Reichsabtei Gutenzell

 

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Zwischen 1216 und 1240 entstanden in Oberschwaben in rascher Folge Frauenzisterzen, nämlich Wald 1216, Rottenmünster 1220,  Heggbach und Heiligkreuztal 1231, Baindt 1236 und schließlich 1237 Gutenzell. Die Prämonstratenser in Rot und Schussenried hatten mit ihrem Kapitelbeschluss von 1198 festgelegt, keine Schwesterngemeinschaften mehr zu betreuen. Offener zeigten sich dagegen die Zisterzienser mit dem Salemer Abt Eberhard von Rohrdorf (1191-1240). Er war der 5. Abt des Klosters und verwandt mit dem damaligen Konstanzer Bischof Diethelm von  Krenkingen (Bischof von 1189-1206). Er wurde mit gerade mal 30 Jahren zum Abt gewählt und spielte in staufischer Zeit eine gewichtige Rolle und hatte auch einen sehr guten Draht zum damaligen Papst Innozenz III. (1198-1216). Von ihm wurde er immer wieder zu Vermittleraufgaben herangezogen. Abt Eberhard unterstützte im oberschwäbischen Raum informelle Schwesternsammlungen und führte sie dem Zisterzienserorden zu. Die Klosterchronik nennt zwei Schwestern aus dem Geschlecht derer zu Schlüsselberg, die um 1230 das Kloster gegründet haben. Die Beschreibung des Oberamts aus dem Jahr 1837 berichtet von zwei Schlössern in der Nähe von Gutenzell, eines auf dem sogenannten Schloßberg bei Gutenzell. Allerdings ist ein Adelsgeschlecht von Schlüsselberg urkundlich nicht belegt. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Stifter aus der Familie der Edelfreien von Aichheim kamen, entweder aus der Hauptlinie von Illereichen oder dem nach Burgrieden benannten Zweig. Die Herren von Aichheim lassen sich auch als Förderer von Gutenzell nachweisen und sie errichteten dort auch ihre Grablege.

Wie Ausgrabungen zeigen, bestand im 12. Jahrhundert im Bereich der Klosterkirche auch schon eine Kirche und auch Klostergebäude waren wohl schon vorhanden. Ein benachbarter Zisterzienserabt musste um Aufnahme in den Orden gebeten werden. Die Schwesterngemeinschaft richtete ihren Klosterbau und ihre Lebensweise nach den zisterzienzischen Vorschriften ein. Der Abt hatte das zu begutachten und wenn er es verantworten konnte, stellte er beim nächsten Generalkapitel den Antrag auf Inkorporation. Das Gutenzeller Patrozinium mit Kosmas und Damian ist bei den Zisterziensern eher unüblich und deutet auch darauf hin, dass schon vor der Aufnahme in den Orden eine Kirche bestand. Die Paternität im Zisterzienserorden bedeutete die Aufsicht über Frauenklöster, seelsorgerliche Betreuung sowie Beratung in wirtschaftlichen Dingen und rechtlichen Fragen. So waren zum Beispiel die Klöster Heggbach und Gutenzell zur Rechnungslegung in Salem verpflichtet.

Im Gegensatz zu Heggbach, das auch für Frauen bürgerlicher Herkunft offenstand, nahm Gutenzell nur Adlige auf.

Abt Eberhard setzte Mechthildis von Aichheim zur Äbtissin ein, die als 1. Äbtissin in der Abtsliste geführt wird. 1238 bestätigte Papst Gregor IX. (1227-1241) die Inkorporierung Gutenzells in den Zisterzienserorden. Gleichzeitig nahm er das Kloster in seinen Schutz. 1259 trat der erstmals belegte Name Bona Cella deutsch Guotencelle an die Stelle von Cella Dei.

Schon Konrad III., der erste Staufer auf dem Königsthron, hatte das Kloster Salem zum Reichskloster erhoben. Unter Abt Eberhard waren die Beziehungen zu den Herrschern ebenfalls bestens und Friedrich II. stellte dem Kloster eine Reihe Schutzurkunden aus. Davon profitierten natürlich auch die von Abt Eberhard geförderten Frauenklöster im oberschwäbischen Raum und wie Salem konnte Gutenzell auch nach dem Ende der Staufer seine Position behaupten.

Im liber decimationis, das ist das Zehntbuch des Bistums Konstanz, ein Amtsbuch, das zum Zweck des Einzugs des Kreuzzugszehnten angelegt wurde, ist Gutenzell und Heggbach steuerfrei gestellt.

Am 7.1. 1283 stellte Rudolf von Habsburg (König von 1273-1291) in Ulm eine Urkunde aus, die es dem Nonnenkloster Gutenzell erlaubte, reichslehnbare und andere Güter bis zum Wert von 100 Mark zu erwerben.

