landstände bewilligten zudem ein Geschenk von 20 000 Talern. Auf die Fürsprache Wielands wurde Bertuch
am 4. September 1775, das war ein Tag nach der Inthronisation Carl August zu dessen Privatsekretär und Schatullier ernannt. Das führte allerdings dazu, dass Bertuch im Sommer 1776 als Geschäftsführer ausschied. Nun musste Wieland sich
wieder allein um “das mercurialische Fabrikwesen” kümmern, wie er das in seinem Brief an Gleim vom 3. September 1776 nannte.
Im 5. Band 1774 des Teutschen Merkurs wurde mit dem Abdruck der “Abderiten, eine sehr wahrscheinliche Geschichte begonnen” . Die Fortsetzung folgte in Band 6 und 7. Im ersten Vierteljahr 1779 folgte der Prozess um des Esels
Schatten. Im 3. Vierteljahr 1780 folgte mit den “Fröschen der Latona” der 5. und letzte Teil. Er war Wielands komödiantischter Roman und gilt als Meisterwerk satirischer Prosa. In den ersten beiden Büchern wird Anekdote an Anekdote gereiht.
Die Handlung spielt in Abdera. Abdera ist historisch belegt ebenso wie Demokrit. Er führt Gespräche mit seinen Landsleuten und ist der einzige vernünftige Mann in Abdera. Es war Wieland aber sicher nicht um eine historische Schilderung zu tun.
Abdera ist einfach Kulisse. Und wie er im “Schlüssel zur Abderitengeschichte sagt: “und wiewohl man schon längst nicht mehr sagen kann: siehe hie ist Abdera oder da ist Abdera: so ist doch in Europa, Asia, Africa und America, soweit diese große Erdviertel policiert
sind, keine Stadt, kein Marktflecken, Dorf noch Dörfchen, wo nicht einige Glieder dieser unsichtbaren Genossenschaft anzutreffen sein sollten.” Natürlich hat Wieland auf seinen Stationen in Zürich, Erfurt und Weimar und vor allem in
seiner Zeit als Biberacher Stadtschreiber Anregungen für seine Abderiten genug gefunden. Aber Abdera ist eben nicht Biberach oder Weimar sondern hat durchaus Modellcharakter.
In den nächsten drei Bänden behandelt jeder Band ein einziges Thema. Der 3. Band wurde im 4. Vierteljahr veröffentlicht und handelte vom abderitischen Theater. Es geht um die Intrigen, die vor, während und nach der Aufführung stattfinden und sicher
hat Wieland da auch seine Erfahrungen verarbeitet, die er in Mannheim gemacht hatte, als dort eine Oper von ihm aufgeführt werden sollte. Im 1. Vierteljahr 1779 erscheint der Prozess um des Esels Schaden. Wieland schildert hier, wie zwei
sture Rechthaber in einem simplen Prozess fast die ganze Stadt ruinieren. Am Schluss wird der völlig unbeteiligte Esel dem Mob geopfert. Den Schluss bildet der 5. Band, der von der Verehrung der Stadtpatronin und Göttin Latona. Er wird
im 3. Vierteljahr 1780 veröffentlicht. Zu ihrer Verehrung sollen überall Froschteiche angelegt werden. Die Stadt versumpft buchstäblich. Die letzten vernünftig gebliebenen Abderiten können sich gegen das Gezänk, der sich theologisch befehdenden
Parteien nicht durchsetzen. Die Gegend ist für immer unbewohnbar geworden und die Abderiten müssen ihre Stadt verlassen.
Die Abderiten sind in einer Zeit geschrieben, in der das Bürgertum eine hohe Blüte erreicht hatte. Seine Ideale Leistung und Bildung begannen sich gegenüber dem Geburtsadel durchzusetzen. Das Buch ist eine brillante Analyse kleinbürgerlicher Lebenspraxis.
Es erweist sich auch“als die unbestechliche Entzauberung eines Systems zu dem Egoismus hinter dem Anschein von Dienstfertigkeit und Amtsanmaßung bei mangelnder Sachautorität ebenso gehören wie der Mißbrauch staatlicher Einrichtungen und
eine raffinierte >Kunst< ungebührlicher Einflußnahme” (Wolfram Mauser Konzepte aufgeklärter Lebensführung Würzburg 200 S. 175).
In den Erscheinungszeitraum der ersten beiden Abderitenbände fällt auch “Das Leben und die Meinungen des Herrn Magisters Sebaldus Nothanker” (1773-1776)von Friedrich Nicolai und Goethes “Leiden des jungen Werther” (1774).
Alle drei fanden in ganz unterschiedlichen Leserkreisen weite Verbreitung.
Wieland zeigt in seinen Abderiten die Anfälligkeit einer Gesellschaft für das Destruktive in ihr. Wieland zeigt die vielfältigen Formen des Sichanpassens und Einordnen, aber auch des Betrugs, Vertrauensbruchs und des zynischen Machtkalküls.
Hilfsbereitschaft, Wohlwollen und Loyalität werden nur vorgetäuscht. Dahinter versteckt sich aber Nepotismus, Eigennutz, Selbstgefälligkeit und Gewissenlosigkeit. Schon eine pessimistische Weltsicht in dem Buch, das kurz vor der französischen
Revolution geschrieben wird. Was empfiehlt der Aufklärer Wieland dagegen? Der Einzelne unterwirft sich aus Einsicht einem Regulativ. Ein gegenseitiges Einander-auf die Finger schauen, was letztlich stärker ist als die schärfste Kontrolle der
Obrigkeit. Man soll die Welt nicht nur vor den Torheiten der anderen schützen sondern auch vor den eigenen.
In dem Dorf Weende nahe bei Göttingen hatten sich am 12. September 1772 Johann Heinrich Voß. Ludwig Christoph Heinrich Hölty, Johann Martin Miller, Gottlieb Dietrich von Miller, Johann Friedrich Hahn und Johann Thomas Ludwig Wehrs
versammelt und gründeten dort den “Hainbund”. Sie studierten alle in Göttingen und hatten sich zum Teil durch ihre literarischen Beiträge in dem von Heinrich Christian gegründeten Göttinger Musenalmanach kennengelernt.
Der Name “Hainbund” geht auf Klopstocks Ode “Der Hügel und der Hain” zurück. Friedrich Gottfried Klopstock war so etwas wie der Übervater ihres Bundes. er hatte ihnen Namen und Programm gegeben. Aber sie hatten auch ihre Hassfigur,
nämlich Christoph Martin Wieland. Er galt ihnen als “Sittenverderber”. Das zeigte sich beider Feier die zu Klopstocks Geburtstag stattfand. “
Seinen [Friedrich Gottlieb Klopstocks; P. P.] Geburtstag feierten wir herrlich. Gleich nach Mittag kamen wir auf Hahns Stube, die die größte ist (es regnete den Tag) zusammen. Eine lange Tafel war gedeckt, und mit Blumen geschmückt. Oben stand ein
Lehnstuhl ledig, für Klopstock, mit Rosen und Levkojen bestreut, und auf ihm Klopstocks sämtliche Werke. Unter dem Stuhl lag Wielands Idris zerrissen. Jetzt las Cramer aus den Triumphgesängen, und Hahn etliche sich auf Deutschland beziehende
Oden von Klopstocks vor. Und darauf tranken wir Kaffee; die Fidibus waren aus Wielands Schriften gemacht. Boie, der nicht rauchte, mußte doch auch einen anzünden, und auf den zerrissenen Idris stampfen
meine Hervorhebung; P. P.] (zit. nach: Der Göttinger Hain. Herausgegeben von Alfred Kelletat. Stuttgart 1967, S. 359). Wieland selbst hat diesen Vorfall gar nicht mitbekommen.
Kurz danach wurde aber der literarische Vorbehalt gegen Wieland, den es ja auch gab, öffentlich ausgetragen und zwar durch Goethes Farce “Götter, Helden und Wieland”, die laut Goethe “während eines Sonntags … bei einer
Flasche Burgunder “ verfasst worden war (Goethe Aus meinem Leben, Dichtung und Wahrheit, Tübingen 1814, S.500). Auf der gleichen Seite sagte er “dass dies einer von Lenzen ersten Schritten gewesen, wodurch er mir zu schaden
und beym Publikum in üblen Ruf mich zu setzen die Absicht hatte.” Goethe kritisiert vor allem, dass Wieland in der Alceste “Helden und Halbgötter nach moderner Art nach moderner Art gebildet” und weiter “Allein in den Briefen,
die er über die gedachte Oper in den Merkur einrückte, schien er uns diese Behandlungsart allzu parteyisch hervorzuheben und sich an den trefflichen Alten und ihrem höhen Stil unverantwortlich zu versündigen, indem er die derbe gesunde Natur,
die jenen Productionen zum Grunde liegt, keineswegs anerkennen wollte.” (ebd. s. 499). Das ist Goethes Version zum Entstehungsgrund seiner Farce. Viele Biographen sehen aber auch eine Verärgerung Goethes über eine Rezension seines Götz von Berlichingen
als Ursache an. Wielands Schatten in der Nachtmütze wird an einen Nebenarm des Styx versetzt und begegnet dort den mythischen Opfern seiner Phantasie. Merkur fühlt sich verletzt durch die ungefragte Verwendung seines Namens für
ein Journal. Euripides, der antike Dichter Alceste-Dichter beklagt die Mittelmäßigkeit des vermeintlich epigonalen Stückes. Dann erscheint auch noch Herckules, der seine wahren Handlungsmotive ebenfalls verkannt sieht. Und er
fasst zusammen. “Ich weiß genug. Hättest du nicht zu lang unter der Knechtschaft deiner Sittenlehre geseufzt, es hätte noch was aus dir werden können”
Wieland reagiert souverän. Er rezensierte das gegen ihn gerichtete Werk im Teutschen Merkur vom Juni 1774 positiv. “Der Herr D. Göthe, Verfasser dieses Werkleins, nachdem er uns in seinem Götz von Berlichingen gezeigt hat,
daß er Shakespear seyn könnte, wenn er wollte, hat uns in dieser heroischen-komischen-farcicalischen Pasquinade gewiesen, daß er, wenn er wolle, auch Aristophanes seyn könne. Denn so wie es ihm in diesem kritischen Wrexekek
Koax Koax beliebt hat, mit Wieland und Wielands Alceste sein Spiel zu treiben, so trieb es ehedem Aristophanes mit dem nehmlichen Euripides, welchen Herr Göthe hier, mit der ihm eigenen Laune, dem Verfasser des Singspiels Alceste auf
den Kopf treten läßt. Wir empfehlen diese kleine Schrift allen Liebhabern der pasquinischen Manier als ein Meisterstück von Persiflage und sophistischem Witze, der sich aus allen möglichen Standpunkten sorgfältig denjenigen auswählt,
aus dem ihm der Gegenstand schief vorkommen muß, und sich dann recht herzlich darüber lustig macht, daß das Ding so schief ist.” (Seite 351 f.).
Die Farce hat in der damals sehr literarisch interessierten Gesellschaft natürlich schon für Aufsehen gesorgt. Heinse, der ja auch zum Sturm und Drang tendierte zeigte sich in einem
Brief an Gleim (Düsseldorf, 13. Oktober 1774) geradezu begeistert. “er (Goethe)reißt alle mit sich fort, und seine Götter, Helden Wieland- ein Werk von herkulischer Stärke, wenn man’s recht, und Zeile vor Zeile durchdenkt
und durchfühlt…” (Wilhelm Körte, Briefe deutscher Gelehrten, Zürich 1806, S. 201). In den meisten Literaturzeitungen wurde der Angriff Goethes auf Wieland eher negativ betrachtet.
Christian Daniel Schubart, der ja auch eine Neigung zum Sturm und Drang hatte, schrieb in seiner Deutschen Chronik im 19. Stück auf Seite 150/51 “Hier liegt eine Posse* vor mir, die mich fast zu tod ärgert-Götter Helden und Wieland betittelt.
Nicht als wenn diese Posse schlecht geschrieben wäre; nein! ein Meisterstück ist sie, und niemand kann so dialogisiren, als der Verfasser des Göz von Berlichingen. Nur der Angrif auf unseren Wieland, dem wir in aller Absicht so
viel zu danken haben, mißfällt mir” und dann fährt er fort, dass Klopstock und Bodmer ja auch solchen Angriffen ausgesetzt waren und weiter “und itzt auch Wieland!-Nicht von einem Kleingeiste, sondern von einem Manne von Genie.
Wenn Liliputier mit ihren Nadelpfeilchen auf einander schießen, so lacht man. Wenn aber Brobdingrags ihre Riesenfäuste heben, dann zittert man vor Gefahr-Und Gefahr ists für unsre Literatur, wenn sich die besten Köpfe entzweyen,
und ihr Feuer, das sie in unsterblichen Werken verschwenden sollten, in Zank und Schmähschriften weglodern lassen.” Auch Nicolai hat sich natürlich in der Allgemeinen Deutschen Bibliothek zu Wort gemeldet.
“Was würde Herr G. sagen, wenn jemand unter dem Namen: Zigeuner, Lumpengesindel und Göthe ein Pasquill auf seinen Götz von Berlichingen machte, und führte ihn darinn auf als einen einfältigen Tropf, wie er in diesem stücke Herrn Wieland aufführt.
… Die Art, wie Hr. Wieland sich in seinem Merkur, über dieses plumpe Pasquill, (und keinen andren Namen verdient es) erklärt hat, macht ihm wahre Ehre.” (Allgemeinen Deutschen Bibliothek , Bd 26, 1775 S. 206). Wielands souveräne Reaktion
und die Rezensionen zeigten Goethe, dass er übers Ziel hinaus geschossen war und das sich die Stimmung gegen ihn wandte. Diese Reaktion ermöglichte auch, dass sich kurz nachdem die Schmähschrift solche Wellen schlug, sich doch eine tiefe Freundschaft
zwischen den beiden entwickeln konnte.
Zu der Zeit als die literarische Auseinandersetzung stattfand, wurde Weimar von einem Unglück heimgesucht. Am 6. Mai 1774 brannte das Weimarer Schloss ab, das bis auf die Außenmauern zerstört wurde. Bis auf ein paar Bücher, die er verlor, kam Wieland mit
dem Schrecken davon. Allerdings zog der gesamte Hofstaat ins Barockschloss Belvedere um. Auch Wieland wohnte dort bis Ende September 1774. Das Theater musste seinen Betrieb einstellen und die Schauspielergesellschaft wurde entlassen.
Der Brand hatte die Bühne unbespielbar gemacht und man musste mit Provisorien arbeiten. Bis dahin konnte jeder Weimarer Bürger dreimal die Woche das Theater unentgeltlich besuchen.
Für Wieland bedeutete der Brand mit Ausnahme der Rosamunde, die in Mannheim aufgeführt werden sollte, zunächst den Abschied von der Theaterbühne. Später hatte er nochmals antike Dramen von Aristophanes und Euripides übertragen.
Kurz vor Carl August die Regierung antrat, reiste Wieland nach Halberstadt zu Gleim. Der Besuch wurde genauestens vorbereitet, denn Wieland hasste Überraschungen oder mit seinen Worten “ich liebe die Überraschungen nicht;
sie taugen für alle sehr empfindlichen Leute nichts, Voraus zu genießen ist ein zu süßes Vorrecht der Menschheit, um sich dessen selbst zu begeben” Brief an Gleim vom 17. März 1775(Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 3, Zürich 1815 S.206).
Damit meinte er vor allem das Angebot Gleims, ihm bis Blankenburg entgegenzukommen
Am 10. März reiste die Gesellschaft schließlich los. Christoph Martin mit seiner Frau Anna Dorothea, der siebenjährigen Tochter Sophie Catharina Susanne und seinem Merkur-Mitarbeiter Friedrich Bertuch. Ursprünglich terminiert war der 4. Mai.
Aber der Merkur hatte nochmals aufgehalten. “und warum dieß? Alles bloß um dieses gebenedeyten Merkurs, den wir, ich und Bertuch, schlechterdings vom Halse haben müssen, um mit ganz heiterm, ruhigem, sorgenfreyem Geiste zu unserm Gleim ziehen
und acht ganzer seliger Elisiumstage bei ihm zu leben.” (ebda. S. 212). Das Monatstück May” musste noch gedruckt, geheftet und zum Versand gebracht werden. Man besuchte ihn in seinem Haus, direkt am Dom gelegen
und konnte dort sicher seinen “Freundschaftstempel” bewundern. Das Gleimhaus ist heute “Kultureller Gedächtnisort mit besonderer nationaler Bedeutung”. Natürlich ist dort ein Bild von Gleim vertreten, aber auch Wieland, direkt neben Sophie von La Roche,aber auch Lavater, Bodmer und auch Klopstock und Bertuch. Wieland blieb 12 Tage in Halberstadt. Am 28. Mai schreibt er an Gleim und berichtet, dass er und seine Frau “unsern langen zwölftägigen Wonnetraum von Gleim und Geminde, von Freundschaft und Seligkeit,
von Halladat und saphischen Liedern, von Spiegelbergen und Nonnenparadiesen…”(Ebda S. 218). Anna Louisa Karsch, die “preussische Sappho” (Gleim) war zugegen und man las ihre Gedichte. Im zitierten Brief kündigt Wieland an “An das Wunderweib, unsre Karschin schreibe ich noch diese Woche (ebda. S. 224). Sie ist übrigens im Freundschaftstempel auch vertreten und zwar an prominenter Stelle.. Man hatte wohl auch darüber diskutiert zusammen zu wohnen. “Das Projekt zusammen zu ziehen, ist wie ich sehe unser beyder Lieblingsprojekt geworden” (Brief vom 3. Juni 1775, ebd. S. 226)
Am 3. September 1775 wurde Carl August öffentlich in sein Amt eingeführt. Wieland hatte dazu eine “Cantate auf den neunzehnten Geburtstag und Regierungs-Antritt des Herzogs von Sachsen-Weimar und Eisenach” verfasst. Bei der Amtseinführung wurde sie
aufgeführt. Im 3. Band 1775 des Teutschen Merkur wurde sie auch veröffentlicht. (S. 193-195). Nach seiner Regierungsübernahme erhöhte der junge Herrscher die Wieland vertraglich zugesicherte Rente von 600 Reichstalern auf 1000
unter der Bedingung, dass Wieland in Weimar blieb. Laut Ofterdinger gab dies den Ausschlag, das Wieland nicht nach Oberschwaben zurückzog. Er zitiert Wieland mit der Aussage vom 20. Januar 1799 “Wäre dieß nicht gewesen,
so wäre ich aus dem belobten Weimar in mein liebes Schwabenland zurückgezogen”. (S. 236)
Carl August hatte 1774 mit seinem Erzieher dem Grafen Johann Eustach von Schlitz genannt Görtz eine Bildungsreise unternommen. Auch Ludwig von Knebel war dabei, der ja auch als Erzieher am Hofe von Weimar angestellt war. Die Reise führte über
Frankfurt, Mainz, Karlsruhe und Straßburg nach Paris. In Frankfurt hatte man einen Zwischenhalt eingelegt, da der Prinz Johann Wolfgang von Goethe kennenlernte wollte. Knebel machte sie miteinander bekannt. Goethe schildert das in
“Dichtung und Wahrheit” so: “Ich eilte nunmehr mit demselben zu den jungen Fürsten, die mich sehr frei und freundlich empfingen, so wie auch der Führer des Erbprinzen, Graf Görtz, mich nicht ungern zu sehen schien.” (1773 3,15)Er reiste, wie abgesprochen der
Reisegesellschaft nach Mainz nach “Ich gelangte also in sehr kalter Jahreszeit zur bestimmten Stunde nach Mainz, und wurde von den jungen Herrschaften und ihren Begleitern, der Einladung gemäß, gar freundlich aufgenommen. Der in Frankfurt geführten Gespräche erinnerte man sich, die begonnenen wurden fortgesetzt, und als von der neuesten deutschen Literatur und von ihren Kühnheiten die Rede war, fügte es sich ganz natürlich, daß auch jenes famose Stück, »Götter, Helden und Wieland«, zur Sprache kam; wobei ich gleich anfangs mit Vergnügen bemerkte, daß man die Sache heiter und lustig betrachtete. Wie es aber mit dieser Posse, welche so großes Aufsehn erregt, eigentlich zugegangen, war ich zu erzählen veranlaßt, und so konnte ich nicht umhin, vor allen Dingen einzugestehn, daß wir, als wahrhaft oberrheinische Gesellen, sowohl der Neigung als Abneigung keine Grenzen kannten. (ebda).Auf seiner ersten Schweizreise traf Goethe Herzog Carl August nochmals in Karlsruhe,
der dort Luise von Hessen-Darmstadt heiratete. Auch Goethe wurde von dem jungen Paar empfangen. “Meine Gespräche mit beiden hohen Personen waren die gemütlichsten, und sie schlossen sich, bei der Abschiedsaudienz, wiederholt mit der Versicherung: es würde ihnen beiderseits angenehm sein, mich bald in Weimar zu sehn.” (ebda 1775 4,18) Er leistete dieser Einladung Folge und kam am 7. November 1775 in Weimar an.
Wieland war sofort total begeistert und schrieb das auch an seine Freunde. An Friedrich Heinrich Jacobi schreib er am 10. November 1775:
“Dienstags, den 7. d. M., morgens um fünf Uhr, ist Goethe in Weimar angelangt. O bester Bruder, was soll ich Dir sagen? Wie ganz der Mensch beim ersten Anblick nach meinem Herzen war! Wie verliebt ich in ihn wurde, da ich am nämlichen Tage an der Seite des herrlichen Jünglings zu Tische saß!
