Monatliches Archiv: Juni 2011

Hans Multscher

 

9d07196a715c4240

Die Familie Multscher ist erstmals 1304 in Reichenhofen nachgewiesen. Sie gehörte zu den Königsfreien auf der Leutkircher Heide, d.h. sie waren nur dem König steuerpflichtig und ansonsten keinem Herrn untertan. Von 1405-1437 ist die Familie als Inhaber der Waibelhub bei Reichenhofen nachgewiesen. Hans Multscher ist um 1400 in Reichenhofen geboren. Über seine Jugend und Ausbildung ist nichts bekannt. Wahrscheinlich hat er im Allgäu eine Lehre gemacht. Danach begab er sich auf Gesellenfahrt in die Niederlande, Nordfrankreich und Burgund. Dabei hat er die aktuellsten Strömungen der französischen und niederländischen Bildhauerkunst kennengelernt. Möglicherweise hatte er dort auch bei Claus Sluter, einem Mitbegründer der burgundischen Kunstschule in Dijon gearbeitet. Eine Zeitlang hielt er sich auch in Paris auf. Nach seinen Meisterzeichen zu schließen hat er die Meisterwürde in Aachen erworben. Um 1424/25 kam er nach Ulm. Nach einer Wartezeit hat er 1427 in Ulm das Bürgerrecht erhalten. In diesem Jahr heiratete er auch die Ulmer Bürgerstochter Adelheid Kitzin. Die Werkstatt und Familie Kitzin ist in Ulm seit 1370 nachweisbar. Bei seiner Eheschließung besaß er in Ulm bereits ein Haus und dazu noch verschiedene Grundstücke.

8195f87e09c06132Der Ulmer Rat war an einer Ausweitung der Produktion und an der Steigerung des Fernhandels interessiert. Er stellte Hans Multscher vom Zunftzwang frei und da er die Freirechte der Leutkircher Heide besaß, musste er in Ulm zeitlebens keine städtischen Steuern bezahlen. Die Stadt bestellte ihn zum amtlich vereidigten Sachverständigen, zum “geschworenen Werckmann” Bald erhielt er vom Rat und Patriziat der Stadt anspruchsvolle Aufträge, was einen geregelten Werkstattbetrieb voraussetzte. Bald nach Erlangung des Bürgerrechts waren in Multschers Werkstatt mehrere Gesellen aus artverwandten Berufen beschäftigt. Auch sein Bruder Heinrich war wohl in der Werkstatt tätig. 1427-1430 gestaltete er ein Prunkfenster für das Ulmer Rathaus, dessen Figuren deutlich an Sluters König David in Dijon oder an den Propheten des Andre Beauneveu in der Ste. Chapelle in Bourges erinnern. Sein Schmerzensmann am Ulmer Münster zeigt, wie gut er den Realismus der Monumentalskulptur in Burgund studiert hat.

220px-Ulm-Muenster-SchmerzensMann-061104

1430 liefert er den Bozzetto in München, eine skizzenhafte Plastik für einen von dem Herzog Ludwig dem Gebarteten von Bayern-Ingolstadt in Auftrag gegebenes Hochgrab, das jedoch nicht ausgeführt wurde. Der Herzog bestand auf einer Ausführung in Rotmarmor. Der Künstler jedoch dachte eher an einen Bronzeguß, nicht zuletzt wegen der feinen Modellierung ähnlich der für Georg Truchsess von Waldburg ausgeführten Grabplatte. Bis 1433 erfolgte die Planung und der Einbau eines Retabels in die Stirnwand des südlichen Seitenschiffs des Ulmer Münsters. Bestellt hatte den Altar Konrad Karg, einer der einflußreichsten und dem reichsten Ulmer Patrizier seiner Zeit. Es hat allerdings den Bildersturm in Ulm von 1531 nur schwer beschädigt überstanden. Karg war unter anderem Finanzier des Bayernherzogs Ludwig dem Gebarteteten. Multscher hatte das Retabel wohl selbst entworfen und ausgeführt. Er griff dabei auf Anregungen zurück, die er in den Niederlanden und Frankreich erhalten hatte, z.B. das Motiv der Halbfiguren, die in den “Kapellenschrein” hineinsehen.

In seinem Wurzacher Altar von 1437 in Berlin zeigt sich sein Realismus in betonter Hässlichkeit. Er trat dabei als Meister an der Spitze seiner Werkstatt auf, der einen

wahrscheinlich vertraglich festgelegten Teil der Skulpturen und Malarbeiten selbst ausführte. Die erhaltene lebensgroße Hauptfigur der Mutter Gottes ist heute in der Pfarrkirche von Landsberg am Lech. Die Flügel wurden in acht Einzeltafeln zersägt und sind heute in Berlin.

b761ae2a5302ee34Multschers Ruf hatte sich mittlerweile weit in Deutschland verbreitet. Von 1456-1459 schuf er die Sterzinger Retabel in dem kleinen Südtiroler Städtchen, das  reich wurde durch Silberbergbau, der um 1400 in den Tälern um Sterzing begann. Es war ein wichtiger Knotenpunkt für den Nord-Südhandel und man konnte sich renommierte Künstler leisten. An der Sterzinger Retabel waren bis zu 16 Gesellen beschäftigt. Zu sehen sind die Altartafeln heute im Sterzinger Multscher-Museum.

Multscher führte den Werkstattbetrieb zu einem Großunternehmen durch, was dann auch die Syrlins, Hans Schüchlin, Friedrich Herlin, Jörg Töber und Nikolaus Weckmann machten. Er ist der bedeutendste Bildhauer in Deutschland in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Er wurde Wegbereiter für Jörg Syrlin, Gregor und Michel Erhart, Veit Stoss, Adam Krafft und Tilmann Riemenschneider.

Weiter Werke  von ihm sind die Stehende Mutter Gottes mit Kind um 1430, die Thronende Mutter Gottes 1435-1437 beide im Bayrischen Nationalmuseum in München, Die Heilige Barbara und Katharina 1435-1440 im Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart, die Heilige Barbara und Magdalena 1450-1455 aus Heiligkreuztal, heute im Dominikanermuseum in Rottweil

erhmagdamDie Grabmalsfigur der Gräfin Mechthild von Württemberg-Urach 1450-55 heute in der Stiftskirche in Tübingen, Der Heilige Johannes der Täufer 1456-1458 im Bayerischen Nationalmuseum in München, Die Bihlafinger Madonna um 1460 im Städtischen Museum in Ulm, Christus als Schmerzensmann um 1460 im Hessischen Landesmuseum in Kassel und Die Heilige Magdalena um 1456-1457 im Liebighaus in Frankfurt.

Hans Multscher starb 1467 in Ulm. An erinnert ein Sgraffitto an einem Haus beim Friedhof in Reichenhofen, der Name des Leutkircher Gymnasiums, eine Hans Multscher Schule in Ulm sowie Straßennamen in verschieden Orten Baden-Württembergs.

maria

25 Juni 2011

Abtei Hersfeld

 

 

Lullus_von_Mainz

Lullus wurde um 705 in Wessex in England geboren. Er kam wohl als puer oblatus ins Kloster Malmesbury am Avon. Bei einer Wallfahrt nach Rom lernte er 737 Bonifatius kennen. Mit ihm ging er nach Germanien, um dort bei der Verkündigung des Evangeliums mit zu arbeiten. Wahrscheinlich war er Schüler des Abtes Wigbert, der in Ohrdruff das 725 Benediktinerkloster leitete. 746 wurde Lullus Archidiakon und bald darauf Priester. Im Auftrag von Bonifatius reiste er 751 nach Rom, um dort bei Papst Zacharias (Papst von 741-752) die Exemtion für das 744 gegründete Kloster Fulda zu erreichen, also die direkte Unterstellung des Klosters unter den Papst. 752 setzte Bonifatius Lullus als Chorbischof in Mainz  und zu seinem Koadjutor ein. 753 wurde er auf einem Reichstag zum Nachfolger von Bonifatius in Mainz ernannt. 769 gründet Lullus in Hersfeld ein Kloster an der Stelle einer Einsiedelei, die der Gründungsabt  von Fulda Sturmius schon 736 angelegt hatte. Zwischen 763 und 765 hatte Lullus als Mainzer Bischof heftige Auseinandersetzungen mit dem Fuldaer Abt. Er wollte die Abtei, deren Exemtion er 751 maßgeblich ausgehandelt hatte, in sein Bistum eingliedern. Als dies nicht gelang, gründete er das Kloster Hersfeld. Er war Abt und Mainzer Bischof, ab 782 Erzbischof. Mit seiner Klostergründung entsprach er den Absichten von Karl dem Großen (römischer Kaiser von 800-814). Von Hersfeld aus sollte die Missionierung und Unterwerfung der Sachsen und Thüringer erfolgen. Das Hersfelder Kloster wurde zum Missionszentrum, das vom Kaiser viel Macht und Einfluss erhielt. Im Jahr 775 erhob Karl der Große auf Betreiben von Lullus das Kloster zur Reichsabtei. Der König

tn_01_farbigstattete das Kloster mit weitgehenden Privilegien aus, nahm es in seinen Schutz,

beschränkte die Rechte weltlicher und geistlicher Würdenträger und verlieh ihm das Recht der freien Abtwahl. Außerdem erhielt es eine Reihe von Gütern. Damit stand es in einer Reihe mit Fulda und Lorsch, den beiden älteren Reichsabteien. Nur die kirchliche Exemtion erhielt Hersfeld im Gegensatz zu Fulda nicht. Es blieb dem Diözesanbischof unterworfen. Da Bischof und Abt eine Person waren, dürfte Lullus das verschmerzt haben.

Schon 782 nämlich am 28. Juli besuchte Karl die Abtei Hersfeld

Der Lehrer von Lullus, Wigbert war 738 Als Abt in Fritzlar verstorben.780 ließ Lullus dessen Gebeine nach Hersfeld überführen. Daraus entwickelte sich schnell eine Wallfahrt. Der Pilgerstrom war so groß, dass die Erweiterung des Klosters und unter Abt Brun(vermutlich 820-840) zwischen 831 und 850 die Errichtung der Klosterkirche notwendig wurde.

782 lebten im Kloster bereits 150 Mönche. Am 16. Oktober 786 starb Lullus in Hersfeld. Er wurde neben Bischof Witta von Büraburg, dem Gefährten des Bonifatius in der Kirche von Hersfeld bestattet. Sein Nachfolger wurde Abt Richulf (786-813). Die Abtei erhielt weiterhin viele Schenkungen im ganzen Reichsgebiet. Vor allem in Thüringen bestanden große Besitzkomplexe. Nach einem Zehntverzeichnis um  810, dem Breviarium Lulli, besass die Abtei rund 60.000 Morgen Land, verteilt auf 193 Ortschaften , von den 3/4 in Thüringen lagen.

