Die Ulmertorstraßenkinder

das waren die Ulmertorstraßenkinder 52

Natürlich wohnten in einer größeren Straße wie der Ulmertorstraße  viele Kinder. Sie empfanden sich als zusammengehörige Gruppe,  die Kinder der Ulmertorstraße eben.  Da es relativ lange dauerte, bis die Ulmertorstraße nach dem Bombenangriff von 1945 wieder restlos bebaut war, war die Wohngegend auch sowas wie ein Abenteuerspielplatz. Ein wunderschöner Platz zum Spielen war das “Höfle” , das

Ulmertorstraße im Sonntagsstaat sich zwischen der Bürgerturmstraße und dem Taubengässle und der Ulmertorstraße und der Bahnhofstraße befand. In der Mitte des Platzes war ein großer Bombentrichter, der sich bei länger anhaltendem Regen in einen kleinen See verwandelte. Man konnte Bretter darauf werfen und ein bisschen darauf rumfahren. Ganz gruselig war das “Alte Arbeitsamt”, das als Ruine dastand. Man konnte in die dunklen Keller kriechen. Mit Kerzen konnte man an die Decken “schreiben”. Besonders beliebt waren gruselige Motive wie z. B. Totenköpfe. Ein ganz tolles Spiel war “Weiße Frau”, bei dem sich vor allem Bärbel hervortat. Das Taubengässle wurde gerne für “Ochs, Esel am Berg” genutzt. Ein Renner dort war auch “Teufel an der Kette” Am Hintergebäude der Taube wurde ein Seil angebracht, das zwischen der Mauer und dem Gartenzaun gegenüber einen schmalen Durchlass bot. Ein Kind hielt sich dort fest. Die anderen mussten von einer Seite der Gasse zur andern rennen, ohne von dem Kind am Seil, “dem Teufel an der Kette” erwischt zu werden.Ulmertorstraßenkinder

Dann gab natürlich auch Erwachsene in der Straße, die man liebend gerne ärgerte. Einer der bevorzugten war Franz Leichtle, der jeden Tag in  sein zerbombtes Haus ging. In den hinteren Teil konnte man noch hineingehen. Dort sass Herr Leichtle immer und las Zeitung. Die Ulmertorstraßenkinder hatten nichts besseres zu tun, als sich hinten ans Fenster zu stellen und die Zeitung laut mit zu lesen. Das ärgerte ihn immer tierisch und schon nach kurzer Zeit stürzte er wie von der Tarantel gebissen aus seinem Haus. Darauf hatten die Kinder nur gewartet und sie flüchteten sich schnellstens in den “Stadel”. Der war ja ebenfalls von Bomben zerstört. Auf der Rückseite war ein Loch in der Mauer und Kinder konnten dort praktisch mühelos durchkriechen. Herr Leichtle folgte den Kindern immer in den Stadel, diese waren aber längst wieder durch das Loch gekrochen , während Herr Leichtle noch wütend durch den Stadel irrte – sehr zur Freude der Kinder (und mancher Erwachsener, die das insgesamt gesehen harmlose Kindervergnügen mit Schmunzeln beobachteten).

Eine weitere beliebte Beschäftigung ergab sich in der Bahnhofstraße. Dort war das Spielwarengeschäft Smyk. Unterm Schaufenster waren so kleine Lüftungslöcher, durch die man mit Stangen stochern konnte und die Auslagen im Fenster umwerfen. Irgendwann hatte Herr Smyk dann genug von umgeworfenen Auslagen und die Löcher wurden verschlossen.  Es gab aber nicht nur “Ärgerzielscheiben” sondern auch das genaue Gegenteil, Herr Nothelfer zum Beispiel. Der hatte einen alten Opel. Da lud er immer einen Haufen Kinder rein und fuhr um den Block. Wenn es besonders hoch herging, fuhr er mit den Kindern am Kiosk am Bahnhof vorbei und jedes Kind bekam einen “Schlotzer”.

Kinder der Ulmertorstraße 56Wenn man nicht in der Straße blieb ging es gerne ins “Fohrhäldele”, auch dort konnte man herrlich spielen.

Bärbel hatte eine Kasperlepuppensammlung und unterhielt die Kinder oft bestens mit Kasperletheater.

Im Sommer stand natürlich das Schwimmbad auf dem Programm.Erich,Bernd,Butzi,Gerhard,Franz Mader

Was immer regelmäßig gemacht wurde, war am 1. Mai eine “Maientour” . Dabei spielte man gerne “fremd”, d.h., wenn irgendwelche Leute vorbeikamen unterhielt sich der ganze Kinderhaufen in voller Lautstärke und man redete wild durcheinander und gab sich größte Mühe so zu tun,  als sei man nicht aus der Gegend.

Natürlich spielte man auch “Indianerles” oder “Raibe- Bolle” (Räuber und Gendarm)

Bärbel und Erich

Auch war man dabei, wenn irgendwelche Ereignisse im Städtle anstanden, wie z. B. Zirkus oder natürlich das Schützenfest oder die Jahrmärkte. Am Martinimarkt gab es immer noch am Alten Postplatz und am Kapellenplatz einen Rummelplatz.

Willy Müller 1958 An Ostern verkaufte der Hildenbrand immer sein “Hasenblut” und im Sommer sein Eis. Dann gab es natürlich die täglichen Einkaufgelegenheiten beim Eisinger in der Bürgerturmstraße.

Aber man unternahm auch größere Ausflüge, zum Beispiel Radtouren an den Federsee.

In der leicht nostalgisch angehauchten Rückschau kann man sicher sagen,

dass die Kinder der Ulmertorstraße eine glückliche Kindheit erleben durften!

19.April 1962 Richard und Martin

Kommentare (2)

  1. der jong

    Finde diese Geschichten sehr amüsant. Kann mich aber nur noch an wenige erinnern.War wohl nicht oft bei solchen Streichen dabei.

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  2. Shrotty

    ah, schön, vielen dank für diese tollen Rückblicke.

    ich bin zwar eine Generation jünger, lese solche alten Geschichten sehr gerne.

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