1336 gab der Würzburger Baumeister Bernolt dem Chorraum ein frühgotisches Gepräge.

Am Palmsonntag 1369 schlug der Blitz ein und legte das ganze Kloster in Schutt und Asche. Die meisten Urkunden gingen verloren. Aber unter Äbtissin Becht war das Kloster 1390 schon wieder aufgebaut. Die Herren von Aichheim spendeten so reichlich, dass man sie fast als zweite Gründer des Klosters ansehen kann.

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Am 10. September 1418 stellte Kaiser Sigmund in Ulm eine Urkunde mit der er das Frauenkloster Gutenzell von allen Steuern, Diensten usw. befreite. Am 1. August 1437 erteilte Kaiser Sigmund in Eger dem Kloster Gutenzell unter Äbtissin Agnes “die Erlaubnis, für sein Gebiet ein besonderes Gericht über Unzucht, Schuld, Geldschuld und Frevel zu errichten”. Bisher hatte die Landvogtei Schwaben jegliche Gerichtsbarkeit im Gutenzeller Territorium ausgeübt. Die Blutgerichtsbarkeit verblieb bei der Landvogtei.Seine Nachfolger Friedrich III. und Maximilian bestätigen die Privilegien  1444 und 1496.

Da die Brandkatastophen die Urkunden vernichtet hatten, gibt erst ein 1469 angelegtes Urbar einen Überblick über die Besitzverhältnisse des Klosters. Außer Gutenzell hatte das Kloster Besitz in acht Weilern. Ein Drittel von Achstetten und Kirchberg sowie halb Oberholzheim gehörten dem Kloster.

Im Bodenseeraum hatte das Kloster Weingärten mit Schwerpunkt Markdorf und Kippenhausen. Zunächst war das gemeinsamer Besitz von Heggbach und Gutenzell bis 1504 eine Teilung erfolgte.

1521 wird Gutenzell in der Reichsmatrikel aufgeführt, das war ein Verzeichnis der Reichsstände, in dem auch festgelegt war, wieviele Truppen der jeweilige Stand für das Reichsheer zu stellen hatte. Gutenzell musste ebenso wie Heggbach und Baindt je 5 Fußsoldaten stellen. Der Eintrag in die Matrikel wurde immer auch als Indiz für die Reichsunmittelbarkeit angesehen.

Nachdem die Kirche 1390 nach dem Blitzschlag wieder aufgebaut worden war, wurde sie auch mit pfarrlichen Rechten versehen. Ein Kaplan war auch angestellt worden. 1471 machte  Kaplan Ströhlin  eine Stiftung von 900 Gulden mit der Bedingung, dass außerhalb der Kirche ein Haus für einen Laienpriester und Kaplan gebaut wurde.

1522 kam bei einem Brand das Konventsgebäude zu Schaden. Um den Wiederaufbau zu finanzieren musste das Kloster das Dorf Steinberg wieder verkaufen, das es erst 1503 von der Ulmer Familie Rembold gekauft hatte.

Nachdem die Truppen des Schwäbischen Bundes ihren Kriegszug gegen Herzog Ulrich im März 1525 beendet hatten, trafen die ersten Reiter in Oberschwaben ein. Es gab Überfälle auf Dörfer, über die sich der Baltringer Haufe am 25. März mit einem Schreiben beschwerte. Die Lage eskalierte. Am 26. März stürmten die Bauern das Schloss des Salemer Abtes in Schemmerberg. In den folgenden Tagen wurde das Schloss Laupheim geplündert. Die Klöster Wiblingen, Ochsenhausen, Marchtal, Heggbach und Gutenzell wurden zum Anschluss an den Haufen  genötigt. Gutenzell wurde auch geplündert. Dass es in Ochsenhausen und Heggbach keine Plünderungen gab, ist in Ochsenhausen wohl der 1502 zwischen Abt und Bauern nach Bauernunruhen im Klosterterritorium geschlossenen Vereinbarung und in Heggbach der besonnenen Haltung des Klosteruntertanen von Heggbach und Führer des Baltringer Haufens Ulrich Schmid von Sulmingen zu verdanken.

Ab 1521 drang in die Reichsstadt Biberach die Reformation ein. 1529 hatte sie sich praktisch durchgesetzt. Die Mehrheit des katholischen Rates wurde verdrängt und Biberach war eine protestantische Stadt. An Mariä Himmelfahrt 1525 wollten Biberacher Bürger in Gutenzell die Reformation einführen, dies allerdings ohne Erfolg.

Zwischen 1500 und 1539 beteiligte sich die Abtei ebenso wie Baindt und Heggbach

an der Reichsprälatenkammer.1562 trat sie ihr bei, war aber meist durch den Salemer Abt vertreten. Sitz und Stimme im Schwäbischen Reichskreis und in der Reichspälatenkammer gaben der Abtei Zugang zu Informationen und Netzwerken. Sie sah sich immer in sehr enger Beziehung zu Kaiser und Reich.