Am 8. Mai 820 bestätigte Ludwig der Fromme auf Bitten des Abts Brun die Privilegien Karls von 775. Er nahm es unter seinen Schutz und befahl, dass weder der Bischof von Mainz noch dessen Archidiakon eine Gewalt ausübe, außer der durch Kirchengesetze berechtigte. Außerdem bestätigte er die freie Abtwahl vorbehaltlich der kaiserlichen Zustimmung.

Unter Abt Brunwart (840-875) fand 852 die Weihe dieser karolingischen Kirche statt. Auch wurden die Gebeine von Lullus umgebettet. Unter Brunwart existierte seit 870 auch das erste Kloster-und Abtssiegel.

Unter Abt Bun begann sich die Hersfelder Klosterschule zu entwickeln. Leiter der Klosterschule war damals Haimo, der in Fulda Schüler Alkuins und Mitschüler von Rhabanus Maurus war. Er wurde 840 von Ludwig dem Frommen zum Bischof von Halberstadt ernannt. In dieser Zeit dürfte der unbekannte Dichter des altsächsischen Heliand in Hersfeld seine theologische Ausbildung erfahren haben.

Unter  Abt Druogo (875-892) wurde 880 das erste noch bekannte Zehntverzeichnis der Abtei Hersfeld geschrieben.Unter Abt Harderat (892-901) folgte 899 ein weiteres Zehntverzeichnis. Auf Abt Harderat folgte Herzog Otto aus der Familie der Liudoflinger, ein im Eichsfeld beheimatetes thüringisches Adelsgeschlecht. Er war von 902-912 Laienabt in Hersfeld.

In der Amtszeit von Abt Diethart I. herrschte bereits die Ungarngefahr. 915 wurde der Marktplatz als Fliehburg angelegt und 925 rund um das Kloster Befestigungsanlagen gebaut.

250px-Wiki229

Abt Diethart II. war wohl Mönch in Hirsau bevor er 927 den Abtsstuhl in Hersfeld bestieg. Aber schon 928 machte ihn König Heinrich I. zum Bischof von Hildesheim,

was er bis zu seinem Tod am 13. September 954 blieb.

Die Abtei Hersfeld scheint ein guter Karrierestart gewesen zu sein, denn auch der nächste Hersfelder Abt Burchard, Sohn des Grafen Adalbert im Grabsfeld aus der Familie der Babenberger war von 928-932 Abt, eher 932 zum Bischof von Würzburg ernannt wurde, wo er als Burchard II. bis 941 regierte.

369px-BurchardusIIHennenbergbwDer nächste Abt Mengingoz (932-935) kümmerte sich um den Schutz des thüringischen Besitzes der Abtei. Bei Arnstadt ließ er um 930 die Wachsenburg  zur Sicherung der umfangreichen Hersfelder Besitzungen bei Arnstadt erbauen. Sie ist eine “Drei Gleichen”. Auch der Ortsname Mengshausen, heute ein Ortsteil von Niederaula erinnert an diesen Abt.

Wichtig wurde für das Kloster dann Abt Egilolf (963-970) Er war Freund und Ratgeber Kaiser Otto I. Dem Einfluss des Kaisers ist es wohl zuzuschreiben, dass die Abtei durch ein Papstdekret aus dem Jahre 968 direkt dem Papst unterstellt wurde. Während der Bischofssynode zum Jahreswechsel 967/68 ist auch Otto I. und sein Sohn anwesend. Abt Egilolf konnte die Bitte um eine Papsturkunde vorbringen. Am 2. Januar 968 nahm Papst Johannes XIII. (965-972) die Abtei in die alleinige Jurisdiktion der römischen Kirche, verlieh das Recht der freien Abtwahl, verbot die Ausübung priesterlicher Funktionen im Klostergebiet ohne Erlaubnis des Abtes und erließ für die Klosterbesitzungen Alienatsverbot, d.h., sie durften nicht veräußert werden. Damit war die Abtei vom Bistum Mainz nicht mehr abhängig.

Abt Gotzbert (970-985) gründete die Hersfelder Bibliothek und als sie Papst Niklolaus V. (1437-1455) von seinen Helfern durchsuchen ließ, fanden sie dort immerhin eine im 9.Jahrhundert erstellte Kopie  der “Germania” von Tacitus.

Bekannt wurde die Bibliothek auch durch das Wirken Lamperts von Hersfeld, der die Vita Lulli verfasst hatte und erster Abt des Klosters Hasungen war.

Nachfolger Gotzberts war Abt Bernhard (995-1005). Dieser gründete die erste Propstei Hersfelds, nämlich die Benediktinerprobstei auf dem Hersfelder Petersberg, die dem Heiligen Petrus geweiht wurde. Noch unter Bernhard verlieh Heinrich II. (1002-1024) dem Kloster Hersfeld den Wildbann über den Reichsforst Ehringswald in genau beschriebenen Grenzen. Bernhards Nachfolger war Godehard (1005-1012). Abt Gotzbert und Bernhard hatten die harten Benediktinerregeln nicht mehr so streng gehandhabt, weswegen Kaiser Heinrich II.(unter Missachtung der freien Abtswahl) im Juli 1005 Abt Godehard einsetzte. Dieser hatte seine Ausbildung in der Klosterschule von Niederaltaich erhalten und war noch in der Herzogszeit von Heinrich von diesem begünstigt 996 Abt von Niederaltaich geworden und 1001/1002 gleichzeitig auch Abt in Tegernsee.1005 wurde der überzeugte Anhänger der Reformbewegung von Cluny zum Abt von Hersfeld ernannt. In seinen Klöstern setzte er die Reform konsequent durch.1007-1013 war ihm auch die Abtei Kremsmünster unterstellt, die ihn in ihren Abtslisten führt.In Hersfeld stellte Godehard die Mönche vor die Wahl, die Regeln zu befolgen oder das Kloster zu verlassen. Daraufhin verließen 50 Mönche das Kloster.

Nach dem Tod Bernwards 1022 wurde Godehard von Heinrich II zum Bischof von Hildesheim berufen. Auf Godehard folgte 1012 Abt Arnold. Er kam auch  aus Niederaltaich und war ebenfalls Reformanhänger. 1015 schenkte Kaiser Heinrich II. das von Otto II. und seiner Gemahlin nach 973 gegründete Kloster Memleben Hersfeld das verarmte Kloster mit all seinem Zubehör zu freiem Verfügungsrecht und zum Nutzen des Klosters, nach dem er Anfang Februar den Abt von Memleben abgesetzt hatte, worauf Mönche das Kloster verließen. Ab 1015 unter Abt Arnold (1012-1031) war Memleben Hersfelder Propstei.

Am 17.5. erteilte Heinrich II. dem Kloster den Wildbann in der Gegend von Breitungen. Die Wertschätzung für ein Kloster durch den Herrscher zeigt sich auch an der Zahl der ausgestellten Urkunden. Heinrich hat Hersfeld 10 Urkunden ausgestellt, was sicher auch mit der Person Godehards zusammenhängt. Denn auch die anderen Klöster, in denen er Abt war, erhielten Schenkungen. Und schließlich ist Godehard ja von Heinrich als Abt eingesetzt worden und 1022 schließlich zum Bischof von Hildesheim berufen worden. Er gehört ja auch zu den bedeutenden

170px-Hildesheim_St_Godehard_StatueHeiligen des Mittelalters. Er ist 1131 durch Papst Innozenz II. (Papst von 1130-1143) als erster Niederbayer heiliggesprochen worden.

Arnold gründete eine weiter Benediktinerpropstei auf dem Johannesberg, die von 1012 bis 1024 erbaut wurde. Sie wurde dem Apostel und Evangelisten Johannes geweiht. Der Nachfolger Arnolds Bardo hatte seine  geistliche Ausbildung im Kloster Fulda erhalten. Von Konrad II. (1024-1039) dem ersten Salier auf dem Kaiserthron,

wurde er unter Umgehung des Rechts auf freie Abtswahl zum Abt von Werden, heute Essen-Werder, ernannt und auf Vermittlung von Kaiserin Gisela wurde er 1031 Abt von Hersfeld. Als der mainzer Erzbischof Aribo 1031 verstarb, wurde er von seinem Gönner Konrad auf den freigewordenen Mainzer Erzbischofsstuhl berufen. Bardo war damit nicht einmal ein Jahr Abt in Hersfeld. Ihm folgte Rudolf nach. Er stammte aus dem Geschlecht der Grafen von Werl, ein äußerst einflussreiches Grafengeschlecht im norddeutschen Raum. Er war möglicherweise ein Enkel der burgundischen Königstochter Gerberga. Er war zunächst Mönch und dann Propst im Reformkloster Stablo nahe bei Lüttich. 1031 kam er auf den Hersfelder Abtsstuhl, den er bis 1036 innehatte. Dann wurde er zum Bischof von Paderborn berufen. Dem nächsten Abt, Meginher, war eine länger Amtszeit vergönnt, nämlich 1036-1059. Doch schon kurz nach seinem Amtsantritt zerstörte ein Brand die Stiftskirche. 1038 ließ er die heute älteste datierte Glocke Deutschlands, die Lullusglocke, gießen.

lullus_glocke

Er ließ die abgebrannt Stiftskirche   gleich wieder aufbauen und schon 1040 wurden Chor und Krypta dem heiligen Wigbert geweiht. 1039 bestätige Konrad dem Kloster Hersfeld die Immunität. Meginher schenkte Heinrich III. die Hersfelder Hauptreliqien der Apostel Simon der Zelot und Judas Thaddäus für die Gründung einer Stiftskirche in Goslar, sicherlich ein sehr beziehungsreiches Geschenk, den die neue Kirche in Goslar sollte Simon und Judas geweiht werden, das waren die Geburtstagsheiligen des Kaisers und wohl auch den sogenannten Krodo-Altar, einen Reliquienschrein. Dafür schenkte Heinrich III. dem Kloster  am 31. Juli 1051 von Nürnberg aus einen in seinen Grenzen genau beschriebenen Weinberg in Ober-Ingelheim. Lampert von Hersfeld schreibt, dass er durch den beispielhaften Lebenswandel Abt Meginhers bekehrt worden sei. 1058 trat er ins Kloster Hersfeld ein. Unter den Nachfolgern Meginhers war er wohl Leiter der Hersfelder Klosterschule.

Der nächste Abt war Ruthard (1059-1072) Dieser schickte Lampert auf eine Informationsreise in die Benediktinerklöster Saalfeld und Siegburg, um die Consuetudines  zu studieren, die der Kölner Erzbischof Anno (1056-1075) in den von ihm gegründeten Klöstern eingeführt hatte. Er hatte zwar Sympathie für die Reformbestrebungen Annos, fand aber die altbewährten Grundsätze benediktinischen Lebens ausreichend, wenn sie nur eingehalten würden.