Alles, was ich Ihnen (nach mehr als einer Krisis, die in mir diese Tage über vorging) jetzt von der Sache sagen kann, ist dies: Seit dem heutigen Morgen ist meine Seele so voll von Goethe, wie ein Tautropfe von der Morgensonne. “ (zitiert in “Literaturbrevier”)
und an Zimmermann am 8.Januar 1776: ”Was Gott zusammengefügt hat,soll der Mensch nicht scheiden. Göthe, Lavater, Herder, warum sollten sie nicht auch meine Freunde seyn? Seit ich diese Kleeblatt kenne, sind sie meine Heiligen. Ich lebe nun
9 Wochen mit Göthen, und lebe seit unserer Seelen-Vereinigung so unvermerkt und ohne allen effort nach und nach zu Stande gekommen ganz in ihm. Er ist in allen Betrachtungen und von allen Seiten das größte, beste und herrlichste menschliche Wesen,
das Gott geschaffen hat.” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 2, Zürich 1815 S. 246). An Meusel, Historiker, der ja auch im Merkur mitarbeitete hatte er im November geschrieben “Göthe, den wir seit neun Tagen hier besitzen, ist das größte
Genie, und der beste liebenswerthe Mensch, den ich kenne. (ebda. S. 245 f.) An Gleim schreibt er im September 1776. Goethe und Gleim “konnten” ja nicht miteinander und Goethe ist in Gleims Freundschaftstempel nicht
vertreten. “Sie mein liebster haben ja noch einen Pik gegen diesen edlen herrlichen jungen Mann, den ich schon lange wie meinen Augapfel liebe. Sie brauchten ihn aber nur etliche Tage in der Nähe zu sehn, so würde er ihnen fast so lieb
werden, als mir. In diesen zehn Monaten, die ich mit ihm gelebt habe, ist – ein einziges Mißverständnis ausgenommen, das aber nicht länger als eine Stunde dauerte- (und auch dieß begegnete schon vor mehr als sechs Monaten)
kein Augenblick gewesen wo Göthe und ich nicht in der reinsten Harmonie gelebt hätten.” …und weiter “ Alles in meinem Hause, Mutter Weib und Kinder lieben ihn” (ebda S. 261 f.)
Die Zuneigung war aber durchaus gegenseitig. Zahlreiche Tagebucheinträge Goethes berichten von Besuchen im Hause Wieland. Er war dort oft beim Essen aber auch bei Freunden, zum Beispiel der Familie Keller in Stedten, die aus Tübingen
stammte.
1776 kaufte Wieland einen Garten vor der Stadt. Da er nun Eigentümer einer städtischen Liegenschaft war, Stadtbürger werden. Das Bürgerbuch der Stadt Weimar vermerkt dazu: “den 16 Mart. 1776 der Churf(ür)stl(ich) Mayntzi(sche)
und F(ürstlich)und Sächs(ische)HofRath H(err)Christoph Martin Wieland haben dato das Bürgerrecht conferirt erhalten.” (Stadtarchiv Weimar HA I-37-4 S.Die Eintragung kostete ihn 10 Meißner Gulden, das entspricht etwa 87,50 Reichstaler.
Das wären nach heutiger Währung etwa 1750 €. Dazu kam noch ein Feuereimer für einen Meißner Gulden, also etwa 175 €. Der Kaufpreis für Grundstück und Gebäude betrug 1250 Reichstaler. Zwischen 1622 und 1775 entsprach ein Reichstaler
zwischen 17 und 22 €. Das heißt der Garten kam Wieland auf etwa 25.000 € zu stehen. Laut Zaremba ( S. 189)bedeutete dies aber nur etwa die Hälfte des Marktpreises. Wieland musste dazu aber 1000 Taler seines Kapitals bei der Stadtkasse
Biberach zurückfordern. Der Betrag an die Stadtkasse Weimar wurde auf einmal beglichen, was zu der Zeit nicht selbstverständlich war.
Natürlich erzählt er auch seinen Freunden von seiner Neuerwerbung. Am 8. Mai 1776 schreibt er an Gleim ”Habe einen Garten gekauft, der mir großen Spaß macht, aber auch einen guten Theil meiner Existenz wegstielt, bis ich ihn einigermaßen so
umgestaltet habe, daß man gerne darin seyn kann. Wollen wir uns mehr als einmal darin wohl seyn lassen. wiewohl er gegen euer Sanssouci nur ein Maulwurfshäufchen ist.” (ebda. S 255) Auch Sophie von La Roche erzählt er im September 1777,
in einem großen Haus vor der Stadt wohnt “und ein paar hundert Schritte davon liegt ein größerer Garten, den ich vor anderthalb Jahren gekauft habe, und worin ich dieser schönen herbstlichen Tage froh werde, die die Natur uns noch ganz unvermuthet schenkt.”
(zitiert bei Döring S. 260)
Am 21. März 1776 bekommt die Familie Wieland wieder Zuwachs, ein Mädchen. Es wird auf den Namen Charlotte Wilhelmine getauft und Pate soll Gleim werden. “Wir haben uns bester Freund und Bruder, des Rechts bedient, das Sie
uns vor einem Jahr gegeben haben, und Sie, wiewohl abwesend, aber uns im Geiste gegenwärtig, zum Pathen des holden kleinen Geschöpfs ernannt, in Hoffnung, daß es Ihnen angenehm seyn würde, diese geistliche Paternität
mit unserm Göthe zu teilen” (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland Band 3, Zürich 1815 S. 252)
Im Oktober 1776 kam auch Johann Gottfried Herder in Weimar an.Goethe hatte Herder 1771 in Straßburg kennen und schätzen gelernt. 1776 wird er von Herzog Carl August nach Weimar berufen. Goethe hatte ihn beim Herzog empfohlen und durchgesetzt.Wieland hatte durchaus die Bedeutung erkannt, die die Berufung für Weimar hatte. An Gleim schreibt er: “Denkt doch was Karl August aus Weimar macht! und machen wird!” (zitiert nach Gottfried Gruber Sämmtliche Werke: Wielands Leben nebst seinem Portrait,
Band 52 S.171) An Gleim schreibt er am 4. Oktober 1776 “Bestes Bruderherz! Der Mann Gottes, mit seinem lieben Engel an der Seite, ist Dienstag Abends glücklich bey uns angekommen.- Bey’m ersten flog ihm meine Seele entgegen.”
(Ausgewählte Briefe S. 263). Die Antrittspredigt von Herder in Weimar muss ein richtiges Ereignis gewesen. Die Bewohner Weimars waren gegen ihn voreingenommen. Seine Frau schreibt darüber “Denn man hatte unter anderem das Gerücht verbreitet:
Er könne nicht predigen!” (In Erinnerungen aus dem Leben Joh. Gottfrieds von Herder, Bd. 2 Tübingen 1820 von Caroline von Herder S.5)und Wieland schreibt begeistert über diese Predigt “Er predigt, so wie noch niemand gepredigt hat,so wahr, so simpel,
so faßlich, und doch alles so tief gedacht, so rein gefühlt, so schwer an Inhalt!” (zitiert bei Sämmtliche Werke: Wielands Leben nebst seinem Portrait, Band 52 von Christoph Martin Wieland,Johann Gottfried Gruber. S. 172)Aber er fühlt sich Herder irgendwie unterlegen, wie er in demselben Brief schreibt:”Meine ganze Seele ist voll von dem herrlichen Manne. Aber er ist mir zu groß, zu herrlich; (Seite 171) und weiter auf der schon oben zitierten Seite “Ich selbst fühle, wie wenig ich ihm seyn kann. Fühlen,
einsehen, durchschauen, was er ist, und ihn lieben, mehr als ihn noch ein Sterblicher geliebt hat, das kann ich.” Zwischen den beiden Familien entwickelte sich praktisch vom ersten Tag an eine herzliche Freundschaft, wie auch Caroline von Herder in dem oben zitierten Werk weiterfährt: “Wielands zarte, gutmüthige Seele schloß sich an Herder an, er ehrte und liebte ihn hoch, und unsere Familien verbanden sich immer herzlicher. Wenn auch in Wielands und Herders Freundschaft zuweilen Mißverständnisse und
Mißklänge kamen, so löseten sie sich doch immer wieder. Sie achteten und ehrten Jeder des Andern eigenthümlichen Genius und Werth ohne Neid, obwohl sie über viele Dinge sehr verschieden dachten, und eigentlich doch nie innig sympathisirten,
hervorragend gute Naturen erkennen auch bey jedem Wechsel, daß sie in einer höhern geistigen Classe zusammengehören.Wieland erzeigte bey vielen Anlässen, wo wir seyne Freundschaft ansprachen, thätige Dienste unter anderem durch Darlehn:
Denn die Einrichtung an diesem neuen Ort, ohne eigenes Vermögen, erschwerte uns die ersten Jahre recht peinlich”
Im Gegenzug lieferte Herder Beiträge für den Teutschen Merkur.1776 Vom Zweiten Vierteljahr an war er in den nächsten 4 Ausgaben vertreten und dann nochmal im 4. Vierteljahr 77. Er schrieb Fabeln aber auch Studien über Hutten, Kopernikus oder Savanarola.
Die Beziehung zu Herder war sicher nie einfach. Herder war oft krank. Das förderte seine Neigung zur Hypochondrie. Auch trug er manchmal seinen intellektuellen Dünkel recht offen zur Schau. Aber nicht nur Wieland, auch Goethe hatte mit Herder
Schwierigkeiten.
Der Komponist der Alceste, Anton Schweitzer, war nach dem Weimarer Theaterbrand mit der Seilerschen Truppe nach Gotha gekommen. Dort erhielt er eine Anstellung zum Musikdirektor des Hoftheaters. Von Mannheim erhielt er eine
Auftragskomposition für eine Oper. Und Wieland sollte nun das Libretto für die Oper Rosamunde schreiben. Franz Karl von Hompesch, kurpfälzischer Finanzminister hatte die Oper in Auftrag gegeben. Allerdings stand seine Rosamunde unter keinem guten Stern.
Schon Goethe und Jacobi hatten die erste Fassung kritisiert. An Jacobi schreibt er “Ich habe nun Göthens Meinung zu der Sache (gemeint ist die Oper Rosamunde) und sie stimmt völlig zu der Deinigen. er hat mir alles sehr begreiflich gemacht.
Seiner Meinung nach liegt das Hauptgebrechen am Sujet selbst. Das proton pseudos liegt aber nach ihm darin, daß ich das Ding anstatt mit dramatischem, mit epischem Sinn gefaßt habe.” (zitiert in Goethe: Begegnungen und Gespraeche: 1777-1785
herausgegeben von Ernst Grumach,Renate Grumach S. 16)Er ist auch bei der Mannheimer Kurfürstin Elisabeth Auguste angeeckt. In seiner Alceste lobte Wieland die Ehe, in der Rosamunde wird die Ehebrecherin mit Heirat und Krönung belohnt,
während die rechtmäßige Gattin das Nachsehen hat.Wieland hatte auch keine glückliche Hand bei der Stoffwahl, wie er später sagte. Er war nach langem Suchen in Addisons (“meines Lieblings”)Spectatorn auf die Rosamunde gestoßen.
Addison hatte 1707 ein Libretto für eine Oper Rosemond geschrieben. Und dann fährt er fort “Freilich wußte ich unhöfischer Tropf nicht, daß der Kurfürst auch so viele Rosamunden hatte und mit ihren Kindern das Land bevölkerte”…
und weiter als er nach Mannheim reiste “Dort hatte man sich über meine Wahl des Themas außerordentlich gewundert und Beziehungen hineingelegt, die mir nicht im Traume eingefallen waren. Die Kurfürstin war erstaunlich darüber ungehalten.”
(zitiert bei Literarische Zustände und Zeitgenossen: in Schilderungen aus Karl August Böttigers Nachlass, Band 1, Leipzig 1838 S.229) Mitten in die Probenarbeiten platzte die Nachricht vom Tode des bayrischen Kurfürsten Max III. Joseph.
Der Kurpfälzer Kurfürst Karl Theodor musste unverzüglich nach München. Staatstrauer auch in der Kurpfalz wurde angeordnet. Der Kurfürst befahl, dass die Proben fortgesetzt wurden “und blos vor Wieland das Stück bei verschlossenen Thüren
aufgeführt werden sollte.” (ebda.)Am 22. September 1776 hatten Karl Theodor und Max III. Joseph ihre Erbverbrüderung erneuert, die Bayern und Pfalz als unteilbaren Gesamtbesitz behandelte. Dass die Erbfolge so schnell eintreten sollte, war nicht abzusehen.
Als nun Bayern an die Pfalz fallen sollte, machte Österreich einen Anspruch auf Niederbayern und die Oberpfalz gelten. Das löste den Bayerischen Erbfolgekrieg aus. An Theaterstücke oder Opern war so natürlich nicht zu denken. Die Oper wurde nie aufgeführt.
Für Wieland war das alles zwar ziemlich chaotisch, aber es gab trotzdem auch positive Aspekte. Auf der Anreise nach Mannheim war vier Tage Gast bei Goethes Eltern in Frankfurt. Er war für Goethes Vater ein geduldiger Zuhörer (Böttiger S.216).
Außerdem zeigte dieser die Jugendwerke Goethes in “einem prächtig eingebunden Manuscript” In Darmstadt hatte er wieder persönlichen Kontakt zu Merck, der ja ein eifriger Mitarbeiter des Merkur war.Außerdem lernte er Wolfgang Amadeus Mozart
persönlich kennen, der zu der Zeit in Mannheim weilte. Wieland war in Mannheim mit großer Begeisterung aufgenommen worden, aber Mozart ließ sich davon nicht irritieren. Am 27. Dezember gibt er seinem Vater eine kurze Beschreibung
von dem Ereignis. “Nun bin ich mit Hrn. Wieland auch bekannt; er kennt mich aber noch nicht so, wie ich ihn, denn er hat noch nichts von mir gehört. Ich hätte ihn mir nicht so vorgestellt wie ich ihn gefunden. Er kommt mir im Reden ein wenig
gezwungen vor; eine ziemlich kindische Stimme, ein beständiges Gläselgucken, eine gewisse gelehrte Grobheit und doch zuweilen eine dumme Herablassung. Mich wundert aber nicht, daß er (wenn auch zu Weimar oder sonst nicht) sich hier zu betragen geruhet,
denn die Leute sehen ihn hier an, wie wenn er vom Himmel herabgefahren wäre. Man genirt sich ordentlich wegen ihm, man redet nichts, man ist still, giebt auf jedes Wort acht, das er spricht;- nur schade, daß die Leute so oft in der Erwartung seyn müssen,
denn er hat einen Defect in der Zunge, vermöge er ganz sachte redet und nicht sechs Worte sagen kann ohne einzuhalten. Sonst ist er, wie wir ihn alle kennen, ein vortrefflicher Kopf. Das Gesicht ist von Herzen häßlich, mit Blattern angefüllt, und eine
ziemlich lange Nase, die Statur wird seyn, beyläufig etwas größer als der Papa” (zitiert bei Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam 1931, S. 87-88.) Und im Januar schreibt
Mozart an seinen Vater “Der Herr Wieland ist, nachdem er mich nun 2 mal gehört hat, ganz bezaubert. Er sagte das letztemal nach allen möglichen Lobsprüchen zu mir; es ist ein rechtes Glück für mich, daß ich Sie hier angetroffen habe, und drückte mich bey der Hand. Heut ist die Rosamund im Theater probiert worden. Sie ist – – – – gut, aber sonst nichts; denn wenn sie schlecht wäre, so könnte man sie ja nicht aufführen? – –”
Wenn man diese Schilderung Mozarts liest, muss man Wielands Leistung als Erzieher umso mehr bewundern. Er hatte ja seit seiner Züricher Zeit junge Leute um sich. So ein Sprachfehler erleichterte seine Aufgabe sicher nicht, wird aber nie als Handicap erwähnt.
Wieland hat dann auch in Weimar die Beisterung der Herzogin für Mozarts Musik geweckt.
Goethe hat dann als Theaterdirektor in Weimar für häufige Aufführungen von Mozarts Werken gesorgt. Im Schlosspark von Tieffurt steht das erste Denkmal, das Mozart außerhalb von Österreich gewidmet wurde. Das war
immerhin schon 1799, also nur 8 Jahre nach seinem Tod am 5. Dezember 1791.
Am 24. Januar 1778 war Wieland endlich wieder zurück in Weimar. Am 26. Oktober 1778 wurde der Sohn Ludwig Friedrich August geboren.Er studierte später in Jena, war Bibliothekar bei Fürst Esterhazy in Wien, war auch als Dichter und Herausgeber tätig.
So gab er auch die Auswahl denkwürdiger Briefe heraus, aus der hier ja auch öfters zitiert wird.
Wieland lebte nun seine Neigung zum ländlichen Leben aus. Allerdings wurde die ländliche Idylle etwas getrübt wegen der Gesundheit. Seine Frau und seine Kinder hatten oft Scharlach. Wieland selbst war sehr wetterfühlig und wurde oft von starken Infekten heimgesucht. Vor allem aber machte ihm Der Teutsche Merkur zu schaffen. Die Auflagenzahl ging zurück. Am 28. September 1782 legte Bertuch Wieland einen “Entwurf über den Merkur” vor. Zwei Strategien wurden dabei vorgeschlagen, einmal
inhaltliche Erneuerung und zum andern Stabilisierung der Vertriebswege und Erschließung neuer Wege. In einer Sozietät sollte Wieland 2 und Bertuch 1 Drittel des Gewinnes erhalten. Der Vertrag wurde am 6. Oktober 1782 unterzeichnet.
Ab 1783 wurde der “Teutsche Merkur” als “eine gemeinschafftliche merkantilistische Entreprise” betrieben und war “gemeinschafftliches Eigenthum von Wieland und Bertuch. Der Merkur erfuhr wieder Auftrieb.Bertuch schied 1786
zugunsten von Karl Leonhard Reinhold (1758-1825)aus dem Vertrag aus. Leonhard war erst Novize im Jesuitenorden, bis dieser im September 1773 in Österreich aufgehoben wurde. Über Leipzig kam er nach Weimar, wurde von Wieland freundlich aufgenommen
und rasch Mitarbeiter beim Merkur. Am 18. Mai 1785 heirate er Wielands erste Tochter Sophie.
Kurz zuvor, am 27. Mai 1783, hatte der Dichter nochmals Familienzuwachs erhalten und zwar eine Tochter. “Sie ist, einer ewig theuren Abgeschiedenen Julie genannt worden”, wie er am 1. April Sophie von La Roche mitteilt.
(Briefe an Sophie von La Roche, nebst einem Schreiben von Gellert und Lavater …
von Christoph Martin Wieland,Franz Horn S. 241)
In der Zeit von 1773 bis 1775 hatte Wieland folgende Werke verfasst: Stilpon oder über dieWahl eines Oberzunftmeisters von Megara. Eine Unterredung1774); Das Urtheil des Midas. Ein komisches
Singspiel in einem Aufzug (1775); Geschichte des Philosophen Danischmende (1775); Unterredungen zwischenW** und dem Pfarrer zu *** (1775); Titanomachia oderas neue Heldenbuch (1775).Es folgten Gandalin oder Liebe um Liebe (1776)
Das Winter und Sommermärchen (1776) Pervonte (1778) Der Vogelsang (1778) wichtigste Werk aus dieser Zeit war aber der Oberon, sein vorletztes Versepos. Es erschien 1780 erstmals noch ohne Nennung des Namens des Dichters, dann 1783-1784
zunächst im Merkur, und 1784 als Separatdruck. Es ist ein Ritterroman. Ritter Hüon hat aus Versehen den Sohn seines Herrn erschlagen. Er geht aus einer Art Gottesurteil unversehrt hervor und kann nun von Karl dem Großen zur Sühne eine fast übermenschliche
Aufgabe aufgebürdet. Er soll nach Bagdad reisen, dort den Palast des Sultans aufsuchen und bei einem Festbankett denjenigen köpfen, der zur Linken des Sultans sitzt. Danach soll er die Tochter des Sultans dreimal küssen und sich mit ihr verloben.
Dann soll er von seinem Schwiegervater in spe vier Backenzähne erbitten, dazu eine Handvoll seiner grauen Backenhaare. Nur wenn er damit an den Hof Karls zurückkehre, sei ihm verziehen. Der Naturgeist Oberon hilft dem Helden bei diesem
aberwitzigen Unterfangen. Die Barthaare des Sultans und seine Backenzähne und auch die Tochter des Sultans, die schöne Rezia, rücken in erreichbare Nähe. Es zeigt Anklänge an den Sommernachtstraum von Shakespeare, den er ja auch übersetzt hatte,
bei Wieland “Ein St. Johannis Nachts Traum” Er überarbeitete sein Werk insgesamt sieben Mal. Es hatte auch Einfluß aus Goethes Faust II, Die Zauberflöte und Weber verarbeitete den Stoff in seiner Oper Oberon 1826.