Die schwerste Zeit erlebte die Abtei im Dreißigjährigen Krieg. Schon 1621 setzte der Krieg dem Kloster so zu,  dass nur noch 10 Klosterfrauen im Kloster lebten. Während des Krieges wurde das Kloster mehrmals geplündert so 1631 und 1637.

1632 flüchtete der Konvent vor den herannahenden Schweden in die Steiermark. Diese verwüsteten das Kloster und setzten es in Brand.

1647 besetzten die Schweden das Kloster nochmals und zündeten bei ihrem Abzug die Kirche an. Brände und Plünderungen zerstörten Teile des Klosterarchivs. Am Ende des Krieges lebten noch drei Nonnen.

Das Kloster musste sich in Schulden stürzen und der Aufbau dauerte Jahrzehnte. Um den Wiederaufbau machte sich die Äbtissin Barbara Thum von Neuburg (1630-1663) verdient.

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Im Unterschied zu Heggbach stammten die Äbtissinnen aus dem Adel, zum Beispiel aus den Familien von Aichheim, Griesingen, Freyberg, Landenberg, Stotzingen, Donnersberg, Brunegg und von Gall.

Der oberste Verwaltungsbeamte des Klosters führte den Titel eines Hofmeisters. Ab 1521 nahm er im Auftrag der Äbtissin an den Sitzungen des Schwäbischen Kreises teil.

Von 1685 erhielt die Abtei von Österreich den Blutbann als Lehen bis 1717. 1742 übertrug Österreich die Blutgerichtsbarkeit an das Kloster Salem. Als ausführendes Organ für das Territorium der Abtei fungierte die Salemer Pflege Schemmerberg. Es gab nun allerdings Abstimmungsschwierigkeiten über hohe und niedere Gerichtsbarkeit. Auch die Abtei Heggbach hatte das Problem. Beide prozessierten vor dem Reichskammergericht.  1752 kündigte Abt Anselm Schwab die Paternaliät Salems auf. 1753 unterstellte sich Gutenzell im Einvernehmen mit dem Generalabt Trouvé der Abtei Kaisheim und verblieb in deren Paternaliät bis zur Säkularisation.

Die Gutenzeller Zisterzienserinnen übten kunsthandwerkliche Tätigkeiten aus, vor allem Paramentenstickerei. Beredtes Zeugnis dafür ist die Gutenzeller Barockkrippe

220px-Krippe_Gutenzellaber auch die Bekleidung und der Schmuck der Reliquien der Katakombeheiligen Justina und Christina in der Gutenzeller Kirche. 1698 gab es Gebetsbrüderschaften mit den Augustinern von Memmingen und 1701 mit den Benedikinern von Ochsenhausen. Wirtschaftlich hatte sich das Kloster soweit erholt, dass es zwischen 1755 und 1756 die Kirche nach Plänen von Dominikus Zimmermann barock umgestalten konnte. Äbtissin war Maria Alexandra Zimmermann (1759-1776), die Tochter von Dominikus Zimmermann. Die Umgestaltung der Klosterkirche war Bestandteil ihrer Aussteuer. Die Stuckaturen schuf Franz Xaver Feuchtmayer, auch das ein Bezug zur neuen Mutterabtei Kaisheim.

Ihre Nachfolgerin war Maria Justina von Erolzheim (1756-1803). Sie war die letzte Äbtissin von Gutenzell. Nach der Säkularisation von 1803 ging das Kloster an den Reichsgrafen Joseph August von Toerring. Das Kloster wurde als sogenanntes Aussterbekloster geführt, das heißt es durften keine Novizinnen mehr aufgenommen werden. Die ehemalige Äbtissin verstarb 1809, die letzte Nonne 1851. Der neue Eigentümer war nicht sehr glücklich mit seiner neuen Besitzung. Bauliche Tätigkeit, juristische Prozesse und die Folge der napoleonischen Kriege, Kontributionen und Einquartierungen hatten eine  verschuldeten Konvent hinterlassen. Dazu kamen noch die Nonnenpensionen, die noch weiterhin Kosten verursachten. 1806 kam das Gebiet an Württemberg. 1864 wurde das Konventsgebäude bis auf den Ostflügel abgerissen, der noch heute als Pfarrhaus und Forstamt dient. Erhalten geblieben ist auch die ehemalige Torwache.

Das Kloster war ein wichtiger Arbeit und- Auftraggeber für die Handwerker. Mit der Aufhebung des Klosters fiel er weg. Gutenzell verfiel zunächst mal in bittere Armut,

ein Problem, das eine ganze einstmals blühende Klosterlandschaft betraf.

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