Von 1072-1090 regierte Abt Hartwig. Er war von Heinrich IV. eingesetzt worden. 1073 nahm er an einer Synode in Erfurt teil und unterstützte Heinrich. Zwischen 1073 und 1074 zog Heinrich bei Bebra-Breitenbach  ein Heer zusammen, um einen Aufstand der Sachsen und Thüringer niederzuschlagen niederzuschlagen. Am 12. Februar 1074 wurde Heinrichs 2. Sohn Konrad geboren. Sein älterer Bruder Heinrich war im August 1071 geboren und gestorben. Konrad war bereits im Alter von zwei Jahren zum Nachfolger seines Vaters anerkannt worden. 1087 erhielt er in Aachen die Königsweihe, lebte er aber in Italien. Nachdem er 1093 ins päpstliche Lager gewechselt war, also zu den Gegnern seines Vaters, erklärte ihn dieser 1098 auf einer Reichsversammlung in Mainz für abgesetzt und bestimmte gleichzeitig seinen jüngeren Sohn Heinrich zu seinem Nachfolger.

Zurück zu Hersfeld und Abt Hartwig. 1085 marschierte Heinrich den Beschlüssen der Mainzer Kirchenversammlung folgend mit einem Heer nach Sachsen. Er protegierte Hartwig als Erzbischof und dieser wurde in Magdeburg von Klerus und Volk als Gegenerzbischof von Hartwig Graf von Spanheim, einem überzeugten Anhänger von Papst Gregor VII. gewählt. Der Hersfelder Abt konnte sich in Magdeburg nicht halten und war gezwungen nach Hersfeld zurückzukehren.Die Auseinandersetzungen zwischen dem Salierkaiser und den Thüringern erschütterte auch die Stellung Hersfelds in Thüringen. Um diese wieder zu festigen hielt sich er Hersfelder Abt Friedrich (1080-1110) vorwiegend auf der Wachsenburg auf. Dort ist er 1110 auch gestorben. Die Burg war von den Zwistigkeiten schwer mitgenommen worden. Abt Friedrich ließ die Burg wieder herstellen.

Im Januar 1126 bestätigte  Lothar von Supplinburg (1125-1137) einen Gütertausch zwischen dem Stift Sankt Servatius in Maastricht und dem Kloster Hersfeld. Die Kanoniker in Maastricht tauschten Güter in Monsheim gegen eine Kirche in Güls, südwestlich von Koblenz gelegen, weil das jeweilige Tauschobjekt für beide Seiten zu weit entfernt war. Abt Adelmann (1114-1127) unter dem der Tausch erfolgte, ließ auch den Katharinenturm in Hersfeld erbauen, einen kleinen Glockenturm am Eingang zum Stiftsbezirk. In ihm ist auch die Lullusglocke bezeugt.

1127 wurde Hermann von Bingarten Abt in Hersfeld. Mit dem ersten Staufer auf dem deutschen Königsthron Konrad III. (1137-1152) hatte er ein gutes Verhältnis. Konrad war öfters in Hersfeld, so im August 1139 wo er auch  2 Urkunden  für andere Empfänger ausstellte. Im Juli hatte er bei Hersfeld das Heer versammelt, das gegen den Welfen Heinrich den Stolzen, den Herzog von Sachsen zog. 1144 wurde die neue romanische Stiftskirche in Hersfeld von Erzbischof Heinrich von Mainz (1142-1153) vorgenommen, der auch zeitweilig Reichverweser für Konrad war.

Bei dieser Weihe war auch Konrad anwesend. Dabei gab er den dem Kloster “lange entfremdeten Zehnt vom Tafelgut von Ingelheim zurück und bestätigte allen dem Kloster geschenkten Besitz. Zeugen der am 17. Oktober 1144 ausgestellten Urkunden waren unter anderem die Äbte von Fulda und Stablo. Am 14. April 1146 starb Konrads Gemahlin Gertrud von Sulzbach in Hersfeld. Sie wurde in der Kirche des Zisterzienserklosters Erbach beigesetzt. Um 1150 wurden noch neue Klausurgebäude im Kreuzganghof erbaut. Damit ist der Bau 112 Jahre nach dem Brand abgeschlossen. 1148 wurde Heinrich von Bingarten auch Abt von Fulda. Das Abtsamt in Hersfeld behielt er bei. Auf Drängen des Mainzer Erzbischofs gab er das

Fuldaer Amt aber schon ein Jahr später wieder ab.

250px-StiftsruineIhm folgte Abt Willibold von 1155-1162. Sein Nachfolger  Hermann I. verblieb nur drei Jahre auf dem Hersfelder Stuhl, nämlich von 1162-1165. Dann wurde er von Friedrich Barbarossa als Abt in Fulda eingesetzt, weil der dortige Abt Marquard mit der kaiserlichen antipäpstlichen Politik nicht mehr einverstanden war und auf die Propstei St. Andreas am Neuenberg bei  Fulda abgeschoben wurde. Auch den nächsten Abt, Burchard von Nürings (1165-1168) setzte Friedrich in Fulda ein, diesmal gegen den Willen der Mönche und ohne päpstliche Bestätigung. Ihm folgte nach Willibold II. und Adolf 1180 Abt Siegfried (1180-1200). Er hatte am Hofe seines Friedrichs I. und dessen Sohn Heinrich VI. (ab 1169 deutscher König und 1191-1194 Kaiser) großes Ansehen. Mit ihm hatte die Abtei die größte reichspolitische Bedeutung. Er begleitete Barbarossa nach Italien und führte in seinem Auftrag Verhandlungen mit dem Papst. So konnte er auch die Streitigkeiten mit Landgraf Ludwig III. von  Thüringen (1172-1190) zugunsten der Abtei entscheiden.

Am 26. April 1220 gab Friedrich II. den Erlass “cum principibus ecclesiastis” heraus. Damit wurde der Hersfelder Abt zusammen mit 28 anderen Äbten und 16 Äbtissinnen in den Reichsfürstenstand erhoben und war damit Fürstabt. Abt Ludwig ( 1217-1239) hatte nun landeshoheitliche Rechte. Hersfeld war geistiges Fürstentum.

Mit dem Ende der Staufer begann auch der Abstieg des Klosters. Seine Königsnähe in den Zeiten der Salier und Staufer hatte ihm machtpolitischen Rückhalt verliehen. Dazu kam, dass der Landadel und das aufstrebende Bürgertum ihre Macht und Stellung in der spätmittelalterlichen Gesellschaft ausbauen konnte. Die folgenden Jahrhunderte waren auch dadurch geprägt, dass die Abtei, ständig versuchen musste, ihre Besitz und Herrschaftsrechte zu erhalten, eine Entwicklung, von der nicht nur das Kloster Hersfeld betroffen war.

Abt Ludwig I. (1217-1239) stiftete 1239 das Hospital am Johannestor für Arme, Kranke und Alte. Auch das lag im Trend. (vermutlich im selben Jahr gegründet Spital zum Heiligen Geist in Biberach an der Riss, um 1240 in Ulm, in Rothenburg um 1280, in Augsburg schon 1150 bezeugt)

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entsteht in Hersfeld ein zweites Kloster, ein Franziskanerkloster, das 1269 erstmals urkundlich erwähnt wird.

Mit Abt Heinrich von Erthal wurde Hersfeld zum zweiten Mal mit einem Abt besetzt, der gleichzeitig Abt in Fulda war. Von 1252-1254 verwaltete er Hersfeld mit und von 1258-1261 wurde er nochmals auf der Hersfelder Abtsliste geführt. Als Fuldaer Abt ging er vor allem gegen das Raubrittertum vor. In seine Amtszeit fällt auch die Zeit von König Wilhelm von Holland, der von 1248-1254 Gegenkönig von Friedrich II. war und nach dem Tod von Konrad IV. 1254 als deutscher König anerkannt wurde. Er starb 1256.  1252 hatte Wilhelm die Stadt Hersfeld als Reichsstadt anerkannt.

Auf Abt Heinrich folgten zwei Äbte aus der niederhessischen Familie der Boyneburger. Hermann III. regierte von 1261-1278 und Hermann IV. von 1273-1300.

220px-Kupferstich_eichhof_1655Abt Ludwig II. von Mansbach (1324-1343)begann mit dem Bau des Wasserschlosses  zu den Eichen in den Fuldaauen. Der hatte 1232 die größere Hälfte Arnstadts, das im Besitz der Abtei Hersfeld war an die Schwarzburger Grafen verkauft.Die Schwarzburger waren ein uraltes thüringisches Adelsgeschlecht, das in der Nähe von Saalfeld, aber ab 1306 auch auf der Wachsenburg saß. Sein Nachfolger Johann II. von Elben (1343-1367) hatte schwer mit den von seinen Vorgängern geerbten Finanzproblemen zu kämpfen. Er musste Hersfelder Besitz verpfänden oder gar veräußern. Den Bau des Schlosses zu den Eichen stellte er ein. Er mischte sich auch in die Auseinandersetzungen der Handwerker ein. 1343 erteilte er den Leinewebern die Erlaubnis, weißes Tuch, Distelsaat (vermutlich mehrfarbiges Gewebe) und Beiderwand, das war grobes Zeug aus Leinen und Wolle her zu stellen, der für ihn wichtigeren, weil reicheren Zunft, den Wollwebern wies er die wesentlich einträglichere Färberei zu. 1347 verzichtet Karl IV. auf sein kaiserliches Judenrecht. Das Judenregal unterstellte die Juden gegen Zahlung von Schutzgeldern direkt dem Kaiser. Seit Karl wurde dieses Recht oft abgetreten oder beliehen. Es war eine Finanzquelle, für den der das Recht nutzen konnte, in diesem Fall für Abt Johann.

1356 wütete die Pest in Hersfeld. Rund 3000 Bürger sollen gestorben sein.

Abt Berthold II. von  Völkershausen (1367-1387) vollendete 1372 den Bau des Schlosses zu den Eichen.