Die politischen Schriften Wielands, die in diesen Jahren im Merkur erschienen waren, befassten sich hauptsächlich mit “Aufklärung”. Diese erscheinen später gesammelt als Vermischte Aufsätze. Im 2. Vierteljahresheft 1789 wird
“Ein paar Goldkörner aus Maculatur oder Sechs Antworten auf Sechs Fragen” veröffentlicht. Die Fragen sind “1. Was ist Aufklärung 2. über welche Gegenstände kann und muss sie sich verbreiten 3. wo sind ihre Grenzen
4. Durch welche mittel wird sie befördert 5. Wer ist berechtigt, die Menschheit aufzuklären 6. An welchen Folgen erkennt man ihre Wahrheit” Frage 1 beantwortet er so “ Das weiß jedermann, der vermittelst eines Paars sehender Augen erkennen gelernt hat,
worin der Unterschied zwischen Hell und Dunkel, Licht und Finsternis besteht. Im Dunkeln sieht man entweder gar nichts oder wenigstens nicht so klar, daß man die Gegenstände recht
erkennen und voneinander unterscheiden kann: sobald Licht gebracht wird, klären sich die Sachen auf, werden sichtbar und können voneinander unterschieden werden – doch wird dazu
zweierlei notwendig erfodert: 1) daß Licht genug vorhanden sei, und 2) daß diejenige, welche dabei sehen sollen weder blind noch gelbsüchtig seien, noch durch irgendeine andere Ursache
verhindert werden, sehen zu können oder sehen zu wollen. (S.97). Die zweite Frage beantwortet er, dass für ehrliche Leute im dunkeln nichts zu tun bleibt (“ein löbliches und gemeinnütziges Geschäft ausgenommen”) als zu schlafen.
und weiter führt er aus “Das Licht des Geistes, wovon hier die Rede ist, ist die Erkenntnis des Wahren und Falschen, des Guten und Bösen. Hoffentlich wird jedermann zugeben,
daß es ohne diese Erkenntnis ebenso unmöglich ist, die Geschäfte des Geistes recht zu treiben,als es ohne materielles Licht möglich ist, materielle Geschäfte recht zu tun. Die Aufklärung, d. i.
so viel Erkenntnis, als nötig ist, um das Wahre und Falsche immer und überall unterscheiden zukönnen, muß sich also über alle Gegenstände ohne Ausnahme ausbreiten, worüber sie sich ausbreiten
kann, d. i. über alles dem äußern und innern Auge sichtbare. “ (S.98) Die dritte Frage beantwortet er so: “Wo, bei allem möglichen Lichte, nichts mehr zu sehen ist.” Zu Frage 4 meint er
“Das unfehlbarste Mittel zu machen, daß es heller wird, ist, das Licht zu vermehren, die dunkelnKörper, die ihm den Durchgang verwehren, soviel möglich, wegzuschaffen und besonders alle
finstern Winkel und Höhlen sorgfältig zu beleuchten, in welcher das Nro. 2. erwähnte lichtscheue Völkchen sein Wesen treibt.” und weiter “Es gibt kein anderes Mittel, die Masse der Irrtümer und schädlichen Täuschungen, die den menschlichen
Verstand verfinstert, zu vermindern als dieses, und es kann kein anderes geben.” (S.101) Und auch 5 beantwortet er einfach “daß jedermann –
von Sokrates oder Kant bis zum obskursten aller übernatürlich erleuchteten Schneider und Schuster,ohne Ausnahme, berechtigt ist, die Menschheit aufzuklaren, wie er kann, sobald ihn sein
guter oder böser Geist dazu treibt. “ (S.103)und als Fazit die Antwort auf Frage 6 “Wenn es im ganzen heller wird; wenn die Anzahl der denkenden, forschenden, lichtbegierigen
Leute überhaupt, und besonders in der Klasse von Menschen, die bei der Nichtaufklärung am meisten zu gewinnen hat, immer größer, die Masse der Vorurteile und Wahnbegriffe
zusehends immer kleiner wird;” (S. 104) Damit fasst er eigentlich den Inhalt seiner späten Werke zusammen.
Am 27. Juli 1787 ist Schiller erstmals in Weimar und lernt dort Wieland und Herder kennen. Schon in Weimar meldete er sich bei Wieland brieflich an:
“Mein schönster Wunsch ist endlich erfüllt, ich bin dem Augenblike nahe, Sie, vortrefflichster Mann, von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Vorgestern traf ich hier ein, aber die Betäubung meines Kopfes von einigen schlaflosen Nächten untersagte mir diesen Genuß biß heute. Nicht gern wollt ich eine Freude nur halb empfinden, die ich mir schon so lange aufgespart hatte. Lassen Sie mich durch den Überbringer erfahren, zu welcher Stunde dieses Nachmittags ich Ihnen nicht ungelegen komme. Wenn ich mir noch eine Bitte an Sie erlauben dürfte, so wär es diese, daß Sie mir diese Stunde allein schenken möchten, weil ich nicht weiß, ob ich in Ihrer nähern Gegenwart für einen Dritten Sinn haben würde. Alsdann werde ich Sie auch bitten, mich in den Kreis Ihrer liebenswürdigen Familie einzuführen.
Nicht wenig verlegen würde ich seyn, mich jetzt Demjenigen zu nähern, von dessen guter Meinung und Liebe die besten Freuden meines zukünftigen Lebens, wie ich mir oft träume, abhängen sollen, vielleicht würde mich diese Furcht für mich selbst um den reinen Genuß Ihrer Gegenwart bringen, wenn ich nicht hoffte, daß Ihre Güte mich jeder Aufmerksamkeit auf mich selbst überheben werde.F. Schiller (Schillers Briefe im Friedrich Schiller Archiv 23.Juli 1787)
Am 27. Juli stellte Wieland Schiller auch Herzogin Anna Amalia vor. Über seinen Eindruck, den er dort hinterlassen hat, wie er in seinen Erinnerungen schreibt. “Deshalb zweifelte ich daran, der Herzoginmutter überhaupt gefallen zu haben.”
(homepage zu Schiller Erinnerungen von Gisela Seidel). Am 30. Juli nahm Wieland ihn den “Club der Bürgerlichen” mit. Dieser stand nicht nur dem Adel, sondern auch Bürgerlichen offen. Man spielte dort Karten oder Billard.
Aktuelle Journale auch aus dem Ausland lagen aus. In den folgenden Wochen vertiefte Schiller seine Kontakte zu wichtigen Hofleuten wie Voigt oder Einsiedel. Im November denkt er daran, eine Beziehung zu Wielands zweiter Tochter
Maria Carolina Friederike einzugehen, wie er seinem Freund Körner am 19. November 1787 mitteilt. “Ich glaube wirklich, Wieland kennt mich noch wenig genug, um mir seinen Liebling, seine zweite Tochter nicht abzuschlagen, selbst jezt nicht, da ich nichts habe. Das Mädchen kenne ich nicht, gar nicht, aber siehst Du, ich würde sie ihm heute abfordern, abfordern, wenn ich glaubte, daß ich sie verdiente” (Friedrich Schiller @Wissen-im-Netz.info Schillers Briefwechsel mit Körner) Aberschon im Dezember schrieb er:
“Es ist möglich, daß ein interessanteres Mädchen mir aufgehoben seyn kann, aber das Schicksal läßt es mich vielleicht in sechs oder acht Jahren finden. (ebd.) Das interessante Mädchen, das ihn jetzt lockte war Charlotte von Lengenfeld, seine spätere Frau.
Die Affäre war also beendet, ehe sie überhaupt begonnen hatte.
Bei Schillers Räubern schloß Wieland sich Goethes Meinung an. Goethe hat einen so großen Greuel als ich an der seltsamen Hirnwut, die man itzt am Neckarstrom für Genie zu halten pflegt.” Aber er gewann ihn für die Mitarbeit am Merkur.
So erschienen im 1. Vierteljahr 1788 “Der Abfall der vereinigten Niederlande von Spanien” im 3.und 4. Vierteljahr 1788 “Briefe über Don Karlos” sowie 4 1789 “Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?”
Im 4. Vierteljahr 1788 schreibt Wieland im Merkur “Das Geheimnis des Kosmopolitenordens” (S. 121-143) Darin plädiert er dafür, gewaltfrei “gegen unerträgliche Mißbräuche der höchsten Gewalt, gegen politischen und religiösen Despotismus, gegen
erweislich ungerechte und unvernünftige Gesetze “ usw. (S. 124). Gewaltsame Veränderungen fährt er fort “alle tumultuarischen Wirkungen der Leidenschaften… wenn sie am Ende auch viel Gutes hervorbringen, zerstören auch zu gleicher Zeit so viel Gutes,
und richten, indem sie großen Uebeln steuern wollen, selbst so großes Uebel an, daß nur ein Gott fähig ist, zu entscheiden, ob das Gute oder Böse, das auf diese Weise gewirkt wird, das Uebergewicht habe.” (S.127) Es gibt schreibt er
weiter , nur eine Regierungsform, gegen die nichts einzuwenden ist, die Regierungsform der Vernunft. Da sah er den gegenwärtigen Zustand Europas noch auf gutem Weg.Als die Revolution dann 1789 ausbricht, veröffentlicht er im 3. Vierteljahr 1789 den Artikel “Ueber die Rechtmäßigkeit des Gebrauchs, welchendie Französische Nation dermalen von ihrer Aufklärung und Stärke macht” (S. 225-262) Hier diskutieren zwei Personen, Walter und Adelstan. Die beiden repräsentieren fiktive Positionen,wobei kein der beiden
Dialogpartner mit Wieland identisch ist. Walter sieht die Aktionen der Nationalversammlung als notwendige Reaktion auf eine politische Krise des Ancien Régime, die durch Missbräuche und eine schlechte Verwaltung der Staatseinkünfte verursacht worden sei.
Adelstan akzeptiert die Einberufung, findet aber, daß die weitergehenden Forderungen wie Verfassungsänderung und der politischen Gleichstellung des Dritten Standes dazu geführt hätten, dass die Ereignisse den Charakter eines Volksaufstandes angenommen
hätten . In der nächsten Ausgabe erscheint “Kosmopolitische Adresse an die französische Nationalversammlung von Eleutherius Philoceltes” (S. 24-60). Es ist eine direkte Reaktion auf die am 4. August 1789 beschlossene Abschaffung der Adelsprivilegien und
die Auflösung des französischen Feudalsystems. Diese Schrift wird oft als eine beginnende Ablehnung der Revolution interpretiert (Sengle, Bäppler) Die Göttergespräche, die von 1789 bis 1793 im Merkur erschienen, lassen die Entwicklung von Wielands
Verhältnis zur Französischen Revolution nachvollziehen.
Am 3. Dezember 1787 stirbt Wielands langjähriger Verleger Erasmus Reich. Die Rechtsverhältnisse ändern sich. Marie Louise Weidmann war Erbin und der Verlag nannte sich wieder “Weidmannsche Buchhandlung”. Nun trat Wieland mit dem jungen Leipziger Buchhändler Göschen in Leipzig in Verbindung. Wieland hatte im Jahre 1786 den noch sehr jungen Göschen kennengelernt. Er hatte sich in Leipzig etabliert und besuchte auch Wieland. Er sagte ihm, dass so lange Reich lebe, er nur dort verlegen
lasse. Sie kamen trotzdem ins Gespräch. Wieland erkannte, dass er keinen alltäglichen Buchhändler vor sich hatte, sondern einen begabten jungen Mann. Er wollte sein Geschäft führen, so wie es sich Wieland auch bei seinen Plänen vorstellte, als
er sich mit dem Gedanken trug, einen Verlag zu führen. Da kam seine Gattin herein und hatte ein paar Fragen. Wieland konnte auf solche Störungen äußerst ungnädig reagieren. Er nahm die Milde und heitere Gelassenheit , mit der Frau Wieland reagierte,
erstaunt zur Kenntnis und er sagte: “Herr Hofrath, welch einen Engel von Weibe haben sie!” und Wieland darauf “Junger Mann, sie sind fähig, den Werth dieses Weibes zu erkennen; damit haben Sie auch auch mein Herz gewonnen. Hier meine Hand!
Ist Reich gestorben, so wird kein anderer mein Verleger als Sie” (J.G. Gruber, C.M. Wielands Leben, Leipzig 1827, 7. Buch S. 13) Ob so geschehen oder eine schöne Anekdote von Wielands erstem Biographen, Göschen wurde auf jeden Fall der Verleger Wielands.
Kurz nach Reichs Tod schickte Wieland das Manuskript des Peregrinus Proteus an Göschen.Die Zusammenarbeit war auch nicht so anekdotenhaft. 1786 ging der “Haupt-und Meßdebit” an Göschen über.
Der Meßdebit, das war die finanzielle Abrechnung während der Leipziger Buchmesse. Aber es ging bei diesem Debit auch um Verhandlungen mit Verlegern und Buchhändlern zwecks Akquirierung weiterer Abonnenten für die Zeitschrift.
Der Vertrag zwischen Wieland, Bertuch und Göschen wurde am 24./25. Oktober 1785 unterzeichnet. Sein Peregrinus Proteus erschien 1791 bei Göschen. Auch die Göttergespräche erscheinen dort. Um seinen Autor an sich zu binden und nicht unbedingt
wirtschaftlicher Vernunft entsprechend schlägt Göschen Wieland eine Gesamtausgabe seiner Werke vor.Er plante eine vierfache Ausgabe in vier Preisstufen. Eine sollte preislich so gestaltet sein, dass “ jeder Kaufmannsdiener, jeder
unbemittelte Student, jeder Landpfarrer, jeder mäßig besoldete Offizier” (Der Verlag Walter de Gruyter, 1749-1999 herausgegeben von Anne-Katrin Ziesak,Hans-Robert Cram,Kurt-Georg Cram, Berlin 1999 S.66) Wielands Werke kaufen
können sollte. Dann gab es noch die Prachtausgabe, eine “sogenannte Fürstenausgabe”. Sie sollte 250 Taler kosten. Damit diese nicht mit Billigangeboten unterboten werden konnte, wurde modernste Drucktechnik eingesetzt.
Für die teuerste Ausgabe hatte er eigens in Basel Velinpapier von der Mühle des Verlegers und Buchhändlers Johann Christoph Imhof-Burckhardt gekauft. Velinpapier ist handgefertigtes Papier, gleichmäßig strukturiert und glatt und galt seinerzeit
als Besonderheit. Die Prunkausgabe wurde durch Subskriptionen vorfinanziert. Zu den Subskribenten zählte der Weimarer Herzog Karl August und seine Mutter Anna Amalia bis hin zu denen der Könige von England und Neapel, Prinz Ferdinand von Preußen, des Kurfürsten zu Köln und diverser anderer Fürsten, Grafen und Herzöge aus Deutschland und Österreich. Dazu kommen zahlreiche Bibliotheken und Privatleute aus ganz Europa – Basel, Bern, Zürich, Triest, Amsterdam, Haarlem, Kopenhagen, Prag, Warschau, Lemberg, Riga, Reval, St. Petersburg, London, Lissabon. Es war eine europäische Sache und verdeutlicht den Stellenwert, den Wieland damals in der gebildeten Welt hatte. Ganz besonders hat ihn gefreut,dass auch der Rat seiner Vaterstadt Biberach subskribiert hatte. Dies
schreibt er an Göschen : “Meine Biberacher haben mir eine so unverhoffte Freude gemacht, daß ich nicht umhin kann, Ihnen eine Copie des Raths-Conclusi hiermit zu communicieren; womit sie mit einer bonne grace, die diesen wackern biedersinnigen
Schwaben eben so viel Ehre macht als ihrem Mitbürger, beschlossen haben, im Namen der Reichsstadt Biberach auf ein Exemplar der Quartausgabe meiner Werke zu pränumerieren. Seit langer Zeit hat mir nichts einen so frohen Tag gemacht,
als dieser Beweis der Achtung und Zuneigung meiner Compratioten” (zitiert bei Heinrich Döring S. 301 f.) Goethe und Schiller spotteten in ihren Xenien über dieses Verfahren.
“284. Göschen an die deutschen Dichter.
Ist nur erst Wieland heraus, so kommt’s an euch übrigen alle,
Und nach der Lokation! Habt nur einstweilen Geduld!”
Der Anfang lief allerdings nicht reibungslos, denn die Weidmannsche Buchhandlung hatte noch 17 Werke Wielands in Verlag. Und die Buchhandlung
war nicht geneigt, ihre Rechte an den Werken aufzugeben. Es folgte ein Prozess, bei dem es auch darum ging, ob ein Autor berechtigt sei, über sein geistiges Eigentum ein zweites Mal verfügen zu können. Göschen bekam schließlich Recht.
Die Vorschüsse auf das Projekt ermöglichten es Wieland, sich seinen Traum zu erfüllen und ein eigenes Haus zu erwerben. Er verließ sein Domizil, das Mietshaus vor dem Frauentor und verkaufte seinen Garten. Am Markt Nr. 18 kaufte er
ein dreistöckiges Gebäude zwischen Elephant und Erbprinz gelegen. Optimal war es allerdings auch nicht. Schweinequieken und Pferdegetrappel waren deutlich zu hören. Und wie Zeitzeugen berichten vervollständigten “Enten und Hahnengeschrei
das thierische Konzert” (Nach Zaremba S.207) Wieland war aber sehr lärmempfindlich.
Im Jahr 1791 war Karl August Böttiger auf Betreiben Herders nach Weimar gekommen und wurde Direktor des Gymnasiums und Oberkonsistorialrat für Schulangelegenheit. Der umfassend gebildete Mann wurde bald
auch mit Wieland bekannt, mit dem ihm dann eine lebenslange Freundschaft verband. Etwa ab 1794 gab er in Wielands Namen den Neuen Teutschen Merkur heraus. Nun hatte Wieland, was den Merkur anging, mal wieder den Rücken
frei und er konnte einer Einladung Göschens nach Leipzig Folge leisten. Am 30. Juli 1794 fuhr er zusammen mit seiner Frau, begleitet von seinem Diener nach Leipzig. Göschen verstand es, Auftritte zu inszenieren und die durchaus vorhandene Eitelkeit
seines Autors zu kitzeln. Göschen hatte in seiner Sommerwohnung einen großen Garten von einem Kanal durchzogen. Auf einer Insel hatte Göschen in einem transparenten Tempel eine Büste Wielands aufstellen lassen.Als Wieland dort ankam, überreichten ihm zwei in griechische Kostüme gekleidete Knaben dem überraschten Dichter den ersten Band der Prachtausgabe. Wieland war, wie Döring berichtet, zu Tränen gerührt. (S.305) Die Reise ging weiter nach Dresden. Dort wurde die
Gemäldegalerie besucht. Er ließ sich von Hofmaler Anton Graf porträtieren. Der aus der Schweiz stammende Künstler war seit 1766 kurfürstlich sächsischer Hofmaler. Es gibt kaum einen Großen seiner Zeit, den er nicht gemalt hat.
Auf Schloss Pillnitz erhielt er eine Audienz vom sächsischen Kurfürsten Friedrich August III. In Seifersdorf besuchte er die Tina von Brühl, sie im 18. Jahrhundert eine Seltenheit Landschaftsarchitektin war. Ihr wichtigestes Werk
ist der Englische Garten im Seifersdorfer Tal. Ihr Sohn Carl hatte von Goethe, Herder und Wieland Unterricht erhalten. Als wieland wieder in Weimar zurück war, schrieb er überschwänglich an Göschen: “Ihnen, lieber Göschen,
verdanken wir so viele Herz und Sinn vergnügende Tage, Stunden und Augenblicke, daß sie auch in der Erinnerung noch lange Heiterkeit und Frohsinn und herzerhebende Gefühle über unser Leben verbreiten werden. (bei Döring S. 305)
Ein Jahr vorher war Wielands 5. Tochter Charlotte Wilhelmine mit der der Familie Baggesen nach Bern gereist. Baggesen wird auch der “dänische Wieland” genannt. Er war mit Sophie von Haller, der Enkelin von Albrecht von Haller verheiratet.
Seit 1790 war er dem Kreis um Wieland in Weimar, und Schiller in Jena verbunden. Auf dieser Reise lernte Charlotte Wilhelmine Heinrich Gessner, den Sohn des inzwischen verstorbenen Salomon Gessners kennen. Es wurde ein Bund fürs Leben.
Im Auftrag von Gessner bat Baggesen Wieland um die Hand seiner Tochter. Am 18. 1795 fand auf Schloss Belvedere die Hochzeit statt. Herder traute das Paar. An Göschen schrieb er am 17. April 1795: “Mein Glaube an die Vorsehung ist
durch die höchst unerwartete Begebenheit, die dem Aufenthalt meiner guten Tochter Charlotte in der Schweiz gleichsam die Krone aufgesetzt hat, außerordentlich gestärkt worden.-Wenn je eine Ehe im Himmel geschlossen worden ist,
so ist es gewiß diese, die sich aus eine beinahe wunderbare Art, und wieder doch so natürlich durch die entschiedenste Sympathie der Herzen, Gemüthsart, Neigungen, Sitten-zwischen dem Sohne Salomo Geßners, meines liebsten und einzigen Jugendfreundes
und einer Tochter seines Freundes Wielands geschlossen hat” (bei Döring S. 310 f.) Das junge Paar sollte im Folgejahr in Zürich besucht werden. Herzogin Anna Amalia stellte zu diesem Unternehmen einen bequemen Reisewagen zur Verfügung.
Mit Frau und drei Kinder starte Wieland am 23. Mai 1796. In Ulm wollte Wieland einen Abstecher nach Warthausen und Biberach machen. Dort bahnte sich aber das an, was dann später als die 1. Schlacht bei Biberach in die
Geschichtsbücher eingegangen ist. Ganz Oberschwaben war voll mit Truppen des Erzherzog Karl. Außerdem wurden die Wege durch die Condéschen Freischärler, das war die französische Emigrantentruppe unsicher gemacht.Wieland verzichtete
deshalb darauf, Schloss Warthausen und seine Heimatstadt wieder zu sehen. Man reiste über Kempten und Lindau nach Zürich. In der Schweiz unternahm Wieland “Exkursionen und Land-und See-Parthien” (Zaremba S. 212).
Mit seinen Schwiegersöhnen Gessner und Reinhold besprach er auch ein neues Projekt “Das Attische Museum”. Es widmete sich der Antike. Im Neuen Teutschen Merkur im 1. Band kündigt er es an. (S 339-341) “Ich nenne dieses Museum
attisch, weil es größtentheils aus Übersetzungen auserlesener Werke der vorzüglichsten attischen Schriftsteller, hauptsächlich der Redner Isokrates, Lysias, Demosthenes, Aeschines, der Filosofen der sokratischen Schule, Xenofon und Platon,
und der Dichter Aschylos, Sofokles, Euripides und Aristofanes bestehen wird.” Damit ist das Programm skizziert und es sollte sich an einen kleinen Leserkreis von Kennern griechischer Geistesgrößen richten. Das Journal erschien in 4 Bänden von 1796
bis 1803 im Verlag Gessner in Zürich und Luzern und wurde später von den Mitherausgebern Hottinger und Jacobs in Leipzig fortgesetzt. In dieser Zeit lag der Schwerpunkt von Wielands literarischer Tätigkeit auf der Bearbeitung seiner Werke für die Göschen-Ausgabe und Übersetzertätigkeit.
Sein Aufenthalt in der Schweiz hat ihn auch wieder von den Vorzügen des Landlebens träumen lassen. Er wäre gerne “wie Horaz durch’s Leben weggeschlichen und der nichts mehr haßte, als Stadt-Hof-und Welt (Döring S.325)
1797 ergab sich die Möglichkeit das Gut Ossmanstedt nahe bei Weimar zu erwerben. Zwischen 1762 und 1775 hatte es Herzogin Anna Amalia als Sommersitz genutzt. Ab 1777 übernahm es ein Pächter.
Wieland kaufte das gut für 22.000 Taler von der Gemeinde Oßmannstedt, zahlbar in drei Raten gemäß Kaufvertrag vom 15. März 1797.(Zaremba S. 217)Kaufmännisch gesehen war das nicht die klügste Entscheidung. Göschen hatte schon
vor dem Kauf finanzielle Bedenken angemeldet. Wieland wollte sein Weimarer Haus verkaufen und erhoffte sich ein Darlehen von 14.000 Taler durch Vermittlung von Göschen (Döring S. 328) Göschens Spielraum war durch seinen Umzug
von Leipzig nach Grimma ebenfalls eingeschränkt und er konnte hypothekenfrei nur 3000 Taler beisteuern.
Ungeachtet der wirtschaftlichen Problem beendete Wieland in Osmannstedt den Agathodämon. Er revidierte die Texte seiner Tübinger und Schweizer Jahre für die Supplementbände seiner Werkausgabe. Für das Attische Museum übersetzte er
weitere Texte. Neben den finanziellen Sorgen trafen ihn in den Folgejahren rasch auch persönliche Schicksalsschläge. Am 29. April 1798 starb Wielands achte Tochter Wilhelmine Friederike mit 15 Jahren an Auszehrung.
Man hatte zwar versucht, ihn auf den Tod vorzubereiten. aber er war trotzdem tief getroffen. An Göschen schrieb er “Sie war eines der reinsten und liebenswürdigsten Geschöpfe; mein Herz hing vorzüglich an ihr, und ich versprach mir von
ihrer ungemeinen Anhänglichkeit an mich viel Trost und Freude für meine künftigen Jahre.-Sie ist nun in einer bessern Welt, und ich werde ihr folgen. In diesem Gedanken allein ist heilender Balsam für eine solche Wunde.”
(zitiert in Wissen – Erzählen – Tradition: Wielands Spätwerk herausgegeben von Walter Erhart,Lothar Laak S. 368)
Im Juli 1799 besuchte Sophie la Roche zusammen mit ihrer Enkelin Sophie Brentano in seinem “Osmantinum”. Sie schildert diesen Besuch in “Schattenrisse abgeschiedener Stunden in Offenbach,Weimar und Schönebeck” Ihre Schilderungen
des Parks zeigen den Park fast so, wie man ihn heute erleben kann. Mit seiner in jungen Jahren heiß angebeteten “göttlichen Sophie” kam Wieland jetzt nicht mehr besonders gut klar. Er fand ihre oft langatmige Sentimentalität oft einfach ermüdend ,
so wie ja auch die Weimarer Gesellschaft erhebliche Vorbehalte gegen Sophie Laroche hatte. Anders dagegen ihre Enkelin Sophie von Brentano. Die junge Sophie eroberte mit ihrem Liebreiz, den sie ausstrahlte, sehr schnell die Jugendliebe ihrer Mutter und empfand ihn als väterlichen Freund. Wieland bewunderte den klaren Verstand des Mädchens. Er tauschte sich mit Sophie über seinen Aristipp aus, an dem er gerade arbeitete. Der Aufenthalt der beiden Frauen dauerte einen Monat.
Aber ein Jahr später kam Sophie von Brentano allein nach Ossmannstedt zurück. Ab 25. Juli 1800 war Sophie wieder auf dem Wielandgut. Wielands Sekretär Christoph Abraham Lütkemüller schreibt dazu: “Wieland liebte Sophie Brentano
zugleich als seine Tochter und Freundin, und sie wirkte auf seinen Aristipp als eine Muse und Grazie” (ebd. S. 368) und an Karl August Böttiger schreibt er “Wenn die liebenswürdige Sofie Brentano nicht wäre, so weiß ich nicht, was aus meinem
allmählich verglühenden Lämpchen werden könnte“ (ebd. S. 369) Aber Sophie wird Anfang September von einer Nervenkrankheit befallen und stirbt 16 Tage später am 19. September 1800. Sie ist nur 24 Jahre alt geworden. Aber Wieland hatte
noch einen weiteren Todesfall zu verkraften, den seiner Ehefrau Anna Dorothea. Sie starb am 8. November 1801 nach 36-jähriger Ehe. Sie ist nach außen kaum in Erscheinung getreten, war aber immer Halt und Stütze für ihn.
An Göschen schrieb er am 31. Dezember 1801 “Mit mir geht es wie es kann leidlich wenigstens; leidlich wenigstens.Ich arbeite viel; aber es ist, als ob mit die Schwungfedern gestutzt wären. Sonst arbeitete ich mit Freude, mit
Munterkeit, jetzt mühsam, entgeistert, schwerfällig”(Döring S.373)Wohl tat ihm in dieser Zeit die mitfühlende Anteilnahme der Fürstin Anna Amalia
Die wirtschaftliche Situation aber sicher auch diese Todesfälle bringen Wieland dazu, dass er Ossmannstedt 1803 aufgibt und wieder nach Weimar zurückkehrt. Er verkaufte das Gut an den Hamburger Hofrat Kühn für 30.000 Taler.
Nur “der Garten soll, so lange es nur immer möglich sein wird, bei meiner Familie bleiben, und dies umso mehr, da er das Grab meiner Geliebten, und dereinst auch das meinige, neben ihr, in sich schließt.” (Döring S.380)
Das war zwar eine Wunschvorstellung, doch der neue Besitzer achtetet das Grabmal.
Als Wieland 1796 gerade bei seinem Besuch in der Schweiz war, kam der junge Jean Paul zum ersten Mal nach Weimar, traf ihn aber leider nicht an, da Wieland ja in Zürich weilte. Aber am 25. August 1798 lernten die beiden sich persönlich
kennen und zwar in Osmannstedt. Sie hatten große Erwartungen an diese Begegnung geknüpft und wurden nicht enttäuscht. Sie fanden so rasch einen gemeinsamen Nenner, dass Wieland dem 30 Jahre jüngeren Dichter spontan vorschlug,
zu ihm nach Osmannstedt zu ziehen. Nach reiflicher Überlegung kam Jean Paul aber zu dem Schluss, dass das wohl doch nicht so gut sei. Er meinte, dass zwei Dichter wohl nicht ewig zusammen passen würden. Außerdem war Jean Paul Junggeselle,
Junge Frauen aber gab es auf dem Wielandgut nicht, wohl aber ein Dutzend Kinder.Man traf sich nun in Weimar. Wieland Herder und Jean Paul sahen eine Aufführung der Zauberflöte. Auch mit Schiller und Goethe traf Jean Paul
zusammen auch hier in Begleitung Wielands. Das letzte Mal trafen sich Jean Paul und Wieland am im Juli 1802. Jean Paul erlebte Wieland als trüben Witwer und ziemlich gealtert. Jean Paul hat dieser Anblick zu schaffen gemacht.
Im Folgejahr verkaufte Wieland sein Gut. Danach sahen sich Jean Paul und Wieland nicht mehr.
In Ossmannstedt war Heinrich von Kleist im Januar 1803 vierzehn Wochen zu Gast. Er hatte Wieland über dessen Sohn Ludwig kennengelernt und war von ihm nach Osmannstedt eingeladen worden, nachdem er erfahren hatte, dass er in Weimar sehr schlecht untergebracht war. Er arbeitet an einem Stück und nach dem Wieland einige Teile davon zu hören bekommen hatte, ermutigte er ihn auf jeden Fall daran weiter zu arbeiten.
Auch der aus Schwäbisch Hall stammende Nordist Friedrich David Gräter war für einige Zeit Gast in Osmannstedt. Auch Friedrich Gottfried Seume (Spaziergang nach Syrakus), der im Auftrag Göschens den Aristipp redigierte, war dort. Nie in Osmannstedt
war dagegen Schiller.
Aistipp und einige seiner Zeitgenossen sowie die politische Schrift Gespräche unter vier Augen waren die wichtigsten Werke seiner Osmannstedter Zeit
Am 11. Mai 1801 erließ der Rat der Helvetischen Republik folgendes Dekret: “ Dem Hofrath Christoph Martin Wieland in Weimar ist das helvetische Bürgerrecht ertheilt.” (Tageblatt der Gesetze und Dekrete der gesetzgebenden Räthe der helvetischen
Republik Band 5) Das hatte für Wieland zwar keine praktischen Auswirkungen, war aber eine Auszeichnung der Republik, die ja praktisch unter Napoleons Patronat stand. Sie diente aber auch dazu “dem Vaterland wahrhaft ausgezeichnete Bürger
zu verschaffen” wie der Schweizer Historiker und Politiker Johann Anton von Tillier schreibt. (Geschichte der helvetischen Republik, von ihrer Gründung im Frühjahr 1798 bis zu ihrer Auflösung 1803, Band 2, Bern 1843 S. 354)
Nach Weimar zurückgekehrt, bezog er ganz in der Nähe der Nähe des Wittumspalais mit Blick auf das Schauspielhaus er eine Wohnung. Während des Sommers weilte die Fürstin in Tieffurt und dort erhielt Wieland sogar einen Ehrenplatz
in der herzoglichen Loge. Am 18. Dezember 1803 hatte er sich allerdings wieder mit dem Tod auseinanderzusetzen. Johann Gottfried Herder verstarb. An Sophie von Laroche schrieb er: “Er war mein bester und gewissermaßen
einziger Freund in Weimar-ich habe sehr viel an ihm verloren.” (Döring S. 384) Die Hochzeit des Erbprinzen Carl Friedrich mit der russischen Zarentochter Maria Palowna fand am 3. August 1804 in St. Petersburg statt. Natürlich wurde in Weimar auch nochmals gefeiert und zwar im November. Das Paar traf am 9. November in Weimar ein. Schiller hatte auf Bitten Goethes “Die Huldigung der Künste” verfasst. Es wurde am 12. November als Vorspiel des Theaterabends am Hoftheater von Weimar uraufgeführt.
Aber nur ein paar Monate später war auch Schiller tot. Er verstarb am 9. Mai 1805. Nicht nur im eher privaten Bereich gab es einiges zu ertragen.
Im Oktober 1806 fand die Schlacht von Jena und Auerstedt statt. Weimar war von diesem Ereignis stark betroffen. Es musste 60000 plündernde französische Soldaten beherbergen und verköstigen. Zwar war auch bei Wieland Einquartierung.
Und die Franzosen ließen sich seinen Wein schmecken, aber er erhielt eine Leibwache und im Namen Murats wurde ihm der unmittelbare kaiserliche Schutz zugesichert. Anna Amalia hatte Tiefurt verlassen müssen und
Maria Pawlowna musste in dieser Zeit im Ausland ein Asyl suchen. Am 10. April 1807 verstarb Herzogin Anna Amalia. Die Todesnachricht verarbeitete er, wie er das meist tat, wenn vieles von außen auf ihn einstürmte. Er arbeitete hart
und diszipliniert. Er übersetzte Ciceros Briefe. Fürst Carl August bot ihm Belvedere als Sommeraufenthalt an. Dort las er viel, meist griechische oder römische Schriftsteller. Seine philosophische Grundhaltung gab ihm einen ruhigen Gleichmut, so daß er
trotz der Schicksalsschläge seinen Lebensabend gelassen verbringen konnte. Aber das Abschiednehmen ging weiter. Am 18. Februar starb seine Jugendliebe Sophie Laroche. An die Fürstin von Neuwied schrieb er: “Ich hielt nichts für sicherer,
als daß sie mich um viele Jahre überleben würde. Aber es scheint mein Schicksal, daß ich alles überleben soll, was ich am meisten und innigsten liebe. Bald habe ich außer meinen größtentheils weit von mir entfernten Kindern,nichts
mehr zu verlieren…..(und weiter über Sophie)Aber die Welt kann zufrieden sein, eine so außerordentliche Frau- die von ihrer Kindheit an für diese Welt viel zu gut war” (Döring S. 394)Doch es gab immer wieder auch schöne
Momente. Sein 76. Geburtstag wurde am 8. September 1808 auf Schloß Belvedere groß begangen. Nur einen Monat später war in Erfurt der Fürstenkongress vom 27. September bis 14. Oktober. Zar Alexander I und Napoleon waren zugegen.
In Weimar wird täglich Theater gespielt. Napoleon hat die besten Schauspieler aus Paris mitgebracht. Aber auch Carl August will mit der kulturellen Bedeutung Weimars glänzen. Er hat dafür Goethe und Wieland nach Erfurt bestellt,
damit sie dem Korsen vorgestellt. werden. Goethe trifft Napoleon erstmals am 2. Oktober in Weimar und zeigt sich als Kenner Werthers. Am 13. Oktober wird ein Hofwagen zu Wieland geschickt. Er hat vor dem Kaiser zu erscheinen.
Wieland erscheint so wie man ihn gerade vorfindet, ungepudert, sein schwarzes Samtkäppchen auf dem Kopf in einfachen Tuchstiefeln.
Wie schon auf Goethe machte der Kaiser der Franzosen auch auf Wieland einen mächtigen Eindruck. “In meinem Leben habe ich keinen einfachern, ruhigern, sanftern Menschensohn gesehen. Keine Spur, daß der Mann, der mit mir sprach, ein
großer Monarch zu sein, sich bewußt war. Er unterhielt sich mit mir wie ein alter Bekannter
s e i n e s Gleichen und (was noch keinem andern meines Gleichen widerfahren war) an anderthalb Stunden in Einem fort und ganz allein,
zu großem Erstaunen aller Anwesenden.” (Döring S. 396). Man unterhielt sich über Cäsar, d.h. der Kaiser deklamierte meist oder wie Wieland sagt, Napoleon nahm “die frais de la conversation” fast allein auf sich. Nachdem
das ja ziemlich lange gegangen war, konnte Wieland kaum mehr stehen konnte, bat er, “was kein anderer Deutscher oder Franzose sich unterstanden hätte” darum entlassen zu werden mit dem Hinweis, dass er sich nicht stark genug
fühle, das Stehen länger auszuhalten-und wurde in Gnaden entlassen.
Zwei Tage später werden Goethe und Wieland nach Erfurt geladen um den Kaiser “frühstücken zu sehen” Auch das wird bei Döring (und Gruber) ausführlich geschildert. Wieder zurück in Weimar wurde Wieland der Orden der Ehrenlegion verliehen.
Goethe erhielt seinen am 14. Oktober. Von Zar Alexander wurde beiden dann noch der St.Annen-Orden verliehen, wozu Gruber bemerkt:”Sonderbar genug, daß es zwei Kaiser des Auslands waren, und nicht ein teutscher Kaiser oder König,
die auf solche Weise sein Verdienst ehrten” (C.M. Wielands sämmtliche Werke. Herausg. von J.G. Gruber, 9. Band S. 428)Auch daß Wieland zwar Mitglied des Französischen Nationalinstituts war aber außer der Antiquarischen Gesellschaft
keiner deutschen Akademie angehörte. Wieland hatte zu seinem Orden allerdings gemeint, daß ihm eine mäßige Pension lieber gewesen wäre.
Im Jahre 1809 trat er noch in die Freimaurerloge Anna Amalia ein. Bertuch hatte zu der Zeit den Logenvorsitz inne. Und auch sein Schwiegersohn Reinhold war Logenmitglied. Das und auch die Tatsache, dass es doch sehr ein sam um den Dichter geworden war, dürften ihn zu diesem Schritt veranlasst haben
Allmählich plagten ihn auch körperliche Gebrechen. Im Herbst 1809 hatte er ein solches Augenleiden, daß er mehrere Wochen nicht lesen und schreiben konnte. Auch sonst war er recht schwach geworden. Er konnte kaum mehr stehen und seine Hand war fast unbrauchbar.So nach 1810 ging es ihm aber wieder besser. Allerdings leistete er sich nur noch kleine Ausflüge nach Jena oder beschränkte sich auf Spazierfahrten. Bei einer solchen kippte der Wagen
und er brach sich das Schlüsselbein. Schlimm fand er, das Übel seiner “Celebrität”. Man kann sich nicht mal den kleinen Finger brechen, geschweige denn das Schlüsselbein, ohne daß es sogleich in den öffentlichen Blättern verkündet wird.
Glücklicher Wieland, dem Fernsehen und Internet erspart blieben!
In der Nacht vom 10. auf den Januar 1813 erlitt er einen Schlaganfall.Dazu kam heftiges Fieber. Es konnte zwar kurzfristig gesenkt werden, stieg aber 10 Tage später wieder stark an. In der Nacht vom 20. Januar entschlief er.
Er wurde in Weimar aufgebahrt. Die Logenbrüder geleiteten ihn am 25. Januar 1813 zu seiner letzten Ruhestätte. Goethe ließ sich von seinem Sohn vertreten. Am 18. Februar fand das Totengedenken in der Loge Anna Amalia statt.
Goethe hielt dabei die Rede “Zu brüderlichen Andenkens Wielands” Er zeichnete Wielands Lebensweg nach. Zu Wielands Wirkung sagte er: “Die Wirkungen Wielands auf das Publikum waren ununterbrochen und dauernd. Er hat sein
Zeitalter sich zugebildet, dem Geschmack seiner Jahresgenossen sowie ihrem Urteil eine entschiedene Richtung gegeben, dergestalt, daß seine Verdienste schon genugsam erkannt geschätzt, ja geschildert sind. Er spricht vor allem vom Einfluß
Shaftesbury auf Wieland. Zur seiner Übersetzertätigkeit vermerkt er”Niemand hat vielleicht so innig empfunden, welch verwickeltes Geschäft eine Übersetzung sei,als er. Wie tief war er überzeugt, daß nicht das Wort, sondern der Sinn belebe.
Über seine Biberacher Kanzleitätigkeit sagt er: “Und so war auch Wieland, als Kanzleiverweser einer der kleinsten Reichsstädte, in dem Fall, Patriot und im besseren
Sinne Demagog zu sein, wie er denn einmal über einen solchen Gegenstand die zeitige Ungnade des benachbarten Grafen Stadion, seines Gönners, lieber auf sich zu ziehen als unpatriotisch
nachzugeben die Entschließung faßte.” Auch seine Tätigkeit beim Merklur und die Bedeutung dieses Journals spricht er an”Was den Wert und die Würde des Teutschen Merkurs viele Jahre hindurch erhielt, war die dem
Herausgeber desselben angeborene Liberalität. Wieland war nicht zum Parteihaupt geschaffen; wer die Mäßigung als Hauptmaxime anerkennt, darf sich keiner Einseitigkeit schuldig machen. “
(Goethes Rede Text nach Wernekke, Hugo: Goethe und die Königliche Kunst. Leipzig: Poeschel 1905)
Wieland wurde an der Seite seiner Gemahlin und Sophie Brantanos bestattet. Die Inschrift hatte er schon 1806 entworfen : “Lieb’ und Freundschaft umschlang die verwandten Seelen im Leben; Und ihr Sterbliches deckt dieser gemeinsame Stein.”
Nachtrag Artikel aus der Schwäbischen Zeitung vom 11.9.09 2014 Lokalausgabe Biberach
Wieland erhält seinen Platz in der Stadtgeschichte
Am Freitag eröffnet die komplett neu gestaltete stadtgeschichtliche Abteilung im Museum Biberach
Vor der neuen Wieland-Vitrine: Kerstin Buchwald (l.), Geschäftsführerin der Wieland-Stiftung, und Museumsleiter Frank Brunecker.
Gerd Mägerle
Biberach gem Der Dichter Christoph Martin Wieland wird am Freitagabend Teil der Biberacher Stadtgeschichte. Er erhält nämlich endlich eine eigene Vitrine in der stadtgeschichtlichen Abteilung des Museums Biberach. Diese wurde in den vergangenen Wochen komplett neu gestaltet.
„Wir sind total glücklich, dass Wieland jetzt im Museum seinen Platz hat“, sagt Museumsleiter Frank Brunecker. In einer Vitrine lassen sich bekannte Zitate des Dichters entdecken, Gemälde von Wieland und seiner Verlobten Sophie von La Roche schmücken die Rückwand. Hinter Glas ist eine prachtvolle Wieland-Gesamtausgabe in 42 Bänden zu sehen. Diese erwarb die Stadt Biberach 1794 und machte sie später König Wilhelm I. von Württemberg zum Hochzeitsgeschenk. In den 1920er-Jahren kam sie wieder zurück nach Biberach und war seither im Wielandarchiv gelagert.
„Die Schwierigkeit besteht darin, Wieland in einer Vitrine mit zwei Quadratmetern Grundfläche darzustellen“, sagt Kerstin Buchwald, Geschäftsführerin der Wieland-Stiftung. So kann die Vitrine für alle Besucher des Museums auch nur ein Appetithäppchen sein, die paar Schritte an die Saudengasse hinüber zu gehen, um dort das Wieland-Museum zu besuchen. Einen Hinweis darauf gibt es ebenfalls in der Vitrine.
Wieland findet seinen Platz in einer völlig neu gestalteten Stadtgeschichte-Abteilung im Erdgeschoss des Museums. Wer es betritt, sieht jetzt an der Wand ein riesiges Luftbild von Biberach prangt, das der Biberacher Motorschirmpilot Armin Appel im März fotografiert hat und auf dem jedes Haus zu erkennen ist.
Eine von Anja Heinzel gestaltete, türkisfarbene Bibertapete leitet den Besucher entlang der einzelnen Vitrinen, die alle neu gestaltet wurden. „Diese Tapete ist quasi unser Mantel der Geschichte“, sagt Brunecker.