In den beiden benachbarten Landgrafschaften Thüringen und Hessen erwuchs dem kleinen Reichsfürstentum Hersfeld immer stärker werdende Konkurrenz. Nachdem das alte Thüringer Herrschergeschlecht der Ludowinger  1247 mit dem Tod des kinderlosen Heinrich Raspes 1247 ausgestorben war, kamen im thüringisch-hessischen Erbfolgekrieg (1247-1264) in Thüringen mit Heinrich dem Erlauchten (1215-1288) an die Macht. Die letzte Überlebende des Geschlechts der Ludowinger, Sophie von Brabant (1224-1275), Nichte von Heinrich Raspe konnte in der kriegerischen Auseinandersetzung zwar nicht das gesamte Erbe des thüringischen Landgrafens für Ihren Sohn Heinrich von Hessen gewinnen, aber immerhin die hessischen Besitzungen für ihn sichern. Daraus entwickelte sich die Landgrafschaft Hessen.  Beide Grafschaften versuchten ihren Besitz auszubauen und ihre Positionen zu festigen. Die Abtei bekam das zu spüren zum Beispiel im Bündnis des Landgrafen von Hessen und der Stadt Hersfeld. Auch mindermächtige Adlige waren von den Expansionsbestrebungen des Landgrafen betroffen und gründeten um 1370 die Rittergesellschaft vom Sterne, um ihre Interessen gegen den Landgrafen zu wahren. 1373 hatte die Stadt Hersfeld mit dem hessischen Landgrafen (1244-1308) ein Bündnis geschlossen. Mit Hilfe der Sterner wollte Abt Berthold die Vorherrschaft in der Stadt wiederherstellen. In der Vitalisnacht  vom 27.auf 28. April 1378 sollte die Stadt eingenommen werden. Der Ritter Simon von Haune schickte der Stadt allerdings einen Fehdebrief. Diese war so gewarnt und das Vorhaben ging schief. 20 Hersfelder Bürger kamen ums Leben, die steinerne Brücke über die Fulda und das Dorf Oberrode und Mühlen außerhalb der Stadt wurden zerstört, Felder, Wiesen und Weinberge und Wälder verwüstet. Die Stadt klagte darauf hin beim Reichshofrat und gab den Schaden mit 40.000 Gulden an.

Der Abt musste 10.000 Mark, jeder der beteiligten 18 Ritter 400 Silbermark bezahlen. Die Hersfelder hatten zwar gewonnen, verloren hatten aber im Grunde beide. Das Verhältnis zwischen Abtei und Stadt war auf Generationen beschädigt.

Die Auseinandersetzungen mit der Landgrafschaft Hessen gingen weiter. Landgraf Ludwig (1402-1458) ließ Schloss Ludwigseck auf Hersfelder Gebiet bauen und erhöhte damit den Druck auf Hersfeld. Abt Hermann II. von Altenburg konnte das nur resigniert hinnehmen. Man stellte sich nun auf die Seite von Kurmainz, das erbittert mit dem Landgrafen von Hessen um die Vorherrschaft in Hessen kämpfte.

1414 wurde das Bündnis zwischen der Stadt Hersfeld und dem hessischen Landgrafen erneuert. Der Nachfolger Abt Hermanns Albrecht von Buchenau (1418-1438) hatte heftigen Streit mit der Stadt. Nachdem 1427 Landgraf Ludwig in zwei Schlachten gegen Mainz siegreich geblieben war, war die Abtei ohne Verbündete gegen die Landgrafschaft Hessen. Abt Albrecht zog die politische Konsequenz daraus und schloss 1432 einen Erbschutzvertrag mit dem Landgrafen der 1458 und 1490 erneuert wird. Das Hersfelder Gebiet huldigte nun Ludwig mit all seinen Schlössern, Ämtern und Städten. Die Abtei Hersfeld galt nun als ein zu Hessen gehöriges Land.

In der Hersfelder Affäre versuchte man, die Abteien Fulda und Hersfeld zusammen zu legen. Die Hersfelder Finanzproblem waren ohnehin gravierend. Verschlimmert wurde die Situation durch einen  vor dem Reichskammergericht verlorenen  Prozess. Abt Volpert Riedesel zu Bellersheim (1493-1513) resignierte zugunsten von Abt Hartmann von Fulda. Dieser übernahm neben dem Fuldaaer Abtstuhl auch den Stuhl von Hersfeld. Abt Volpert von Riedesel ging in die fuldische  Propstei Andreasberg. Dem widersetzte sich aber Kraft Myle, der spätere Abt Krato (1516-1556). Auch die Stadt Hersfeld unterstützt von Landgräfin Anna von Mecklenburg verweigerte Abt Hartmann den Gehorsam. Ludwig von Hanstein, der Abt des Klosters Helmarshausen wurde zum Verwalter des Klosters gewählt. In dieser Situation verzichtete Abt Hermann auf den Hersfelder Stuhl. 1516 wurde Krato zum Hersfelder Abt gewählt. Er ist der erste Bürgerliche auf dem Abtsstuhl in Hersfeld.1517 erneuerte er den Erbschutzvertrag mit Landgraf Philipp von Hessen (1504-1567). Darin wird der Abtei untersagt, sich mit einer anderen Abtei zusammen zu schließen und künftige Äbte brauchen die Zustimmung des Hauses Hessen.

1520 begann die Reformation in Hersfeld.  Der Weltgeistliche Heinrich Fuchs und sein Kaplan Melchior Fuchs predigten in der Hersfelder Stadtkirche. 1521 wurde Martin Luther auf seinem Rückweg vom Reichstag von Worms von Abt Krato empfangen. Auf Einladung von Abt Krato predigte Martin Luther trotz Verbots in  der Stadtkirche.

Pfarrer Heinrich Fuchs heiratete und wurde daraufhin zusammen mit seinem Kaplan Ringk von Abt Krato der Stadt verwiesen. Fuchs und Ringk predigten über die sittenlosen Zustände im Stift (Unzucht, Trunkenheit, Gotteslästerung und Zusammenleben von Stiftsherren mit Konkubinen in wilder Ehe).Daraufhin kam es zu Plünderungen im Stift. Auf Befehl des Landgrafen wurden Fuchs und Ringk zwar festgesetzt. Hersfelder Bürger halfen ihnen aber aus dem Gefängnis und über die hessische Grenze. Nur die Plünderer wurden bestraft, nicht aber die aufsässigen Bürger. Der Magister Adam Krafft hatte in seiner Heimatsstadt Fulda unter großem Zulauf der Bevölkerung gepredigt, war dort aber von der hohen Geistlichkeit vertrieben worden. In Hersfeld fand er wohl mit Einwilligung von Abt Krato freundliche Aufnahme. Er wurde zum eigentlichen Reformator Hersfelds. Er wurde später Hofprediger von Landgraf Philipp.

1525 gingen beim Bauernkrieg  die Hersfelder Bürger unter Anführung ihres Bürgermeisters Ottensaß zu den Aufständischen über. Der Abt zog sich auf sein Schloss Zu den Eichen zurück. Die aufständischen Bauern stürmten das Stift, plünderten und vernichteten  vieles. Landgraf Philipp warf den Aufstand rasch nieder und ließ sich das, wie auch in Fulda teuer bezahlen.

Unter Abt Michael (1556-1571) kommt das Stift völlig unter den Einfluss Hessens.

220px-Hersfeld_schlosseichhof_wappenUnter Abt Ludwig V. (1571-1558) kam es in Hersfeld nochmals zu einer Baublüte. Der Stiftsbezirk, die Abtsresidenz und das Schloss zu den Eichen wurden im Renaissancestil umgebaut. Der vorletzte Abt Kraft Weidenbach (1588-1592) wurde vom Papst nicht mehr anerkannt. Der letzte Abt Joachim 1592-1606 war vom Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel in sein Amt eingesetzt worden. Er machte den ältesten Sohn  von Landgraf Moritz Otto von Hessen  1604 zum Koadjutor des Stifts. Als Abt 1606 starb, wurde der 12 jährige Otto von Hessen der erste weltliche Herrscher des Fürstentums Hersfeld. Unter Abt Joachim  wurde das Kloster aufgegeben. Die Stiftskirche war seit dem Bauernkrieg nur noch als evangelische Kirche genutzt worden.

Im Dreißigjährigen Krieg hat Hersfeld heftig zu leiden. Unter Feldherrn Tilly zogen kurzfristig nochmals Mönche ins Kloster. Es kam aber nicht mehr zu einem geregelten Klosterbetrieb.

Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) setzen 1761 abziehende Franzosen die als Kornspeicher genützte Stiftskirche in Brand. Es bleibt die “Stiftsruine Hersfeld”

220px-Stiftsruine_Hersfeld

23 Juni 2011

Kloster Peterhausen

 

Gebhard II. wurde am 7. August 949 in Bregenz als Sohn des Grafen Ulrich VI. geboren. Er stammt aus der Familie der Udalrichinger, die vor allem am Bodensee begütert war. Seine Mutter Dietpurg verstarb bei seiner Geburt. Er kam an die Domschule von Konstanz. Von seinem Onkel Konrad aus der Familie der Welfen, wurde er zum Priester geweiht. Als Konrads  Nachfolger Gaminolf 979 starb, wurde Gebhard von Otto II. (955-983) zum Bischof von Konstanz ernannt. Konstanz war damals die größte Diözese Deutschlands. Gebhard hatte ein reiches Erbe und  983 stiftete er das Kloster Petershausen und stattete es mit seinen Erbgütern aus. Zuvor hatte er ein Grundstück auf dem rechten Rheinufer Konstanz gegenüber mit der Abtei Reichenau getauscht. Dort ließ er sein Kloster errichten. Die Nähe zum Konstanzer Münster,

220px-Gebhard_Fugel_Grundsteinlegung_Petershausen               Bischof Gebhard bei der Grundsteinlegung des Klosters Petershausen

 

also zur Bischofskirche, unterstreicht die Bedeutung der Neugründung als bischöfliches Eigenkloster. Das Kloster wird mit Mönchen aus Einsiedeln besetzt, einer benediktinischen Reformgründung aus dem Jahr 934. Der erste Abt ist Periger-Bezelin. 983 werden die ersten Klosterbauten errichtet. Die Kirche wird dem Petersdom in Rom nachempfunden. Daher stammt auch der der lateinische Name Petri domus. 989 erhält Gebhard vom Papst selbst ausgesuchte Reliquien, darunter das Haupt Gregors des Großen. 992 wird die Kirche zu Ehren Papst Gregors des Großen geweiht. Nach dem Tod Gebhards am 27. August 995 (wahrscheinlicher 996) wird der verstorbene Bischof in der Klosterkirche beigesetzt.1134 wird er heilig gesprochen.

110px-Merazhofen_Pfarrkirche_Chorgestühl_rechts_Gebhard

Auf Bitten Ottos III. (980-1002) und des Konstanzer Bischof Lamberts (995-1018) nimmt Papst Gregor V. (Papst von 996-999) am 24. Mai 996 das Kloster Petershausen unter den päpstlichen Schutz, bestätigt alle erworbenen und geschenkten Besitzungen, besonders das Gut Dussnang und Oberwangen im Thurgau und verleiht das Recht der freien Abts-und Vogtswahl.