In den einzelnen Vitrinen sind Epochen der Stadtgeschichte in Collagen verschiedener Objekte anschaulich dargestellt. So sieht man beispielsweise ein Faksimile einer prächtigen Urkunde von 1488, mit der Kaiser Friedrich III. der Stadt ihr heutiges Wappen verlieh.
Als weiterer Teil der Umgestaltung der Stadtgeschichte-Abteilung werden im kommenden Jahr noch Vitrinen folgen, die sich mit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschäftigen. „Denn diese Zeit ist bislang noch gar nicht gewürdigt“, sagt Brunecker.
Die Eröffnung beginnt um 18.30 Uhr, der Eintritt ist frei. Ab 20 Uhr gibt es im Foyer eine Rokoko-Tafel mit Kulinarischem aus dieser Zeit. Der Dramatische Verein spielt dazu
Zur Eröffnung kommt Wieland höchstselbst
Museum Biberach präsentiert umgestaltete Stadtgeschichte-Abteilung mit neuer Wieland-Vitrine
Erlebbare Literaturgeschichte: ein Blick in die neue Wieland-Vitrine im Museum Biberach.
Günter Vogel
Wieland (Volker Angenbauer; v. r.) persönlich eröffnete mit Frank Brunecker, Dr. Jörg Riedlbauer und Kerstin Buchwald die neugestaltete Abteilung.
Günter Vogel
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Biberach sz Mit einer Feierstunde ist am Freitagabend die neugestaltete Abteilung Stadtgeschichte des Museums Biberach eröffnet worden. Kernstück der Umgestaltung ist die neue Vitrine für Christoph Martin Wieland, Dichtergenie und bedeutendster Kopf Biberachs.
Klaus Pfalzer (Violine) und Sabina Mark (Flöte) hatten den Abend mit einem Duo von Mozart eröffnet, und Kulturdezernent Jörg Riedlbauer leitete seinen Vortrag mit einem Bonmot ein: „Was Anna Amalia in Weimar nicht geschafft hat, haben wir in Biberach fertig gebracht, nämlich Mozart und Wieland künstlerisch zusammenzubringen.“
Riedlbauer ging auf die in Teilen bereits vorgenommene und die noch anzupackende Modernisierung des Museums ein, die in einem „überschaubaren Kostenrahmen“ erfolgen soll. Einzelne Maßnahmen bislang waren unter anderen die Neugestaltung des Lese- und Medienbereichs in der Abteilung Naturkunde und eine moderne Veranstaltungs- und Beschallungstechnik im Foyer.
Der Kulturdezernent hob die Ausstellungseinheit zu Wieland hervor, lobte die lebendig-kreative Weise der Neugestaltung: „Literatur zu visualisieren gehört zum Schwierigsten, was es an kulturellen Vermittlungsaufgaben gibt.“ Ein neues Farbkonzept für die stadtgeschichtliche Abteilung und das Foyer wurde von Anja Heinzel und Sebastian Schröter geschaffen. Dazu gehören die elegante und anmutige Biber-Tapete, und das neue Alpenpanorama, fotografiert von Armin Appel und bearbeitet von Simon Gallus, hängt raumbeherrschend im Foyer.
Die stadtgeschichtlichen Darstellungen enden derzeit etwa bei 1945. Das heutige Biberach wird folgen. „Damit“, so Museumsdirektor Frank Brunecker, „wird dann die Präsentation unserer Stadt komplett sein.“
Die Geschäftsführerin der Wieland-Stiftung, Kerstin Buchwald, wandte sich dann Wieland zu: „Wieland war ein Dichter von Weltrang, der bereits zu Lebzeiten in 13 Sprachen übersetzt wurde, zu seiner Zeit der meist gelesene deutsche Schriftsteller.“
Zitate schweben im Raum
Sie erläuterte den Zweck der Vitrine mit ihren kostbaren Exponaten und den ausgewählten kurzen und präzisen Zitaten, die wie ein Mobile den Luftraum der Vitrine dominieren. „Es war das Ziel, Wieland als größten Sohn der Stadt und Bestandteil der Stadtgeschichte zu positionieren, seine Bedeutung zu unterstreichen.“ Buchwald: „Da es uns wichtig war, spielerisch einen Fokus zu setzen, steht die Vitrine unter dem Wieland-Zitat, das Sie alle kennen: Die Herren dieser Art blendt oft zu vieles Licht, sie sehn den Wald vor lauter Bäumen nicht.“
Wielands Verlobte Sophie Gutermann, spätere La Roche, fehlt nicht in der Vitrine. Ihr Gemälde hängt ebenbürtig neben dem Bild des Dichters. Kerstin Buchwald schließt mit Wieland: „damit das Ganze seine gehörige Wirkung tue, muss es aus einem gewissen Standpunkt betrachtet werden.“
Darsteller des Dramatischen Vereins spielten ein kurze zum Anlass passende Szene, die Edeltraud Garlin geschrieben hatte, und Wieland höchstpersönlich (Volker Angenbauer) durchschnitt das rote Band, das die Besucher vom Raum mit der Vitrine noch getrennt hatte. Eine Rokokotafel mit Pasteten und Wein rundete die Feier ab.
Das letzte Werk von Sophie La Roche erschien 1806 in Halle. “Melusines Sommerabende”. Der Herausgeber war Christoph Martin Wieland und damit schließt sich der Kreis. Schließlich hatte er auch ihr erstes Werk “Die Geschichte des
Fräulein von Sternheim” herausgegeben, dass Sophie praktisch über Nacht bekannt gemacht hatte. Auf Wielands Wunsch wurde dem letzten Werk Sophies Autobiographie voran gestellt. Und so will ich Sophies letztes Werk an den
Anfang setzen, weil es das möglich macht, die Erzählung von Sophies Leben praktisch von ihr selbst zu kommentieren.Zitiert wird aus der 1806 im Verlag der N.Societäts-Buch-und Kunsthandlung in Halle erschienenen Ausgabe.
Auch Wieland weist darauf hin, dass er der Herausgeber von Sophies erstem und letzten Werk ist: “Eine Verkettung von kleinen Umständen, oder wie mir zu glauben angenehmer ist, die unsichtbare, diese Umstände leitende Hand
des Genius einer mehr als sechs und fünfzigjährigen Freundschaft zwischen der Verfasserin der Sommer-Abende und dem Herausgeber hat es so gefügt, daß eben derselbe der vor fünf und dreißig Jahren den ersten Abdruck des Geistes
und Herzens seiner Freundin in die Welt einführte, nun auch derjenige ist, der das Vergnügen hat, dieses letzte Werkchen, womit sie als Schriftstellerin ihren Lauf zu beschließen gedenkt, Ihren gleich mit Ihr gestimmten und in Ihren
Schriften Sie selbst liebenden Freundinnen und Freunden darzubringen.” (S.4,5)
Am 6. Dezember 1730 wurde Marie Sophie Gutermann von Gutershofen in Kaufbeuren geboren. Ihr Vater Georg Friedrich Gutermann war Arzt in Kaufbeuren und stammte aus Biberach an der Riss.
Er hatte in Tübingen, Leiden und Straßburg Medizin studiert.
Ihre Mutter Regina Barbara stammte aus Memmingen. Georg Friedrich war der Stiefbruder von Georg Rauh. Und dieser wieder war der Vater von Regina Catharina Kück,
der Mutter von Christoph Martin Wieland. Diese Verwandtschaft war ja mit der Grund, dass Sophie in die Familie von Christoph Martin Wieland kam.
Sophie war das älteste von 13 Kindern der Familie Gutermann.Ihr einziger Bruder Jacob Immanuel wird erst 14 Jahre nach ihr geboren. Außer Sophie überleben nur zwei Schwestern und der Bruder die Babyjahre.
Die Familie kommt von Kaufbeuren über Lindau nach Augsburg. Der Vater unterrichtet Sophie selbst, möchte sogar so etwas wie ein Wunderkind aus ihr machen. Schon mit drei Jahren konnte das Mädchen lesen.
Mit fünf hatte Sophie die Bibel durch.
Dazu Sophie selbst “Nachher machte mich mein Vater mich früh die Bücher lieben, da er mich oft, ehe ich volle zwei Jahre alt war, in seine Bibliothek trug, wo er mich mit den schönen Verzierungen der Einbände und
Titelblätter zu belustigen suchte, und es damit auch so weit brachte, dass ich mit 3 Jahren vollkommen lesen konnte..” (Seite IX,V) und weiter “ Mein Vater, ein ansehnlicher, hübscher, aber auch sehr heftiger, dabei frommer Mann,
benutzte meine Lesekunst nur in der Bibel, welche ich ( wie er mir in der Folge sagte) in dem Alter von fünf Jahren zum ersten Mal ausgelesen hatte.” (S. V)
Auch Astronomie und Französisch lernt sie beim Vater. Sie erhält Klavierunterricht. Natürlich wird sie auch in Kochen und allen Hausfrauenpflichten unterrichtet.
oder wie Sophie weiter berichtet “Doch wurde ich daneben auch die beste Tänzerin, lernte französisch, zeichnen und Blumen malen, sticken, Clavier spielen und Küche und Haushaltung besorgen.” (S VII)
Geschichtsunterricht bekam sie von Johann Jakob Brucker. Er war Leiter der Lateinschule in Kaufbeuren und kam 1744 wieder nach Augsburg zurück. In seinem „Bilder-sal heutiges Tages lebender und durch Gelahrheit berühmter Schrifft-steller […]“.
stellte Brucker auch die Verdienste von vier Wissenschaftlerinnen vor, was zu einer Zeit, in der immer noch mit größtem Misstrauen betrachtet wurde, wenn Frauen gelehrte Studien betrieben eine sehr fortschrittliche Einstellung war.
Als Sophie allerdings ihren Vater bat, bei Brucker Latein lernen zu dürfen, lehnte der Vater rundweg ab. Das war nichts für Mädchen. Diese “männliche” Ausbildung schmälerte nur die Chancen auf dem Heiratsmarkt. Und die Töchter gut an den
Mann zu bringen, das war damals vorrangige Aufgabe der Väter aus guter Gesellschaft. Davon konnte ihn auch der Pädagoge und Freund Brucker nicht abbringen.
Mit 9 Jahren war Sophie zu den Großeltern nach Biberach geschickt worden. Der Großvater Hans Adam Gutermann war dort Ratsherr und Spitalpfleger Er wohnte dort am Marktplatz 8.
als Sophie drei Jahre später nach Augsburg zurückkehrte, war Georg Friedrich Gutermann inzwischen in den Adelsstand erhoben worden. Er nannte sich nun Gutermann von Gutershofen.
Auch wurde er Dekan des Collegium Medicum. Das ist so etwas wie die erste medizinische Ständevertretung in Deutschland und ist erstmals 1567 in Augsburg belegt.
Sein Haus und damit auch die Atmosphäre, in der Sophie aufwuchs, kann man als gutbürgerlich bezeichnen. Mitglieder des Augsburger Bildungsbürgertums zählten zum Freundeskreis.
Johann Jakob Brucker wurde schon erwähnt, der selbst Mitglied in vielen wissenschaftlichen Gesellschaften war. Georg Friedrich Gutermann gehörte der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Augsburgs an.
Dort war auch Jakob Wilhelm Benedikt von Langenmantel Mitglied, der auch Stadtpfleger, also Bürgermeister von Augsburg war. Auch bei der Leopoldina wird Dr. Gutermann seit 1731 als Mitglied geführt.
Zum Freundeskreis zählte auch Johann Adolf von Amman,der in Augsburg Ungeldherr war, modern ausgedrückt ist das sowas wie Stadtkämmerer. Aus dem Freundeskreis Bruckers wird für uns dann
Giovanni Lodovico Bianconi interessant. Sophie kam also schon ab ihrer frühesten Kindheit mit Angehörigen des Bildungsbürgertums in Kontakt. Sie hatte eine umfassende Ausbildung, dank ihres Vaters
nicht zuletzt auch in Naturwissenschaften. Auch das spiegelt sich in der Autobiographie wieder. Sophie erzählt von den Gelehrtentreffs, die dienstags stattfanden.
Mit 15 wurde sie, wie es in der Reichsstadt üblich war, in die Augsburger Gesellschaft eingeführt. Bald fand sie auch an einem Bewerber Gefallen. Es war eben dieser
Giovanni Lodovico Bianconi . Er war 17 Jahre älter als Sophie, stammte aus Bologna und war wie Sophies Vater selbst auch Arzt und zwar Leibarzt des Fürstbischofs von Augsburg Joseph Ignaz Philipp von Hessen-Darmstadt.
Er war neben seiner Tätigkeit als Arzt auch Antiquar. Er blieb nicht allzu lange in Augsburg. Er ging dann an den sächsischen Hof weiter und war da auch beim Aufbau der Gemäldegalerie beteiligt. Dabei spielte er auch beim Ankauf der
sixtinischen Madonna eine Rolle. Er kam dann schließlich als Gesandter Friedrich August II. nach Italien zurück. Sophies Mutter fand durchaus Gefallen an dem Bewerber. Sie unterstütze auch die Verlobung, die 1747 stattfand.
Im folgenden Jahr stirbt die Mutter noch keine vierzig Jahre alt, damals ein durchaus übliches Frauenschicksal, erschöpft von vielen Schwangerschaften. Zwar reisen Vater und Schwiegersohn gemeinsam nach Bologna.
Auch scheint die Familie durchaus zu gefallen. Sophie wurde in dieser Zeit wieder nach Biberach geschickt.
Originalton Sophie: “Mein Vater reiste mit Bianconi ein ganzes Jahr nach Italien, um die Familie selbst kennen zu lernen, in welche ich gleich nach ihrer Zurückkunft treten sollte. Wir Kinder wurden zu seinen Aeltern
nach Biberach geschickt, wo ich diese freundliche Stadt, ihre guthmütigen Bewohnern und einfache ländliche Schönheit, mehr als das prächtige Augsburg und seine Kunstgärten, lieb gewann…” (S. XI) und weiter: “Man arbeitete
an den Artikeln des Ehevertrages. Meine Religionsfreiheit wurde in Dresden, wo Bianconi Leibarzt des Königs geworden war, versichert. Er wollte aber alle Kinder katholisch- mein Vater hingegen die Mädchen lutherisch haben,
und dies umso eifriger, als er nach seiner physischen Kenntnis glaubte, da ich in vollblühender Gesundheit erst 19 Jahre, Bianconi hingegen 35 Jahre Jahre zählte, und viel gelebt habe,- mehr Kinder von meinem Geschlechte
bekommen, als von dem seinen, also die lutherische Kirche mehr Seelen gewinnen. “ (S. XII).
Aber auf diese Bedingung ging Bianconi nicht ein. Der Verlobte versuchte Sophie zur Flucht zu überreden.
Das wollte sie aber nicht,”weil ich meinen Vater nicht betrüben, nicht ohne seinen Segen aus seinem Hause wolle” (S. XII,XIII.) Nun zwang der Vater sie, die Verlobung zu lösen. “ Ich musste meinem Vater alle seine Briefe, Verse, schöne
Alt-Arien,mit meinen sehr pünktlich ausgearbeiteten geometrischen und mathematischen Übungen, in sein Cabinet bringen, musste alles zerreißen und in einem kleinen Windofen verbrennen, Bianconis Porträt…musste ich mit der Schere
in tausend Stücke zerschneiden..” (S XIII) Auch den Ring muss sie zerbrechen. “Die Ausdrücke meines Vaters dabei will ich nicht wiederholen” Sie fügt sich ohne Auflehnung, verzeiht ihrem Vater das aber zeitlebens nie.
Und sie schwört sich,”So soll auch Niemand mehr jemals meine Stimme, mein Clavierspiel, die italiänische Sprache… oder irgend etwas, so er mich lehrte, von mir hören, oder nur in mir vermuthen- Ich habe Wort gehalten.”(SXV.)
Dazu merkt Wieland als Herausgeber an, dass er aus eigener Erfahrung bezeugen kann, dass sie es streng und buchstäblich gehalten hat. Der Vater, nun auf der Suche nach einer neuen Frau, schickt Sophie wieder nach Biberach, diesmal zur Familie seiner Cousine
Regina Katharina und Thomas Adam Wieland, den Eltern von Christoph Martin. Sophie soll ihren Geliebten vergessen aber auch dem Vater aus den Augen kommen, zu dem das Verhältnis ja massiv gestört war.
In Biberach begegnen sich Christoph Martin Wieland und Sophie. Sophie ist 19, Christoph Martin 17. Die beiden empfindsamen Seelen verlieben sich zum Entsetzen der beiden Familien heftigst.
Im August 1750 verloben sie sich sogar. Der Überlieferung nach soll das an der Wielandlinde geschehen sein. Eine Gedenktafel an der Linde erinnert daran, pikanterweise mit einem falschen Datum. Dort wird Wielands Sterbejahr mit
1818 angegeben. Da war er aber schon fünf Jahre tot. Der Vater Wieland hatte wohl gehofft, dass sich Wielands Verliebtheit legt. Wielands Mutter agiert mit Kräften gegen die Verbindung. Sophie muss nach Augsburg
zurück. Die Mutter hält Sophies Briefe an den Verlobten zurück. Wieland nimmt im Oktober 1750 in Tübingen sein Jurastudium auf, gibt es aber bald wieder auf.
Sophie löste die Verlobung.Die Verlobung mit Wieland liest sich bei Sophie viel undramatischer als ihre erste Beziehung: “Wielands vorzügliche Freundschaft für mich machte für mich das Beste und schönste der Alten
und Neuen bekannt; ich verehrte und liebte ihn dankbar, war auf seine Kenntnisse stolz, weil ich sie mein ganzes Leben zu theilen hoffte, denn ich sollte mit ihm verbunden werden. Mißverständnisse aus den edelsten
Beweggründen trennten uns.” (XVI) Wieland war mit der Charakteristik “Freundschaft” wohl nicht ganz zufrieden, den im Text merkt er an “ Was für eine Art von Freundschaft es war, können unsere Leser
oder Leserinnen, wenn sie Lust haben, aus einem vor vielen Jahren an Psyche gerichtete Gedichte, die erste Liebe betitelt, ersehen. W.”
Georg Michael La Roche, wohl der illegitime Sohn des Grafen Anton Friedrich von Stadion, hält um Sophies Hand an. Sophies Vater hatte bei seiner Wiederverheiratung
seinen Stiefsohn als Erben ein. Sophie brauchte also jemanden der sie versorgte. Außerdem war sie inzwischen 23, höchste Zeit also unter die Haube zu kommen zumal zwei geplatzte Verlobungen die Chancen auf
dem Heiratsmarkt nicht gerade verbesserten. Zwar war auch La Roche katholisch, aber der Vater leistete nun keinen Widerstand mehr. Sophie stellte gleich zu Anfang die Verhältnisse klar. Sie erklärte ihrem Mann, dass
sie ihn nicht liebe, aber schätze und dass sie Bianconi und Wieland nicht vergessen könne. In der Tat besteht die Verbindung zwischen Wieland und Sophie das ganze Leben.
Wieland war auf die Lösung der Verlobung zunächst tief betroffen. Am 20. März 1754 schreibt er an Sophie. Darin vermutet er, dass wohl Briefe von ihm zurückgehalten worden waren, womit er ja nicht Unrecht
hatte. Er sagt, dass er Verständnis für Sophies Entscheidung habe. Er drückt aber die Hoffnung aus,” dass Sie meinen Vorschlag von Fortsetzung unser innerlichen und geistigen Verbindung, und wo es seyn kann
auch unseres Briefwechsels annehmen werden”. Beides geschah ja. Er lässt sich auch Herrn La Roche empfehlen und ihm versichern, “ dass ich gegen denjenigen, den Sie als Gemahl lieben, nicht anders als eine besondere Hochachtung tragen kann”.
Nach der Eheschließung schreibt er am 19. März 1754 an La Roche selbst. Dabei drückt er die Hoffnung aus, dass La Roche Sophie glücklich machen wird.
Sophie erkennt die Vorzüge, die für sie in der Ehe mit La Roche liegen.”Durch meine Verbindung mit La Roche ward ich in dem gräfl. Stadionschen Hause mit dem Werthe der glänzenden Vorzüge des Adels bekannt,
die ich täglich in allem vor mir hatte und da mein Mann neben Churmainzischen Kabinettsgeschäften auch die Oberdirektion aller großen Besitzungen der Stadionschen in Schwaben, Böhmen und Wirtenberg hatte…” (S.XVIII)
Das junge Paar zieht nach Mainz. Dort arbeitet La Roche für den Grafen von Stadion. Er wurde von dem kurmainzischen Oberhofmeister mit der Abfassung von Depeschen betraut, keine schlechte Vorbereitung für seine spätere
Tätigkeit am kurtrierischen Hof.
In Mainz bildet sie sich zunächst weiter. Sie liest Voltaire und Diderot. Graf von Stadion hatte ja auf seiner Kavalierstour Voltaire persönlich kennengelernt und Wieland las Voltaire ja auch. Er wird ja immer wieder als deutscher Voltaire
bezeichnet. Sie kümmerte sich um die französische Korrespondenz ihres Mannes. Sie lernte aber auch englisch. So konnte sie dem Grafen die neuesten Nachrichten gleich übersetzen. In Mainz werden drei ihrer Kinder
geboren, Maximiliane 1756, Fritz 1757 und Luise 1759. Graf von Stadion zog sich 1761 aus der kurmainzischen Politik zurück und übersiedelte auf sein Schloss in Warthausen. Die Familie La Roche ging von Mainz mit nach Warthausen.
Frank La Roche verwaltete die gräflichen Güter. Ihre Warthausener Zeit wird Sophie später als ihre glücklichste Zeit bezeichnen. Wieland war 1760 wieder nach Biberach zurückgekehrt und dort erst Senator, dann aber Kanzleiverwalter geworden.
Sophies Schwester Katharina hatte 1753 den Biberacher Kanzleiverwalter und späteren Bürgermeister Johannes von Hillern geheiratet. Nicht zuletzt ihrem Einfluss hatte es Wieland zu verdanken, dass er nach Biberach gerufen wurde und dort dann
zum Kanzleiverwalter gewählt wurde. Am Warthausener Hof traf sich ein kleiner aufgeklärter Zirkel zu geistvollen Gesprächen. Die Runde wurde später als Warthauser Musenhof bezeichnet. Wieland war oft zu Gast, aber auch Sebastian Sailer,
der wortgewaltige Prediger aus dem nahen Prämonstratenser Kloster Obermarchtal, Maria Maximiliana von Stadion, die Tochter des Grafen und später die letzte Fürstäbtissin vom Damenstift Buchau und der Warthauser Pfarrer
Ignaz Valentin Heggelin. Der Warthauser Hof war sicher ein Vorbild für Sophies späteren Kreis in ihrem Haus in Ehrenbreitstein. Und sie nutze die Bibliothek “und versäumte auch sonst keine Gelegenheit,in der prächtigen Bibliothek
des Grafen Stadion etwas Nützliches oder Schönes bemerken konnte” (S. XVIII,XIX)
Als Graf Anton Heinrich Friedrich verstarb am 26. Oktober 1768 in Warthausen verstarb, zog die Familie von La Roche nach Bönnigheim,wo die Familie von Stadion auch ein Schloss hatte. Frank La Roche war mit Conrad von Stadion,dem Sohn
des verstorbenen Grafen nicht klar gekommen und er war auf eine Oberamtmannstelle in Bönnigheim abgeschoben worden. Nachdem er vorher praktisch die rechte Hand des Grafen war, empfand er das natürlich als Abstieg. Aber schon in Warthausen
hatte er den Freiherrn Franz Eustach von Hornstein kennengelernt. Seine Besitzungen lagen in der Nähe von Warthausen. Von Hornstein war Mitglied der Domkapitel von August und Freising. In Trier war Clemens Wenzeslaus von Sachsen 1768 Erzbischof
und Kurfürst von Trier geworden. Von 1763 bis 1768 war er Fürstbischof von Freising. 1768 war er auch Bischof von Augsburg geworden. Bei den Bischofswahlen in Freising und Augsburg hatte er von Hornstein kennengelernt.
Hornstein schlug Clemens Wenzeslaus vor, La Roche als Wirklichen Geheimen Rat in die Regierung aufzunehmen. La Roche lernte Clemens Wenzeslaus Anfang 1771 auf einer Reise nach Augsburg persönlich kennen. Er entschied sich endgültig für das Trierer
Angebot und zog Ende März nach Ehrenbreitstein
Auch für Sophie war Bönnigheim mehr als gewöhnungsbedürftig. Der geistreiche Zirkel fehlte ihr. Neue Freunde fand sie kaum. Nur Johann Jakob Brechter (1734-1772), Pfarrer im drei Stunden entfernten Schwaigern bei Heilbronn war ihr Vertrauter.
Er hatte pädagogische Schriften verfasst, zum Beispiel “Briefe über den Aemil des Herrn Rousseau”. Schon in Warthausen war ihre Kinder auf Empfehlung des Grafen Stadion zur Erziehung weggeben. Und da er ja eigentlich der Großvater war, hatte er sicher ein
gewichtiges Wort mit zu reden. Maximiliane und Luise wurden in Straßburg in einem Kloster erzogen, Fritz in Erfurt wo Wieland dank der Protektion durch Graf von Stadion mittlerweile Professor war. In Warthausen hatte Sophie zum Zeitvertreib zu
schreiben begonnen. Pfarrer Brechter ermunterte sie nun weiter zu schreiben, um ihres Kummers Herr zu werden. Nicht nur für Sophie war Brechter wichtig. Er hat auch zusammen mit ihrem Mann die “Briefe über das Mönchswesen” geschrieben,
die 1771 anonym erschienen.
Wieland macht sich ebenfalls stark für Sophies Roman. 1770 schreibt er ihr ohne Datum”Allerdings beste Freundin, verdient Ihre Sternheim gedruckt zu werden; und sie verdient es nicht nur; nach meiner vollen Überzeugung erweisen sie Ihrem Geschlecht
einen wirklichen Dienst dadurch. Sie soll und muß gedruckt werden, und ich werde Ihr Pflegevater seyn” (zitiert nach MDZ Reader Bayrische Staatsbibliothek digital, Briefe an Sophie von La Roche, S.125) Er gibt dann noch einige Details, wie die Ausgabe aussehen
soll.
“Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim – von einer Freundin derselben aus Original-Papieren und anderen zuverlässigen Quellen gezogen” , so lautete der Originaltitel des Werkes, das in zwei Teilen erscheint, der erste Teil im Juni 1771, der zweite im
September/Oktober. Herausgeber ist Christoph Martin Wieland. Zwar war es anonym erschienen, enthielt aber doch so viele Hinweise auf die Autorin, dass deren Name bald bekannt war. Sophie wurde schlagartig berühmt und “zur ersten deutschen Dichterin”.
Es war eine glückhafte Wendung für die Familie La Roche. Frank La Roche machte rasch Karriere. Er hatte ein gutes persönliches Verhältnis zum Trierer Erzbischof. 1773 erhielt er den Rang eines Wirklichen Geheimen Staatsrat. 1774 wurde er Regierungskanzler
und zusammen mit Hornstein und Christoph Philipp Freiherr von Hohenfeld gehörte er zu den entscheidenden Ratgebern des Kurfürsten. Sophie nun berühmte Schriftstellerin konnte in Ehrenbreitstein einen literarischen Salon
unterhalten. Goethe beschreibt ein solches Treffen im 13. Buch von Dichtung und Wahrheit “Sie war die wunderbarste Frau, und ich wüßte ihr keine andre zu vergleichen. Schlank und zart gebaut, eher groß als klein, hatte sie bis in ihre höheren Jahre eine gewisse
Eleganz der Gestalt sowohl als des Betragens zu erhalten gewußt, die zwischen dem Benehmen einer Edeldame und einer würdigen bürgerlichen Frau gar anmutig schwebte. Im Anzuge war sie sich mehrere Jahre gleich geblieben. Ein nettes Flügelhäubchen stand
dem kleinen Kopfe und dem feinen Gesichte gar wohl, und die braune oder graue Kleidung gab ihrer Gegenwart Ruhe und Würde. Sie sprach gut und wußte dem, was sie sagte, durch Empfindung immer Bedeutung zu geben.”
Sie empfängt bedeutende Künstler und Literaten. Johann Bernhard Basedow (1724-1790) war da. Er war 1771 nach Dessau berufen worden und wollte dort das Philanthropinum gründen eine „Pflanzschule der Menschheit“, in der Kinder verschiedener Herkunft im
Sinne des aufklärungspädagogischen Gedankenguts (standesgemäß) erzogen werden sollten. Er hatte 1774 er mit Goethe und Lavater eine Lahnreise unternommen und war möglicherweise bei dieser Gelegenheit bei Sophie in Ehrenbreitstein gewesen zumal
auch Lavater zu Sophies Gästen zählte. Lavater war Pfarrer Philosoph und Schriftsteller aus der Schweiz.Lavater besuchte Collegium Carolinum in Zürich, wo u.a. Johann Jakob Bodmer sein Lehrer war. Wieland weilte ja ab 1752 auf Einladung Bodmers
in der Schweiz.Also auch hier gab es Querverbindungen. Auch die Gebrüder Jacobi verkehrten in Sophies Salon. Johann Georg gab 1731 mit Wieland den Teutschen Merkur heraus. Sein Bruder Friedrich Heinrich war hauptsächlich als Philosoph tätig.
Er arbeitete ab 1804 zusammen mit Schelling an der Bayrischen Akademie der Wissenschaften. Auch Johann Jakob Wilhelm Heinse war bei Treffen dabei. Er kam auf Fürsprache von Wieland in den Dichterkreis um Gleim.
Modern gesprochen könnte man sagen, dass der Salon von Sophie La Roche wie ein Netzwerk wirkte. In diesen Ehrenbreitsteiner Tagen – Goethe war gerade 22 Jahre alt, wurde er durchaus als Hochzeitskandidat für Maximiliane, Sophies
älteste Tochter gehandelt. Er wurde zwar nicht Maximilianes Gemahl, aber die schwarzen Augen Lottes im Werther gehen auf Maximiliane zurück.
Wieland kam 1771 nach Ehrenbreitstein und besuchte Sophie. Friedrich Heinrich Jacobi war bei der Begegnung dabei und hatte sie geschildert:”Wieland – Wieland – O ja, Sie sind es, Sie sind noch immer mein lieber Wieland!‹ – Wieland, von dieser rührenden
Stimme geweckt, richtete sich etwas in die Höhe; blickte in die weinenden Augen seiner Freundin, und ließ dann sein Gesicht auf ihren Arm zurücksinken. Keiner von den Umstehenden konnte sich der Tränen enthalten”
Bevor wir in Sophies Leben weiterfahren, werfen wir einen Blick auf den Roman, der so viel Furore machte:
Das Fräulein Sternheim
Wieland war ja der Herausgeber von Sophie von La Roches “Das Fräulein Sternheim” oder “geistiger Ziehvater” wie er in seinem Brief an Sophie geschrieben hatte. Das war nur folgerichtig, denn im 18. Jahrhundert hatten Frauen weder das Recht,
noch die Möglichkeit ohne einen männlichen Mentor irgendetwas zu veröffentlichen. Und auch die Form des Briefromans bot sich, denn der Brief stellte eine gebilligte Form sprachlicher Aktivität der Frau dar. Hier bewegte sich eine Frau auf
vertrautem Terrain. Sophie hatte mit ihrem Roman ja durchaus eine pädagogische Absicht, nämlich die Erziehung des weiblichen Geschlechts.
Der Roman ist in zwei Teile gegliedert. Ihm wird der Herausgeberbericht Wielands vorangestellt. Er gibt darin vor, die Herausgabe sei ohne Wissen der Autorin geschehen.Er erwähnt mit Richardson und Fielding Vorgänger. Das Fräulein Sternheim
lehnte sich ja durchaus an Richardsons Pamela an, die auch für Goethes Werther Vorbild war. Er preist die Vorzüge aber auch Schwächen des Romans und nimmt so möglicherweise aufkommende Kritik schon vorweg.
Die Geschichte beginnt mit Sophies Vorgeschichte, Sophies Eltern. Ihr Vater war ein englische Offizier, ihre Mutter eine englische Baronesse, die nicht standesgemäß geheiratet hatte, denn Sternheim war erst später aufgrund
seiner persönlichen Verdienste geadelt worden. Sophie wird nach christlichen Werten erzogen. Als das Mädchen neun ist, stirbt ihre Mutter. Nun ist hauptsächlich der Vater für ihre Erziehung verantwortlich. Sie durchläuft den für Mädchen typischen
Bildungsgang, wird aber auch anhand von Rechnungsbüchern ihrer Mutter zum Beispiel mit der Leitung eines Guts vertraut gemacht. Als Sophie 19 ist, stirbt auch ihr Vater und sie muss zu ihrem Onkel und ihrer Tante. Die Gräfin Löbau
war die Schwester ihrer Mutter. Die Gräfin hatte damals die Heirat ihrer Schwester mit einem Bürgerlichen schwer missbilligt. Nun aber bringen die beiden Sophie am Hofe unter. Sie versuchen sie zur Mätresse des Fürsten zu machen,
weil sie sich daraus persönliche Vorteile versprechen.Den weiteren Verlauf erfahren wir aus Briefen der Akteure. Da ist einmal Sophie selbst, dann zwei englische Adlige, Lord Seymour und Lord Derby. Die tugendhafte Sophie verabscheut die Umgangsformen des
Hofs. Lord Seymour erscheint in Sophies Briefen als tugendhaft. Bei einem Hoffest bestätigt sich scheinbar das Liebesverhältnis zum Fürsten. Sie wird öffentlich verleumdet. Lord Derby bietet Sophie als Ausweg eine heimliche Ehe an.
In einem Brief an seinen Freund in Paris legt er diesem seine niederträchtigen Pläne dar. Er inszeniert eine Trauung, bei der sein Diener als Pfarrer verkleidet, die Trauung vornimmt. Damit endet der erste Teil.
Lord Derby hatte Sophie verlassen, aber ihr vorher noch seine gemeine Tat enthüllt.
Sophie lebt nun in ihrer neuen selbstgewählten Identität als Madame Leiden. Sie war zu ihrer Freundin Emilia, an die alle Briefe Sophies gerichtet sind gezogen. Mittlerweile war sie völlig verarmt, da sie in ihrer Gutmütigkeit
für drei Jahre alle Einkünfte ihres Gutes an die Gräfin Löbau abgetreten hat. Sie verkauft ihre Brillanten mit Bildnissen ihrer Eltern. Sie lebte von den Zinsen. Sie tut aber weiter Gutes und unterrichtet arme Mädchen an einer Gesindeschule von
Madam Hill. Auf einer Badereise in Spaa lernt sie Lady Summers kennen. Sie folgt dieser als Gesellschafterin nach England. Als Gutsnachbar lebt dort Lord Rich, der sich in Sophie verliebt. Sophie ist zurückhaltend aber nicht abweisend.
Doch Sophies Leiden sind noch nicht zu Ende. Denn der Schurke Derby tritt wieder auf den Plan. Zufällig hatte er eine Nichte von Lady Summers geheiratet. Er fürchtet entlarvt zu werden und lässt Sophie deshalb entführen. Er bringt sie bei einer armen Familie in
Schottland unter. Sie ist von der Außenwelt abgeschnitten und kann deshalb keine Briefe mehr schreiben. Aber ihre Gedanken hält sie in einem Tagebuch fest.Nun kommt eine neue Gattungsvariante zum Tragen. Nicht mehr Briefe sondern
Tagebucheinträge werden nun wiedergegeben. Daraus erfahren wir, dass sie eine erneute Werbung von Lord Derby zurückgewiesen hat. Der Diener misshandelt Sophie schwer. Sie ist dem Tode nahe. Der mitleidige Wärter bringt die Schwerverletzte auf
ein nahegelegenes Schloss einer Gräfin. Derby aber meldet er den Tod Sophies. Lord Seymour, der inzwischen von der Intrige und Verleumdung erfahren hatte und Lord Rich, der wie sich herausstellt der ältere Bruder von Lord Seymour ist,
machen sich auf den Weg nach Schottland, um das Grab der toten Sophie aufzusuchen. Sie ist aber nicht tot, sondern lebt im Haus der Gräfin. Lord Rich verzichtet edel und großmütig zugunsten seines Bruders auf die Hand Sophies. Ihre
Tugend wird mit ihrer zukünftigen Rolle als Gattin und Mutter belohnt.
Auf Richardsons Pamela wurde schon hingewiesen. Auch Das Leben der Schwedische Gräfin von G… (1747-48) von Christian Fürchtegott Gellert oder La Nouvelle Héloïse (1761) von Jean-Jacques Rousseau waren Vorgänger.
Bei allen drei war die verführte Unschuld Leitmotiv des Briefromans. Aber Sophie von Sternheim findet sich nicht passiv mit ihrem Schicksal ab. “Im Gegensatz zu ihren Zeitgenossinen überwindet Sophie von Sternheim ihr
Unglück durch soziale Aktivität und Wohltätigkeit. Ihr aktives und selbstbewußtes Handeln unterscheidet sie hauptsächlich von anderen empfindsamen Heldinnen und prägt sie als individualisierter Charakter innerhalb der
festgelegten Weiblichkeitsschablonen.” (Dolors Sabaté Schöne Seele, denkender Körper: Das Weiblichkeitsbild in Sophie Geschichte des Fräuleins von Sternheim Revista de Filología Alemana 2000 8,S.138)
Gleich im Erscheinungsjahr mussten drei Auflagen gedruckt werden. Fünf weitere folgten in den nächsten 15 Jahren. Und es gab Übersetzungen ins Französische, Englische, Holländische und Russische.
Sophie von La Roche hatte begeisterte Leser. Aber auch die Literaturkritik äußerte sich sofort positiv. Goethe verfasste in den “Frankfurter Gelehrten Anzeigen” eine Rezension. Darin schrieb er, dass sich viele “ungebetene Beurtheiler”
eingefunden hätten, der “Mann von der großen Welt, dessen ganze Seele aus Verstand gebaut ist”, dann “ der Schönkünstler” “der Kritiker” und schließlich “der fromme Eiferer” und dann fährt er fort: “allein alle die Herren irren sich,
wenn sie glauben, sie beurteilen ein Buch- es ist eine Menschenseele; und wir wissen nicht, ob diese vor das Forum der großen Welt, des Aesthetikers, des Zeloten und des Kritikers gehört.” (Goethes Werke, Vollständige Ausgabe letzter Hand, Bd.33 S. 51).
Auch Herder äußert sich in einem Brief an Johann Heinrich Merck, dem Herausgeber der “Frankfurter Gelehrten Anzeigen”begeistert. Allerdings kommt Wieland hier ziemlich schlecht weg. Herder hebt sie ab gegenüber Richardsons Clarissa und sagt:
“ sie ist für mich einzig und weit mehr als Clarisse mit all ihren herausgewundenen Thränen. Dies ist auch etwas, was ihr ewigen Werth geben wird- nur Wielands Noten sind abscheulich.- Ich weiß nicht, ob der elendste Commentator je so
zuwider dem Sinne seines Autors glossirt als dieser: Sternheim, ein Engel vom Himmel, der uns Glauben an die Tugend durch sich selbst predigt, und Er, ich mags nicht sagen!” Herder in Briefe an Johann Heinrich Merck von Goethe, Herder, Wieland und andern
S.29. Gegen Ende des Jahrhunderts ließ die Begeisterung für das Fräulein Sternheim nach, bis er allmählich in Vergessenheit geriet. Heute sieht die moderne feministisch geprägte Literaturwissenschaft in Sophie von La Roche mehr als die Verlobte Wielands und die
Freundin des jungen Goethes oder die Großmutter der Romantiker Bettina und Clemens von Brentano.
Sophie sagt selbst dazu: “Mein erster Versuch, die Geschichte des Fräulein von Sternheim, ist die Frucht des größten Unmuts, welchen ich damals empfinden konnte. Ich trennte mich ungern von meinen beiden Töchtern, welche durch Zwang der Umstände
in Straßburg bei St. Barbara erzogen wurden, und ich sprach öfters davon in einem Tone voll Trauer mit meinem zu früh verstorbenen Freund Brechter, Prediger in Schwaigern bei Heilbronn, einem an Verstand und Herzen so vortrefflichen Manne,
welcher das Urbild aller Pfarrherren war, die so oft in meinen Erzählungen vorkommen, so wie seine Frau das Modell von meiner Emilie in meiner Sternheim ist.” (S. XXIV,XXV). er sagt ihr,dass es nicht gut sei, dass dieser Kummer an ihr nagt
und er empfiehlt ihr: “Wissen Sie was: Bringen Sie alles, was Sie mir von Zeit zu Zeit zu Ihrer Erleichterung mündlich sagen, so wie Ihre Ideen sich folgen, genau zu Papier…. üben zugleich Ihren Geist und erfüllen Ihre durch Abwesenheit Ihrer Töchter
einsame Stunden”.(S. XXVI) und weiter ”-Doch ich wollte nun einmal ein papiernes Mädchen erziehen, weil ich meine eigenen nicht mehr hatte und da half mir meine Einbildungskraft aus der Verlegenheit und schuf den Plan zu Sophiens
Geschichte. – Ihre Aeltern erhielten den Charakter der meinigen;” (S. XXVII)
Zurück nach Ehrenbreitstein. Die Familie von La Roche war ganz oben angekommen. Frank von La Roche war kurtrierischer Kanzler, Sophie geachtete und gesuchte Schriftstellerin. 1776 wurde Frank von La Roche in den Reichsadel
erhoben- aufgrund seiner eigenen Tüchtigkeit und nicht aufgrund der Geburt, obwohl sein Vater ja dem Adel angehört hatte, aber La Roche eben nicht als legitimen Sohn anerkannt hatte. Allerdings folgte kurz danach ein
tiefer Sturz. 1780 wurden die beiden Minister Hornstein und Hohenfeld gestürzt. Kurz darauf folgte ihnen La Roche nach. Inzwischen war heraus gekommen, der Verfasser der “Briefe über das Mönchswesen” war. Das war willkommener Anlass, ihn
vollends zu diskreditieren. Baron von Hohenfeld war nach Speyer in sein Haus gezogen und hatte auch die Familie La Roche nach Speyer geholt. Dort verbrachte die Familie sechs Jahre.
Die Familie stürzte nicht ins finanzielle Elend, wie das manches Mal so durchklingt. Frank La hatte immer noch die einträgliche Stelle eines Zollschreibers inne, die er bis an sein Lebensende behielt. Auch bezog er zeitlebens eine Pension.
Was für ihn sicherlich wesentlich problematischer war, die Verdammung zur Untätigkeit. Das hatte ihm in seiner Zeit in Bönnigheim am meisten zu schaffen gemacht, und er war ja gewohnt, zu arbeiten und zu gestalten.
Das hatte er schon in den Diensten des Grafen von Stadion in Mainz und Warthausen bewiesen und erst recht natürlich als kurtrierischer Konferenzminister. Was sicherlich auch ein Problem war, Sophie war ja schon erfolgreiche
Schriftstellerin aber Frank von La Roche wollte nicht, dass seine Frau einer Verdienstarbeit nachging. Aber Sophie schrieb eifrig und erfolgreich weiter.