Im 11. Jahrhundert kam es in vielen Benediktinerabteien zu gewissen Verfallserscheinungen, die im Zeichen des Investiturstreits noch zunahmen. Einflussnahme von weltlichen Herren, territorialen Bischöfen, Simonie, Missachtung der Ordensregelung und spiritueller Verarmung waren die Phänomene. Eine Reformbewegung ausgehend vom Kloster Cluny in Burgund versuchte dem entgegen zu steuern. Im Bodenseeraum wirkte das Kloster Hirsau vermittelnd für die Reformideen. Petershausen war von diesen Verfallserscheinungen nicht verschont geblieben. Bischof Gebhard III. (1084-1110) war ein prominenter Gegner Kaiser Heinrichs IV. im Investiturstreit. Er kam aus der Familie der Zähringer. Unter Abt Wilhelm von Hirsau war er ins dortige Kloster eingetreten. Er holte 1086 Mönche aus Hirsau nach Petershausen. Abt Theoderich (1086-1116) konnte das Kloster reformieren und sogar Mönche an andere Klöster abgeben. Die Stärke der Abtei zeigte sich , dass sie nun Filialgründungen vornehmen konnte. Kloster Neresheim wurde 1095 mit Mönchen aus Petershausen und Zweifalten gegründet. Kloster Fischingen wurde 1138 vom Konstanzer Bischof Ulrich gegründet und Petershausener Mönchen besiedelt. Theoderich reformierte auch das Kloster Wagenhausen. Allerdings wurde die Abtei nun auch in die Auseinandersetzungen zwischen König und Bischof verwickelt. Gegen den papsttreuen Gebhard wurde mit Arnold von Heiligenberg ein kaiserlich gesinnter Gegenbischof eingesetzt und Gebhard wurde für zwei Jahre von seinem Bischofsstuhl vertrieben. Auch Theoderich musste mit einem Teil seiner Mönche ins Kloster Kastl in der Oberpfalz ausweichen. Dieses Kloster war unter Mitwirkung von Bischof Gebhard durch seine Schwester, die Markgräfin Luitgard von Zähringen, gegründet worden. Theoderich war dann auch der erste Abt von Kastl, konnte aber wieder nach Petershausen zurückkehren, als Bischof Gebhard wieder in sein Amt eingesetzt wurde.

Auf Einladung Graf Ulrichs X. von Bregenz, aus dessen Familie ja auch der Petrshausener Klostergründer Bischof Gebhard stammt, schickte Abt Theoderich Mönche nach Andelsbuch in den Bregenzer Wald. Dort ließ er eine Petrus-Kircheund eine Klausur aus Holz bauen. Zu ihrem Vorsteher ernannte er Meinrad. Sie blieben zunächst dort und konnten auch neue Brüder gewinnen.Wegen der Abgelegenheit des Ortes, des langen Weges und der Schwierigkeit der Lebensmittelversorgung, überlegten sie aber, die Zelle nach Bregenz zu verlegen. Der Bau neben der Pfarrkirche von Begrenz und die Einkünfte der Kirche dafür zu verwenden, die zur Hälfte Graf Ulrich gehörten, scheiterte am Einspruch des Grafen Ludwig von Pfullendorf, dem die andere Hälfte des Kirchensatzes gehörte. Schließlich wurde am See ein geeigneter Platz gefunden und dort Kloster und Kirche St. Peter in der Au gebaut. Es gab dann zähe Verhandlungen um die Loslösung vom Mutterkloster beziehungsweise um die Übergabe als Hauskloster an die Grafenfamilie. Die Chronik des Kloster Petershausen, die um 1150 von einem anonymen Mönch verfasst worden ist, berichtet ausführlich von diesen Vorgängen.

1097 wird die Kirche geweiht.

Petershausen gehört zum Hirsauer Klosterverband, zu dem im Bodenseeraum Weingarten, Isny, Schaffhausen und Petershausen mit seiner Tochtergründung Mehrerau gehörten.

Ein Höhepunkt im Klosterleben war die Erhebung der Gebeine des Gründers Gebhards II. und ihre Beisetzung im Altar der Klosterkirche. Das kam einer Heiligsprechung gleich und das Patronat Gregors des Großen verblasste neben der Person des nun Heiligen Gebhards. 1159 brannte die Abtei ab und wurde von 1162-1180 neu erbaut und später mehrmals erweitert.

Am 14. Juni 1214 nimmt Friedrich II.(1212-1250) das Kloster Petershausen in seinen besonderen Schutz. Unter ihm wird die Abtei auch reichsfrei. Heinrich VII. bestätigt am 17. Oktober 1312 alle Privilegien, die Friedrich II. dem Kloster erteilt hat.

120px-Kloster_Petershausen

 

Auch päpstliche Privilegien konnte sich das Kloster sichern. So gewährte  Innozenz IV. (1243-1254) auf Fürsprache der Äbte von Sankt Gallen und Reichenau dem Kloster das Privileg, auf päpstliche Provision hin keine Pfründe verleihen zu müssen. 1292-1321 war Diethelm von Kastel Abt in Petershausen. Ab 1306 verwaltete er das Amt in Doppelfunktion mit dem Abtssitz von Reichenau. Dort war er von 1306-1341 Abt.

Eine Hochzeit erlebte das Kloster in der Zeit des Konstanzer Konzils 1413-1418.

Konzil_Konstanz3Kaiser Sigismund, auf dessen Betreiben das Konzil einberufen worden war, weilte während des Konzils als Gast im Kloster. Dem Abt Johann III. Frei (1395-1425) verlieh Papst Johannes XXIII., der auf dem Konzil abgesetzt wurde, das Recht, die

Pontifikalien zu tragen. Auch das Provinzialkapitel der Ordenprovinz Mainz-Bamberg trat in Petershausen während des Konzils zusammen und zwar am 28. Februar 1417. Von der Versammlung der Äbte gingen wichtige Reformanstöße für das benediktinische Mönchstum aus. Die Benediktinerregel sollte wieder voll beachtet werden.

1489/90 regierte Abt Martin Brülin. Er brachte das Kloster allerdings an den Rand des Ruins. 1495 konnte ihn der Bischof von Konstanz und das Domkapitel dazu bewegen, sich für 15 Jahre auf die Petershausener Propstei Rötsee zurückzuziehen, wo Abt Theoderich zwischen 1111 und 1116 die Kapelle Rötsee mit allem Zubehör für 8 Mark Silber vom Konstanzer Bischof Ulrich erworben hatte.

Für das Kloster waren Administratoren eingesetzt worden, die sich um die Sanierung des Klosters kümmerten.

Auch die Stadt Konstanz  versuchte im 15. Jahrhundert vergeblich, die Herrschaft über das Kloster zu gewinnen. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts versuchte vor allem der Bischof, sich die Abtei einzuverleiben, das durch die Reformation in eine geradezu desolate Finanzlage geraten war. Es gelang zwar das Augustinerchorherrenstift  und das Kloster Reichenau in das Bistum zu inkorpieren,

nicht aber das Kloster Petershausen.

Johannes Merk (1495-1425), der Nachfolger von Abt Martin Brülin konnte die Abtei wieder konsolidieren. 1525 wurde in Konstanz unter Johannes Zwick und Ambrosius Blarer die Reformation eingeführt. Der Rat ging ziemlich rigoros gegen die Altgläubigen vor. Von den Mönchen verlangte er einen Treueid, um ihnen Bürgerpflichten, also auch Steuern aufzuerlegen. Der Abt Gebhart Dornsperger suchte 1528 Schutz in Überlingen. Dorthin war auch das Klosterarchiv und der Kirchenschatz verlegt worden. 1530 kam es zum Bildersturm, bei dem die Reliquien vom Klostergründer Bischof Gebhard in den Rhein geworfen wurden. 1548 wurde Konstanz in Augsburg in die Acht getan. Ferdinand von Habsburg, der Bruder Kaiser Karl V. marschierte mit österreichischen Truppen in Konstanz ein, die Stadt wurde zur Rekatholisierung gezwungen. Das Kloster allerdings war von den österreichischen Truppen geplündert worden. Erst 1556 kehrten der Konvent und der Abt in das zerstörte Klostergebäude zurück.

220px-Petershausen_1627

Der Augsburger Religionsfriede von 1555 ermöglichte ein rechtlich geregeltes Nebeneinander der Konfessionen. Bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges war ein juristisch-politischer Modus der konfessionellen Koexistenz gefunden.

Auch der zusammenhalt der Klöster hatte sich gefestigt. Eine gewisse katalysatorische Wirkung dazu hatte der Bauernkrieg von 1525 gehabt, unter dem ja fast alle schwäbischen Klöster zu leiden hatten. Dann waren die Prälaten ja auch Verbündete der Habsburger gegen die Ausbreitung der Reformation in Süddeutschland. Einige oberschwäbische Klöster fanden sich schon seit 1425 zu regelmäßigen Versammlungen zusammen. Daraus entwickelte sich das schwäbische Reichsprälatenkollegium. Die institutionelle Entwicklung war 1575 abgeschlossen, als in diesem Jahr erstmals ein Direktor für das Kollegium gewählt wurde. In diesem Jahr trat unter Abt Christoph Funk (1556-1580) auch die Abte dem Prälatenkollegium bei, nach dem die Auseinandersetzungen mit Bischof und Reichsstadt Konstanz um die Selbstständigkeit der Abtei abgeschlossen waren.

Die Prälaten hatten eine Stimme auf dem immerwährenden Reichstag. Zu interständischen Ausschüssen durften sie einen Gesandten schicken und mit dem jeweiligen Abt von Weingarten hatten sie einen festen Vertreter bei den Reichsdeputationstagen.

Abt Christoph Funk wurde durch en päpstlichen Nuntius in Süddeutschland, Feliciano Ninguarda, 1580 dazu gebracht, zu resignieren. Unter seinem Nachfolger Andreas II. Öxlin (1581-1705) erfolgte die Vereinigung mit der Abtei St. Georgen in Stein am Rhein  die 1525 durch ihren letzten Abt wegen der Reformation in Stein am Rheinsäkularisiert wurde. Die verbliebenen Mönche lebten unter ihrem Abt Martin Geiger auf Burg Steinegg im Thurgau. Auch die Propstei Klingenzell, die dem Kloster St. Georgen gehört hatte und die im Gegensatz zur Mutterabtei nicht aufgehoben worden war, wurde nun dem Kloster Petershausen inkorporiert.

1603 gründeten die Klöster Weingarten,  Petershausen, Ochsenhausen, Zwiefalten, Wiblingen, Mehrerau und Isny die Oberschwäbische Benediktinerkongregation, für die sie am 16. August 1603 die päpstliche Approbation erhielten. Zum ersten Präses wurde Abt Wegelin vom Kloster Weingarten  am 24. September 1604 gewählt. Zum Visitator von Weingarten wurde der Abt von Petershausen bestellt. Ziel war die Erneuerung der Ordensdisziplin und die Vereinheitlichung des mönchischen Lebens. Am 24 März 1782 ordnete Kaiser Josef II. den austritt der vorderösterreichischen Klöster an.

Mit der Säkularisation von 1803 endete die Kongregation.

Im Dreißigjährigen Krieg wird Konstanz 1633 von den Schweden unter General Horn 24 Tage belagert, aber nicht eingenommen. Die Stadt Konstanz forderte vom Kloster Steuern für die Festungsbauten, was dem Kloster natürlich auch zu schaffen machte.