Wenden wir uns noch kurz den Kindern der Familie von La Roche zu. In Renate Feyls Roman die “Profanen Stunden des Glücks” wird sehr schön geschildert, wie Sophie bemüht war, ihre Töchter vor allem wirtschaftlich
abgesichert unter die Haube zu bringen. Und obwohl sie ja selbst auf ihrem Lebensweg mit ihren Verlobungen durchaus einschlägige Erfahrungen gemacht hatte, war es wohl so, dass ihre Vorstellungen, was gut für die Töchter ist,
den Ausschlag gaben. Maximiliane heiratete 1774 den reichen Witwer und Kaufmann Peter Anton Brentano. Aus seiner Ehe mit Paula Maria Josefa Walpurga Brentano-Gnosso hatte er 6 Kinder als die Frau 1770 verstarb.
Der Ehe mit Maximiliane entsprossen 12 Kinder, von denen 4 erwähnt sein sollen. Der älteste Georg wurde 1775 geboren. Er führte zusammen mit seinem Halbbruder Franz das Handelshaus Brentano, das sich ab 1830 auf das Bankgeschäft konzentrierte. Er schuf in
Frankfurt-Rödelheim einen großen Landschaftspark. 1776 wurde Sophie geboren. Sie starb sehr jung 1880 als sie zu Wieland in Ossmannstedt zu Besuch war und ist dort bestattet. Clemens folgte 1778. Sein Taufpate war noch der Trierer
Kurfürst. Clemens wurde zum Schriftsteller der Romantik. Bekanntestes Werk ist die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn zusammen mit Achim von Arnim. Bettina, das 7. Kind Maximilianes lernte in Frankfurt den literarischen Arbeitskollegen
von Clemens kennen. Sie heirateten 1811 und waren bis zum Tode Achims 1831 verheiratet.
Maximiliane starb kurz nach der Geburt ihres 12. Kindes 1793. Maximilian hatte zwar dank der Heirat mit einem sehr reichen Mann einen gewissen Lebensstandard erreicht, aber ihren künstlerischen Ambitionen hatte sie entsagen müssen.
Goethe wunderte sich etwas über Sophie, die ihre älteste Tochter nach Frankfurt verheiratet hatte,” … und konnte sich nicht recht in den Zustand finden, den sie doch selbst ausgewählt hatte. Anstatt sich darin behaglich zu fühlen, oder zu irgend einer Veränderung
Anlaß zu geben, erging sie sich in Klagen, so daß man wirklich denken mußte, ihre Tochter sei unglücklich, ob man gleich, da ihr nichts abging und ihr Gemahl ihr nichts verwehrte, nicht wohl einsah, worin das Unglück eigentlich bestünde “ (Dichtung und Wahrheit
13. Buch). aber er konnte es auch nachempfinden “weil sie sich auch in ihre neue Umgebung nicht zu finden wußte und, obwohl mit Glücksgütern gesegnet, aus dem heiteren Thal-Ehrenbreitstein und einer fröhlichen Jugend in ein düster gelegenes Handelshaus
versetzt, sich schon als Mutter von einigen Stiefkindern benehmen sollte.” (Goethe imselben Absatz).
Luise Sophies zweite Tochter, war 1779 an den kurtrierischen Hofrat Joseph Christian von Möhn verheiratet worden. Im Bekanntenkreis der Familie La Roche stieß das auf blankes Unverständnis vor allem Goethes Mutter ließ sich darüber recht scharfzüngig aus.
So schrieb sie an an Herzogin Anna Amalia in Weimar: “Theureste Fürstin ! Könte Docter Wolf den Tochtermann sehen, den die Verfasserin der Sternheim Ihrer zweyten Tochter Louise aufhengen will; so würde Er nach seiner sonst löblichen Gewohnheit mit den
Zähnen knirschen, und gantz Gottloß fluchen. Gestern stellte Sie mir das Ungeheuer vor – Großer Gott ! ! ! Wenn mich der zur Königin der Erden / : Americka mit eingeschloßen : / machen wolte; so – ja so – gebe ich Ihm einen Korb – Er sieht aus – wie der Teufel in
der 7 ten Bitte in Luthers kleinem Catesichmus [!]– ist so dumm wie ein Heu Pferd – und zu allem seinem seinem[!] Unglück ist Er Hoffrath – Wann ich von all dem Zeug was begreife; so will ich zur Auster werden. Eine Frau wie die la Roche von einem gewiß nicht
gemeinem Verstand, von zimlichen Glücksgütern, von Ansehn, Rang u.s.w. die es recht drauf anfängt Ihre Töchter unglücklich zu machen – und doch Sternheime und Frauenzimmer Briefe schreibt – mit einem Wort, mein Kopf ist wie in einer Mühle. Verzeihen Ihro
Durchlaucht, daß ich Ihnen so was vor erzähle, ich habe aber eben das Awentheuer vor Augen – und die Thränen der guten Louise kan ich nicht ausstehn.” (Catharina Elisabeth Goethe, Brief an Anna Amalia Herzogin von Sachsen-Weimar und Eisenach, Frankfurt am
Main, 11. April 1779, zit. nach: Leis u. a. 1996, S. 95 f.) Allerdings war der Hofrat Alkoholiker was sich erst später herausstellte. Er musste aus seiner Stellung am Revisionsgericht in Koblenz ausscheiden. Louise trennte sich von ihrem Mann und zog 1789 zu ihrer
Mutter nach Offenbach. Auch ihre Ehe war nicht glücklich.
Der älteste Sohn Fritz, er war wohl das Ebenbild seines Vaters, wurde zu Wieland nach Erfurt zur Erziehung gegeben. Wieland war inzwischen dort Professor. Fritz wurde dann Kavallerieoffizier in französischen Diensten. Er nahm 1780 am amerikanischen
Unabhängigkeitskrieg teil. Dort zeichnete sich aus nahm aber seinen Abschied. Er diente dann in den Gardes francaises. Bei einem Urlaub, den er mit einem Kameraden, einem holländischen Edelmann in Holland machte, lernte er eine junge Witwe kennen. Sie
heirateten bald. Sophie und ihre Schwiegertochter Elsy de l’Espinasse verstanden sich bestens. Die Frau von Fritz war sehr vermögend. So könnte er einen Teil der dritten Schweizreise von Sophie finanzieren. Fritz und Elsy wanderten nach Amerika aus. Allerdings
verschleuderte Fritz in Amerika fast das ganze Vermögen seiner Frau. Die Ehe zerbrach. Sophie litt stark darunter, dass er seine Frau in eine solche Lage gebracht hatte. Sie schrieb an Elsy: ”Sie und Ihre Kinder in einer so grausamen Lage, durch meinen Sohn ! O
meine Elsy ! Nichts kann ausdrücken, was ich durch Ihre Situation und meine Machtlosigkeit leide” Sophie von La Roche, Brief an Elsy von La Roche, Offenbach am Main, 17. Oktober 1797, zit. nach Maurer , S. 365. Fritz kehrte späte nach Europa zurück gilt aber als seit
1814 in Russland verschollen.
Sophies zweiter Sohn Carl Georg war in preussische Staatsdienste getreten . 1786 arbeitete er als Bergrat im Salzbergbau in Schönenbeck bei Magdeburg. Später zog er mit seiner Familie dort verstarb er 1839 als Oberbergrat.
Sophies jüngster Sohn Franz wurde 1768 geboren. Er war ihr Lieblingssohn und er war das einzige Kind, das sie selbst gestillt hatte. Er kam 1784 nach Colmar. Dort hatte Gottlieb Konrad Pfeffel seine „École militaire“ gegründet,
eine Erziehungsanstalt für protestantische Knaben. Die Zöglinge waren meist aus dem Adel und kamen aus Frankreich, der Schweiz und Deutschland. Aus ihr gingen hohe Militärs, Verwaltungsbeamte und Diplomaten der Revolutions- und Direktorialzeit
hervor. Im Gegenzug nahm Sophie die fünfzehnjährige Tochter Pfeffels, Peggi, zu sich nachhause, um sie bei sich auszubilden. Die Erziehungsziele orientierten sich an Rousseau. Nach seiner Zeit in Colmar studierte Franz Forstwirtschaft
in Marburg. 1791 hatte er eine Stelle als Forstbeamter am Hof zu Hessen-Darmstadt erhalten, aber kurz nachdem er seinen Dienst angetreten hatte, verstarb er an einer Darmentzündung im alter von nur 23 Jahren. Sophie war tief betrübt und hat diesen Schicksals-
schlag nie verwunden. Das war der zweite schwere Schicksalsschlag, den sie zu ertragen hatte. Die Familie war 1786 von Speyer nach Offenbach übergesiedelt. Kurz vor der Übersiedlung hatte Frank von La Roche einen Schlaganfall erlitten. Von den Folgen erholte
er sich langsam. doch dann erlitt er kurz hintereinander mehrere Schlaganfälle. Sophie pflegte ihren Mann nun fast zwei Jahre. Er verstarb am 23.11.1788 und wurde auf dem katholischen Friedhof in Bürgel bestattet und nur drei Jahre später wurde
Franz neben seinem Vater beerdigt.
Gehen wir zurück nach Speyer, nachdem wir uns mit Sophies Familie beschäftigt haben. In Speyer begann Sophie mit der Herausgabe der Zeitschrift: „Pomona für Teutschlands Töchter“ “An meine Leserinnen. Das Jahrbuch der
Denkwürdigkeiten für das schöne Geschlecht-zeigen meinen Leserinnen, was teutsche Männer uns nützlich und gefällig achten. Pomona — wird Ihnen sagen,was ich als Frau dafür halte-“ so schrieb Sophie im Vorwort des ersten Heftes ihrer
Zeitschrift. Sie schreibt dann weiter “Gelehrsamkeit,meine Liebe! Sollten sie nicht darinn finden, einmal, weil ich selbst keine besitze,…” (1.Heft Seite 13) Wir wissen ja, dass Sophie eine umfassende Ausbildung erfahren hatte. Aber es war ja nicht schicklich
für eine Frau, mit ihrer Bildung zu prahlen. Auch der Name wurde genannt und erklärt: “Mein Büchelgen soll Pomona heißen—diese ist die Göttin des Herbsts. Ich bin in dem Herbst meines Lebens, und der Entwurf dazu entstand in dem Herbst—“
(S.14/15) Sie erschien von Januar 1783 bis Dezember 1784 als Monatsschrift. Die Hefte hatten einen Umfang von ca. 100 Seiten und hatten sofort eine enorme Resonanz, was sicher damit zusammenhängt, dass Sophie von La Roche eine der
bekanntesten Autorinnen ihrer Zeit war.Pomona hatte sofort eine große Anzahl von Abonnenten. Die Liste der ist lang: Rund siebenhundert Namen sind verzeichnet, nicht nur Frauen, auch Männer. Leser aus dem Bürgertum wie aus den aufgeklärten Kreisen des
Adels bestellen ihre Monatszeitschrift, die bekannteste Abonnentin ist sicherlich die russische Zarin Katharina die Große, sie abonnierte gleich 500 Exemplare. Billig ist sie nicht.4 Gulden und 30 Kreuzer Reichsgeld soll sie kosten. Das ist der Lohn eines
Kochs für drei Monate oder es deckte die Miete für ein bescheidenes Zimmer für zwei Monate.Einige Artikel erscheinen durchgängig, zum Beispiel “Die Briefe an Lina” und die “Moralischen Erzählungen”. Das zweite,vierte, sechste und achte Heft des Jahrgangs 1783
ist jeweils einem bestimmten Land gewidmet, nämlich Frankreich, England, Italien und Deutschland. Das hatte Sophie aber schon im ersten Heft angekündigt. Das Konzept von Pomona ist durchaus modern, Betrachtungen über weibliche Erziehung,
Haushaltsführung aber auch Reiseberichte. Auch über Literatur, Kunst und Musik wurde berichtet. Einen breiten Raum nahmen die Leserzuschriften ein, die ausführlich beantwortet wurden. Auch die direkte Ansprache des Lesers, bzw. der Leserin
ist ja durchaus in heutigen Zeitschriften noch üblich. Nach nur zwei Jahren stellte Sophie La Roche die Zeitung wieder ein. Warum ist nicht ganz klar. Es war aber sicherlich sehr arbeitsaufwendig, zumal die Herausgeberin die meisten
Beiträge selbst verfasste. Was ihr möglicherweise zu schaffen machte, waren die vielen Raubkopien, die den wirtschaftlichen Erfolg doch schmälerte. Aber sie konnte die Ausbildung ihrer beiden Söhne finanzieren, was ihren Mann alles andere als begeisterte.
In Speyer starte Sophie auch ihre 3. Karriere. Sie war mittlerweile über 50 Jahre alt und startete von Speyer aus auf ihre Reisen in die Schweiz, die Niederlande, Frankreich und England und sie berichtete darüber. So wurde sie zur ersten Reiseschriftstellerin
Deutschlands. Ihre Art zu schreiben unterschied sich durchaus von den gängigen spröden Reisebeschreibungen ihrer Zeitgenossen. Sie war ja versierte Autorin, die die literarischen Techniken beherrschte. Schon bei der Pomona hatte sie ihr journalistisches
Talent bewiesen und auch bei ihre Reiseberichten zeigte sie, dass sie offensichtlich wusste, was ihr Publikum gern liest.Sie schreibt oft regelrecht mitreissende Reportagen.
Zu ihren Reisen bemerkt Sophie: “Meine Reisen sind reine treue Erzählung dessen, was ich bei dem entzückenden Genusse des Anblicks von tausend Schönheiten der Natur und Beobachtung guter Menschen, Arbeiten und Handlungen,
dacht und empfand;” (S. XXXVIII)
1787 und erschienen “Tagebuch einer Reise durch die Schweitz” und Journal einer Reise durch Frankreich und 1788 Tagebuch einer Reise durch Holland und England und schließlich 1793 Erinnerungen aus meiner dritten Schweizerreise.
Als Sophie aus England zurückkehrte war ihr Mann nach Offenbach umgesiedelt. Mit Hilfe seines Schwiegersohns Peter Anton Brentano hatte die Familie ein Haus in Offenbach erworben, das Sophie später liebevoll “Grillenhütte” nannte.
Frank La Roche war der Aufenthalt in Offenbach wohl empfohlen worden und wahrscheinlich wollte er auch der Familie seiner Tochter näher sein. Über die Schicksalsschläge, die Sophie zu Beginn ihrer Offenbacher Zeit trafen wurde oben schon
berichtet.
1784 bricht Sophie auf die immer wieder verschobene Reise in die Schweiz auf. Auch ihr Sohn Franz ist dabei. Als Verfasserin der Sternheim und dann Herausgeberin der Pomona hatte Sophie ja auch eine Berühmtheit erlangt und wen sie auf ihren Reisen traf,
das liest sich fast wie ein “who’s who” der damaligen Zeit.
Die Reise führte über Schaffhausen nach Zürich und dann nach Bern.In Zürich traf sie Horace Bénédict de Saussure, der 1787 die erste wissenschaftliche Besteigung des Mont Blanc unternahm. Sie lernte Johann Heinrich Füssli kennen, den
schweizerisch-englischen Maler und Publizisten; Johann Georg Schulthess, den Schweizer Theologen, der schon mit Wieland befreundet war dann Leonhard Usteri , der Professor für hebräische Sprachen war. Nächste Stationen waren dann Luzern, Lausanne und
Genf.In Lausanne war Guillaume-Thomas François Raynal zugegen. Er war einer der meistgelesenen französischen Autoren der Spätaufklärung.Seine “Geschichtezweier Indien” war in Frankreich vom Parlament verboten worden und sogar vom Henker auf dem
Scheiterhaufen verbrannt. Da er in Frankreich bedroht worden war und er sich dort nicht mehr sicher fühlte, hielt er sich zu derzeit in der Schweiz auf. Sein Landsmann Louis-Sébastien Mercier war mit dabei. Er hatte einen utopischen Roman geschrieben “2440”,
aber auch Theaterstücke oder das “Tableau de Paris”, eine Stadtbeschreibung von Paris.
In Lausanne traf sie auch auf den Schweizer Arzt Simon Auguste André David Tissot und Edward Gibbon, den englischen Historiker der Aufklärung. Sein wichtigstes Werk war eine Geschichte Roms. Bei einem Spaziergang in Lausanne traf Sophie Mademoiselle
Necker, die spätere Madame de Stael.
In Genf besuchte Sophie verschiedene Malerinnen, die damals Berühmtheiten waren. Von Genf aus besuchte Sophie Fernay “um die Überreste des Wohnsitzes von Voltaire zu sehen” ( Tagebuch einer Reise durch die Schweitz S. 233) Sophie hatte Voltaire in Mainz
gelesen und oben wurde ja schon ausgeführt, dass Graf von Stadion Voltaire auf seiner Kavalierstour kennengelernt hat und auch Wieland Voltaire gelesen hatte. Sophie scheint dagegen kritische Distanz gehalten zu haben. Das zeigt auch schön in der Schilderung
von Voltaires Garten. Da schreibt sie “In dem Garten, in welchen man von dem artigen Saal komt, ist eben so viel Unkraut wie in seinen Schriften, und die schönsten Anlagen in dem fruchtbarsten Boden.” (ebd. S. 239)
Ganz anders dagegen die Schilderung von Vevey, das sie kurz später besuchte besucht.Denn das ist die Stadt, die Rousseau nun wörtlich “welche dieser außerordentliche Mann zum Schauplaz alle der hinreißenden Auftritte wählte, welche in dieser Geschichte
(Nouvelle Heloise) vorkommen.” (ebd. S.313). Touristischer Höhepunkt ihrer ersten Schweizreise war ein Abstecher nach Chamonix und von dort unternahm sie einen Ausflug ins Mont Blanc Massiv. Wie ihr von ihren savojardischen Reiseführer die
ältesten “sagten, dass ich die erste teutsche Frau sey, welche sie zu Chamoni und bey dem Eis gesehen”. (ebd. S 262)Sie war auf dem Montanvert und hatte von dort beste Sicht auf den Mont Blanc, kam zum Arveron, durchlebte ein heftiges Gewitter
und beschreibt dies sehr anschaulich. Zurück gings dann von Lausanne aus wieder über Murten nach Bern, wo sie den gesamten Bekanntenkreis von Wieland nochmals sah. Den Abschluss ihrer Reise bildete Basel. Dort besuchte sie Jakob Sarasin, der ähnlich wie sie
selbst ein dichtes Netz von Bekanntschaften und Freundschaften mit vielen Vertretern der Aufklärung und des Sturm und Drang pflegte. Auch Sophie gehörte zu diesem Netz.
Ihre erste Schweizer Reise hatte nicht mehr den großen publizistischen Erfolg wie Pomona, ganz zu schweigen von dem Fräulein Sternheim. Sie schreibt noch wie vor zwanzig Jahren. An den Veränderungen der aufkommenden Klassik nimmt sie nicht teil oder lehnt
sie ab. Man schätzt nun eine neue Natürlichkeit. Manche empfinden ihre Prosa aber auch ihre Lebensform als maniriert oder gekünstelt so wie Goethe zum Beispiel in einem Brief an Schiller “Es ist schrecklich was eine bloße Manier durch Zeit und Jahre immer
leerer und unerträglicher wird” (Frankfurt am 12.und 14.8 1797). Auch die Weimarer Herzogin Amalia empfand das so und sprach von “Fühlen à la Roche” (Briefe an und von Johann Heinrich Merck, Aus den Handschriften hsg. von Karl Wagner, Darmstadt 1838,
S.164) Aber sie kann sich ihre Auslandsaufenthalte über den Verkauf der verkauften Journale zum Teil selbst finanzieren. Ihre Erlebnisse vermarktet sie geschickt. Sie reiste allein als Begleitung wohlhabender Freunde,die Reisen mitfinanzierten und ihr
darüber hinaus Schutz boten. Nach ihrer ersten Schweizer reiste sie mit Elise von Bethmann nach Frankreich. Über Straßburg, wo sie wieder ihren Sohn zusammen mit Pfeffel trifft, geht es nach Paris. Dort erlebte sie einen Auftritt Ludwigs XV. anlässlich
der Geburt eines Prinzen. Etwas später erlebte sie auch den Einzug Marie Antoinettes in Paris und dabei sah sie auch den Kontrast zum König. Bei Ludwig jubelte das Volk. Bei Marie Antoinette schwieg es.
Rousseaus Grab besuchte Sophie auch und wie schon in ihrer Schweizer Reise zeigt sie ihre große Verehrung für Rousseau. “Ich nahm Gras und Blümgen mit, welche zu seinem Haupt aufgewachsen waren; möge es eben so leicht werden, das Gute aus seinen
Schriften zu sammeln.”(Journal einer Reise durch Frankreich, S.223) Sie besuchten Nordfrankreich, kamen nach Bordeaux, wo der Vater ihrer Reisebegleiterin Elise Konsul war. Sie besuchte das Schloss Brede und war dort in der Bibliothek von
Montesquieu. (ebd. S. 289) Sie war in Orléans und in Blois. Die Reise dauerte von März bis Juli. Dass Sophie se sich leisten konnte über Monate von der Familie abwesend zu sein, zeugt ebenso wie ihre Schriftstellerei von ihrer Selbstständigkeit und Unabhängigkeit.
Schon im nächsten Jahr reiste sie mit der Freiin von Erthal nach Holland und von dort weiter nach England. Diesmal startete sie in Bingen. Dort traf sie ihren Sohn Karl. Als sie dann an Lahnstein vorbeikam, weckte das natürlich zwiespältige Gefühle.
“-Obschon Lahnstein, und die die Thürme von der Vestung zu Coblenz tausend schlummernde, unangenehme Ideen weckten, welche durch den Anblick des neuen churfürstlichen Pallastes an dem Ufer des Rheins doppelt lebhhaft wurden…”
(Tagebuch einer Reise durch Holland und England, Offenbach 2. Auflage 1791, S.30)Die Reise ging über Nimwegen, Amsterdam. In Leiden besuchte sie das Grab von Voerhave, der an der dortigen Universität der Lehrer von Sophies Vater war.
“Ich gieng, als Tochter eines verdienstvollen Vaters und Verehrers von Voerhave, wirklich mit Andacht dahin,..” (ebd. S.148) Weiter ging es nach Harwich. Als sie nach einer stürmischen Überfahrt, bei der so mancher seekrank geworden war,bei
Harwich die englische Küste sah empfand sie tiefe Freude oder wie sie selbst schreibt “Schon der Gedanke: Du siehst England (im Text gesperrt gedruckt) machte mich mit Freud beben.. denn ich bekenne Bücher und Reisen (gesperrt) waren immer
für mich die einzige Glückseligkeit dieses Lebens. Besonders England…-war immer ein Punkt, nach welchem meine ganze Seele begierig war; (ebd. S. 183). In London hatte ihr Herr Hurter, der Agent des Markgrafen von Baden und alter Freund von Frank von Laroche
das Quartier besorgt. Er “ nahm sie dann auch in die Kost” (S.203) und begleitete sie an “merkwürdige Orte”so in eine Fabrik für mathematische und physikalische Instrumente. Die Abende wurden meist mit Theaterstücken verbracht. In London traf sie bald
versehen mit einem Empfehlungsschreiben von Sarasin den Grafen Cagliostro, einen Alchimisten, Wunderheiler und Hochstapler, der durch Europa reist und viele Bewunderer hatte. Aufgrund der Empfehlungsbriefe “konnte (sie sich) also seine Bekanntschaft
versprechen, nach welcher, ich bekenne es, ich sehr neugierig war, indem das Leben, die Handlungen, die Freunde und das Schicksal diesen Mann merkwürdig gemacht haben.” (ebd. S. 283). Sie staunt über die breiten Straßen Londons und die vielen Menschen, die
abends noch unterwegs sind. “Man trift bis 11 Uhr Nachts immer so viele Menschen auf dieser Straße an, wie in Frankfurt während der Messe; “(ebd. S. 293). Sie trifft auch Madame La Fitte. Sie hatte das Fräulein von Sternheim ins Englische übersetzt, aber auch
Lavaters Physionomik. außerdem hatte sie eigene Schriften verfasst. Über Madame La Fitte lernt sie auch andere Persönlichkeiten der englischen Gesellschaft kennen, so Madame Fielding, die Oberhofmeisterin der königlichen Prinzessinnen war.Stark beeindruckt
hatte sie Warren Hastings, der von 1773 bis 1785 Generalgouverneur von Ostindien war. Höhepunkt ihrer Englandreise war sicher der Empfang durch die englische Königin Charlotte von England, die aus dem Haus Mecklenburg-Strelitz stammte. Ihr Mann
Georg wurde als Georg III. englischer König und war der dritte englische König, der aus dem Haus Hannover stammte, aber der erste, der in England geboren wurde. Die ganze Königsfamilie sprach deutsch mit Sophie. Die Königin machte ihre Komplimente:
“Sie sagte mir gütevoll ihre Zufriedenheit, mich persönlich zu kennen, und dass sie Gutes von mir und meiner Feder denke.-“ (ebd. S. 394) Auch an Sophies Gatten wurde erinnert. “ Es wurde sehr gnädig nach eurem Vater gefragt; ich sagte unter anderem, Er
würde sich über das Glück freuen, so ich hätte, Ihro Majestät die Königin zu sehen..” (ebd. S. 394) Nach einem Aufenthalt von über einem Monat in London kehrte sie nach Deutschland zurück. In Calais trennte sie sich von ihrem Sohn.
Über Brüssel und Köln reiste sie nach Hause Carl fuhr nach Paris weiter. Nach dem England “abgehakt” war, war noch ein Herzenswunsch offen: Italien und warum das nicht verknüpfen und Wieland wieder sehen? Sie schrieb am 30. Mai 1788 an ihn
“Warum geht alle Welt nach Italien und warum Sie nicht… machen Sie die Reise dahin mit mir-auf einen Winter” (zitiert nach Ludmilla Assing, Sophie von La Roche,die Freundin Wielands,Berlin 1859 S.290 f). Darauf ging Wieland nicht ein.
Dann starb Frank La Roche. Einerseits aufrichtig von Sophie betrauert. In Ihrem Nachlass fand man einen Schattenriss von ihr, auf den ihr Mann eigenhändig geschrieben hatte: ”Sophia von La Roche, geborene von Gutermann zu Gutershofen
geboren den 6. Dezember 1731, vermählt mit mir den 27. Dezember 1753. schön von Gestalt, edlen Anstandes, glänzend an Tugend und Wissenschaften, die beste Gattin und Mutter, die wärmste Freundin, die gutthätigste Menschenseele, mit
ausgebildetem männliche Verstand, dabei anspruchslos und bescheiden. Geschrieben und gezeichnet 1775 den 28. Juli.” (zitiert nach Assing, S. 294)
Sie analysiert ihre neue Situation und erkennt auch die Chancen , die in diesem Schicksalsschlag lagen. “Doch das beste, was auch den Verändrungen,welche unter Lebenden vorgehen, und der, welche der Tod hervorbringen wird, entstehen kann,
ist meine Freiheit, nach meinem Charakter zu leben, in der Tat nach ihm zu leben, wie bisher nur mit meiner Feder geschehen konnte” in einem Brief an Gräfin Elise zu Solms-Laubach, ihre wichtigste Briefpartnerin ihrer Offenbach Zeit vom 9.9. 1788
(Maurer, Lebensbild in Briefen S. 311) Und zwei Monate später schreibt sie ebenfalls an diesselbe Empfängerin, dass sie entschlossen ist, “ die teuer erkaufte Freiheit zu edlem Genuß meiner übrigen Tage (ebd. s. 312).
Die geplante Italienreise wird in Angriff genommen. In Begleitung ihres Sohnes Fritz und dessen Gemahlin Elsy reisen sie. Die Reise geht aber nur bis nach Genf. Dort lässt sie Sohn und Schwiegertochter allein reisen. Sie sorgt sich um ihren Lieblingssohn,
zwar unbegründet, aber sie bricht die Reise ab und kehrt nach Offenbach zurück. 1790 unternimmt sie wegen ihrer Gesundheit eine Kur in Driburg und Pyrmont. Aber 1791 stirbt ihr Lieblingssohn ganz plötzlich mit nur 23 Jahren.
Da war die Katastrophe ihres Lebens, die sie trotz ihrer Tatkraft und optimistischen Weltsicht nie verwand. Wolfgang Adam bemerkt dazu: “Es ist nicht übertrieben,wenn man die letzten beiden Lebensdezennien als Trauerjahre um den geliebten Sohn
bezeichnet” (in Die Schweizer Reisen der Sophie von La Roche im Sammelband Helvetien und Deutschland: kulturelle Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland 1770-1830, S.51)
Frau von Steinberg, eine ihr “innig ergebene” Frau (Assing S. 302) forderte sie auf, sie auf einer Reise nach Lausanne zu begleiten, um sie etwas zu zerstreuen. Auch ihre Töchter redeten ihr zu, auf diesen Vorschlag einzugehen. Das war sicher sehr
gut gemeint, aber wahrscheinlich nicht sehr hilfreich. Schon die erste Seite drückt nur Schmerz aus “Erinnerungen aus meiner dritten Schweizer Reise. Meinem verwundeten Herzen zur Linderung. Vielleicht auch mancher trauernden Seele zum Trost geschrieben.
Von Sophie Wittwe von La Roche. und im Vorwort schreibt sie: “Meine geliebten Töchter, Brentano und Möhn, wünschten, dass ich diese Reise mit der Frau von Steinberg machen möchte. Es däuchte meine übrigen Kinder, eine Art heilenden Balsams, für
mein durch den frühen Tod meines schätzbaren Sohnes Franz Wilhelm zu seyn. Schönheit und Größe der Natur solten mich trösten und stärken, Freunde mich zerstreuen: aber liebe Kinder! so war es nicht..” (S.1) Alles erinnerte sie an ihren geliebten Sohn.
Aber sie wollte ihre Mitreisenden nicht mit ihrer Trauer belästigen, zumal Frau von Steinberg ihren Sohn zu einem Arzt bringen wollte. Und diese Pflichtübung half ihr auch selbst weiter. In Paris hatte Ludwig XVI. gerade den Eid auf die neue Verfassung
abgelegt. Das wurde auch in Straßburg mit einem großen Fest gefeiert gerade als Sophie mit ihrer Reisegruppe in Straßburg ankam. Obwohl ihr nicht der Sinn nach Feiern stand ging sie mit Freunden mit. Auf dem Weg nach Basel begegnete sie vielen
Kutschen mit vornehmen Emigranten aus Frankreich, die es angesichts der unsicheren Lage vorzogen Frankreich zu verlassen. In Basel traf sie Jakob Sarasin wieder, dessen Frau mittlerweile auch gestorben war. Wo sie auch war, war natürlich Frankreich das
Thema. 1792 verließen sie ihr Reiseziel Lausanne wieder, um nach Deutschland zurück zu kehren.
Im November 1793 starb dann auch noch ihre Tochter Maximiliane. Sophie nahm ihre Enkelinnen Bettina, Loulon und Meline zu sich. Auch den Sohn ihrer Freundin Elise von Bethmann nahm sie bei sich auf. Luises Mann war inzwischen auch verstorben.
Sie wohnte inzwischen auch wieder bei der Mutter in Offenbach.
Im öffentlichen Bereich aber war, wir haben es schon bei der dritten Schweizreise gesehen, Frankreich das beherrschende Thema. Die Revolution in Frankreich erschreckte Sophie. Sie war im Verlauf dann auch ganz persönlich betroffen.
Ab 1793 bis Oktober 1794 eroberte das revolutionäre Frankreich die linksrheinischen Gebiete, die Napoleon 1801 annektierte. Infolge der Besetzung entfiel Sophies Anspruch auf Witwenversorgung. Jetzt war das Einkommen aus der Schriftstellerei
wirklich die einzige Verdienstmöglichkeit für die Familie. Und Sophie schrieb unermüdlich weiter.Auch unmittelbare Kriegsfolgen waren zu ertragen. Im Zuge des 1. Koalitionskrieg, in dem Österreich, Preussen und einige kleinere deutsche Staaten
gegen das revolutionäre Frankreich vorgingen, hatte Österreich die Rheinflotille aufgebaut. Deren Kanonenboote sollten Rhein, Mosel und Main zwischen Mannheim, Frankfurt und Koblenz beherrschen. Im Mai 1796 legte die Flotte bei Offenbach an
und es gab zahlreiche Einquariertungen. Im Juli belagerten die Franzosen Frankfurt. Kaufleute schickten ihre Waren fort. Wertgegenstände wollte man verbergen. Goethe rief seine Mutter zu sich nach Weimar. Sie blieb aber in Frankfurt.
Als die Franzosen dann Frankfurt beschossen, flüchtete Goethes Mutter zu Sophie nach Offenbach. Nach ein paar Tagen war die Gefahr vorüber und sie konnte nach Frankfurt zurückkehren.
Die Zeiten waren sehr unsicher geworden und erst 1799 konnte sich Sophie wieder auf Reisen begeben: Wieland hatte 1797 sein Gut in Oßmannstedt erworben und Sophie eingeladen, ihn zu besuchen. Ihr Sohn Karl, der bei Magdeburg lebte hatte sie schon
vorher zu sich eingeladen. Und so ließ sich das gut verbinden. Sie wurde von ihrer ältesten Enkelin Sophie Brentano begleitet. Ihre Erlebnisse hielt sie fest in “Schattenrisse abgeschiedener Stunden in Offenbach,Weimar und Schönebeck im Jahre
1799” (Leipzig 1800)Im Mai schreibt sie “und jede Minute nähert mich dem Tage, an welchem ich die schönste Reise antreten werde, um einen schätzbaren Sohn und seine Familie zu besuchen, und Wieland (im Text gesperrt), den edelsten
Freund meiner Jugend, in dem Cirkel einer Kinder, an der Seite seiner würdigen Frau… (S.6/7) Die Abfahrt hatte sich wegen einer schweren Erkrankung Luises verzögert, aber am 11. Juli konnte die Reise begonnen werden. Am 15. Juli
traf sie glücklich in Oßmannstedt ein. Wie jeden Abend beschloss Wieland seinen Tagesablauf mit einem Klavierspiel und Sophie erinnerte sich, dass sie ihn schon vor 49 Jahren in Biberach belauscht hatte. Sophie beschreibt dann
das Landgut- durchaus so, wie man es noch heute vorfindet. Vor allem imponiert ihr die Lindenallee, die auch heute noch ein Schmuckstück des Gutes ist.Sie beschreibt Wielands Bibliothek “ in Wielands Büchersammlung findet man von jedem Gelehrten alter und
neuer Zeit auch das vollkommenste Werk schöner Kenntnisihres Geistes” (S.49). Ein paar Tage später war sie mit Wieland zu Gast bei Herzogin Anna Amalia in Tieffurth. Auch Goethe war zugegen. Sie war im englischen Garten von Tieffurth unterwegs. Goethe
besuchte Wieland auch in Oßmannstedt. Das Gespräch zwischen Goethe und Wieland beeindruckte sie sehr, auch weil es ganz einfach, ohne Starallüren vonstatten ging. “mir war äußerst schätzbar, ihn (Goethe) und Wieland wie zwey Verbündete Genies, ohne
Prunk und Erwartung,mit dem vertraulichen D u der großen Alten sprechen zu hören..” (S. 58). Der Gegenbesuch fand bald im Hause Goethes in Weimar statt (Am Frauenplan).
Sophie fühlt sich in “eine römische Villa” (S.61) versetzt, bewundert das an der Tür angebrachte
Salve! noch heute auf Fussabstreifer gedrucktes und viel verkauftes Souvenir im Goethehaus. Abends waren sie zu einer Feier im Park von Weimar geladen. Dort traf sie auch Herder. Der besuchte sie auch mit seiner Frau in Oßmannstedt. Dort lernt sie auch
Jean Paul Richter kennen. Danach folgten einige Tage der Ruhe. Zufällig war Sophie auch zugegen, als Wieland “als Landmann dieser Gemeine aufgenommen wurde” (S. 87). Dann ging dieser, wenn man den “Schattenriesen” glauben darf, so wohltuende
Aufenthalt für Sophie zu Sende. Ihr Sohn kam, um sie abzuholen, weil sie ihn ja in Schönebeck besuchen sollte. Die Rückreise führte nochmals über Weimar. Dort verbrachte sie nochmals einige Tage bei Wieland. Über Jena ging es dann nach Offenbach
zurück. In Jena stieß Clemens von Brentano zur kleinen Reisegruppe. Er studierte in Jena. Von da ab unternahm Sophie keine Reisen mehr.
Die Weimarer Gesellschaft reagierte anders als Sophie begeisterte Schilderung vermuten ließe. Dass Sophie als nicht mehr in galt, wurde schon oben angeführt. Kurz vor ihrem Aufenthalt in Weimar sagt Goethe in einem Brief an Schiller (24.7.1799)
“sie gehört zu den nivellierenden Naturen sie hebt das Gemeine herauf und zieht das Vorzügliche herunter und richtet das Ganze alsdenn mit ihrer Sauce, zu beliebigem Genuss an. Übrigens möchte man sagen dass ihre Unterhaltung interessante Stellen hat.”
(Schillers Werke. Nationalausgabe 38.I.Briefwechsel. Briefe an Schiller 1.11. 1798-31.12.1800 Hrsg. von Liselotte Blumenthal. Weimar 1975. S. 126).
Sophie von Brentano kam mit der Jugendliebe ihrer Großmutter bestens klar. Dagegen hatte Wieland mit seiner ehemaligen Verlobten doch Probleme. Ihre langatmige Sentimentalität fand er einfach nur ermüdend. Das erinnert an das oben von Goethe an
Schiller zitierte Urteil. Ganz anders die Enkelin. Sie strahlte einen Liebreiz aus, der bald Wielands Herz eroberte. und sie empfand Wieland als väterlichen Freund, dem sie sich anvertrauen konnte. Beide verband eine zärtliche Neigung. Daraus erwuchs tiefes
Vertrauen, was zu langen Unterhaltungen führte. Wieland arbeitete damals an seinem Aristipp, was oft Gesprächsgegenstand war. Wieland bewunderte Sophie von Brentanos klaren Verstand, der ihr nach seiner Meinung einen so großen Vorzug
vor den meisten ihres Geschlechts gegeben habe. Der erste Aufenthalt dauerte ja nur 4 Wochen. Sophie und der Dichter blieben aber in Briefkontakt. Und im Juli 1800 kehrte Sophie von Brentano allein nach Oßmannstedt zurück. Es folgten wenige
idyllische Tage. Wielands Sekretär Samuel Christoph Abraham Lütkemüller schreibt dazu in seinen Erinnerungen “Wieland liebte Sophie Brentano zugleich als seine Tochter und Freundin, und sie wirkte auf seinen Aristipp als eine Muse und Grazie”
(zitiert nach Thomas C. Starnes in Wissen, Erzählen, Tradition, Wielands Spätwerk, Berlin 2010, S. 369) Und Wieland schrieb an seinen Freund Karl August Böttiger: “Wenn die liebenswürdige Sofie Brentano nicht wäre, so weiß ich nicht,
was aus meinem allmählich verglühenden Lämpchen werden könnte.” (ebd.S.369). Schon einen Monat später wurde Sophie von einem heftigen Nervenleiden ergriffen, an dem sie in 16 Tagen am 19. September 1800 auf Gut Oßmannstedt verstarb.
Sie wurde im Park direkt an der Ilm bestattet. Nur ein Jahr später starb Wielands Frau. Sie wurde neben Sophie begraben und auch Wieland fand dort seine letzte Ruhestätte. Auf dem Grab steht ein Obelisk, der die Inschrift trägt:
“Liebe und Freundschaft umschlang die verwandten Seelen im Leben, und ihr Sterbliches deckt dieser gemeinsame Stein”
Auf ein Werk soll noch eingegangen werden. Das eine ist “Mein Schreibetisch”, das in zwei Bänden 1799 erschien. Darin beschreibt sie in einer Art “Listenpoesie” alle ihre Gegenstände an ihrem Arbeitsplatz, alle Bücher ihrer Bibliothek.
Das wird verbunden mit Stationen ihres Lebens und Personen, die ihr wichtig waren. Und sie erklärt eingangs warum ihr dieser Schreibtisch so wertvoll ist. “Denken Sie dabey, dass neben diesen schätzbaren Eigenschaften auf dem wirklich etwas plumpen Tisch,
der für mein Herz sehr hohe Wert liegt, aus Holz von der gräflich stadionschen Waldung, der in meinem Vaterland liegenden Herrschaft Warthausen, verfertigt zu seyn, welches ich allen Cedern des Libanon, den Indischen Rosen-Atlas-Sandel-
Eben-und Mahagonnyholz vorziehe,” … und kurz danach weiter ” Der große weise Graf von Stadion und mein guter Mann hatten auch so viel Achtung für meine, zu diesem Tische, gefaßte Liebe, daß er 1754 mit nach Maynz kam, so wie 1760 mich wieder
nach Warthausen, 1770 nach Coblenz, 1786 nach Heimbach und 1796 nach Bönnigheim, begleitete (Mein Schreibetisch,erstes Bändchen, Leipzig 1799, S. 9/10)Sie schreibt dann weiter, dass sie an diesem Tisch seit 45 Jahre Briefe ihrer Freunde gelesen
hat, diese beantwortet hat, dass sie an diesem Tisch Englisch gelernt hat. Sie erzählt, dass sich Wieland an diesen Tisch gelehnt hat, wenn er nach Warthausen gekommen ist und dort Fragmente seiner Werke vorlas. (S.12) Sie beschreibt die Aussicht von
Schloss Warthausen. Sie erzählt dass sie sich oft in der Bibliothek aufhielt, wo sie “so oft einen der größten Staatsmänner Deutschlands, mit einem unserer größten Dichter (Wieland) über alle Gegenstände der alten und neuen Welt sprechen hörte…”
(S. 16). Dazu sei angemerkt, dass die Wände der Stadionschen Bibliothek (siehe dazu auch Blog Die Familie Stadion) mit verschieden Hölzern aus den Stadionschen Wäldern getäfelt ist, ohne Nägel, ein Zeugnis hoher handwerklicher Tischlerkunst.
Sophie bemerkt dann, dass dies in einer Zeit war, “in welcher Wielands Genius seine Fittiche ganz entfaltete” (S. 16)Und sie führt den “Agathon” an, der damals entstand und dass die Erstausgabe des Musarion in Warthausen datiert war.
Dann erwähnt sie selbst ein kleines schmales Brettchen anbrachte und zählt auf, welche Bücher darauf stehen. Sie beschreibt Bilder, die zu sehen sind, Tischbeins Eigenporträt, dass dieser selbst ihrem Mann zum Andenken gegeben hatte, weil dieser
den Maler mit dem Grafen von Stadion bekannt gemacht hatte, der ihm dann als Mäzen seine Ausbildung ermöglichte und so erst seinen beruflichen Aufstieg ermöglichte.Auch Skizzen ihres Sohnes Franz sind darunter. Erinnerungen an ihre
Reisen werden wachgerufen.
Sophies letztes Werk “Melusines Sommerabende” begleitete uns den ganzen Blog über.
Etwas anstrengend fand ich die Lektüre von Das Fräulein Sternheim. Es ist so wohl vom Stil als vom Thema her im Jahre 2013 schwer verdaulich und eher zeithistorisch interessant. Nach wie vor lesenswert obwohl oder gerade
weil mehr als 200 Jahre dazwischen liegen durchaus fesselnd, sind die Reisebeschreibungen von Sophie von La Roche. sie sind kulturhistorisch noch gar nicht ausgewertet, aber sicherlich eine sehr gute Quelle zu den damals besuchten
Reisezielen. Ich habe das auch so für Weimar und Oßmennstedt empfunden. Im Oktober dieses Jahres war ich dort und habe die Lektüre der “Schattenrisse” als durchaus aktuell erlebt. Das Wielandgut ist
in Sophies Beschreibung fast unverändert zu erkennen und fast schmunzelnd habe ich den Besuch bei Goethe gelesen.