Nach dem Krieg erlebte das Kloster nochmals einen Aufschwung, nicht zuletzt dank der Gegenreformation. Es wurden Verträge mit den Städten Konstanz und Überlingen und der Deutschordenskommende Mainau werden geschlossen.

Es gibt noch hochfliegende Pläne zu einem barocken Klosterneubau, aber die Säkularisation 1802 macht dem allem ein Ende. Das Kloster fällt an die Markgrafschaft Baden. Die Abteigebäude dienten den Söhnen des Markgrafen Karl Friedrich von Baden zunächst als Wohnsitz. Die Klosterbibliothek wurde von der universität Heidelberg gekauft und dorthin überführt.

Seit 1992 beherbergen  die Klosterbauten die Außenstelle des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg.

220px-Boeck_Petershausen

14 Juni 2011

Kloster Steingaden

 

220px-Stifterbüchlein_38v_Welf_VI

 

Welf VI. wurde 1115 als Sohn des Herzogs Heinrich der Schwarze von Bayern und der Wulfhilde von Sachsen aus der Familie der Billunger geboren. Sein Bruder war Heinrich der Stolze. Als Oberhaupt der welfischen Adelsfamilie hatte er Welf mit Uta, der Tochter des Pfalzgrafen bei Rhein Gottfried von Calw, verheiratet. Nach der Wahl des Staufers Konrad kam es zum offenen Konflikt zwischen Staufern und Welfen. Konrad entzog Heinrich die Herzogtümer Bayern und Sachsen und Welf, der mittlerweile Markgraf von  Tuszien war, die Markgrafschaft Tuszien.

1139 starb Heinrich. Welf wurde Vormund von Heinrich dem Löwen, dem Sohn seines Bruders Heinrich. Er vertrat nun die welfischen Ansprüche und konnte sie vor allem in Bayern behaupten. Das Verhältnis entspannte sich allmählich. 1146 nahmen sowohl Konrad als auch Welf das Kreuz. Er ordnete seine Verhältnisse und vor seiner Abreise gründete er das Kloster Steingaden 1147. Es sollte wohl in Absprache mit Heinrich dem Löwen die neue Grablege der Welfen werden.  Nach der Überlieferung der Prämonstratenser soll der Ordensgründer Norbert gesagt haben, als er sich auf einer Reise nach Rom befand und durch Steingaden kam, dass an diesem Ort einmal seine Mönche leben werden. “ In hoc loco habitabunt aliquando filii mei.”

_ka_pk_ste-008

Mönche aus Rot besiedelten das Kloster. Als Propst wurde Anselm von Rot ernannt, der von 1147 bis  zu seinem Tod am 11. Februar 1162 Propst von Steingaden war. Wie damals üblich wurde Steingaden  als Doppelkloster gegründet.

Unter Anselm wurde das Kloster ein Hort strenger Lebensführung und hoher Gelehrsamkeit.

Schon 1156 wurde das Kloster  dem Papst unterstellt. Es gehörte zunächst zur Circaria Sueviae, aber ab dem 16. Jahrhundert zur Circaria Bavaricae. Es wurde der Diözese Augsburg zugeteilt, worüber lange gestritten wurde, weil es zu der Zeit eigentlich zu Freising gehört hätte.

Das romanische Münster, das sogenannte Welfenmünster, wurde 1176 unter dem 2. Propst Konrad (1162-90) geweiht. Der Sohn des Klostergründers, Welf VII. starb

WelfVIam 12. September 1167 in Siena an Malaria. Er wurde im Welfenmünster bestattet. Nachdem auch Welf VI. am 15. Dezember 1191 in Memmingen starb, wurde er neben seinem Sohn in Steingaden begraben.

In rascher Folge wurden dem Kloster die Pfarreien Peiting (1194) der Stammsitz der bayrischen Welfen, Wiedergeltingen und Prem (1197) Siebnach (1220) Wilmanshofen (1251), Ober und Unterirsingen (1284-1396) Epfach (1286), Holzhausen (1296) Trauchgau (1312) dann schließlich die Pfarrei Steingaden selbst inkorpiert. 1758 schließlich folgte noch Hohenfurch und Ingenried. In Südtirol und zwar in Algund (bei Meran) und Tschars hatte das Kloster seit 1218 ausgedehnte Weinberge. Es betreute auch die Wallfahrtskirchen von Ilgen, Kreuzberg und Wies.

Die Schwestern wurden bald unabhängig. Sie hatten aber unter dem Adel der Umgebung zu leiden. Deshalb flohen sie zusammen mit den Schwestern von Polling und Rottenbuch, auch eine Welfengründung 1284 nach Benediktbeuren, das damals noch ein Doppelkloster war.

Das Kloster Steingaden war seit der Gründung reichsunmittelbar. Der Konvent war bis zum 15. Jahrhundert ausschließlich dem Adel vorbehalten. Um 1400 verarmte der Konvent. Schlechte Klosterdisziplin und andere Bedrängnisse sorgten dafür, dass 1400 nur noch ein Kanoniker im Haus lebte. 1402 brannte es auch noch im Kloster.Zur selben Zeit machte auch das Mutterkloster Rot eine schwere Phase durch. Der dortige Abt Merk (1415-1420) schaffte eine allmähliche Konsolidierung der Roter Abtei und Abt Hessler (1421-1457), der auch der zweite Gründer Rots genannt wird, brachte das Kloster wieder zur Blüte. Er griff wohl auch in  Steingaden ein und forderte den Steingadener Propst Johann Sürg von Sürgenstein (1402-1431) zum Rücktritt auf. Außerdem wurde das Kloster unter den Schutz der Herzöge von Bayern gestellt. Langsam wendeten sich die Dinge wieder zum Besseren. 1434 wurde das Kloster zur Abtei erhoben. Der erste Abt war Johann Scheiterer (1431-1445). 1456 bis 1491 war Kaspar Suiter Abt. Er ließ das Kloster in spätgotischem Stil

_ka_ks-145_01erneuern. 1485 erhielt die Abtei die Pontifikalien.

Im April 1525 erhoben sich die Bauern im Allgäu und Mittelschwaben. Der Schwäbische Bund bat Herzog Ludwig von Baiern, nach Mindelheim Reiter zu legen.

Um den Lechübergang zu sichern, hatte er Kriegsvolk nach Landsberg gelegt. Am 20. April ließ er Buchloe plündern und legte es in Schutt und Asche. Die Antwort der Bauern blieb nicht aus. Der Allgäuer Haufe unter ihrem Führer Knopf von Leubas zündete die Burgen von Irmatshofen und Angelberg an und der Buchloer Haufe, mittlerweile über 3000 Aufständische stark unter ihrem Führer Sebastian Bader, zog nach Steingaden und brandschatzte und plünderte das Kloster. Dabei ging der größte Teil des Archivs verloren. Unter Abt Johann Dimpt (1527-1535) begann der Wiederaufbau im Renaissancestil. 1534 entstand das heutige Chorgestühl. Unter Abt Gallus Theiniger (1580-1606) kam 1600 ein Freskenzyklus hinzu, von dem in der Vorhalle die Welfengenealogie noch erhalten ist. Während viele Klöster im schwäbisch-bairischen Raum unter dem Schmalkaldischen Krieg und den Wirren der Reformationszeit zu leiden hatte, blieb Steingaden davon verschont und erlebte eine Blütezeit. Abt Theiniger machte sich auch um die Reform des Ordens verdient. Er rief Kanoniker aus Brabant. 1624 wurde ein Noviziat eingerichtet. Dann aber kam der Dreißigjährige Krieg. Abt August Bonenmayer (1645-1674) musste die erneute Zerstörung des Klosters erleben. 1646 brannten französische Truppen das Kloster nieder. Dabei wurde auch die Bibliothek zerstört. Aber er bewerkstelligte auch den Wiederaufbau nach den Kriegszerstörungen im aufkommenden Barockstil.

220px-Steingaden-Interieur

Den Äbten gelang es schließlich alle Schäden zu beheben. Auch die Wirtschaftskraft

konnte wieder gestärkt werden. Ab 1616 übernahm Steingaden vom Kloster Oberzell die Rechte des Mutterklosters über das Stift Griffen in Kärnten. 1661 wurde das unter Ottheinrich 1557  im Zuge der Reformation aufgehobene und säkularisierte Kloster Speinshart, das 25 km südöstlich von Bayreuth und 30 km nordwestlich von Weiden liegt, von Steingaden aus wieder besiedelt .

Die jährlichen Einnahmen konnten wieder auf 34.000 Gulden gesteigert werden, wofür 904 Gulden Steuer zu entrichten waren. Es verfügte über 1619 Joch Waldbesitz also rund 950 Hektar. Auch die Zahl der Konventualen hatte sich durchaus positiv entwickelt. War 1404 nur noch ein Kanoniker im Kloster, so waren es 1623 schon 28, 1764 45 und 1803 bei der Aufhebung immerhin  noch 25. Das alles ließ sich nicht schlecht an. Abt Antonius Erath von Erathsburg (1708-1715) begann dann allerdings wieder mit verschwenderischer Amtsführung. Das Kloster war berüchtigt wegen seines luxuriösen Mönchslebens. Es hatte die schönsten Schimmelkutschpferde im weiten Umland.

Abt Hyazinth Gassner (1729-1745) wollte die im Prämonstratenserorden vielfach üblichen Fronleichsnamsprozession auch in Steingaden einführen. Dazu ließ er durch Pater Magnus Straub eine Figur zusammenzimmern die von dem Maler und Laienbruder Frater Lucas mit Ölfarben gefasst wurde. Von 1730-1732 wurde sie auch in der Prozession mitgeführt, dann aber wieder ausrangiert und beim Klosterwirt deponiert. Dieser schenkte sie 1738 der Wiesbäuerin Lori, die dort einen Einödhof führte. Kurz danach erzählte ihr Mann Martin Lori überall herum, seine Frau habe die Figur weinen sehen. Die Steingadener Mönche waren sehr skeptisch. Der Abt meinte, man solle dem Lori auf keinen Fall Glauben schenken. Schließlich sei er als Alkoholiker bekannt. Trotzdem machte die Erzählung schnell die Runde. Ein regelrechter Wallfahrtsboom brach aus. Bauer Lori verköstigte die Pilger und machte glänzende Geschäfte. Daran wollte auch der Konvent teilhaben. Eine Wallfahrtskirche

120px-Baviera._Iglesia_de_Wies_(Wieskirche)  sollte gebaut werden. 1744 gab es die ersten Baupläne. Baumeister ist Dominikus Zimmermann, im Prämonstratenserorden kein Unbekannter. Schließlich hat er auch die Wallfahrtskirche Steinhausen mit dem Gnadenbild Mariens ausgeführt und auch einen Bauplan für das Neue Kloster in Schussenried entworfen. Der allerdings nicht zur Ausführung kam.

1745 wurde noch ohne Baugenehmigung begonnen. Abt Hyazinth Glaser verstarb 1745. Er legte seinem Nachfolger Abt Marian Mayr (1745-1772) den Bau der Wies ans Herz. Der neue Abt stammte übrigens wie Dominikus Zimmermann aus Landsberg am Lech. Die Baukosten waren mit 30.000 Gulden veranschlagt. 1746 legte Probst Herkulan Karg aus Diessen den Grundstein. Aber die Baukosten stiegen, schließlich auf das achtfache des Voranschlags. Einmal waren die Transportkosten enorm hoch, dann fielen hohe Holzkosten  an für Dachstuhl und Gewölbe. Dazu kam noch sehr schwieriges Gelände,  der Lehm der Endmoräne.

Außerdem mussten 20.000 Gulden für den Wegebau aufgebracht werden, zunächst für den Transport, aber auch die Pilger mussten ja anreisen, damit sich das rechnete. Steingaden war pleite. Der Abt resignierte. Das Kloster erholte sich bis zur Säkularisation nicht mehr, obwohl mit dem letzten Abt Gilbert Michl (1786-1803,+ 1828) nochmals ein guter Wirtschafter an der Regierung war.

Bleibt noch anzumerken, dass auch der Bau von Steinhausen den damaligen Schussenrieder Abt Didacus Ströbele 1733 zur Abdankung gezwungen hatte. Dominikus Zimmermann verbrachte seinen Lebensabend in einem Haus neben der Wies. Die Familie Lori hatte den Sprung von der armen Einödbauernfamilie zur angesehenen Gastwirtsfamilie geschafft. Der als Kirchenbauer wenig erfolgreiche Sohn von Dominikus Zimmermann heiratete 1750 die mittlerweile verwitwete Entdeckerin des Tränenwunders

81px-Baviera._Iglesia_de_Wies_(Wieskirche)._Altar_mayor 220px-Steingaden-Interieur

Das Kloster wurde 1803 im Zuge der Säkularisation aufgehoben. Die Klostergebäude wurden von den Brüdern Mayer erworben und 1819 bis auf den Flügel mit dem romanischen Kreuzgang abgebrochen. Die Klosterkirche, das Welfenmünster ist jetzt Pfarrkirche von Steingaden. Angeblich hatte der bayrische Staat geplant, auch die Wieskirche abreißen zu lassen. Nur der Widerstand der Bauern aus der Umgebung habe dies verhindert. Belegen lässt sich das aber nicht.

Heute aber ist die Wieskirche  Weltkulturerbe und großer Touristenmagnet am Ende der Romantischen Straße.

220px-Steingaden_Kloster_1

 

 

Pröpste und Äbte von Steingaden

1. Pröbste

Anselm          1147-1162                         Eberhard      1293-1311

Konrad           1162-1190                        Ulrich             1311-1337

Gebizo            1190-1198                       Berthold          1337-1379

Walter             1198 –1208                     Berthold          1369-1379

Berthold          1208-1223                       Johann Brotschneider 1379-1385

Gebizo             1223-1239                      Konrad              1385-1392

Berthold           1239-1265                     Ulrich                 1392-1400

Mangold           1266-70,1276                Petrus               1400- 1402

Egino                1270 ?-1281                  Johann Sürg von Sürgenstein

Heinrich            1273                               1402-1431

Dietrich              1281-1293

                                           2. Äbte

Johann Scheiterer   1431-1445               Johann Dimpt  1527-1535

Johann Pfeiffer        1445-1450               Michael Moser 1535-1553

Konrad Fischer        1450-1456               Joachim Wiedemann (Salicetus)

Kaspar Suiter           1456-1491               1553-1580

Vitus Meier               1491-1500               Gallus Theininger 1580-1606

Ulrich Griespeitel      1501-1523               Georg Frühschütz 1606-1623

Norbert Marstaller    1623-1645              Magnus Pracht 1715-1729

August Bonenmayer 1645-1674              Hyacinth Gaßner  1729-1745

Gilbert Schmid von Wellnstein                  Marian Mayr 1745-1772

1674-1684                                               Gregor Fischer 1772-1774

Hieronymus Hail         1684-1687             Franz Weber 1774-1777

Augustin Bauer           1687-1699            Augustin Bauer 1777-1784

Marian Biechele          1699-1708             Gilbert Michl 1686-1803 + 1828

Antonius Erath v. Erathsburg 1708-1715

09 Juni 2011

Die Goldschmiedefamilie Dinglinger

 

wappen_farbe

                       Familie und Ausbildung

Der Messerschmied Hans Dinglinger ist um 1560 in Tuttlingen geboren. Er erwirbt das Bürgerrecht in  Biberach und heiratet 1595 Barbara Zell. Sie haben einen Sohn, Melchior. Dieser ist 1604 in Biberach geboren. Er wird wie der Vater Messerschmied. 1626 heiratet er in Biberach Maria Wern. Ihr Sohn Conrad Dinglinger wird 1634 geboren. Auch er wird Messerschmied. 1662 heiratet er in Biberach Anna Margarethe, die Tochter des Goldschmieds Georg Friedrich Schopper. Sie bekommen 6 Kinder. Johann Melchior Dinglinger wird am 26. Dezember 1664 in Biberach an der Riss geboren. Dann folgt ein Jahr später Anna Barbara.Ein halbes Jahr später, am 17. März 1666 kommt Georg Friedrich auf die Welt. Dann wird Anna Maria geboren und  1668 Georg Christoph. Das letzte Kind der Familie ist Anna Catharina, die 1669 geboren wird. Johann Melchior erlernte in Ulm das Goldschmiedehandwerk. Von 1684-1691 war Dinglinger in Augsburg, der damaligen Hochburg des Goldschmiedehandwerks. 1692 kam er als Geselle nach Dresden und 1693 wurde er in die Goldschmiedeinnung aufgenommen. Er scheint nicht unvermögend gewesen zu sein. Über Dinglingers Jugend und künstlerischen Werdegang ist wenig bekannt. Man kann aber annehmen, dass ihm Ulm und vor allem  Augsburg einige Anregungen gegeben haben. Auf Reisen, besonders in Frankreich, vervollständigte er seine Bildung. Auf seinen Reisen machte er wohl auch die Bekanntschaft mit August dem Starken. 1698 wurde er zum Hofjuwelier August des Starken ernannt. In dritter Ehe war er mit Anna Elisabeth Eben, der Schwester des bedeutendsten Goldschmieds in Riga Johann Georg Eben verheiratet. In Riga ist dieser hauptsächlich für die Schwarzhäupter Gesellschaft tätig, einer Vereinigung von Kaufgesellen, wie es sie vergleichbar auch in anderen Hansestädten des Ostseeraums gegeben hat.  Eben stammte ebenfalls aus Biberach und war während der Augsburger Zeit Dinglingers mit ihm zusammen. Johann Melchiors dritte Ehefrau war übrigens die Cousine von Georg Friedrichs erster Ehefrau Catharina Barbara. 1721 heiratete Johann Melchior die zu dem Zeitpunkt 25-jährige  Sophie Anna Gutermann, Tochter des Goldschmieds Georg Friedrich Gutermann und Angehörigen des Inneren Rats aus Biberach. Mit ihr hatte er noch 5 Kinder, drei Buben und zwei Mädchen, die aber alle schon im Kleinkindesalter verstarben. Aus seinen vorhergehenden Ehen hatte Johann Melchior bereits 11 Kinder im Alter von einem bis 26 Jahren. Sie wird als blühendes Geschöpf mit blonden Haaren beschrieben und zu ihren Talenten soll eine nicht zu verachtende Kochkunst gezählt haben. Susanne starb nach nur 5 – jähriger Ehe im Alter von 31 Jahren am 10.12.1726 in Dresden. Sie starb wie alle Ehefrauen Dinglingers im Kindbett.

170px-Antoine_Pesne_004 antoine-pesne-portraet-der-maria-susanne-dinglinger-geb.-gutermann-07387

Die beiden Brüder Georg Friedrich und Georg Christoph  folgten Johann Melchior 1693 nach Dresden. Georg Christoph war ebenfalls Goldschmied und Georg Friedrich war Emaillemaler. Über seine Ausbildung gibt es verschiedene Hinweise, einmal Ulm, wahrscheinlicher aber ist Augsburg. Im Biberacher Kirchenbuch wird er als Kunstmaler geführt. Die drei Brüder wohnten zusammen in Dresden in einem Haus am Neumarkt. Georg Friedrich behielt seinen Wohnsitz aber in Biberach. Dort heiratete er am 16.5. 1695  Catharina Barbara Gutermann, die Tochter des Ratsherrn und Zuckerbäckers Johann Jacob Gutermann. Mit ihr hatte er 15 Kinder, von denen aber 11 früh starben. Catharina Barbara starb 38-jährig bei der Geburt ihres 15. Kindes im Jahre 1713. Sie wurde zusammen mit ihrem totgeborenen Kind in Dresden beerdigt. Er heiratete am 6.7. 1716 nochmals und zwar Maria Felicitas Wieland, geboren am 23.9.1693, die Tochter des Geheimen Rats, Spital-Syndikus und Stadtpfleger Martin Wieland. Er war der Großonkel des Dichters Christoph Martin Wielands. Maria Felicitas brachte noch zwei gesunde Kinder zur Welt.

Von Georg Christoph ist wenig bekannt. Er war Goldschmied und folgte Johann Melchior 1693 nach Dresden. Der Jüngste hatte sich auf Juwelen spezialisiert.

Georg Friedrich 1_03 Catharina Barbara Gutermann_01

                                Die Häuser Dinglingers

Zunächst wohnten die drei Brüder ja am Neumarkt. Mit fortschreitendem künstlerischen Erfolg stellte sich natürlich auch der wirtschaftliche Erfolg ein. Um 1700 ließ Johann Melchior in der Frauenstraße 9 ein Wohnhaus errichten. Es galt schnell als Sehenswürdigkeit in Dresden. Es hatte ein Dachterasse mit Wasserspielen, einem Observatorium und eine Windmessanlage. Als der russische Zar Peter der Große in Dresden weilte, besuchte er Johann Melchior Dinglinger und wohnte dort.

Dinglingerhaus_02 brunnen-gewandhaus

Im Sieben-Jährigen Krieg wurde Johann Melchiors Haus beschossen aber wieder hergestellt. Endgültig zerstört wurde es bei der Dresdner Bombennacht am 12. Februar 1945. Erhalten geblieben ist nur der Dinglinger Brunnen, der nach 1718

an der an der Schmalseite des Hofes errichtet war. Er wurde wieder zusammengesetzt und steht heute am Gewandhaus. Erhalten hat sich das Gartenhaus von Johann Melchior in Loschwitz in der Schevenenstraße.

loschwdinglingers

Ursprünglich war das ein ehemaliges Winzerhaus, das schon seit 1692 im Besitz Johann Melchiors war.   Er hatte dort auch seinen eigenen Weinberg. Den Sommer verbrachte er in seinem  Winzerhaus. Um 1710 baute er es um. Dem älteren Wohntrakt hatte er einen  barocken Flügel angehängt. Im Obergeschoss befand sich ein Festsaal, dem einzigen seiner Art, der in Sachsen noch erhalten ist. Neben dem Wohnhaus legte er einen barocken Garten an mit Wegen, Treppen und Ruheplätzen. Erhalten geblieben ist ein kleiner Brunnen in der Mitte des Platzes und ein kleiner Pavillon, der sich zu der wohl ältesten Kegelbahn Sachsens öffnet.

An der Decke des Festsaals war eine Windrose, auf der die Himmelsrichtungen exakt verzeichnet sind. Auf dem Dach befindet sich eine Wetterfahne, die mit einer  Wetteruhr im Saal verbunden ist. Dort konnte man genau ablesen, woher der Wind wehte, ein weiterer Beleg für Dinglingers Hobby, Astronomie und Wetterkunde.

Die Apparatur wurde von Dinglinger selbst entworfen und von Zar Peter dem Großen gebührend bewundert, der auch in Dinglingers Landhaus zu Gast war.

Wenn man in Dresden vom Dinglingerhaus sprach, war damit eigentlich das Haus

Georg Christophs gemeint. 1712 wurde es von Matthäus Pöppelmann, dem Architekten des Zwingers und des Taschenbergpalais errichtet. Es war am Jüdenhof und 1716 erwarb es Georg Christoph. Es war eines der wertvollsten

Dinglingerhaus_01 Dinglinger_03

barocken Dresdner Bürgerhäuser. Es war ein fünfachsiges Eckhaus mit drei Vollgeschossen. Die Fassade war reich geschmückt.

1711 konnte Catharina Barbara Dinglinger ein Haus in der Pirnaischen Gasse erwerben. 1718 kaufte Johann Melchior in der Frauengasse das neben seinem Haus stehende Gebäude. Er stellte es Johann Friedrich und dessen Familie zur Verfügung. In diesem Haus machte der Emaillemaler technische Versuche an immer großformatigen Emaillebildern.

Verbleibt noch an das Dinglingerhaus in Biberach zu erinnern. Wie man aus den Lebensläufen ersieht, hatten zu mindestens Johann Melchior und Georg Friedrich den Kontakt nach Biberach nie abreissen lassen. Beide Ehefrauen Georg Friedrichs, aber auch die dritte und vierte Ehefrau Johann Melchiors stammten aus Biberach. Es ist nicht klar, auf welchen der drei Brüder das Haus am Holzmarkt in Biberach zurückgeht, aber es ist durchaus wahrscheinlich, dass sich Johann Melchior in Biberach ein Absteigequartier bauen lassen hat. Heute befindet dich die Allmann’sche Apotheke in dem Haus.

dinglingerhausbiberach

                Die Werke der Brüder Dinglinger

1701 entsteht eines der wenigen nachweisbaren frühen Großwerke Dinglingers

Dinglinger-blumenkorb  Der Blumenkorb, ein “von Gold mit schönen geschmelzten Blumen, Fliegen und mit vielen Diamanten gemachter künstlicher Korb”, wie ihn Johann Melchior beschreibt. Er war als Geschenk für August den Starken gedacht, um ihn für den Ankauf eines goldenen Kaffeezeugs gnädig zu stimmen. Johann Melchior schuf Werke öfters auf eigene Rechnung, die dem sächsischen Kurfürsten gezeigt wurden und die er dann kaufte. Prinz Ernst Heinrich von Sachsen hatte mit seinen beiden Söhne Gold und Silberschmiedearbeiten aus seinem Privatvermögen 1945 im Wald bei Moritzburg vor der heranrückenden Roten Armee vergraben. 1996 wurden bei einem Schatzfund Teile der Sammlung entdeckt. Das Prunkstück, eben der Blumenkorb, wurde 1999 bei Sothebys für 199.000 Pfund versteigert. Der Biberacher Mäzen Bruno Frey erwarb das Stück und stellte es dem Museum Biberach als Dauerleihgabe zur  Verfügung.

Die anderen Werke Dinglingers sind alle im Neuen Grünen Gewölbe im Dinglingersaal zu sehen

120px-Pretiosen_Coffe_Zeug01b ks_gruenesgew_kaffeekanne 112px-Pretiosen_Coffe_Zeug_Detail

Das Goldene Kaffezeug wurde 1701 vollendet. Die verwendeten Materialien sind Gold, Silber, Email und Elfenbein. Rund 5600 Diamanten sind verwendet worden.

Es ist der Inbegriff eines prunkvollen Kaffegeschirrs, so wertvoll, dass daraus wohl nie Kaffe getrunken worden ist. Es kostete 50.000 Taler, der Gegenwert eines Schlosses! Johann Melchior vermerkte dazu ”Nachdem Sr. Königl. Majt. obige spezifierte Stücke alle besehen und allergnädigst beliebten zu behalten, haben höchst gedacht Sr. Königl. Majt. selbige insgesamt auf das genaueste und bedungen und behandelt vor: 50.000 Thlr. corrent.”

Es sah aus wie feinstes chinesisches Porzellan, war über und über mit asiatischen Malereien bedeckt und huldigte außerdem dem “Türkentrank”. Johann Melchior hatte auf die richtige Karte gesetzt.

Für dieselbe Summe hätte man damals aber auch 17 Wohnhäuser in bester Innenstadtlage bekommen.

Um 1705 entsteht “Das Bad der Diana”, eine Zierschale aus Chalzedon in goldener Fassung, 38 cm hoch und reich mit Perlen, Diamanten und Emailbildern,silbernen und stählernen Ornamenten mit Geräten und Tieren besetzt. Der Schaft besteht aus einem emaillierten Hirschkopf, dessen goldenes Geweih unterstützt durch einen Baumstamm die Schale trägt, sowie zwei emaillierten Hunden, die Fleischstücke verschlingen. Das bezieht sich auf die Sage der Diana, die einen Jäger in einen Hirsch verwandelt und der von seinen eigenen Hunden zerrissen wird.

ks_gruenesgew_diana

Zwischen 1701 und 1708 entsteht das berühmteste Werk der Brüder Dinglinger Der Hofstaat zu Delhi am Geburtstag des Großmoguls Aureng –Zeb. Es besteht aus 132 vergoldeten und emaillierten Figuren. Es ist verziert mit 5223 Diamanten, 189 Rubinen, 175 Smaragden, 53 Perlen und einem Saphir. Die drei Brüder arbeiteten mit 12 Gehilfen sieben Jahre an dem Werk. Auch das war keine Auftragsarbeit sondern die Dinglingers schufen das Werk erst mal auf eigenes Risiko und Rechnung. Der Hofstaat war ein Kabinettstück großer enzyklopädischer Gelehrsamkeit aus der Spätzeit des Kunstkammergedankens.800px-Hofstaat_zu_Delhi_am_Geburtstag_des_Großmoguls03 Es misst 142 x 114 cm und ist 58 cm hoch. Aureng –Zeb war ein Zeitgenosse August des Starken und lebte von 1658-1707. Er regierte das Reich der Großmoguln und beherrschte den ganzen indischen Subkontinent. Die Dinglingers schafften den Hofstaat aus Illustrationen von Reisebüchern aber auch mit chinesischen, ägyptischen und antiken Motiven. Im Februar 1709 liess Dinglinger in der Frauengasse anspannen. Ein Fuhrwerk mit extrem weicher Polsterung und bester Federung sollte die wenigen 100 Meter zur Residenz zurücklegen um das Geburtstagsgeschenk, das sich Kurfürst August selbst zu machen gedachte, heil an den Hof zu bringen. Die szenische Miniatur zeigt den luxuriösen Geburtstagsempfang des indischen Großmoguls in einem barocken Traum von

120px-Hofstaat_zu_Delhi_am_Geburtstag_des_Großmoguls06 hofstaat

Orient. Majestätisch unter einem Baldachin thronend beobachtet Aureng-Zeb wie im Vordergrund sein stattliches Körpergewicht mit Schätzen aufgewogen wird.

Das Kunstwerk kostete 58.485 Reichstaler. Das entspricht einem Jahressold von 1000 Beamten. Die Exponate des Grünen Gewölbes wurden 1942 auf die Festung Königstein ausgelagert und entgingen so der Zerstörung im Feuersturm 1945.

120px-Hofstaat_zu_Delhi_am_Geburtstag_des_Großmoguls02

Auf Schloss Friedenstein in Thüringen gibt es noch einen Elefanten von Dinglinger.

aus dem Jahre 1710. Er ist seit 1728 in der Gothaer Kunstkammer nachweisbar.

Er ist mit Smaragden besetzt aus gegossenem Silber, teilweise vergoldet. Er wurde in derselben Form gegossen wie die Elefanten aus dem Hofstaat zu Delhi. Im Gegensatz zu den Elefanten im Grünen Gewölbe ist der Gothaer Elefant nicht emailliert. So kommt aber die detailgetreue Modellierung des Tieres sowie die feine Ziselierung der Satteldecken bestens zur Geltung.

200w_18

Laut einer Anmerkung im Inventar schenkte Magadalena Augusta das kostbare Stück Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1676-1732) zum Geburtstag.

Aus der Spätzeit Johann Melchiors stammt der Mohr mit Smaragdstufe, nämlich 1724. Dinglinger schuf ihn zusammen mit dem in Salzburg ausgebildeten Bildhauer Balthasar Permoser (1651-1732). Er ist ca. 64 cm hoch, besteht aus lackiertem Birnbaumholz, das reich mit Smaragden, Rubinen, Saphiren, Topasen, Granaten, Almandinen und Schildpatt besetzt ist. Der Mohr stellt wohl einen Indianer da, was am indianischen Körperschmuck zu erkennen ist. Smaragdstufe bezeichnet die Erdplatte, in der die Smaragde noch fest stecken.

170px-Mohr_mit_Smaragdstufe_Grünes_Gewölbe_Dresden Zwei Söhne Johann Melchiors arbeiteten in seiner Werkstatt. Sie erreichten aber beide nicht die Bedeutung des Vaters.

Georg Friedrich starb schon mit 24.12. 1720 in Dresden. Aus seiner ersten Ehe ging Georg Friedrich hervor, der in Hannover Architekt und Festungsbaumeister war, sowie eine Enkelin Sophie Friederike, die 1791 in Dresden starb und Miniaturmalerin war. Aus der 2. Ehe stammte der 1720 geborene Sebastian Heinrich, der später Juwelier in London wurde.

Johann Melchior starb am 6.3. 1731 in Dresden und Georg Christoph schließlich starb 1748.

06 Juni 2011